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Archiv "Neue Bundesländer: Die Niederlassungswelle rollt ungebrochen weiter" (30.05.1991)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KURZBERICHTE

D

ie Niederlassungswelle in den fünf neuen Bundesländern ist nach wie vor ungebrochen.

Im Mai dieses Jahres waren nach Angaben der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung 10 220 Ärztinnen und Arzte in eigener Praixs tätig.

Das sind rund 4000 mehr als zu Be- ginn des Jahres. Im Januar hatte die KBV bereits zirka 6000 neue Nieder- lassungen im östlichen Teil Deutsch- lands registriert — eine Zahl, die selbst optimistische Prognosen weit übertraf.

Von den jetzt niedergelassenen Ärzten stellen die Allgemeinmedizi- ner mit etwa 57 Prozent die mit Ab- stand größte Gruppe dar. Der Anteil der Internisten liegt bei neun Pro- zent, der der Kinderärzte bei acht Prozent. Insgesamt sind damit rund zwei Drittel aller niedergelassenen Ärzte der primärärztlichen Versor- gung im weiteren Sinne zuzuordnen.

Der anhaltende Trend zur Nie- derlassung wirkt sich natürlich un- mittelbar auf die ambulanten Ein- richtungen aus. So ist die Zahl der angestellten Arzte an Polikliniken, Ambulatorien und anderen am- bulanten Gesundheitseinrichtungen von rund 12 000 im Januar 1991 auf etwa 7000 im April gesunken. Nicht erfaßt sind in diesen Zahlen die an- gestellten Zahnärzte, die Ärzte, die entweder Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsdienstes wahrnehmen oder ausschließlich arbeitsmedizi- nisch tätig sind, sowie die rund 1800 Weiterbildungsassistenten.

Auch die Zahl der noch tätigen Einrichtungen hat sich im Verlauf der letzten Monate drastisch redu- ziert. Im vergangenen November hatte die Kassenärztliche Bundes- vereinigung insgesamt 1536 Einrich- tungen erfaßt, im April 1991 erhiel- ten noch 929 Einrichtungen Ab- schlagszahlungen. Viele kleinere Ambulatorien mit bis zu fünf be- schäftigten Ärzten haben in der Zwi- schenzeit offenbar ihren Betrieb ein- gestellt. Die Zahl der Einrichtungen mit mehr als elf Ärzten hat sich von November 1990 (382) bis April 1991 (179) sogar um mehr als die Hälfte reduziert.

Im ersten Quartal 1990 gingen an die niedergelassenen Ärzte in den neuen Bundesländern insgesamt 153

Neue Bundesländer

Millionen Mark an Abschlagszahlun- gen. Im zweiten Quartal waren es für die Monate April und Mai bereits rund 157 Millionen Mark. Auch hier das umgekehrte Bild bei den ambu- lanten Einrichtungen: Sie erhielten im ersten Quartal 302 Millionen Mark, im zweiten bisher 125 Millio- nen.

Die Abschlagszahlungen an Po- likliniken hatten die Kassenärztliche Bundesvereinigung zu Beginn des Umwandlungsprozesses vor große Probleme gestellt. Eine Vielzahl un-

Die Kassenärztliche Bundesver- einigung wird einen harten Kurs in der Honorarpolitik verfolgen. Ziel ist die Einzelleistungsvergütung. Die KBV wird keiner Empfehlungsver- einbarung zustimmen, „die nicht Rückkehr zur Einzelleistungsvergü- tung bedeutet", bekräftigte KBV- Vorsitzender Dr. Ulrich Oesing- mann anläßlich eines berufspoliti- schen Seminars am 20. Mai in Gra- do. Die Bundesärztekammer veran- staltete dort zum 39. und letzten Mal ihren Frühjahrs-Fortbildungskon- greß.

Einzelleistungsvergütung bedeu- te freilich kein unbegrenztes Hono- rarwachstum, schränkte Oesingmann ein. Auch früher habe es gewisse Be- grenzungen gegeben. Er nannte in diesem Zusammenhang die Dernba- cher Erklärung.

Oesingmann begründete im üb- rigen die — in der Kassenärzteschaft zunehmend kritisierte — bisherige honorarpolitische Zurückhaltung da-

kalkulierbarer Faktoren machte die Vorausberechnung der zu erwarten- den Vergütung nicht gerade einfach.

