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Archiv "Schweigepflicht: Leben vor Schweigen" (10.11.2000)

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Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 45½½½½10. November 2000 AA3007

B R I E F E

sibel hätte vorgehen müssen, ist durchaus leistbar, wenn auch sicher nicht immer er- folgreich. Er hätte dabei mein Mitgefühl gehabt, weil ich, bevor ich Referendar beim 8. Senat des OLG Frankfurt wurde, selbst über 20 Jahre Haus- und Familien- arzt war. Vielleicht hätte er auch tatsächlich bei rechtzei- tiger Offenbarung der Aids- Erkrankung den Partner als Patientin verloren. Die Be- sorgnis rechtfertigt jedoch keinesfalls den jahrelangen Pflichtverstoß gegenüber ei- ner Patientin, die sich ihm hausärztlich mit ihrer ganzen Familie anvertraut hatte.

Warum hat sich der beklagte Arzt erst nach dem Tode des Partners nicht mehr an seine ärztliche Schweigepflicht ge- bunden gefühlt und sich erst da auf seine hausärztliche Pflicht gegenüber seiner Pati- entin besonnen? Da das all- gemeine Persönlichkeitsrecht auch über den Tod hinaus gilt, bestand die Pflichtenkol- lision auch nach dem Tod des Partners unverändert weiter.

Leider kam der beklagte Arzt erst zu diesem späten Zeitpunkt zu der richtigen Entscheidung. Er hat deshalb ärztlich ethisch und juristisch gefehlt und kann von Glück sagen, dass ihn die fehlende Kausalität zumindest juri- stisch gerettet hat. Seine ethi- sche Fehlentscheidung muss er mit seinem Gewissen ab- machen. Im Ergebnis hat der 8. Senat des OLG Frankfurt deshalb nur an und für sich Selbstverständliches wieder einmal betont und klarge- stellt.

Dr. med. Lothar Schmitt-Homann, Lindenstraße 10, 65551 Limburg- Lindenholzhausen

Unerträglich

Mit Empörung habe ich das OLG-Urteil zur ärztlichen Schweigepflicht zur Kenntnis genommen. Die an uns Ärzte gerichteten juristischen An- forderungen sind offenbar kaum noch zu erfüllen. Dass sich ein Kollege, der in bester Absicht von seiner ärztlichen

Schweigepflicht Gebrauch macht, dem Vorwurf der

„rechtswidrigen und schuld- haften Verletzung von ärztli- chen Pflichten“ ausgesetzt sieht, ist unerträglich. Wie soll man als verantwortungs- bewusster Arzt prospektiv(!) erkennen können, in wel- chem Fall die ärztliche Schweigepflicht, deren Bruch strafbewehrt (§ 203 StGB) ist und auf deren Einhaltung Ärzte durch ihre Berufsord- nung auch über den Tod ihrer Patienten hinaus ver- pflichtet sind, zu brechen ist?

Im Vorhinein dürfte selbst ein vorsorglich konsultierter Jurist Schwierigkeiten haben, die im Urteil geforderte Gü- terabwägung in rechter Wei- se zu treffen. Da auch ober- gerichtliche Urteile natur- gemäß subjektiven Einschät- zungen unterliegen, wird rechtzeitiger juristischer Bei- stand ohnehin nicht weiter- helfen. Auf der Strecke bleibt letztlich das Vertrauensver- hältnis zwischen Arzt und Patient.

Dr. med. Peter Tönnies,Am Kotten 62, 58285 Gevelsberg

Leben vor Schweigen

. . . Deutlich ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Schweigepflicht gebrochen werden muss und nicht nur darf, wenn zwei Patienten betroffen sind, die gleichzei- tig derVerantwortung eines Arztes unterliegen und er in beiden Fällen für seine zwei Patienten verpflichtet ist, aufgrund seines hippokrati- schen Eides beide Leben zu schützen und zu retten.

Dabei wird abzuwägen sein, ob das Schweigen des Arztes für den ersten Patienten le- bensbedrohlich für den zwei- ten Patienten sein kann. Nur in diesen relativ seltenen Fäl- len gibt es eine Pflichtenkol- lision, die zum Bruch des Schweigens führen muss. Die Antwort ist leicht: Leben vor Schweigen. Reden tötet kei- nen Patienten. Schweigen kann einen Patienten töten.

Die strafrechtliche Norm aus dem rechtfertigenden Not-

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stand nach § 34 StGB durch- bricht die Strafbarkeit nach

§ 203 StGB. Die Garanten- pflichtfür den Arzt verpflich- tet zur Durchbrechung des

§ 203 StGB im rechtfertigen- den Notstand aus § 34 StGB.

Hedda Schmitter,Rechtsanwältin, Bismarckring 21, 65183 Wiesbaden

Drogen

Zu dem Beitrag „Eine andere Menta- lität“ von Boris Miretski und Lothar Schmidt in Heft 38/2000:

Das DÄ auf dem Weg zum Satiremagazin?

Vorausgesetzt, es handelt sich doch nicht, wie von mir zunächst angenommen, um eine fein gesponnene Satire auf den Psycho-Zeitgeist, so ist der Artikel ein schönes Beispiel dafür, wie in

Deutschland ein zum Popanz gewordener, krakenartig alle Gesellschaftsbereiche um- schlingender, verblasener Multi-Kulti-Weltverbesse- rungspsychologismus zum Zwecke der Legitimation und Arbeitsbeschaffung in nahezu blindwütigem thera- peutischen Eifer, eine Art

„furor therapeuticus“, sich aber auch an den ungeeignet- sten Objekten versucht. In diesem Fall an der nach Deutschland zugewanderten, oder wohl besser eingefalle- nen russischen Drogenszene, in der Psychologen-Psychia- ter-Schmusesprache hier ar- tig „Klienten“ und „Migran- ten“ geheißen.

