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Archiv "Hausärztemangel in Sachsen: Die Angst vor dem Risiko" (22.02.2008)

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A372 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 822. Februar 2008

P O L I T I K / T I T E L

I

n unserer Praxis spielen sich dra- matische Szenen ab. Wir erleben Weinausbrüche ebenso wie Wutan- fälle“, berichtet Dipl.-Med. Petra Hönigschmid. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin betreibt seit 1991 im sächsischen Torgau eine Praxis.

Zum 15. März gehen dort zwei Hausärzte endgültig in Rente, im Herbst noch einer – und im kom- menden Jahr die nächsten zwei.

Hunderte Patienten wissen nicht, wohin. Hönigschmid kann sie nicht alle aufnehmen.

Noch gibt es im Freistaat, jeden- falls laut Statistik, keine unterver- sorgten Gebiete. Die Patienten se- hen das mittlerweile anders, und auch die Politik zeigt sich alarmiert.

Denn in Sachsen gehen bis 2012 mehr als 40 Prozent der niedergelas- senen Allgemeinmediziner in Ren- te. „Wenn jetzt nichts passiert, dann haben wir hier in den kommenden Jahren richtige Probleme“, erklärt Ministerpräsident Georg Milbradt.

Denn ohne Hausärzte werde „das System nicht billiger, sondern rich- tig teuer“. Der Anteil der älteren Bürger, bundesweit derzeit bei 25 Prozent, liege in Sachsen schon bei 30 Prozent. „Und ältere Patienten brauchen mehr ärztlichen Bei- stand“, so Milbradt. „Das Problem ist nicht, dass wir zu wenig Ärzte haben, sondern, dass ihre Verteilung im Raum nicht funktioniert.“ Sach- sen leiste sich zwei große medizini- sche Fakultäten – an der Universität Leipzig und an der TU Dresden:

„Wir bilden deutlich mehr Ärzte aus, als wir brauchen. Im Land bleiben aber weit weniger als not- wendig.“

In den fünf neuen Bundesländern werden bis 2010 allein 3 500 Hausärzte altersbedingt ihre Praxis aufgeben. Niemand will die Praxen haben. Denn vielen Medizinern ist

das wirtschaftliche Risiko zu groß, sich in einer strukturschwachen Re- gion niederzulassen. „Es ist sinnlos, Anzeigen in der Fachpresse zu schalten. Es kommt ja doch keiner“, berichtet Dr. med. Klaus-Peter Hei- demann aus Oschatz. Er wird in die- sem Jahr 68 Jahre alt und muss des- halb seine Praxis abgeben. Seinen Nachfolger hat er dennoch gefun- den. Denn Heidemann, ganz Land- arzt alter Schule, besucht seine Pati- enten auch im Krankenhaus. Dabei ist ihm in der Collm-Klinik Oschatz ein freundlicher und kompetenter junger Kollege aufgefallen. „Ich ha- be ihn überredet“, schmunzelt Hei- demann: Im Oktober 2007 hat Michael Putzmann, Facharzt für In- nere Medizin, schließlich seine Pra- xis übernommen.

Mit dem Start ist er nicht unzufrie- den. Putzmann hat die Praxis aus dem Stadtzentrum in ein Gewerbege- biet am Stadtrand verlegt – 140 Qua- dratmeter, drei Sprechzimmer, mo- dern ausgestattet. Die Bushaltestelle

befindet sich direkt vor der Tür. Für die Praxisübernahme zahlt ihm die KV 60 000 Euro Investitionszulage, verteilt über fünf Jahre. „Ohne diese Zuschüsse hätte ich die Praxis nicht so ausgebaut und noch mehr Angst gehabt, dass das Geld letzten Endes nicht ausreicht“, sagt Putzmann. „Ich will ja nicht reich werden, aber ich muss zumindest die Kosten erwirt- schaften. So viel wie in der Klinik werde ich in der Praxis wohl nicht verdienen.“ Und das, obwohl er 70 bis 120 Patienten am Tag behandelt.

Die Abrechnungsstatistik der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung bestätigt: In Ostdeutschland betreu- en die Ärzte durchschnittlich ein Drittel mehr Patienten. Doch pro Fall verdienen sie 27,2 Prozent we- niger als ihre Kollegen in den alten Bundesländern. Die sächsische Landesregierung mahnt daher drin- gend Veränderungen bei der Bezah- lung der niedergelassenen Ärzte an.

Ministerpräsident Milbradt sieht keine sachlichen Gründe mehr für

„Ost-Abschläge“.

Die Ärzte aber sehen noch andere Gründe dafür, dass die jungen Kol- legen wenig Lust haben, sich als Hausarzt niederzulassen. „Wir er- sticken im Papier“, klagt die Allge- meinärztin Hönigschmid. „Die Bürokratie frisst immer mehr Zeit, die uns dann für die Arbeit am Pati-

enten fehlt.“ I

Anke Müller

HAUSÄRZTEMANGEL IN SACHSEN

Die Angst vor dem Risiko

Investitionszuschüsse der Kassenärztlichen Vereinigung sollen Hausärztinnen und Hausärzten eine Niederlassung auch in strukturschwachen Regionen schmackhaft machen.

Ortstermin in der Hausarztpraxis von Michael Putzmann:

„Wenn jetzt nichts passiert, dann haben wir hier in den kom- menden Jahren rich- tige Probleme“, sagt Sachsens Minister- präsident Georg Mil- bradt (r.) zum Thema Hausärztemangel.

Foto:STAR-MEDIA

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