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Archiv "Gesundheits-Strukturgesetz: Koalition und Opposition legen gemeinsam neue Eckpunkte vor" (23.10.1992)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Regierungskoalition und SPD-Opposition haben sich geeinigt.

Seit der parteienübergreifenden Klausurtagung in Lahnstein gelten neue Eckpunkte für das Gesundheits-Strukturgesetz, die zum Teil weit über die bisherigen Regelungen des Regierungs- entwurfs hinausgehen. Die Arzteschaft reagierte mit Unver- ständnis und harter Kritik auf den Lahnsteiner Kompromiß. Der folgende Bericht greift die ersten Reaktionen auf und gibt einen Großteil der für die Arzteschaft relevanten Vereinbarungen im Wortlaut wieder. Die Dokumentation der Eckpunkte wird in der nächsten Ausgabe des Deutschen Ärzteblatts fortgesetzt.

D

er „Burgfrieden" mit Bun- desgesundheitsminister Horst Seehofer scheint schon wieder vorüber. Die neuen Eckwerte zum Gesundheits-Strukturgesetz, vorgelegt nach einer Klausurtagung der Regierungskoalition und der SPD in Lahnstein, werden nach Auf- fassung der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung zu einer „erheblichen Verschärfung der Auseinanderset- zung zwischen der Politik und der Ärzteschaft führen". Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. med.

Karsten Vilmar, will gar einen Gang vor das Bundesverfassungsgericht nicht mehr ausschließen.

Als auf dem ersten bundeswei- ten Kassenärztetag am 9. September dieses Jahres in Bonn und dem Au- ßerordentlichen Deutschen Ärztetag einen Tag darauf in Köln sich jeweils eine deutliche Mehrheit der dort versammelten Ärzte für eine kon- struktive Mitarbeit an Seehofers Ge- setzesvorhaben aussprach, waren da- mit konkrete Hoffnungen verbun- den. Ärztlicher Sachverstand und ärztliche Positionen sollten bei den Politikern Gehör finden und in das weitere Gesetzgebungsverfahren einfließen. Nach Lage der Dinge ha- ben diese Hoffnungen offenbar ge- trogen.

Die Gespräche mit Vertretern der Ärzteschaft, heißt es in einer Er- klärung der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung zu dem Lahnsteiner Kompromiß, seien zwar konstruktiv verlaufen und hätten insofern auch zu der Erwartung geführt, daß we- sentliche ärztliche Anliegen berück- sichtigt werden würden. Tatsächlich aber laufe die Einigung mit der SPD auf völlig andere Ergebnisse hinaus Dies betreffe unter anderem

Gesundheits-Strukturgesetz

Koalition und Opposition legen gemeinsam neue

Eckpunkte vor

• die angestrebte Förderung des ambulanten Operierens, die nach den jetzigen Gesetzesplänen zur Verlagerung ambulanter Operatio- nen in die Krankenhäuser führen werde,

• die Vorgabe gesetzlicher Ver- pflichtungen zur Neugestaltung der kassenärztlichen Gebührenordnun- gen anstelle des geforderten Hand- lungsspielraums der Selbstverwal- tung für strukturverbessernde Ver- gütungsregelungen,

• die offenbar nicht berücksich- tigte Forderung nach Auflockerung der geplanten Budgetierungen zu- gunsten der Prävention und der För- derung hausärztlicher Tätigkeit.

Keine Rücksicht auf die neuen Länder

Besonders bestürzt zeigt sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung über eine Aussage Seehofers zu den neuen Bundesländern. Der Minister

behaupte, so die KBV, daß die be- sondere Situation der Kassenärzte in den neuen Ländern berücksichtigt worden sei. Das neue Eckpunkte-Pa- pier enthalte aber — anders als bei den Krankenhäusern — keine er- kennbaren Sonderregelungen.

Im Gegenteil: Neu ist, daß Po- likliniken und Krankenhausfacham- bulanzen nunmehr unbefristet zur kassenärztlichen Versorgung zuge- lassen werden sollen. Dadurch wer- de das Vertrauen der Kassenärzte in den neuen Bundesländern in die im Einigungsvertrag zugesagte Förde- rung der Niederlassung zerstört.

