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Archiv "Prophylaxe der Virushepatitis" (09.10.1980)

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(1)

Trotz aller Fortschritte in der Dia- gnostik verfügen wir bisher über keine kausale Therapie der Virushe- patitis. Insbesondere gibt es keine Möglichkeit, den Übergang einer akuten Virushepatitis in eine chroni- sche Hepatitis (etwa 10 Prozent bei B-Hepatitis (52) 1 ) und 20 bis 40 Pro- zent bei Non-A-non-B-Hepatitis [NANB-H] (16)) zu verhindern. Die- ses therapeutische und prognosti- sche Problem verdeutlicht die Not- wendigkeit, alle Möglichkeiten der Hepatitisprophylaxe auszuschöpfen.

Die Infektionsprophylaxe ist nach vier klassischen Ansätzen möglich:

• Unterbrechung der Infektketten

• Erregerinaktivierung

• Passive Immunisierung

• Aktive Immunisierung

1. Unterbrechung der Infektketten

Voraussetzung für die Unterbre- chung der Infektketten ist die Kennt- nis der Epidemiologie und des Aus- breitungsverhaltens der verschiede- nen Hepatitisviren. In dieser Hinsicht haben sich in den letzten zehn Jah- ren durch die Entdeckung der Hepa- titismarker große Fortschritte erge- ben (Tabelle 1).

Die Hepatitis A ist vor allem inner- halb zwei Wochen vor bis maximal

2 Wochen nach Ausbruch der klini- schen Erkrankung — erkennbar am HAAg im Stuhl — stark infektiös. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich fäkal-oral (12). Die Virämiephase ist sehr kurz und minimal ausgeprägt, dementsprechend kommt eine Über- tragung durch Blut selten vor. Eine Übertragung durch chronische Anti- genträger oder chronische Hepatiti- den gibt es bei Hepatitis A nicht (13).

Die akute Hepatitis B ist im Regelfall schon 4 bis 6 Wochen vor Ausbruch der klinischen Erkrankung (entspre- chend 1 bis 2 Wochen nach Exposi- tion) infektiös (27), erkennbar zu- nächst am Nachweis von IgM- anti-HBc (6) und später (?) auch am HBsAg-Titer und am HBeAg-Titer (20) im Serum. In Einzelfällen konnte nach parenteraler Infektion Infektio- sität bereits 3 bis 6 Tage nach Expo- sition nachgewiesen werden (49). Im Regelfall der ausheilenden akuten Hepatitis B bleibt der Patient für et- wa 4 bis 12 Wochen in abnehmen- dem Maße infektiös (27). Das Ende der Infektiosität wird üblicherweise mit dem Verschwinden von HBsAg angenommen. Auch das Verschwin- den von HBeAg und IgM-anti-HBc — letzteres im Mittel fünf Wochen nach Transaminasengipfel (35) — wird als Kriterium fehlender Infektiosität an- gesehen. Maximale Infektiosität be- steht kurz vor und zu Beginn der klinischen Erkrankung. Die Übertra- gung erfolgt überwiegend parente- ral, jedoch auch durch Schleimhaut- kontakt (Sexualkontakt) und per-

Beachtliche Fortschritte sind in der Diagnostik der Virushe- patitis erzielt worden, eine kausale Therapie gibt es je- doch noch nicht. Hat sich die Behandlung des Einzelfalles kaum geändert, so ist es dem Arzt durch neue Methoden er- möglicht worden, einzelne Vi- rushepatitiden frühzeitig ab- zugrenzen und zu erkennen.

Kenntnisse der epidemiologi- schen Zusammenhänge sind Voraussetzung, um eine Aus- breitung zu verhindern.

oral.. In bis zu 10 Prozent kommt es zum Übergang in eine chronische HBsAg-positive Hepatitis, deren In- fektiosität hoch einzuschätzen ist, wenn HBsAg-Titer, HBeAg-Titer (1) und IgM-anti-HBc-Titer (35) hoch sind und anti-HBe negativ ist.

