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Archiv "Prävention übermässigen Alkoholkonsums: Der Deutschen liebste Droge" (06.08.2007)

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A2166 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 31–32⏐⏐6. August 2007

P O L I T I K

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ie kulturelle Einbettung der Droge Alkohol in das Leben der Deutschen scheint das größte Problem bei der Bekämpfung der Alkoholabhängigkeit zu sein. „Al- kohol ist der Deutschen liebste Dro- ge, Tröster bei allen Gelegenheiten, Kontaktanbahner, Begleiter und für viele leider auch Nahrungsmittel“, sagte Rolf Hüllinghorst, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), bei einem Fachgespräch der Bundes- tagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Alkoholpolitik Mitte Juni in Berlin. Neue Wege wollen die Grünen-Politiker zur Präventi- on des missbrauchenden Alkohol- konsums finden.

Gravierende Folgen

Rund zehn Liter reinen Alkohol trin- ken die Deutschen im Durchschnitt pro Kopf und Jahr – und das relativ konstant seit 1970. „Eindeutig zu viel“, betont Harald Terpe, Fach- sprecher der Grünen für Drogen und Sucht. 1,7 Millionen Menschen sind abhängig von Alkohol; 2,7 Millio- nen konsumieren gefährlich und 4,9 Millionen haben einen riskanten Al- koholkonsum*. Die Folgen sind gra- vierend: Jeder vierte Mann im Al- ter zwischen 35 und 65 Jahren stirbt an den Folgen von Alkoholkonsum.

An einer Leberzirrhose sterben im Zeitraum von fünf Jahren zwischen 40 und 80 Prozent der Betroffenen.

Bei chronischem Alkoholmissbrauch verkürzt sich die Lebenserwartung um 23 Jahre. 2 200 Säuglinge kom- men mit einem fetalen Alkoholsyn- drom zur Welt, denn Alkohol ist ein Zellgift. Alkoholkonsum ist ursäch- lich für viele Verkehrsunfälle und Unfälle am Arbeitsplatz. Zwischen

fünf und zehn Millionen Menschen sind als Angehörige mitbetroffen:

Ein Drittel der Kinder von Alkohol- abhängigen wird später selbst sucht- krank. Die Liste negativer Konse- quenzen lässt sich aufgrund der ent- hemmenden Wirkung von Alkohol fortsetzen: höhere Delinquenz, Kin- desmissbrauch und -vernachlässi- gung und Gewalt.

Fehlende Vorbilder

Der leichtfertige Umgang vieler Er- wachsener mit der Droge Alkohol hat Auswirkungen auf die Heran- wachsenen – in zunehmendem Maß, ermittelte eine aktuelle Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Besonders auffällig ist der Anstieg bei den 16- bis 17-jähri- gen Jungen. Deren durchschnittliche wöchentliche Trinkmenge lag 2004 bei 127 Gramm reinem Alkohol und 2007 bei 150 Gramm, das entspricht

etwa zwei Gläsern alkoholischer Ge- tränke täglich.

Maßnahmen zur Verhältnisprä- vention, das heißt die Umgebungs- bedingungen so zu verändern, dass sie den Konsum senken, sind hin- länglich bekannt. „Wir haben kein Erkenntnis- sondern ein Umset- zungsproblem“, sagt Hüllinghorst.

An erster Stelle stehe für ihn das po- litische Instrument der Erhöhung der Alkoholpreise durch Steuern.

Erst 2005 habe die Verteuerung durch die Alcopopssteuer bewirkt, dass der Konsum bei Jugendlichen deutlich sank.

Die Effektivität der einzelnen Maßnahmen hat eine Metaanalyse von Babor et al. 2005 im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (1) untersucht, aus der Dr. Hans-Jür- gen Rumpf, Psychotherapeut an der Universität Lübeck, referierte. Hö- here Preise durch Besteuerung sind demnach ein sehr wirksames Instru- ment: „Sie beeinflussen den Kon- sum von jungen Menschen, starken Trinkern und Armen“, sagte Rumpf.