„So", kommentiert der KBV-Vorsit- zende Dr. med. Ulrich Oesingmann die neuen Fakten, „kann man mit den Ärzten in den neuen Bundeslän- dern nicht umgehen, die unter schwierigsten Bedingungen ohne In- anspruchnahme öffentlicher Mittel ihre berufliche Existenz neu aufge- baut haben."

Ausgehend von den neuen Eck- punkten muß die KBV ferner be- fürchten, daß Seehofer nach wie vor das Jahr 1991 als Ausgangsbasis für die Berechnung des Budgets für die kassenärztliche Gesamtvergütung nehmen will, während er in anderen Leistungsbereichen offensichtlich nachgebessert hat. Ob darüber aber schon das letzte Wort gesprochen ist, läßt sich gegenwärtig noch nicht mit Sicherheit sagen.

Das neue Eckpunkte-Papier ins- gesamt führt nach Auffassung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung das bundesdeutsche Gesundheitswe- sen noch einen guten Schritt weiter in Richtung einer „Staatsmedizin"

als die bisherige Vorlage. Dagegen will die KBV in den kommenden Wochen ausführlich und detailliert Stellung beziehen.

Negative Auswirkungen des Lahnsteiner Kompromisses mit der SPD sieht der Präsident der Bundes- ärztekammer, Dr. Karsten Vilmar, nicht nur für die Ärzteschaft, son- dern auch für die Patienten. Die ge- planten Einsparungen von rund elf Milliarden Mark seien nämlich nur dann möglich, „wenn man den Pa- tienten Leistungen in dieser Größen- ordnung vorenthält."

Vilmar kritisierte vor allem die geplanten Zulassungssperren für Dt. Ärztebl. 89, Heft 43, 23. Oktober 1992 (21) A1-3529

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niederlassungswillige Ärzte, die in ihrer Konsequenz einem Berufsver- bot gleichkämen In diesem Zusam- menhang hält der Präsident der Bun- desärztekammer die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts durch die Ärzteschaft für möglich.

Kritik und Widerspruch ernte- ten die Lahnsteiner Beschlüsse un-

Verzahnung der ambulanten und der stationären Versorgung

Ambulante und stationäre Be- handlung werden besser verzahnt.

a. Vor- und nachstationäre Behandlung

Die Krankenhäuser erhalten die Möglichkeit, zur stationären Behand- lung eingewiesene Patienten zeitlich befristet auch ohne Unterkunft und Pflege zu behandeln, um sie auf die vollstationäre Behandlung vorzube- reiten oder deren Erforderlichkeit zu klären (vorstationäre Behandlung) oder im Anschluß an eine vollstatio- näre Krankenhausbehandlung zum frühestmöglichen Zeitpunkt aus dem Krankenhaus zu entlassen und den Behandlungserfolg zu sichern (nach- stationäre Behandlung).

Eine bundesgesetzliche Rah- menregelung wird mit folgenden Grundsätzen geschaffen:

—Die vorstationäre Behandlung erstreckt sich auf längstens drei Be- handlungstage innerhalb von fünf Tagen. Die nachstationäre Behand- lung darf sieben Behandlungstage nicht überschreiten.

—Die erforderlichen Informa- tionen werden zwischen dem einwei- senden Arzt und dem Krankenhaus ausgetauscht. Insbesondere unter- richtet das Krankenhaus den einwei- senden Arzt über die vor- und nach- stationäre Behandlung.