Lebergesunde chronische HBsAg- Träger („Carrier") kommen vor. Sie sind als infektiös anzusehen, wenn HBeAg pdsitiv ist (1).

Über den Zeitraum der Infektiosität von Patienten mit akuter NANB-He- patitis lassen sich noch keine end- gültigen Angaben machen. Bei Übertragungsversuchen an Schim- pansen waren deren Seren während der Inkubationszeit 3 Wochen nach der Inkubation noch nicht, aber ab der 4. Woche bis zur 13. Woche post expositionem infektiös (45). Bei ei- ner von einem Plasmapheresespen- der ausgehenden Epidemie konnte eine mindestens 34 Tage dauernde infektiöse Phase belegt werden (19).

Für die Erkennung der Infektiosität gibt es bisher noch keinen serologi- schen Marker. Die Übertragung er- folgt häufig parenteral (2), so daß an der Existenz einer ausgeprägten Vir- ämiephase wie bei Hepatitis B kein Zweifel bestehen kann. Das Transfu- sionsrisiko beträgt in den USA etwa 1 NANB-Posttransfusionshepatitis/50

1) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Prophylaxe der Virushepatitis

Bodo von Ehrlich, Karl Gmelin und Burkhard Kommerell

Aus der Abteilung Innere Medizin IV — Gastroenterologie (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. med. Burkhard Kommerell) der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 41 vom 9. Oktober 1980 2413

(2)

Konserven Blut (23). Über

70

Pro- zent aller Posttransfusionshepatiti- den in den USA und über 50 Prozent der PTH in Deutschland sind vom Typ NANB (14). Japanische Autoren berichten über NANB-PTH bei 10 Prozent aller transfundierten Patien- ten (46). Gerinnungsaktive Plasma- präparate bergen ein besonders ho- hes NANB-Hepatitis-Risiko.

Auf Grund epidemiologischer Stu- dien über die sporadische NANB- Hepatitis muß auch die Möglichkeit peroraler und/oder verdeckt par- enteraler Übertragung zum Beispiel durch Schleimhautkontakt ange- nommen werden (9).

Chronisch gesunde Träger des/der NANB-Virus/en kommen vor- Infek- tiosität noch 5 Jahre nach der Akut- phase wurde nachgewiesen (45).

Chronische NANB-Hepatitiden kön- nen ebenfalls infektiös sein.

Die Kenntnis dieser Fakten führt zu folgenden Empfehlungen:

..,.. Meiden unmittelbaren Kontaktes mit Ausscheidungen von Heptatitis- A-inkubierten Personen und Patien- ten mit Hepatitis A. Isolierung dieser Patienten in der frühen Krankheits- phase.

..,.. Meiden unmittelbaren Kontaktes mit Blut und Körperflüssigkeiten von Patienten mit akuter B- oder NANB- Hepatitis. Getrennte Isolierung der Patienten insbesondere in der Hauptkrankheitsphase.

..,.. desgleichen meiden von unmit- telbarem Kontakt mit Blut und Kör- perflüssigkeiten von Patienten mit chronischer 8- oder NANB-Hepa- titis.

..,.. Einschränkung von Bluttransfu- sionen auf das Mindestmaß. Aus- schluß von Blutspendern mit Hepati-

Tabelle 1: Erkennung der Infektionsgefährdung durch Hepatitispatienten

Hepatitis A Hepatitis B Infektionswege 1. fäkal-oral 1. parenteral

2. mukokutan/Sexualkontakt 3. oral

mittlerer Zeitraum 2 Wochen vor 4-6 Wochen vor

der Infektiosität bis bis

bei akuter 2 Wochen nach 6-12 Wochen nach

Hepatitis Erkrankungsbeginn Erkrankungsbeginn

chronische nein ja

Hepatitis-

Infektiosität - eventuell hoch

chronisch gesunde nein ja (0,5-1% der Bevölkerung) Virusträger-

Infektiosität - ja wenn HBeAg +

lnfektiositätsmarker HAV im Stuhl HBsAg + (bes. hohe Titer)

