In den Niederlanden wer- den weniger Untersuchungen durchgeführt, die Hinweise auf angeborene Krankheiten geben, und dadurch auch we- niger Schwangerschaften ab- gebrochen. Etwa ein Viertel der perinatalen Todesfälle sind auf angeborene Gesundheits- schäden zurückzuführen.
Zu früh geborene Babys, die vor der 26. oder 27.
Schwangerschaftswoche gebo- ren werden, werden in den Niederlanden nur behandelt, wenn die Chance ihres Über- lebens als sehr groß erachtet wird.
Außerdem sind die Mütter in den Niederlanden über- durchschnittlich alt – eine von fünf ist älter als 35 Jahre bei der Geburt. Da ältere Frauen sich öfter einer Hormonbe- handlung unterzogen haben, gibt es auch öfter Mehrlings- geburten, die weitere Risiken mit sich bringen.
Die überdurchschnittlich hohe Säuglingssterblichkeit hat, ent- gegen vieler Meinungen, nichts mit der in den Nieder- landen traditionellen Hausge- burt (ungefähr eine von drei Geburten) zu tun.
Johanna M. Gröne,Glipperweg 31, NL-2104 AG Heemstede, Niederlande
Neue Bundesländer
Zu dem Beitrag „Es gibt viele Verlie- rer“ von Martina Merten in Heft 1–2/2004:
Befürchtungen
Erschütternd ist Ihr Bericht.
Gut, dass Sie Einzelschicksale benennen und dass diese nicht hinter anonymen Zahlen ver- borgen bleiben. Die Men- schenwürde ist unantastbar, heißt es in unserem Grundge- setz, aber sie wird tagtäglich verletzt – in Ost und West.
Nach der Wende sagte mir ei- ne Patientin mit metastasie- rendem Mammakarzinom (Radiologische Universitäts- klinik Jena), dass sie Angst hätte – Angst, wieder gesund zu werden, denn dann wäre sie arbeitslos, und in ihrem Alter würde sie keine neue Arbeit mehr finden. In meiner
Geburtsstadt Quedlinburg (Unesco-Weltkulturerbe- Stadt) sollen seit der Wende circa 9 000 Menschen die Stadt verlassen haben. Das dort En- de der Fünfzigerjahre errich- tete einzige Freibad wurde vor einiger Zeit zugeschüttet, da die Kommune kein Geld mehr hatte. Wo bleibt da die Präven- tion? Circa 14 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg war Geld für die Errichtung eines Freibades da und jetzt? Wo sind wir hingeraten?
Analog dazu – in meinem jet- zigen Wohnort wurde ein Hal- lenbad geschlossen, weil die Kommune kein Geld mehr hat – Realität im Westen Deutsch- lands.
Müssen wir nicht befürchten, dass sich durch die armutsbe- dingte Demütigung der Seele ein hohes Gewaltpotenzial an- häuft, das sich jederzeit ir- gendwo entladen kann (z. B.
ein 11. September in Ffm)?
Hätten hier nicht antidemo- kratische Führerfiguren leich- te Beute? Ernst Abbe hat es bereits Ende des 19. Jahrhun- derts geschafft, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Einklang zu bringen. Für ihn waren So- ziales und Wirtschaftliches keine Gegensätze, sondern sie bedingten einander. Er hat sowohl Carl Zeiss, Jena, und Otto Schott, Jena, an die Welt- spitze gebracht. Er war eben ein sozial denkender Unter- nehmer, der in großen Zusam- menhängen denken konnte, aus seiner schweren Kindheit die richtigen Konsequenzen gezogen hatte und dem das Wohl der Menschen am Her- zen lag.
Dr. med. Helgard Bauhardt, Haldenstraße 11, 73760 Ostfildern
Verschlüsselung
Zu dem Beitrag „Gleiche Basis für Krankenhaus und Praxis“ von Dr.
med. Bernd Graubner und Dr. rer. pol.
Gerhard Brenner in Heft 1–2/2004:
Schöne Datenhaufen
Genau darauf habe ich gewar- tet! Dass wieder ein paar Zah- lenfans sich freuen, schöne Datenhaufen zu bekommen!
A
A410 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 713. Februar 2004 B R I E F E
Und die „neue“ ICD in den Himmel heben, dass einem schwindelig wird! Machen wir
‘ne feine Habilitationsschrift aus den Daten?
Doch einmal mehr wird der kapitale Bürokratenschwach- sinn auf dem Rücken der Ärzte ausgetragen, die schon wieder Mehrarbeit – unbe- zahlte, versteht sich! – leisten müssen, damit die Herren Graubner und Brenner ihre weihnachtliche Freude haben.
Hätte man es „damals“, als der Schwachsinn anfing, nicht sofort richtig machen kön- nen?
Und was glauben unsere lie- ben Theoretiker, wie die Ärz- te wohl verschlüsseln? „Grip- paler Infekt mit Bronchitis“
gibt’s nicht in der ICD, also wird „Bronchitis“ oder „Grippe“
daraus! „Wirklichkeitsgetreu- es Abbild“ des Morbiditäts- geschehens? Aber die Grün-
tischhocker haben gelernt.
Gut auf die erbärmliche Psy- che der Niedergelassenen ein- gestimmt, suggerieren sie, das alles lohne sich, führe gar zu mehr Entlohnung: Denn es solle „im Jahr 2007 die Ab- schaffung der starren Budge- tierung erreicht werden“.
Doch weit gefehlt: Unter dem Diktat der Beitragsabsenkung in der Krankenversicherung wird kein müder Euro in den gedeckelten Topf kommen!
Das ist die Realität der durch ICD, DMP, Praxisgebühr, Me- dikamentenausschluss, Zwangsjacke Fortbildung, Register Krebs, MDK-Anfra- gen, Praxisbudgets, Richt- größen-Medikamente, Heil- mittelbudgets, Formularchaos, hilflose Funktionäre und ah- nungslose Politiker-Laien Ge- beutelten!
Dr. Hans-Joachim Zielinski, Kiefernweg 6 a, 25980 Westerland/Sylt
Hirnforschung
Zu dem Bild des Beitrags „Kartierung eines unbekannten Kontinents“ von Heike E. Krüger-Brand in Heft 1–2/2004:
Fehlende Empathie
Sie veröffentlichen ein Bild, auf dem ein Äffchen, schein- bar entspannt, einen Compu- ter bedient. Die Wirklichkeit für viele dieser Laboraffen be-
deutet schlimmste Qualen:
Fehlende Empathie der Wis- senschaftler mit der (auch) leidensfähigen Kreatur und eine fragwürdige Ethik bil- den die (im wahrsten Sinne) abartigen Rahmenbedingun- gen.
Diese Art von Erkenntnisge- winn hat auch mit der Würde des Menschen und der Tiere nicht im geringsten zu tun.
Dr. Rolf Simon,
Waldweg 23, 69121 Heidelberg B R I E F E
Foto:Rubin,Ruhr-Universität Bochum