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Archiv "Knollenblätterpilz-Vergiftung Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen" (22.09.1988)

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(1)

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

ZUR FORTBILDUNG

Knollenblätterpilz-Vergiftung

Diagnostisches und

therapeutisches Vorgehen

Thomas Zilker

und Max von Clarmann

D

a Pilzvergiftungen im klinischen Alltag eher ein seltenes Ereignis sind, haben viele Ärzte bei der Diagnostik und Erstversorgung von Patienten mit Ingestion unbekannter oder nicht si- cher identifizierter Pilze ihre Mühe.

Wird ein Arzt in Klinik oder Praxis mit dem Problem einer echten oder fraglichen Pilzvergiftung konfron- tiert, so ist er geneigt, das Problem entweder zu verharmlosen oder aber an andere zu delegieren. Durch bei- de Verhaltensweisen entstehen er- hebliche Verzögerungen in einer ge- zielten Diagnostik und Therapie.

Die Regel der Medizin, daß der überwiegende Teil der Diagnose aufgrund der Anamnese und des Be- fundes gestellt werden kann und daß erst dann labor- und medizintechni- sche Untersuchungen diese Diagno- se untermauern, gilt bei der Knol- lenblätterpilzvergiftung in besonde- rem Maße.

Ist nach der Anamnese und der Befunderhebung jedoch noch keine sichere Diagnose zu stellen, so darf trotzdem mit der Therapie nicht ge- wartet werden, bis die Diagnose durch Laboruntersuchungen gesi- chert ist. Es gilt das Gesetz des

Toxikologische Abteilung (Leitender Arzt:

Professor Dr. med. Max von Clarmann) II.

Medizinische Klinik rechts der Isar der Technischen Universität München

Fünfundneunzig Prozent aller tödlichen Pilzvergiftungen gehen zu Lasten des Knollenblätterpilzes. Die Knollenblätterpilzvergiftung kann an der langen Latenz zwischen Pilzmahlzeit und dem Auftre- ten einer massiven gastroenteritischen Symptomatik erkannt wer- den. Sofortige therapeutische Maßnahmen müssen bei diesem kli- nischen Bild eingeleitet werden. Die toxikologische Pilzanalytik und die oft unzuverlässige Pilzanamnese dürfen erst in zweiter Li- nie zur Diagnose einer solchen Vergiftung herangezogen werden.

Abbildung 1: Grüner Knollenblätterpilz (Amanita phalloides), tödlich giftig. Mittelgroßer, gelb- bis olivgrüner Blätterpilz des Laub- und Mischwaldes, meist in Gruppen unter Ei- chen, seltener unter Buchen

Dt. Ärztebl. 85, Heft 38, 22. September 1988 (47) A-2591

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Grüner Knollenblätterpilz (Amanita phalloides):

Vorwiegend in Laubwäldern, unter Eichen und Kastanien, selten im Nadelwald unter Fichten.

Hut 4 bis 12 cm, halbkugelig konvex, graugrünlich-oliv bis oliv- bräunlich, Hutrand niemals gerieft, meist etwas heller.

Lamellen reinweiß, dichtstehend, am Stiel nicht angewachsen.

Stiel meist hell oder olivgrün genattert, lang und schlank Ring am Stiel meist oben angesetzt. An der Stielbasis eine Knolle mit den Resten der schalenartigen Velumhülle.

Verwechslungsmöglichkeiten — vor allem mit anderen grünen Pilzen:

Frauentäubling (Russula cyanoxantha):

In Laub- und Nadelwäldern, Hut — wenn ausgewachen — flach ge- wölbt, oft auch trichterförmig, in der Regel violett, gelegentlich grünlich bis grün-oliv. Lamellen weiß, etwas am Stiel herablau- fend. Stiel reinweiß, nach unten spitz zulaufend.

Gefederter Grüntäubling (Russula virescens):

Hut oben feldrig, typisch dunkelgrün spanfarbig. Lamellen weiß, freistehend, gelegentlich braunfleckig. Stiel weiß, spitz zulaufend, an der Basis braun.