(im Serum, wo nicht HBeAg + (bes. hohe Titer)

anders vermerkt) lgM-anti-Hbc +

(Dane-Partikel im Serum- nur Forschung)

Marker der

Nicht-Infektiosität - anti-HBs +

Marker ohne eindeutige anti-HAV anti-HBc+

Aussagekraft über die Infektiosität

2414 Heft 41 vom 9. Oktober 1980

DEUTSCHES ARZTEBLATT

tisanamnese und solchen, deren Blut in Fälle von Posttransfusions- hepatitis verwickelt war .

..,.. Suche nach HBsAg-Trägern in Risikopopulationen und Instruktion dieser Personen, sofern sie HBeAg- positiv sind.

..,.. Meiden unmittelbaren Kontaktes mit Blut von gesunden HBeAg-posi- tiven HBsAg-Trägern.

2. Erregerinaktivierung

Hepatitis-S-Viren sind sehr resistent gegen Umwelteinflüsse. Sie können nach Krugmann durch 3minütiges Erhitzen auf 98° C inaktiviert werden (25). 10stündiges Erhitzen auf 60° C reicht dagegen nicht aus (43). Die Sterilisation stellt, wo sie möglich ist, deshalb nach wie vor die sicher- ste Methode der Erregerinaktivie-

rung dar. [>

Hepatitis Non-A, Non-B 1. parenteral

2. mukokutan ?/Sexualkontakt?

3. oral?

4 Wochen bis ca. 13 Wochen nach

Inokulation

ja möglich

wahrscheinlich ja möglich

noch nicht bekannt

nicht bekannt nicht bekannt

(3)

Terminologie

B-Hepatitis:

HBsAg Hepatitis-B-surface-Antigen = Australia-Antigen Anti-HBs Antikörper gegen HBsAg

anti-HBc Antikörper gegen das core-(= Kern-)antigen des Hepatitis-B-Virus

IgM-anti-HBc IgM-Fraktion der Antikörper anti-HBc HBeAg weiteres Antigen des Hepatitis-B-Virus;

Infektiositätsmarker!

anti-HBe Antikörper gegen HBeAg A-Hepatitis:

HAV Hepatitis-A- Virus (antigenetische Einheit!) anti-HAV Antikörper gegen HAV

IgM-anti-HAV IgM-Fraktion des anti-HAV; Indiz der frischen Hepatitis-A-Infektion

HA Hepatitis-A

Non-A-non-B-Hepatitis:

NANB-H Non-A-non-B-Hepatitis Allgemein:

PTH SIG HBIG RIA PHA

Posttransfusionshepatitis Standardimmunglobulin Hepatits-B-Hyperimmunglobulin Radioimmunoassay

Passiver Hämagglutinationstest Desinfektionsmittel müssen nach

Kuwert letztlich an ihrer Fähigkeit, Hepatitis-B-Viren zu inaktivieren, ge- messen werden (31). Weil Hepatitis- viren in keinem In-vitro- oder einfa- chen In-vivo-System zu kultivieren und Versuche mit Menschenaffen andererseits nur sehr beschränkt möglich sind, gab es bis vor kurzem keine Möglichkeit, die Hepatitis-Vi- ruzidie von Desinfektionsmitteln mit vertretbarem Aufwand zu testen.

Kuwert und Mitarbeiter stellten 1977 erstmals ein Testsystem vor, mit Hil- fe dessen eine routinemäßige Te- stung von Desinfektionsmitteln auf Hepatitisviruzidie möglich zu sein scheint (47). In diesem MADT (Mor- phologischen Alterations- und Des- integrationstest) werden elektronen- mikroskopische Kriterien zur Beur- teilung der Desinfektionsmittel- Wirksamkeit herangezogen.

