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Archiv "PSYCHOPHARMAKA: Wenig dienlich" (23.11.1989)

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daher heute auch nicht mehr so leicht Südafrikabesucher, die die Verhältnisse verharm- losend darstellen. Die perfek- te Strategie der „Reform", der Beschönigung an der Oberfläche habe ich selbst kennengelernt.

Darum habe ich mich um Gesprächspartner bemüht, die die Situation im Lande kennen. Dies waren nicht nur dezidierte Apartheidsgegner wie die oppositionellen Ärzte der NAMDA (National Me- dical and Dental Associa- tion), deren täglicher Kampf um Demokratie und Men- schenrechte uns wahrlich be- schämt. Selbst ein Kollege der MASA (Medical Associa- tion of South Africa) vertei- digte die Probleme im Lande lang nicht so vollmundig, wie es viele deutsche Südafrika-

„Kenner” tun. Auch mein Gesprächspartner vom Inter- nationalen Roten Kreuz be- stätigte die gewollte und or- ganisierte Trennung in ein hervorragendes Gesundheits- system für Weiße und ein ka- tastrophal entwickeltes für Schwarze. Wie sehr dies auch in den Krankenhäusern — von Ausnahmen, zu denen inzwi- schen auch das Groote Schuur Hospital in Kapstadt gehört, abgesehen — nach wie vor die Regel ist, zeigen die Aktionen des sogenannten Mass Demokratie Movement (zu dem die NAMDA, leider nicht die MASA gehört) An- fang August, als Hunderte von Schwarzen „Whites on- ly"-Krankenhäuser in Trans- vaal und Natal zur Behand- lung aufsuchten. Eine Aktion, die vom Dekan der medizini- schen Fakultät der Universi- tät von Witwatersrand, Prof.

Clive Rosendorff, so kom- mentiert wurde: „Die Augen der Welt sind heute auf uns gerichtet, genau so wie sie es waren, als das erste schwarze Kind in eine weiße Schule in Georgia ging, der erste schwarze Student die Univer- sität von Mississippi besuchte, der erste schwarze Patient ein weißes Krankenhaus in Ala- bama betrat." (British Medi- cal Journal, Vol. 299, 12. Au- gust 1989).

Um eine emotionalisierte Diskussion zu versachlichen habe ich die Darstellung der Situation mit amtlichen Stati- stiken gewählt, die mir von zwei renommierten südafri- kanischen Professoren für Pädiatrie erläutert worden waren. Dies ist ein wissen- schaftlich probates methodo- logisches Vorgehen. Leider gehen meine Kritiker darauf nicht ein. Diese Zahlen und Schlußfolgerungen, die kürz- lich auch von der UNESCO veröffentlicht wurden, sind bitter. Sie werden durch ein paar — auch von mir gemachte

— positive Einzeldarstellun- gen nicht erträglicher.

Um die Schwierigkeiten, in einem Land mit jahrzehn- telanger Unterdrückung der Mehrheit Demokratie herzu- stellen, ist Südafrika wahrlich nicht zu beneiden. Wer je- doch den Schwarzen in Süd- afrika die Schuld für die Fol- geprobleme in die Schuhe zu schieben versucht (Stammes- bräuche, fehlende complian- ce, überkommende Produk- tions- und Lebensweisen!), macht es sich zu einfach.

Hilfe brauchen viele in Südafrika jetzt: die bei Raz- zien und Demonstrationen Verletzten, die Gefolterten und Gequälten und vor allem die Kinder. Der Beitrag, den Ärzte dazu leisten können, ist klein. Die viel zu späten und oberflächlichen Reformbe- mühungen aber hoch zu lo- ben — wie es die MASA, der Weltärztebund und viele Süd- afrika-„Kenner" hierzulande tun —, hilft in Südafrika nur denen, die sich mit verbalen Antiapartheidsbekundungen noch möglichst lange auf ih- ren unrechtmäßig erworbe- nen Privilegien ausruhen wol- len.

