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Archiv "Gesundheits-Strukturgesetz: Die KBV fordert mehr Spielraum für Prävention und Innovation" (13.11.1992)

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Die KM/ fordert mehr Spielraum für Prävention und Innovation

1■11■1■m- - Asam-

Wenn von präventiven und innovativen ärztlichen Leistungen in der ambulanten Versorgung die Rede ist, ernten die ICassenärzte viel Lob und Anerkennung. Gerade auf diesem gesundheitspoli- tisch wichtigen Sektor droht nun ein herber Rückschlag: Auch der neue Entwurf zum Seehofer-Gesetz sieht unverändert die Einbe- ziehung der Prävention in das starre dreijährige Ausgabenbudget vor. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung fordert hingegen den notwendigen Spielraum zur Weiterentwicldung der Prävention.

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KURZBERICHT

Man denke nur daran, daß eine Positivlisten-Kommission im Jahre 1960 Contergan allein deswegen hät- te empfehlen müssen, weil es nach damaliger wissenschaftlicher Er- kenntnis das therapeutisch nützlich- ste und ungiftigste Arzneimittel ge- gen Schlafstörungen war. Wie hoch wäre bei dieser Sachlage die Quote an Dysmelien gewesen, wenn man nicht systematisch die Folgen der Anwendung von Contergan hätte be- obachten können?

Übrigens stellt die Positivliste die Ärzte nicht von dem Vorwurf frei, sie würden zu viele Arzneimittel verordnen. Die verordnete Menge wird nämlich durch die Positivliste eher gesteigert, weil Kombinations- präparate beim Zugang auf die Posi- tivliste eher behindert werden.

Dies bedeutet für die Kassenärz- te, daß sie durch die Forderung des Ärztetages und der SPD nach Posi- tivlisten einerseits um einen Teil ih- rer Therapiefreiheit gebracht wer- den, andererseits aber keine Erleich- terung bei der kassenärztlichen Wirtschaftlichkeitskontrolle erfah- ren. Für den Patienten bedeutet die Positivliste, daß er manche Medika- mente mit schwachem Wirksam- keitsnachweis, mit milder Wirkung oder auch mit fehlender Akzeptanz in Fachkreisen künftig selbst bezah- len muß, auch wenn diese sich hoher subjektiver Akzeptanz erfreuen. Die Patienten werden in den Sprechzim- mern bohrende Fragen stellen, zu- mal sie künftig eine höhere Selbstbe- teiligung leisten müssen.

Das Arzneimittel wird ein Kon- fliktstoff bleiben! Hierfür sorgen al- lein die Verschärfung bei der Fest- setzung der Festbeträge sowie eine Auseinandersetzung um den Aufbau eines flächendeckenden Arzneimit- tel-Monitoring-Systems. Der Präsi- dent der Berliner Ärztekammer, Dr.med. Ellis Huber, hat dieses Mo- nitoring-System im Zusammenhang mit der Positivliste wiederholt öf- fentlich gefordert und dabei zugleich den notwendigen Zusanunenhang zwischen beidem beteuert. Nun ha- ben wir demnächst die Positivliste im Gesetz, aber ohne das Sicherheits- netz. Dies ist ein Skandal!

Dr. med. Klaus-Dieter Kossow

Gesundheits-Strukturgesetz

Vorsorge und Früherkennung stehen in der gesundheitspolitischen Diskussion hoch im Kurs. Nicht sel- ten verweisen deshalb die Politiker auf das entsprechende Angebot der gesetzlichen Krankenversicherung.

Auch die Kassen selbst sehen in der Prävention ein Aufgabe von heraus- ragender Bedeutung. Und doch deu- tet derzeit alles darauf hin, daß die erfreuliche Entwicklung auf diesem Sektor vorerst nicht weitergefiihrt werden kann. Die Prävention, bisher bewußt und zielstrebig gefördert, soll zumindest für die nächsten drei Jah- re in dasselbe starre Ausgabenbud- get gepreßt werden wie die übrigen ärztlichen Leistungen.