Durch Schimpansenversuche konn- te kürzlich gezeigt werden, daß der MAD-Test mit großer Wahrschein- lichkeit tatsächlich geeignet ist, Aus- sagen über den Infektiositätsverlust von HBV durch ein Desinfektions- mittel zu machen (48).

Als bisher wirksamstes Präparat zur Gerätedesinfektion wurde mit dem MADT ein Bernsteinsäuredialdehyd- Präparat (Gigasept®) erkannt. Mit ei- ner 5prozentigen Desinfektionsmit- tellösung konnte bei 1stündiger Ein- wirkung über 99prozentige HBV- Zerstörung nachgewiesen werden (47). Ein Flächendesinfektionsmittel (Buraton 10 F®) erreichte diese Wir- kung nach 15minütiger Einwirkung einer 4prozentigen Lösung (32) 2 ).

Nicht ausreichend wirksam gegen Hepatitis-B-Viren ist 0,7prozentige Formaldehydlösung (48). Auch alko- holische Händedesinfektionsmittel besitzen dem MADT zufolge keinen Hepatitis-B-viruziden Effekt!

Die Händedesinfektion stellt hin- sichtlich der Hepatitis B ein noch ungelöstes Problem dar. Auch aus diesem Grunde ist das Tragen von Einmalhandschuhen beim Umgang mit Blut und dessen Derivaten zu propagieren.

3. Passive Immunisierung Da durch die Maßnahmen der ersten beiden Kategorien kein vollkomme- ner Schutz gegen Virushepatitis er- reichbar ist, hat die passive Immuni- sierung gegen Virushepatitis in den letzten Jahren zunehmend Bedeu- tung erlangt. Sie kommt in Frage a) präexpositionell, wenn von vorn- herein die Infektkette nicht sicher zu unterbrechen ist (zum Beispiel HA- und NANB-Hepatitis bei Tropen- reisen).

b) postexpositionell, wenn Maßnah- men nach 1 und 2 versagt haben (zum Beispiel nach Nadelstichverlet- zung an HBsAg-positiven Personen).

Ziel der Immunprophylaxe ist die Verhinderung der klinischen (nicht unbedingt ikterischen) Erkrankung, damit zugleich die Verhinderung chronischer Erkrankungen im Fall der Hepatitis B und NANB.

Subklinische Infektionen') zu ver- hindern ist nicht erklärtes Ziel der Immunprophylaxe, denn diese füh-

2) Auch für das Gerätedesinfektionsmittel Se- kusept forte® (2%/2 h) sowie die Flächen- desinfektionsmittel lncid in Perfekt® (3%/2 h) und Incidin-Spezial-Spray® (90%14 h) konn- te im MADT Hepatitis-Viruzidie nachgewie- sen werden. In Risikobereichen sollten die angegebenen Einwirkungszeiten sicher- heitshalber länger gewählt werden.

3) Definiert durch alleinige aktive Serokonver- sion (Crescendo-Titerverlauf von anti-HAV bzw. anti-HBs) ohne Transaminasenanstieg.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 41 vom 9. Oktober 1980 2415

(4)

ren ja via aktiver Antikörperbildung zu wünschenswerter Langzeitimmu- nität (passiv-aktive Immunisierung).

Widersprüchliche Aussagen über die Effektivität der Immunprophyla- xe der Hepatitis in der Literatur sind auf eine ganze Reihe von wechseln- den Faktoren zurückzuführen. Im Prinzip sind daher viele Studien aus den Jahren 1945 bis 1974 wegen der fehlenden Standardisierung hin- sichtlich Hepatitistyp, epidemiologi- scher Situation, diagnostischen Kri- terien, Dosis, Antikörpergehalt und Präparationsart der Immunglobuli- ne, Impfzeitpunkt und Ausmaß der Inokulation nicht vergleichbar. So liegen aus dieser Zeit nicht weniger als 12 Studien zur Immunprophylaxe der PTH vor, von denen 6 für und 6 gegen einen prophylaktischen Ef- fekt von Standard-Immunglobulin (SIG} sprechen (1 0). Klarheit konn- ten erst die Studien der letzten fünf Jahre bringen, als es möglich war, den Hepatitistyp und den Antikör- pergehalt der Immunglobuline zu definieren.