Und auch die Flasche Wein, die im Supermarkt für 1,50 Euro zu haben ist, sei viel zu billig, argumentierte Rumpf pro Weinsteuer, die bei eini- gen am Fachgespräch Beteiligten auf „Unbehagen“ stieß.

Ebenso wirksam ist ein gesetz- liches Mindestalter, das in Deutsch- land bei 16 Jahren für den Verkauf von bier- und weinhaltigen Geträn- ken und bei 18 Jahren für Spi- rituosen liegt. Doch die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes werde zu wenig kontrolliert. „Bei angemes- sener Kontrolle würde der Konsum bei den Jugendlichen um 30 bis 40 Prozent zurückgehen“, verdeut- lichte Rumpf. Das durchschnittli- che Einstiegsalter in den Alkohol- konsum von 13,6 Jahren zeige, dass es für Jugendliche überhaupt kein Problem sei, Alkohol zu kaufen.

PRÄVENTION ÜBERMÄSSIGEN ALKOHOLKONSUMS

Der Deutschen liebste Droge

Die Folgen von riskantem Alkoholkonsum sind hinreichend bekannt. Ebenso die politischen Steuerungsinstrumente zur Prävention. Doch es hapert an deren Umsetzung.

* Gefährlicher Konsum: Frauen mehr als 40 g bis 80 g Reinalkohol pro Tag; Männer mehr als 60 g bis 120 g. Riskanter Konsum: Frauen mehr als 20 g bis 40 g; Männer mehr als 40 g bis 60 g. Individu- elle Schwankungen

Rund zehn Liter reinen Alkohol pro Kopf und Jahr kon- sumieren die Deut- schen im Durch- schnitt. An Leber- zirrhose sterben 40 bis 80 Prozent der chronischen Trinker.

Foto:Keystone

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 31–32⏐⏐6. August 2007 A2167

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Sehr wirksam nach Babor et al.

sind auch verschiedene Maßnahmen im Straßenverkehr: zufällige, nicht angekündigte Alkoholkontrollen, niedrige Blutalkoholkontrollgrenzen, der Führerscheinentzug bei Über- schreiten der Grenzen sowie die 0,0- Promille-Grenze für Fahranfänger.

Letztere wird gerade eingeführt, die ersten beiden Instrumente gibt es be- reits in Deutschland.

Moderat wirksam ist die Frühin- tervention von Hausärzten. Ebenso moderat wirken die Einschränkung der Ladenöffnungszeiten und der Verkaufsdichte. Nicht sehr effek- tiv sind hingegen Ausschankregeln, Werbeverbote oder die Kontrolle der Werbeinhalte. „Verhältnisprä- vention kann sehr wirksam sein“, resümiert Rumpf, „die Nutzung in Deutschland ist jedoch gering.“

Das Beispiel Frankreich zeige, wie wirksam politische Vorgaben sein können, berichtete Gabriele Barsch von der DHS. In Frankreich konnte der durchschnittliche Pro- Kopf-Konsum von 16,1 Liter reinem Alkohol im Jahr 1970 auf 9,3 Liter 2003 reduziert werden. Verantwort- lich dafür waren unter anderem Warnhinweise auf Spirituosen. Auch ein umfassendes Werbegesetz zeigte Erfolg: Es besagt unter anderem, dass sich Alkoholwerbung auf die Qualitäten des Produkts beziehen muss und nicht Erfolg in anderen Lebensbereichen suggerieren darf.

Finnland ist hingegen ein Nega- tivbeispiel. Mit dem Beitritt zur EU 1995 musste das Land seine restrikti- ven alkoholpolitischen Maßnahmen lockern. Nach dem Beitritt der balti- schen Staaten und einem massiven grenzüberschreitenden Handel senk- te Finnland die Steuern und die inlän- dischen Zölle. Der Konsum stieg von 4,3 Litern 1970 auf 7,9 Liter 2003.

Der Pro-Kopf-Konsum liegt zwar leicht unter dem EU-Durchschnitt von acht Litern. Doch weil die Trink- muster der Finnen sehr risikoreich sind, stieg die Zahl der Todesfälle aufgrund von Leberzirrhosen seit 1995 besonders stark an.