Wenn es bei dieser Marschrich- tung bleiben sollte, droht der ambu- lanten ärztlichen Versorgung eine geradezu paradoxe Situation. Jahre- lang zielten die Anstrengungen dar- auf, die Bevölkerung zur Teilnahme an Vorsorge- und Früherkennungs- maßnahmen zu motivieren. Das ist in zunehmendem Maße gelungen. Zu- gleich machte die Präventivmedizin deutliche Fortschritte. Neue Lei- stungen stehen unmittelbar vor der Einführung in die kassenärztliche Versorgung, so daß mit einer erneu- ten Steigerung der Inanspruchnah- me gerechnet werden kann.

Anstatt dieser (von allen Seiten gewollten) Entwicklung angemessen Rechnung zu tragen, werden die fi- nanziellen Mittel für Vorsorge und Prävention de facto zusammengestri- chen. Denn nichts anderes bedeutet

die Einbindung der Prävention üi das Gesamtausgabenbudget.

Für Dr. med. Ulrich Oesing- mann, den Vorsitzenden der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung, ist das eine gesundheitspolitische Unge- reimtheit ersten Ranges. In politi- schen Gesprächen und ausführlichen schriftlichen Stellungnahmen mach- te der KBV-Vorsitzende den Bun- desgesundheitsminister wiederholt auf diesen Umstand aufmerksam.

„Das kann nicht ernsthaft das Ziel einer auf Strukturverbesserung ge- richteten Gesundheitspolitik sein", hält Oesingmann dem Minister ent- gegen. Seine Forderung lautet: Mehr Spielraum für die Prävention!

Neue Leistungen in 1993

Dezidiert verweist der KBV- Vorsitzende in einem Brief an Horst Seehofer auf eine ganze Reihe von Präventionsleistungen, die im Jahr 1993 zur Einfiihrung in die kassen- ärztliche Versorgung anstehen. „Da- bei handelt es sich teilweise um inno- vative Leistungen, wie etwa die Du- plex-Sonographie des Feten oder die apparative Früherkennung von Hör- schäden bei Neugeborenen. Teilwei- se geht es jedoch auch darum, in der Krankheitsdiagnostik bereits seit längerem bekannte Verfahren nun- mehr in die generelle Früherken- nung einzubeziehen. Dies betrifft zum Beispiel das Mammographie- Screening zur Früherkennung des A1-3856 (24) Dt. Ärztebl. 89, Heft 46, 13. November 1992

(2)

Steigerung der Ersatzkassen-Ausgaben für die gesetzlichen Früherkennungs- leistungen im Vergleich der Quartale 1/92 und 1/91 vor dem Hintergrund

der GKV-Inanspruchnahmerate im Ausgangszeitraum

50

40

30

20

10

Leistungsbedarfs- steigerung 1/92 zu 1/91

(in %)

Ai Atommum BMW Krebsfrüh- erkennung Männer

Krebsfrüh- erkennung Frauen

Gesund- heitsunter-

suchung

Krankheits- früherkennung

Kinder

Mutter- schafts- vorsorge Anstieg der Grundlohnsumme

Ati11181101#11 MIM

Affintinffl

Ounlln. Kassenärztliche Bundesvereinigung

Brustkrebses, das sonographische Screening auf Hüftgelenksverren- kungen bei Neugeborenen und die Einführung einer dritten Ultraschall- untersuchung in der Schwanger- schaft."

Mit der Einführung dieser prä- ventivmedizinischen Leistungen sind ohne Zweifel zusätzliche Ausgaben verbunden. Oesingmann bittet den Bundesgesundheitsminister in die- sem Zusammenhang aber zu über- denken, „ob die Mehraufwendungen nicht im Interesse der Versicherten gerechtfertigt sind".

Gerade das Beispiel der Mam- mographie belege überdies die er- heblichen Vorleistungen der Kassen- ärzteschaft bei der Krankheitsfrüh- erkennung. So habe die Inanspruch- nahme dieser Untersuchungsmetho- de in den vergangenen drei Jahren stark zugenommen, was keineswegs der oft zitierten „Beliebigkeit der Medizin" anzulasten sei.

Vielmehr schlage sich hierbei die über zahlreiche Fernsehsendun- gen verbreitete Empfehlung nieder, daß alle Frauen spätestens im Alter ab 40 Jahren die Mammographie zur Früherkennung des Brustkrebses in Anspruch nehmen sollten. Der Wert der Mammographie für die frühzeiti- ge Erkennung der nach wie vor häu- figsten Krebsart bei Frauen sei zu- dem international unbestritten.