Auch die südafrikanischen Ärzte und ihre oft wohlmei- nenden deutschen Helfer werden um die Auseinander- setzung mit ihrer eigenen Ge- schichte nicht herumkom- men. Die Zahlen über die unterschiedlichen Sterblich- keiten für Weiße und Schwar- ze in Südafrika sprechen ei- ne deutliche Sprache. Ist da der Interpretationsspielraum

wirklich so groß? All den Kri- tikern meiner Ausführungen lasse ich abschließend noch- mal Prof. Rosendorff erwi- dern, was er auf einem Stu- dentenmeeting in Johannes- burg im August öffentlich sagte: „Lassen Sie uns mit Würde und Anstand unsere tief empfundene Opposition gegen Apartheid in allen Aspekten unseres Lebens zei- gen, besonders bei der Bereit- stellung von Gesundheitsein- richtungen. Die Welt soll wis- sen, daß wir Apartheidsmedi- zin ablehnen und daß wir ge- demütigt und beschämt dar- über sind, sie praktizieren zu müssen."

Dr. Ernst Girth, Städti- sche Kliniken Offenbach, Postfach 10 19 64, 6050 Of- fenbach

PSYCHOPHARMAKA Zu dem Beitrag „Verschrei- bung von Psychopharmaka im Kin- desalter" der Expertenkommission in Heft 28/29/1989 und dem Leser- brief „Behandlung unnötig er- schwert" von Prof. Martinius in Heft 43/1989:

Wenig dienlich

Zur Frage, ob Kindern zu- viele Psychopharmaka ver- ordnet werden, erfolgt in dem Artikel zunächst eine Auf- zählung der Indikationen für die unterschiedlichen Medi- kamente mit (unvollständi- gen) Angaben der Häufig- keiten der zugrundeliegenden Erkrankungen. Dem werden folgende Daten aus einer re- präsentativen Studie gegen- übergestellt: Gesamtzahl der Verschreibungen von Psycho- pharmaka in Abhängigkeit vom Lebensalter und (eben- falls wieder unvollständig) den Anteilen der einzelnen Medikamente.

Nun wird — für eine Ab- handlung mit wissenschaftli- chem Anspruch mit befremd- licher Polemik versehen — die Behauptung aufgestellt, sämt- liche Vermutungen, Kindern würden zuviele Psychophar- maka verordnet, seien unbe- gründet oder an den Haaren herbeigezogen. Eine solche

Schlußfolgerung ist jedoch nur dann statthaft, wenn zu den einzelnen Indikationen Vorstellungen über eine ver- nünftige Verschreibungspra- xis vorhanden sind.

Diese Vorstellungen sind jedoch der wesentliche Teil der beabsichtigten Stellung- nahme; sie müssen bei einer

„Expertenkommission" vor- handen sein, und sie müssen dem Leser mitgeteilt werden, damit dieser die Argumenta- tion nachvollziehen kann.

Denn dann kann auf die Ver- schreibungszahlen, die bei vernünftiger Verschreibungs- praxis zu erwarten sind, hoch- gerechnet werden. Diese kön- nen dann den beobachteten Verschreibungszahlen gegen- übergestellt werden.

Fatalerweise erweckt der Beitrag bei nur oberflächli- chem Überfliegen den Ein- druck, er würde tatsächlich der oben geforderten und skiz- zierten — einzig logischen —Ar- gumentationsweise folgen. In Wirklichkeit fehlen jedoch die entscheidenden Glieder der Argumentationskette (Stellungnahme zur vernünf- tigen Verschreibungspraxis bei den einzelnen Indikatio- nen, Berechnung von damit zu erwartenden Verschrei- bungszahlen); dafür werden Leute, die in dieser Frage an- dere Meinungen geäußert ha- ben, mit Formulierungen wie

„einfältig" und „lauthals aus- posaunen" belegt.

Es bleibt der Eindruck, die Experten wollten zwar den Verdacht einer inadäquaten Verschreibungspraxis von Psychopharmaka bei Kindern unbedingt zerstreuen, hätten aber als Mittel hierzu nur Po- lemik und die Unaufmerk- samkeit der Leser zur Verfü- gung . . . Solche Beiträge mit nur wissenschaftlichem An- strich sind der Erfüllung des (hoffentlich vorhandenen) Anspruches an das DÄ, sei- nen zahlreichen Lesern kon- krete und fundierte Informa- tionen zu praktisch relevan- ten Fragen zu liefern, wenig dienlich.

Dr. Gerhard Sünder, Zäh- ringer Straße 5, 7800 Frei-

bung ❑

A-3550 (10) Dt. Ärztebl. 86, Heft 47, 23. November 1989

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