Heute stehen jedem Arzt zwei Typen von Immunglobulinen zur Verfü- gung, mit denen Immunprophylaxe gegen wahrscheinlich sogar drei Ty- pen der Virushepatitis effektiv mög- lich ist.

Beide Immunglobulintypen enthal- ten 16 Prozent Eiweiß, davon 95 Pro- zent Gammaglobulin, überwiegend lgG.

Standardimmunglobulin (SIG)4) ist ein von mindestens 1000 Spendern gepooltes Serumpräparat. Leider sind anti-HBs- und anti-HAV-Titer bisher noch nicht standardisiert. Da- her empfiehlt es sich, Präparate zu verwenden, deren Hersteller zumin- dest Angaben über die durchschnitt- lichen Antikörpertiter ihrer lmmun- globulinchargen machen können. Nach neueren Untersuchungen ha- ben SIG derzeit einen anti-HAV-Titer (RIA} von etwa 1 :1000 (21) und einen anti-HBs-Titer (RIA) von 1 :500 bis 1 :800 (21, 30). Frösner et al. gaben für verschiedene deutsche lmmun- globulinpräparate mittlere anti-HAV- Titer von 1 :1170 bis 1 :2300 an (15).

Im Mittel liegen die anti-HBs-Titer heute höher als in den handelsübli- chen Präparaten früherer Jahre (21 ).

Da die schwächeren früheren SIG auch in den meisten Studien Ver- wendung fanden, ist die Ausgangs- lage für die Verwendung der heuti- gen höhertitrigen Immunglobuline wahrscheinlich günstiger.

Über den oder die Antikörper-Titer gegen Erreger der NANB-Hepatitis im SIG sind derzeit noch keine defi- nitiven Aussagen möglich. Verschie- dene Prophylaxestudien (23, 41) las- sen jedoch den Rückschluß zu, daß auch solche Antikörper im SIG ent- halten sind.

Hepatitis-8-Hyperimmunglobulin (HBIG)5) ist eine Immunglobulinprä- paration mit einem anti-HBs-Titer

Tabelle 2: .,.. obligate Voruntersuchungen Voraussetzungen

der SIG: Anamnese: Überempfindlichkeilen

Immunglobulin· Hinweise auf lmmundefizienz

prophylaxe

HBIG: Anamnese: desgl.

beim

Empfänger HB5Ag

.,.. wünschenswerte Voruntersuchungen SIG: anti HAV

anti HBs HBIG: anti HBs anti HBc

2416 Heft 41 vom 9. Oktober 1980

DEUTSCHES ARZTEBLATT

von mindestens 1 :100 000 im passi- ven Hämagglutinationstest6). Auf dem deutschen Markt sind derzeit verschiedene Präparate mit unter- schiedlichen Mengen und unter- schiedlichen Konzentrationen (anti- HBs-Titer 1:100 000 RIA bis 1 :350 000 PHA) erhältlich. Die Pro- blematik des HBIG liegt in seiner be- schränkten Verfügbarkeit und, da- durch bedingt, dem sehr hohen Preis (500-1 000 DM/Einzeldosis).

Krankheitsrisiko und hohe Kosten einer Hepatitis-B-Erkrankung recht- fertigen aber ohne Zweifel den ge- zielten Einsatz von HBIG (32)!

Die mancherorts geübte Praxis, mit- tels intravenös anwendbarer 5pro- zentiger Immunglobuline (Gamma- Venin®, lntraglobin® usw.) Hepatitis- prophylaxe zu versuchen, ist rein spekulativ. Es liegen keinerlei kon- trollierte Studien vor, die den Ein- satz dieser Präparategruppe hierfür rechtfertigten. Im Gegenteil, als nachteilig ist zu vermerken, daß

~ die anti-HAV-Titer der fünfpro- zentigen Gammaglobuline zur intra- venösen Anwendung deutlich gerin- ger sind als die der SIG (15),

~ die anti-HBs-Titer ebenfalls we- sentlich geringer sind und zudem stark schwanken (1 :2-1 :512) (40, 51).