Grünling (Tricholoma flavovirens):

In Nadel- und Laubwald. Hut gelbgrünlich, am Rand stark einge- bogen. Lamellen tief ausgebuchtet angewachsen, zitronengelb bis schwefelgelb.

Handelns, selbst auf die Gefahr hin, einen Patienten unnötigerweise the- rapiert zu haben.

Tabelle 1: Grüner Knollenblätterpilz und seine Verwechslungsmög- lichkeiten

Diagnose der Knollenblätterpilz- vergiftung

Das diagnostische Vorgehen bei Knollenblätterpilzvergiftungen stützt sich auf drei Säulen: Die Pilz- anamnese, das Pilzsyndrom und die Laboruntersuchungen.

Die Pilzanamnese

Bei der Pilzanamnese sollten zwei Fehler vermieden werden. Der erste Fehler ist, daß einfach von dem Pilz ausgegangen wird, den der Pa- tient oder Pilzsammler benennt. Der zweite Fehler ist, daß dem Patienten oder Pilzsammler sofort Pilzbücher vorgelegt werden. Statt dessen hat es sich bewährt, dem Patienten oder Pilzsammler einen Pilzfragebogen*) vorzulegen, oder, falls nicht vorhan- den, bestimmte Charakteristika des Pilzes wie Hutform, Sporenanlage, Form des Stieles, Farbe und Fundort abzufragen. Eine Knollenblätter- pilzvergiftung läßt sich anamnestisch nur dann ausschließen, wenn der Pa- tient sicher angeben kann, daß die Pilze nicht im Wald und nicht unter Bäumen gesammelt oder daß aus- schließlich Röhrenpilze genommen wurden. Besondere Vorsicht ist je- doch geboten, wenn der Patient an- gibt, grüne oder weiße Lamellenpil- ze gesammelt zu haben, da es sich dann um den grünen Knollenblätter- pilz oder um den spitzkegeligen Knollenblätterpilz handeln könnte (Tabellen 1 und 2 sowie Abbildun- gen 1 und 2). Im Spätherbst wird gelegentlich der amanitinhaltige Nadelholzhäubling mit dem eßba- ren Stockschwämmchen verwechselt (Tabelle 3 und Abbildung 3).

Das Pilzsyndrom

Die zweite und wichtigste Säule, auf der die Diagnose der Knollen-

*) Giftnotruf München

blätterpilzvergiftung beruht, ist die Symptomatik. Hierbei ist die La- tenzzeit zwischen Pilzmahlzeit und dem Auftreten der Symptome ent- scheidend. Rein schematisch läßt sich das Phalloides-Syndrom folgen- dermaßen einteilen:

1. Tag: Pilzgericht mit symptomfrei- er Latenz (7-24 Stunden)

2. Tag: Emesis, Diarrhoen, Koliken mit Dehydratation

3. Tag: Trügerische Remission der gastrointestinalen Symptomatik mit dem laborchemischen Nachweis ei- nes schweren Leberparenchymscha- dens

4. Tag: Blutungskomplikationen be- sonders des Gastrointestinaltraktes 5. Tag: Zunehmende hepatische En- zephalopathie

6. Tag: Nierenversagen 7. Tag: Exitus letalis.

In diesen schematischen Ablauf wird durch eine Vielzahl therapeuti- scher Maßnahmen modifizierend eingegriffen. Beim tödlichen Ver- lauf war es bisher nur möglich, den

Todeszeitpunkt etwas hinauszuzö- gern. So gelingt es in aller Regel, die Blutungskomplikationen zu beherr- schen, das Nierenversagen kann durch Hämodialyse überbrückt wer- den, und der Exitus letalis kann durch die Anwendung der moder- nen Kreislaufmittel hinausgezögert werden. Der Zeitpunkt, zu dem die hepatische Enzephalopathie bei be- ginnendem Leberzerfallskoma ein- tritt, ist nicht beeinflußbar. Sie kün- digt sich am 4. Tag an und schreitet am 5. Tag rasch fort. Tritt die hepa- tische Enzephalopathie in die Ko- mastufe IV oder V nach Lücking ein, so ist die Prognose infaust

Gelegentlich kann es schwierig sein, auf Grund des Pilzsyndromes eine Pilzunverträglichkeit oder ei- ne echte Nahrungsmittelvergiftung durch bakteriell oder viral kontami- nierte Pilze von der Knollenblätter- pilzvergiftung zu unterscheiden. So- wohl die Pilzunverträglichkeit als auch die Nahrungsmittelvergiftung durch Pilze können eine Latenzzeit A-2592 (48) Dt. Ärztebl. 85, Heft 38, 22. September 1988

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im Bereich > 7 Stunden aufweisen.