—Die Vergütung der Leistun- gen wird auf Landesebene von den Krankenkassen und der Landeskran- kenhausgesellschaft im Benehmen

terdessen auch von zahlreichen Ver- bänden und Gruppierungen des Ge- sundheitswesens. Ein Schwerpunkt der Stellungnahmen liegt dabei auf dem schon für 1993 vorgesehene Ri- sikostrukturausgleich zwischen allen Kassenarten. Näheres dazu berichtet das Deutsche Ärzteblatt in seiner nächsten Ausgabe. JM

mit der Kassenärztlichen Vereini- gung vereinbart. Sie soll pauschaliert werden und so gestaltet sein, daß ei- ne Verminderung der stationären Kosten erreicht wird. Kommt eine Vereinbarung über die Vergütung nicht zustande, entscheidet die Schiedsstelle.

—Die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft können im Benehmen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Empfehlungen zur Vergütung geben, die eine sofor- tige Einführung ermöglichen.

—Das Budget für die Jahre 1993 bis 1995 bleibt unverändert. Wäh- rend dieses Zeitraumes wird der Er- lös aus der vor- und nachstationären Behandlung auf das Krankenhaus- budget angerechnet. Ersparnisse verbleiben beim Krankenhaus.

Die Ausfüllung oder Erweiterung der bundesgesetzlichen Rahmenre- gelung erfolgt auf Landesebene durch die gemeinsame Selbstverwaltung.

b. Ambulantes Operieren

Die Möglichkeit des ambulanten Operierens in Krankenhaus und Arztpraxis wird ausgebaut.

—Die Deutsche Krankenhaus- gesellschaft, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzen- verbände der Krankenkassen verein- baren in einem dreiseitigen Vertrag:

• einen Katalog ambulant durchführbarer Operationen,

• einheitliche Vergütungssätze für ambulante Operationsleistungen in Kassenarztpraxis und Kranken- haus sowie

• Maßnahmen zur Qualitätssi- cherung.

—Die Krankenhäuser sind auf der Grundlage des gemeinsamen OP-Kataloges zum ambulanten Ope- rieren zugelassen.

—Kommt bis zum 31. März 1993 ein Vertrag nicht zustande, erfolgt eine Regelung durch Rechtsverord- nung der Bundesregierung mit Zu- stimmung des Bundesrates. Die Bun- desregierung leitet die Rechtsver- ordnung dem Bundesrat bis zum 30. 6. 1993 zu. Bis zum Inkrafttreten einer derartigen Regelung sind die Krankenhäuser auf der Grundlage des geltenden EBM längstens bis zum 31. 12. 1994 zum ambulanten Operieren zugelassen.

—Die genannten Spitzenverbän- de können darüber hinaus einen ge- meinsamen Honorartopf schaffen, der zu gleichen Teilen durch Mittel aus dem kassenärztlichen Gesamt- budget und Mittel aus den Budgets der Krankenhäuser (soweit operativ tätig) finanziert wird.

—Unabhängig vom Abschluß ei- nes dreiseitigen Vertrages oder Erlaß einer Rechtsverordnung können Krankenhäuser Operationen teilsta- tionär durchführen. Hierfür sollen Krankenkassen und Krankenhäuser leistungsgerechte Vergütungen ver- einbaren, die dem Ziel Rechnung tra- gen, Patienten möglichst teilstationär

— und nicht mehr vollstationär — zu behandeln. Die Erlöse der Kranken- häuser aus diesen Operationen von 1993 bis 1995 werden auf das Kran- kenhausbudget angerechnet.

—Die finanziellen Mittel zur Durchführung ambulanter Operatio- nen durch Kassenärzte werden in ein eigenständiges kassenärztliches Bud- get eingebracht. Die Höhe der Mittel entspricht zunächst den insgesamt im Jahre 1991 hierfür angefallenen Vergütungen. Die Vergütung wird 1992 entsprechend der Grundlohn- entwicklung erhöht. Von 1993 bis 1995 wird das Budget um jährlich 10 v. H. erhöht.

Kostenerstattung an das Krankenhaus aus privat- ärztlicher Liquidation/Ge- bührenminderung

■Ir.

Für die Neuregelung der Ko- stenerstattung an das Krankenhaus

Eckpunkte für den Entwurf eines Gesundheits-Strukturgesetzes

A1-3530 (22) Dt. Ärztebl. 89, Heft 43, 23. Oktober 1992

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