~ Sie sind zudem wesentlich teurer als die gesichert wirksamen Stan- dardimmunglobuline.

Nebenwirkungen und Kontraindikationen

Ein Risiko, durch SIG oder HBIG ei- ne Hepatitis B zu übertragen, be- steht praktisch nicht. Nebenwirkun- gen sind nach korrekter intramusku- lärer Anwendung von SIG und HBIG

•> SIG: Beriglobin®, Kabiglobin"'. Cutterglo- bin®, Hemogamma®, Gammaglobulin Asid®

5> HBIG: Aunativ®, Hepaglobin®, Gammapro-

tect-Hepatitis®, Hepatitis-B-Immunglobulin- Behring

•> Nach der neuesten Empfehlung des Paul Ehrlich Institutes sollen demnächst alle HBIG-Präparate in Internationalen Einhei- ten (IE) deklariert werden und mindeste.ns 200 IE/ml enthalten.

(5)

13,6 16,1 (21,7) (27,4) 284

Prince et al.

1978

Dialysepatienten 12 2

12 2 6,0 12,3

(8,2) (13,6) Dialysepersonal 282

Autoren Zielgruppe Patientenzahl Beobach-

tungs- zeitraum (Monate)

Zahl der Injek- tionen

Hepatitis-B-Häufigkeit (%) (Infektionshäufigkeit in %)

HBIG SIG Placebo/N. B.*

Desmyter et al.

1975

Dialysepatienten 13,3

(13,3)

42,9**

(71,4) 2

29 16

Kleinknecht et al.

1976/77

Dialysepatienten 19/28 14-30 9-17

Iwarson et al.

1977

Krankenhaus- personal

1,7 3,8 10.4

(6,9) (13,5)

28 2

235

0,0 77,0

(0,0) (77,0)

Tabelle 3: Studien zur präexpositionellen Hepatitis-B-Prophylaxe

* N. B. = Nicht Behandlung - nicht anti-HBs-haltiges SIG

gleichermaßen selten (0,7 bis 4,6 Prozent) und in der Regel harmloser Art: Hämatome, Arthralgien, Urtika- ria, Exantheme, Fieber (17, 41).

Ein erhöhtes Risiko hinsichtlich ana- phylaktischer Reaktionen besteht bei Personen mit IgA-Mangel (50).

Bei Patienten mit Antikörpern gegen IgA ist SIG kontraindiziert. Intrave- nöse Gabe von SIG und HBIG ist streng kontraindiziert! HBIG soll nicht an HBsAg-positive Personen verabreicht werden, doch stellt im Eilfall die fehlende HBsAg-Analyse beim Empfänger keine Kontraindi- kation für HBIG dar.

Es sind zahlreiche Fälle dokumen- tiert, in denen HBIG auch von HBsAg-positiven Patienten gut tole- riert wurde (38). Auf Grund der bis- herigen Ergebnisse ist durch HBIG weder mit einer erhöhten Rate chro- nischer HBsAg-Träger noch mit ei- ner Zunahme chronischer Hepatiti- den und auch nicht mit einer Im- munsuppression im Falle einer nicht verhinderten Infektion zu rechnen (36) (Tabelle 2).

Präexpositionelle Hepatitis-B-Prophylaxe

Ausgangsbasis für die neueren Stu- dien zur Hepatitis-B-Immunprophy- laxe waren Arbeiten von Krugmann und Szmuness, in denen die prinzi- pielle Wirksamkeit von HBIG zur Verhinderung einer Hepatitis B nach Inokulation nachgewiesen wurde (26, 44). Alle derzeitigen Empfehlun- gen zur präexpositionellen Immun- prophylaxe der Hepatitis B stützen sich im wesentlichen auf vier Stu- dien (7, 8, 22, 36) (Tabelle 3).