Eine Differenzierung zu der ech- ten Knollenblätterpilzvergiftung ist nur auf Grund der Ausprägung der Symptome möglich. Während die Knollenblätterpilzvergiftung durch häufiges Erbrechen und choleraarti- ge Durchfälle charakterisiert ist, wei- sen die Pilzunverträglichkeit oder die Nahrungsmittelvergiftung durch bak- teriell oder viral kontaminierte Pilze oft nur gelegentliches Erbrechen und vereinzelt Durchfälle auf.

Laboruntersuchungen Bei den Laboruntersuchungen muß man zwischen jenen Untersu- chungen unterscheiden, die fast in jeder Praxis und in jedem Kranken- haus durchzuführen sind, und jenen, die eher toxikologischen Labors vor- behalten sind. Zu den erstgenannten Untersuchungen gehören unspezifi- sche Tests wie die Bestimmung des Hämatokrits, des Hämoglobins, der Serumelektrolyte sowie Bestim- mung der Transaminasen, des Quick-Wertes und des Gesamtbili- rubins. Dabei ist allerdings zu be- achten, daß ein signifikanter Anstieg der Transaminasen und ein eindeuti- ger Abfall der Thromboplastinzeit nicht vor der 36. Stunde nach Pilzin- gestion zu erwarten sind.

Ein wichtiger Test, der jederzeit und überall durchzuführen ist, ist der Zeitungspapiertest nach Wie- land. Diese Methode besticht durch ihre Einfachheit und eignet sich zum qualitativen Nachweis von Toxinen in kleinen Mengen. Dabei wird so vorgegangen, daß ein kleines Stück des nicht ingestierten, aus Pilzputz- resten gewonnenen Pilzes auf dem unbedruckten Rand einer Tageszei- tung ausgepreßt wird. Man läßt den Fleck trocknen. Danach wird ein Tropfen einer 6-normalen Salzsäure so neben diesem Fleck aufgebracht, daß die Randschichten ineinander- fließen können. Es kommt zu ei- ner deutlichen Blauverfärbung der Randschicht, wenn im Pilzpressaft mehr als 0,02 mg a-Amanitin/ml (wesentliches Gift des Knollenblät- terpilzes) enthalten sind. Dieser Test ist ein gutes Diagnostikum. Zu den Laboruntersuchungen, die toxi-

Abbildung 2: Kegelhütiger Knollenblätter- pilz (Amanita verna), tödlich giftig. Wei- ßer, einzeln oder gruppenweise im Nadel- wald wachsender Blätterpilz, besonders häufig in Gebirgsgegenden

kologischen Laboratorien (die Adressen sind bei den Giftnotruf- zentralen zu erfahren) vorbehalten sind, zählen die Sporenanalyse und die Amatoxinbestimmung im Serum und im Urin. Sporen können aus drei Materialien gewonnen werden:

Den Pilzresten, durch Anreicherung im Erbrochenen oder der Magen- spülflüssigkeit sowie im Stuhl. Die Asservierung dieser Materialien ist deshalb von entscheidender Bedeu- tung. Sporen der Amanitaarten sind rund und hyalin Die Sporenmem- bran ist weißlich bis ockerfarbig. Da der Knollenblätterpilz makrosko- pisch oft von den Pilzsammlern mit den Champignonarten verwechselt wird, ist eine Unterscheidung der Champignonsporen von den Amani- tasporen essentiell. Die Champi- gnonsporen sind eher oval, ihre Far- be ist schwarz-braun, und sie lassen sich mit einem jodhaltigen Reagenz nicht anfärben.