Nach einer ersten Sichtung der Fall- zahl-Meldungen für das erste Quar- tal 1990 zeichnet sich jedoch ab, daß in der Hälfte aller Fälle die Ab- schlagszahlungen exakt richtig be- messen waren. Etwa ein Drittel aller Einrichtungen kann mit einer Rest- zahlung rechnen, während bei etwa 20 Prozent der Polikliniken und Am- bulatorien bisher zuviel gezahlt wor-

den ist. JM

mit, daß es zwischen dem früheren KBV-Vorsitzenden, Prof. Dr. Sieg- fried Häußler, und dem Bundes- arbeitsminister ein Gentlemen's Agreement gegeben habe: Minister Blüm habe versprochen, sich für ei- ne Qualifizierung des Hausarztes (sprich: Pflichtweiterbildung in All- gemeinmedizin) einzusetzen; Häuß- ler und die Kassenärztliche Bundes- vereinigung hätten sich auf eine zeit- lich begrenzte Deckelung der Ge- samtvergütung, erhöht lediglich um die Zunahme der Grundlohnsumme, eingelassen. Die hausärztliche Qua- lifikation sei bis heute nicht gekom- men. Der „Deckel", ursprünglich für zwei Jahre geplant, laste aber jetzt schon fünf Jahre, erinnerte Oesing- mann.

Bei steigenden Praxiskosten und steigenden Arztzahlen führe die ge- deckelte Gesamtvergütung zu sin- kenden Realeinkommen „Das kann uns keiner zumuten, ungeachtet des- sen, daß unser Geld von einer soge-

Die Niederlassungswelle rollt ungebrochen weiter

Jetzt schon mehr als 10 000 Ärzte in eigener Praxis

„Wir Ärzte müssen schreien, um gehört zu werden"

Dt. Ärztebl. 88, Heft 22, 30. Mai 1991 (21) A-1961

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nannten Sozialversicherung kommt "

Oesingmann, wie auch Dr. Hans He- ge, der neue Präsident der Baye- rischen Landesärztekammer, griffen vereint den Götzen Beitragssatzsta- bilität an. Hege machte darauf auf- merksam, daß Beitragssatzstabilität die hochwertige Diagnostik und The- rapie in Frage stellen kann. Heges politische Schlußfolgerung: „Die Arzteschaft ist eine verschwindende Minderheit des Wahlvolkes. Wir müssen schreien, um gehört zu wer- den, und die Öffentlichkeit darauf hinweisen, daß die Politiker nicht dem Arzt, sondern dem Patienten et- was antun." Dr. Oesingmann erklär- te, die Patienten seien durchaus be- reit, mehr für ihre Gesundheit zu zahlen. Er kritisierte die Koalitions- vereinbarung, die den Grundsatz der Beitragssatzstabilität bekräftigt, als borniert.

Auch in anderen Punkten stimmten Hege (der in Grado den Bundesärztekammer-Vorstand ver- trat) und Oesingmann bemerkens- wert überein, etwa bei der Qualitäts- sicherung. Die ist an sich Kammer- aufgabe. Wenn das SGB V Kassen- ärztliche Vereinigungen und Kran- kenkassen mit Qualitätssicherung beauftragt, ist das ein „Stilfehler"

(Hege). Oesingmann appellierte an die Kammern, in Sachen Qualitätssi- cherung voranzugehen, um nicht die KBV zu zwingen, initiativ zu werden.

Das gehe dann nicht ohne die Kas- sen. Hege darauf: „Das wäre gar nicht gut, wenn die KBV die Maßstä- be setzen müßte, da sie Rücksicht auf die Vertragspartner nehmen muß." Die Kassen aber könnten Qualitätssicherung als Instrument zur Kapazitätsverengung einsetzen, befürchtete Hege.

Übereinstimmung auch hinsicht- lich der Fachkundebescheinigungen:

Zur Zeit schreibt die Kassenärztliche Bundesvereinigung für einzelabrech- nungsrelevante Leistungen solche Nachweise vor (auch in Grado wurde eine Reihe einschlägiger Kurse, etwa Sonographie, angeboten). Die Aufga- be könnte dann wieder auf die Kam- mern zukommen, wenn, wie soeben beim Ärztetag diskutiert, vermehrt Fachkundebescheinigungen einge- führt würden. Hege: „Eine Kehrt- wendung im Weiterbildungsrecht."