Dumm nur, dass die, folgt man den Ausführungen der Autoren, durch die Bank ausgeschlafene russische Drogenszene sich aber so gar nicht auf das ihnen zugedach-

te therapeutische Mühen und Sorgen unserer Therapeuten einlassen möchte. Fordert doch der aufreibende Dro- genhandel, in den viele Dro- genabhängige „eingebun- den“ seien, den ganzen Mann. Klarsichtig wird denn auch von Therapeutenseite erkannt, dass „die meisten Russisch sprechenden Dro- genabhängigen mit Widerwil- len auf Therapieangebote reagieren“. Und leise bedau- ernd wird konstatiert: „Ge- zielt gehen sie Beratungs- und Behandlungsangeboten aus dem Weg.“ So reiht sich Sprachperle an Sprachperle, köstlich auch die Ausführun- gen über die russische Dealerszene. Man muss den Artikel einfach lesen! Hier ist den Autoren ein großer satirischer Wurf gelungen, alle Achtung. In ihrem nim- mermüden Bemühen, die

Therapiewiderborstigkeit der russischen Drogenszene zu brechen, ist den Multi-Kulti- Therapeuten aber noch Tol- leres eingefallen. Ganz dem Zeitgeist verpflichtet – Deutschland als eine Art Bahnhofsmission, eine Art Sozialstation für das Elend der Welt zu betrachten, der deutsche Steuerzahler hat ja schon Abenteuerlicheres fi- nanziert –, wird, von den fru- stranen bisherigen therapeu- tischen Bemühungen keines- falls entmutigt und weitere Beschäftigungsfelder fest im Blick, noch mehr „Therapie“

und „Prävention“ für ihre

„Klienten“ gefordert. Insbe- sondere, man höre und stau- ne, „muttersprachliche Kon- takte und Therapiemöglich- keiten“. Dass dies am besten durch „Remigration“ ihrer

„Klienten“ zu bewerkstelli- gen wäre, kommt ihnen da-

A

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bei natürlich nicht in den Sinn. Absurdistan lässt grüßen.

Eine andere Mentalität?

Schon. Da Russen bekannt- lich aber auch über Humor verfügen, wird der Artikel in der Szene nicht wenig Hei- terkeit ausgelöst haben . . . Dr. med. Joachim Wiedmayer, Bahnhofplatz 6, 91054 Erlangen

Ärztinnen

Zu dem Beitrag „Unausgeschöpfte Potenziale“ von Dr. med. Annegret Schoeller in Heft 38/2000:

Zahlreiche Schwierigkeiten

Mein Ziel ist eine eigene psy- chotherapeutische Praxis.

Als Mutter zweier Kinder kommt für mich die länger- fristige Arbeit in einer Klinik

mit Nacht- und Wochenend- diensten nicht infrage, was bedeutet, dass der Facharzt und damit (da es den Prakti- schen Arzt nicht mehr gibt) die Chance einer kassenärzt- lichen Anerkennung unmög- lich sind. Was bleibt, ist der risikoreiche Versuch, in eige- ner Praxis Psychotherapien für Selbstzahler durchzu- führen. Doch hier bereitet gerade der Arztberuf zahlrei- che Schwierigkeiten: Das Werbeverbot verhindert, mich ausreichend bekannt zu machen; auf mein Praxis- schild und in einen Eintrag in den Gelben Seiten sowie den üblichen Zeitungsannoncen darf ich lediglich „Ärztin“

schreiben. Die Regelungen für Psychologen (ohne Kas- senzulassung) und sogar Heilpraktiker sind hier un- vergleichlich günstiger. Dass ich als Ärztin eine kostspieli-

ge Weiterbildung absolviere, im Angestelltenverhältnis in psychotherapeutischen Pra- xen sechs Jahre selbstständig Therapien durchführe und meine anschließenden Mög- lichkeiten im Vergleich mit anderen Berufsgruppen die allerschlechtesten sind, er- scheint mir grotesk.

Dr. med. Sibylle Riffel, Rückertstraße 10, 64285 Darmstadt

Nationalsozialismus

Zu dem Varia-Beitrag „Erinnerung an verfolgte Ärzte“ von Josef Kloppen- borg in Heft 33/2000:

Ergänzung

Seit Anfang der 90er-Jahre wurde einer breiteren Öf- fentlichkeit bekannt, dass die Räume und Keller des Hau- ses Werner-Voß-Damm 54 a

in Berlin-Tempelhof ab 1933 für einige Zeit als so genann- tes „wildes SA-KZ“ fungier- ten. Eine ausführliche Doku- mentation hierzu erfolgte 1995 im Rahmen einer Aus- stellung in den Kellerräumen sowie insbesondere einer empfehlenswerten Publikati- on von 1996 (Schilde, K., Scholz, R., und Walleczek, S.: SA-Gefängnis Pape- straße, Spuren und Zeugnis- se. Overall-Verlag K. Wiese;

10779 Berlin, 1996). Letztere beschreibt die spezielle Ge- schichte der ursprünglichen Kasernenanlage und schil- dert ergänzend das Lebens- schicksal vieler namentlich benannter Inhaftierter (un- ter ihnen auch die von J.

Kloppenburg erwähnten Ärzte).

Dr. med. Hans-Joachim Grupp, Herrensteige 5, 97980 Bad Mergentheim

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 45½½½½10. November 2000 AA3009

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