Darin wurden bei Zielgruppen mit hohem endemischem Hepatitis-B- Risiko (Dialysepatienten, Personal risikoreicher Krankenhausabteilun- gen) jeweils HBIG gegen SIG bezie- hungsweise Placebo getestet. Die angegebenen Ergebnisse basieren auf Daten der jeweils letzten Unter- suchung im Beobachtungszeitraum (12 bis 30 Monate). Dies ist von Be- deutung, da sowohl von Krugmann als auch in der Arbeit von Prince (36) gezeigt wurde, daß HBIG zu einer Verlängerung der Inkubationszeit der Hepatitis B und somit zu einer

beträchtlichen Zahl von Spätfällen führen kann.

Die beiden kleineren Studien an Dia- lysepatienten von Desmyter (8) und Kleinknecht (7) bestätigen zwar ei- nen signifikanten Schutzeffekt von HBIG gegenüber Placebo bezie- hungsweise Nicht-Behandlung, doch waren hierfür in der Klein- knecht-Studie 9 bis 17 wiederholte Impfungen notwendig. Dieser Auf- wand ist in Anbetracht der chroni- schen Infektionsgefährdung nicht allgemein praktikabel.

Iwarson und Mitarbeiter untersuch- ten die Hepatitis-B-Häufigkeit bei Krankenhausmitarbeitern mit und ohne HBIG beziehungsweise SIG- Prophylaxe und konnten eine glei- chermaßen überlegene Schutzwir- kung der beiden Immunglobulinprä- parationen zeigen (22).

Prince und Mitarbeiter verglichen in einer umfangreichen Studie bei Dia- lysemitarbeitern- und Patienten die Wirksamkeit nur zweimaliger präex- positioneller HBIG- und SIG-Prophy- laxe (36). Obwohl sich nach 4 und 8

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 41 vom 9. Oktober 1980 2417

(6)

Autoren Zielgruppe Patientenzahl Beobach- tungszeit- raum (Monate)

Zahl der Injek- tionen

Hepatitis-B-Häufigkeit (Infektionshäufigkeit in %)

HBIG SIG Placebo/N. B.***

Grady et al.

1975/78

Akzidentelle Nadelstich- verletzung

435 anti-HBs negative (757 total)

9,2 10,3 —

(9,8) (12,3)

9 2

Seef et al.

1975/78

Akzidentelle Nadelstich- verletzung

1,4 5.9**

(3,2) (5,9)

419 9 2

Redecker et al.

1975

Sexualpartner 40 anti-HBs negative (58 total)

4,0 27,0 (4,0) (27,0)

5 (12*) 1

Beasley et al.

1978

Neugeborene von HBsAg + Carrier-Müttern

109 12 1

(55,9) (75,0)** (64,1)

Reesink et al.

1979

Neugeborene von HBsAG + Carrier-Müttern

41 9-36 6

(0,0) (25,0)

Monaten eine scheinbare Überle- genheit von HBIG gegenüber SIG abzeichnete, konnte im Endeffekt nach 12 Monaten kein signifikanter Vorteil zugunsten von HBIG mehr nachgewiesen werden, da in beiden HBIG-Gruppen eine Reihe von Spät- fällen auftraten. Bezieht man engli- sche Untersuchungen über die Er- folgsaussichten hygienischer Maß- nahmen zur Prophylaxe der Hepati- tis B in Dialyseeinheiten (gelbe Dia- lyse usw.) in die Überlegungen ein (33), bleiben für die präexpositionel- le Hepatitis-B-Immunprophylaxe nur wenige Indikationen. Es ließ sich nämlich zeigen, daß durch konse- quente Hygiene eine gleichermaßen effektive Reduktion der B-Hepatitis- Häufigkeit in Dialyseeinheiten mög- lich ist, wie durch HBIG. Die Arznei- mittelkommission der deutschen Ärzteschaft empfiehlt lediglich in Fällen gehäuften Neuauftretens von B-Hepatitiden in Dialyseeinheiten oder medizinischen Abteilungen präexpositionelle Immunprophylaxe mit HBIG. Ein erhöhter Vorteil unter diesen Umständen kann aber nur vermutet werden.