Hege wie Oesingmann befür- worteten — niemanden wird das überraschen — die Pflichtweiterbil- dung in Allgemeinmedizin und be- grüßten die Absichtserklärung von Bundesgesundheitsministerin Gerda Hasselfeldt, eine dreijährige Pflicht- weiterbildung zur Bedingung für die Kassenzulassung zu machen. Hege äußerte sich freilich skeptisch zu den Realisierungschancen, während sich Oesingmann — ob der neuen Ministe- rin und ob der geänderten Mehr- heitsverhältnisse im Bundesrat — op- timistisch gab.

Aus dem Publikum wurde die dreijährige Weiterbildung kritisiert —

Die Verbesserungen des Hilfs- angebots für Frauen und Familien hält Bundesfamilienministerin Han- nelore Rönsch (CDU) für einen wichtigen Bestandteil bei der Neure- gelung des Abtreibungsrechts. Auf einer Tagung der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -ge- staltung in Bonn stellte sie eine Rei- he von geplanten sozial flankieren- den Maßnahmen vor:

Der Familienlastenausgleich werde neu definiert. Hannelore Rönsch hält am dualen System aus Kinderfreibetrag und Kindergeld fest. Ab 1992 soll das Erstkindergeld auf 70 DM erhöht werden. Der steu- erliche Kinderfreibetrag müsse zu- sammen mit dem Kindergeld das Existenzminimum sichern. „Mehr ist nicht möglich und nach der Recht- sprechung auch nicht geboten."

Der Anspruch auf Freistellung von der Arbeit zur Pflege kranker Kin- der soll von bisher fünf auf zehn Tage für jeden Ehepartner oder 20 Tage für Alleinerziehende erweitert werden.

Durch die Einrichtung zusätzlicher Kindergartenplätze will der Bund in Zusammenarbeit mit den Ländern ei- nen Anspruch auf Kindergartenerzie- hung ermöglichen. Rheinland-Pfalz habe als erstes Bundesland diesen An- spruch festgeschrieben.

sie sei im Vergleich zu der des Inter- nisten zu kurz. Dr. Hege klärte über zwei Konsequenzen der Pflichtwei- terbildung auf, die offenbar noch nicht überall gesehen werden: Wenn es so kommt, kann sich nur der wei- tergebildete Arzt niederlassen. Der praktische Arzt stirbt aus. Das trifft etwa den Chirurgen, der sich heute noch als Praktiker niederlassen kann und künftig notfalls die allgemein- medizinische Weiterbildung ab- schließen müßte. Und zum zweiten:

eine Pflichtweiterbildung für Allge- meinärzte wird sich auch auf das Spektrum der erlaubten Leistungen auswirken. NJ

Die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit müsse für Frauen erleichert werden. Dazu sei die Förderung familienfreundlicher Arbeitszeiten und von Teilzeitarbeit geplant. Außerdem sollte die Wie- dereingliederung der Frauen nach der sogenannten Familienphase ver- bessert werden.

Notwendig sei ferner ein Aus- bau der Schwangerschaftsberatungs- stellen vor allem in den fünf neuen Bundesländern. Die Familienmini- sterin erhofft sich davon, daß die Frauen über alle Möglichkeiten der sozialen Hilfen und medizinischen Betreuung aufgeklärt werden.

Hannelore Rönsch bekräftigte ihre umstrittene Überzeugung, daß ein Arzt über die Notlage der Patien- tin und damit über den Abbruch der Schwangerschaft mitentscheiden müsse. Wenn der beratende Arzt, ein Gynäkologe mit Zusatzqualifika- tion, eine psycho-soziale Notlage feststellt, sollte die Abtreibung straf- frei bleiben. Die Ministerin sprach sich für eine obligatorische Beratung aus, da die Praxis der Gespräche ge- zeigt habe, daß bei jeder zweiten Frau der Partner, die Eltern oder so- gar der Arbeitgeber Druck ausgeübt hätten, damit sie die Schwanger- schaft abbreche. Kli

Verbesserungen für Frauen und Familien

A-1962 (22) Dt. Ärztebl. 88, Heft 22, 30. Mai 1991

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