Tabelle 2: Spitzkegeliger Knollenblätterpilz und seine Verwechslungs- möglichkeiten

Spitzkegeliger Knollenblätterpilz (Amanita virosa):

Häufig meist gruppenweise in Nadelwäldern, vor allem in höheren Lagen.

Hut jung eiförmig und völlig von der weißen, schalenartigen Au- ßenhülle umschlossen, später kegelig oder konvex, aber niemals flach oder trichterförmig, reinweiß, nur alt am Scheitel etwas bräunlich.

Lamellen weiß, dichtstehend, am Stiel nicht angewachen. Stiel weiß, ziemlich lang, grob, weißfleckig, Stielbasis von schalenartiger Scheide umgeben, in der die Knolle steckt.

Verwechslungsmöglichkeiten mit verschiedenen Champignonarten:

Wiesenchampignon (Agaricus campester)

Wächst nicht im Wald. Hutform und Hutfarbe können im jungen Zustand dem Knollenblätterpilz ähnlich sein.

III Waldchampignon (Agaricus sylvaticus):

Seine Farbe ist bräunlich.

Anisegerling (Agaricus abruptibulbus):

Im Wald vorkommend, unterscheidet sich vom Knollenblätterpilz durch seinen intensiven Anisgeruch und durch eine Gelbfärbung auf Druck.

Grundsätzlich besitzen alle Champignonarten anfangs rosafarbene, später schokoladenbraune Lamellen. Verwechslung nur, wenn sehr junge halbkugelige Pilze genommen werden, deren Lamellenfarbe noch nicht sicher abzuschätzen ist.

A-2594 (50) Dt. Ärztebl. 85, Heft 38, 22. September 1988

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Tabelle 3: Nadelholzhäubling und seine Verwechslungsmöglichkeiten

Nadelholzhäubling (Galerina marginata):

Meist büschelig an Nadelholzarten, auch an Stümpfen. Hut 2 bis 4 cm breit, jung glockig, konvex, später fast flach, honigbraun, am Rand gerieft.

Lamellen rostbraun, dünn, dichtstehend. Stiel lang und schlank, an der Spitze weiß gerieft. Geruch deutlich nach Mehl — im Unter- schied zum Stockschwämmchen.

Verwechslungsmöglichkeiten — leicht verwechselbar mit:

Stockschwämmchen (Kuehneromyces mutabilis):

Wächst auf Holzresten. Hut ist zimtbraun, bis 5 cm breit, zuerst konvex mit eingerolltem Rand, bald flach und meist stumpf gebuk- kelt. Stiel lang und verbogen, hohl, an der Spitze oft gerieft, ohne Mehlgeruch

Die klinisch-toxikologische Amatoxinbestimmung ließ sich bis- her mit zwei Bestimmungsmethoden durchführen. Die erste Bestim- mungsmethode nach Faulstich be- ruht auf einer Koppelung vom Ama- toxin-Antikörper an ein Nylonnetz.

Gebunden an diesen Antikörper be- findet sich ein mit Tritium markier- tes Amatoxin. Durch die Inkubation mit amatoxinhaltigem Urin wird das radioaktive Amatoxin von Antikör- per verdrängt. Die Menge des ver- drängten Amatoxin vom Nylonnetz ist proportional zur Amatoxinkon- zentration in der Probe.

Die zweite von Andres entwik- kelte Bestimmungsmethode, die auch die Messung im Serum erlaubt, beruht auf einem klassischen Radio- immunoassy, wobei hochtitrige An- tiseren dadurch hergestellt werden, daß als Antigen zur Immunisierung ein in seiner chemischen Struktur verändertes, untoxisch gemachtes Amatoxin verwendet wird. Bei der Beurteilung der Amatoxinspiegel im Blut und im Urin ist zu beachten, daß nur für einen relativ geringen Zeitraum das Gift im Serum und im Urin nachweisbar ist. Nach unserer Erfahrung kann die Amatoxinbe- stimmung im Urin bereits 20 Stun- den nach Giftaufnahme negativ aus- fallen und trotzdem eine schwere Vergiftung vorliegen.