Petra Bühring

LITERATUR

1. Babor et al.: Alkohol – kein gewöhnliches Konsumgut. Forschung und Alkoholpolitik.

Hogrefe-Verlag 2005.

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änner klagen selten darüber, dass zu wenig geredet wird.

Dr. med. Andreas Köhler ist da eine Ausnahme, zumindest, wenn es um eine bessere Verzahnung von ambu- lanter und stationärer Versorgung geht. „Kliniker und niedergelassene Ärzte reden nicht miteinander“, stellte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung (KBV) unlängst fest. Daran ändere auch ein gesetzlich vorgege- bener Kooperationszwang nichts.

Die KBV verspricht sich mehr von strategischen Partnerschaften mit Krankenhausträgern wie der SRH- Kliniken GmbH. „Nach der Verein- barung mit den Sana-Kliniken haben wir nun einen zweiten Anbieter sta- tionärer Leistungen mit im Boot“, be- richtete Köhler Ende Juli. „Wenn wir

eine lückenlose Versorgung gewähr- leisten wollen, brauchen wir bundes- weit Kooperationen wie diese.“

Schwerpunkte der Zusammenar- beit sind unter anderem ein verbes- sertes Entlassmanagement, teilsta- tionäre und tagesklinische Behand- lungen, die Qualitätssicherung so- wie eine verbesserte Kommunikati- on zwischen niedergelassenen und Krankenhausärzten. Damit setze man die häufig angemahnte sek- torübergreifende Versorgung in die Praxis um, so Köhler.

Konkret soll beispielsweise der Entlassbrief innerhalb von zehn Ta- gen beim behandelnden nieder- gelassenen Arzt angekommen sein.

Darin werden zudem Medikamente nur mit ihrem Wirkstoff und nicht mit einem Handelsnamen aufge- führt. Das ist zwar längst gesetzlich vorgegeben, aber offenbar keines- falls die Regel, wie Köhler andeute- te: „Papier ist geduldig.“

Geplant ist zudem, Ärzten in der Weiterbildung zum Allgemeinmedi- ziner noch in der Klinik Informatio- nen für die spätere Niederlassung anzubieten, also Kurse in Abrech- nung, Praxisführung oder Quali- tätsmanagement für die Praxis. Die SRH-Kliniken wollen darüber hin- aus vier bis sechs Millionen Euro in ihre EDV investieren – auch damit niedergelassene Ärztinnen und Ärz- te direkt auf elektronische Fallakten im Krankenhaus zurückgreifen kön- nen. Die KV Thüringen kooperiert bereits auf regionaler Ebene mit dem Krankenhausbetreiber. „Dies diente als Blaupause für das Abkommen mit der KBV“, erklärte Karl Spind- ler, Vorsitzender der Geschäfts- führung der SRH-Kliniken.

Sabine Rieser

KBV KOOPERIERT MIT SRH KLINIKEN

Das Fernziel ist eine lückenlose Versorgung

Mehr Tempo beim Entlassbrief, abgestimmte Qualitäts- ziele, gemeinsamer Zugriff auf Daten – davon sollen Ärzte in Thüringen und Baden-Württemberg profitieren.

DIE PARTNER

Dem neuen Kooperationspart- ner der KBV, der SRH-Kliniken GmbH, gehören sieben Kranken- häuser mit 2 800 Betten in Baden- Württemberg und Thüringen. Mit 340 Millionen Euro Jahresumsatz und 5 000 Mitarbeitern zählt SRH zu den sechs größten privaten Kli- nikträgern in Deutschland.

Ein erstes Kooperationsab- kommen hat die KBV Ende 2005 mit den Sana-Kliniken geschlossen.

Es wurden ähnliche Absprachen ge- troffen wie mit SRH. Sana wird von 33 privaten Krankenversicherungen getragen. Das Unternehmen betreibt mehr als 30 eigene Kliniken und ist mit rund 25 Häusern durch Manage- mentverträge verbunden. Dazu kommen Pflegeheime und Dienst- leistungsgesellschaften. Rie

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