Die Folge: Immer mehr Frauen bedrängen ihren Arzt, radiologische Früherkennung durchzuführen, oh- ne daß diese Untersuchungsmethode offiziell als Früherkennungsleistung eingeführt ist. Der daraus resultie- rende Mehraufwand belief sich al- lein im Jahr 1991 auf rund 40 Millio- nen Mark — und ist ausschließlich von den Kassenärzten getragen wor- den.

Daß daneben auch die Einfüh- rung innovativer Leistungen außer- halb des präventiven Sektors finan- zielle Auswirkungen haben kann, die ebenfalls nicht mit einer Anbindung an die Entwicklung der Grundlohn- summe „erledigt" werden können, macht Oesingmann am Beispiel der extrakorporalen Cholesterin-Elimi- nation deutlich. Dieses Verfahren wurde erst Mitte der 80er Jahre in die Routineversorgung bei Patienten mit schwersten, anders nicht thera-

pierbaren Fettstoffwechselstörungen eingeführt. Im Jahr 1991 wurden auf diese Weise 450 Patienten behan- delt. Experten schätzen, daß es be- reits 1996 rund 2000 Patienten sein werden. Allein die Sachkosten für diese Behandlung betrügen dann et- wa 115 Millionen Mark und lägen damit umgerechnet bei mehr als 20 Prozent über der Grundlohnsum- mensteigerung. Das Arzthonorar und die Ausgaben für die notwendi- ge Arzneimitteltherapie sind dabei nicht eingerechnet.

Der Vorsitzende der Kassenärz- t 1 ichen Bundesvereinigung leitet daraus die Forderung ab, daß auch während der vorgesehenen dreijähri- gen Ausgabenbudgetierung für die Einführung neuer Leistungen zu- sätzliche Mittel zur Verfügung ge- stellt werden müssen. Andernfalls düften weder die Prävention noch die innovativen Leistungen im Sinne der Patienten hinreichend zum Zuge kommen

Tatsächlich sind auch im neue- sten Entwurf des Gesundheits-Struk- turgesetzes der ambulanten Versor- gung derart enge finanzielle Fesseln angelegt, daß nicht nur kein Spiel- raum verbleibt, sondern die Kassen- ärzte gleich doppelt bestraft werden.

Seehofer will das Ausgabenbudget für 1993 nach wie vor auf der Basis des Jahres 1991 berechnen. Damit bliebe die gesamte Entwicklung der Prävention — auch die höhere Inan- spruchnahme der von Norbert Blüm gesetzlich eingeführten Gesund- heitsuntersuchung (Check up) — un- berücksichtigt.

Einerseits fordert die Politik die Vorsorge und Prävention, anderer- seits, so stellt es sich dar, sollen al- lein die Kassenärzte dafür die Zeche zahlen. Doch da gibt es gleichfalls keinen Spielraum mehr. So erinnert Dr. Oesingmann den Bundesgesund- heitsminister daran, „daß die Ausga- ben für die ambulante ärztliche Ver- sorgung in den vergangenen zehn Jahren nahezu exakt auf der Höhe des Grundlohnzuwachses geblieben sind".

Überforderung der Kassenärzteschaft

Und weiter: „Dabei ist zu be- rücksichtigen, daß diese moderate Entwicklung möglich war, obwohl in demselben Zeitraum die Zahl der Kassenärzte um nahezu 30 Prozent zugenommen hat und die demogra- phischen Veränderungen sowie die medizinische Entwicklung eines gan- zen Jahrzehnts aufgefangen werden mußten."

Bleibt es nun bei der Absicht, die Ausgaben für die ambulante ärztliche Versorgung auf volle drei Jahre undifferenziert zu budgetie- ren, werden die Kassenärzte vollends überfordert. Seit Beginn der 80er Jahre ist ein kontinuierliches Absin- ken der kassenärztlichen Realein- kommen zu beobachten. Dieser Trend dürfte sich von 1993 bis 1995

verstärken — zumal die bisher aus-

gewerteten

Zahlen der Neuzulassun- gen für 1992 eine Rekordmarke ver- muten lassen. JM Dt. Ärztebl. 89, Heft 46, 13. November 1992 (25) A1-3857

Referenzen

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