In jüngster Zeit wurden auch mehrere HPLC-Methoden für die Amatoxinbestimmung vorgestellt.

(Vergl. z. B. Platt, D. et al.: Schnel- ler zu einem sicheren Befund bei Vergiftung durch Knollenblätterpil- ze, Dt. Arztebl. 84, Heft 8/1987).

Insgesamt liegen mit allen zur Ver- fügung stehenden Amatoxinbestim- mungsmethoden bisher zu wenig kli- nische Erfahrungen vor, um hiermit gewonnene Befunde ausreichend si- cher interpretieren zu können. Es ist daher dringend geboten, weitere Er- gebnisse zu sammeln.

Therapie der Knollenblät- terpilzvergiftung

Die Therapie der Knollenblät- terpilzvergiftung ist gekennzeichnet durch eine deutliche Polypragmasie.

In einer multizentrischen Studie, die

von Floersheim durchgeführt wurde, kommen bis zu 20 therapeutische, im Durchschnitt acht Maßnahmen zur Anwendung. Wir beschränken uns in der Regel auf die in Tabelle 4 aufgeführten Maßnahmen. Die wichtigsten Erstmaßnahmen sind ei- ne schnellstmögliche Magenspülung und der Ausgleich der schon aufge-

Abbildung 3: Gesäumter Häubling (Galeri- na marginata), tödlich giftig. Meist büsche- lig oder dichtrasig, fast nur an Nadelholz.

Im Aussehen einem kleinen Stock- schwämmchen ähnlich, mit Mehlgeruch Fotos aus: Pilze Kompaß von Edmund Garnweidner, Gräfe und Unzer Verlag, München

tretenen Flüssigkeits- und Elektro- lytverschiebungen. Von einer Ma- genspülung kann dann abgesehen werden, wenn durch das häufige Er- brechen offensichtlich eine vollstän- dige Magenentleerung vorliegt. Be- sonders wichtig ist die Magenspü- lung von noch asymptomatischen Patienten, die von derselben Pilz- mahlzeit gegessen haben. Die fort- gesetzte Gabe von Kohle kann mit- helfen, den enterohepatischen Kreis- lauf des Giftes zu unterbrechen.

Als weitere Maßnahme mit der- selben Zielsetzung bietet sich nach Abschluß der gastroenteritischen Phase das Legen einer Duodenal- sonde an, so daß der Duodenalsaft kontinuierlich abgesaugt werden kann. Zur Entfernung aus dem se- kundären Giftweg stehen die Hämo- dialyse und Hämoperfusion zur Ver- fügung. Beide Methoden sind zur Amatoxinentfernung aus dem Se- rum prinzipiell effektiv und sollten in Kombination verwendet werden, zumal mit der Hämodialyse auch ein rascher Ausgleich der Elektrolytstö- rung erfolgen kann Die Wirksam- keit dieser Methode ist dadurch ein- geschränkt, daß auf Grund der lan- gen Latenzzeit erst oft spät damit begonnen werden kann und daß zu diesem Zeitpunkt im zirkulierenden Blut nur noch sehr geringe Amato- xinmengen vorhanden sind. Sinnvoll erscheint eine Hämodialyse-Hämo- perfusionsbehandlung jedoch nur in- nerhalb der ersten 24 Stunden nach Giftaufnahme.

A-2596 (52) Dt. Ärztebl. 85, Heft 38, 22. September 1988

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Medikation Dosis Wirkung

4. Duodenalsonde Unterbrechnung des

enterohepatischen Kreislaufs

Darmsterilisation, Verminderung von Enterotoxinen 6. Humatin 6 x 1 g/die

über Sonde Tabelle 4: Wichtigste

Syndrom

therapeutische Maßnahmen beim Phalloides-

20 mg/kg KG/24h i. v.

4 Tage lang ab Auf- nahme

verhindert Aufnah- me in Leberzelle 1. Silibinin

1 Mill/kg KG/24h i. v.

Tag

1/2 Mill/kg KG/24h am 2. Tag

1/2 Mill/kg KG/24h am 3. Tag

verhindert Aufnah- me in Leberzelle 2. Penicillin G

3. 50% Glukose + Elyte + Insulin- perfusion

2 1/die i. v.

n. B. i. v.

etwa 2-6 IE Insulin/h über Perfusor i. v. , je nach BZ

soll Leberregenera- tion fördern

5. Kohle + Bifiteral 4stündlich über Sonde Gifteliminierung + Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufs

7. Pirenzepin

8. Thioctacid

9. Hämoperfusion

10. AT III Heparin FFP

2 x 10 mg/die i. v.

6 x 50 mg/die i. v.

4-6 h mit 50-70 ml

*Gesamtdurchfluß bis zu 24 h nach

Giftaufnahme 8 x 500 IE i. v./die 250 E/h

4 x 250 ml/die

Ulkus- und

Blutungsprophylaxe Synthesestimulation (?)

Giftabsorption an Kohle ist gut

Behandlung der Ge- rinnungsstörung und Verbrauchskoagulo- pathie

Als weitere therapeutische Möglichkeit bietet sich eine forcierte Diurese an, weil die Amatoxine in hoher Konzentration im Urin er- scheinen. Da zum Beginn des Krankheitsverlaufes aber eine schwere Dehydratation vorliegt, ist eine forcierte Diurese anfangs nur schwer in Gang zu setzen. Im weite- ren Verlauf ist die forcierte Diurese durch das Auftreten eines akuten Nierenversagens limitiert.

Zu dem Versuch einer Antidot- Therapie gehört der Einsatz von Sili- binin und Penicillin G. Beide Sub- stanzen sollen die Aufnahme des Giftes in die Leberzelle verhindern.

Beide Substanzen können damit nur gegenüber jenem Giftanteil wirksam werden, der zu Beginn der Therapie noch nicht an den Leberzellkern ge- bunden ist. Als unterstützende Anti- dot-Therapie kann die Gabe hoch- prozentiger Glukose in Kombina- tion mit Insulin angesehen werden.

In Leberzellkulturen fördert diese Kombination das Zellwachstum.

Auch dem Einsatz von Thioctsäure wird eine unterstützende Wirkung auf die Leberzeliregeneration zuge- schrieben. Thioctacid unterstützt die Synthese von Coenzym A und regt den Zitronensäurezyklus in der Zel- le an. Auch soll es Enzyme der bio- logischen Atmung in den Mitochon- drien aktivieren.

Zur Verhinderung von Streßul- zera setzen wir Pirenzepin ein, das die Säuresekretion des Magens her- absetzt. Die weitere Therapie be- steht in der intravenösen Gabe von ausreichend Flüssigkeit in Form von Elektrolytlösungen, der oralen Ver- abreichung von Paromomycin zur Darmsterilisierung und damit zur Verringerung der Einschwemmung von Endotoxinen.

Die Therapie der hepatischen Koagulopathie erstreckt sich auf die ausreichende Gabe von fresh frozen Plasma und AT III in Kombination mit einer niedrig dosierten Heparini- sierung.

Das Ziel der Therapie besteht darin, einem kleinen Teil von Pa- tienten, die noch nicht die absolut tödliche Giftmenge aufgenommen haben, ein Überleben zu ermög- lichen. Da zum Zeitpunkt des The- rapiebeginns keine sichere Unter-

scheidung zwischen den Patienten, die ohne Therapie überleben wür- den und jenen, die ohnehin keine gute Prognose mehr haben, möglich ist, muß für die wenigen Vergiftun- gen, die therapeutisch beeinflußbar sind, bei allen Vergifteten alles un- ternommen werden.

Literatur beim Verfasser

Anschrift der Verfasser:

Prof. Dr. med. Thomas Zilker Prof. Dr. med. Max von Clarmann Toxikologische Abteilung der II. Medizinischen Klinik rechts der Isar der

Technischen Universität München Ismaninger Straße 22

8000 München 80

Dt. Ärztebl. 85, Heft 38, 22. September 1988 (55) A-2597

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