Postexpositionelle Hepatitis-B-Prophylaxe

Zur postexpositionellen Hepatitis-B- Prophylaxe liegen fünf neuere kon- trollierte Studien vor (5, 18, 37, 39, 42) (Tabelle 4):

Zwei bei medizinischem Personal nach Nadelstichexposition, eine bei Sexualpartnern akut Hepatitis-B-Er- krankter und zwei bei Neugebore- nen chronischer HBsAG-Träger- Mütter.

Daneben gibt es eine Reihe von un- kontrollierten Mitteilungen, die je- doch nicht Grundlage von Empfeh- lungen sein können.

Die Immunisierung erfolgte in der Regel bis 7 Tage post expositionem und wurde nach 4 Wochen wieder- holt. Das primäre Intervall von 7 Ta- gen hat sich mittlerweile als zu weit bemessen herausgestellt.

In der Nadelstichstudie von Grady wurden 435 anti-HBs-negative — also für eine B-Hepatitis empfängliche —

Krankenhausmitarbeiter, die akzi- dentell perkutan oder mukokutan mit HBsAg positivem Material Kon- takt hatten, alternativ mit HBIG oder SIG postexpositionell geimpft. Dabei fand sich nach einem Beobach- tungszeitraum von mindestens 9 Monaten kein eindeutiger Vorteil von HBIG gegenüber SIG in der Ge- samtgruppe. Erfolgreicher war die Immunisierung mit HBIG, wenn die Gabe innerhalb 48 Stunden post ex- positionem erfolgt war. Die Hepati- tisrate dieser Frühprophylaxe-Grup- pe war deutlich geringer als die der Gesamtgruppe; auch fand sich hier eine relativ deutliche Überlegenheit von HBIG gegenüber SIG (Tabelle 5).

In einer zweiten, ähnlich groß ange- legten Nadelstichstudie von Seef und Mitarb. wurde HBIG gegen Pla- cebo geprüft.

Bei diesem Vergleich konnte, ana- log den Ergebnissen von Desmyter und Kleinknecht, ein signifikanter Schutzeffekt von HBIG auch für die Gesamtgruppe (7-Tage-Impfinter- vall) belegt werden.

Tabelle 4: Studien zur postexpositionellen Hepatitis-B-Prophylaxe

* nachträgliche Mitteilung (Mosley [29]) *" nicht anti-HBs-haltiges SIG „Nicht Behandlung"

2418 Heft 41 vom 9. Oktober

1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(7)

Die klinisch wichtige Frage, ob Se- xualpartner von akut an Hepatitis B Erkrankten passiv immunisiert wer- den sollen, ist bisher noch nicht endgültig zu beantworten. Die einzi- ge kontrollierte Studie hierzu legten Redecker und Mitarb. vor (37). Sie konnten bei 40 für eine Hepatitis B empfänglichen Sexualpartnern von Patienten mit akuter Hepatitis B eine eindeutige Überlegenheit von HBIG gegenüber SIG zeigen. Eine Bestäti- gung dieser Ergebnisse steht noch aus.

Von großer praktischer Bedeutung ist auch die Frage, ob Neugeborene HBsAg-positiver Mütter prophylak- tisch post partum mit HBIG immuni- siert werden sollen. Mehrere unkon- trollierte Studien hatten wider- sprüchliche Ergebnisse über Nutzen beziehungsweise Nutzlosigkeit von HBIG und SIG in dieser Situation geliefert. In der ersten vorliegenden kontrollierten Studie von Beasley et al. (5) wurden nur Neugeborene von chronischen H BsA-Träg e r-M üttern mit HBIG oder Placebo-Globulin be- handelt und mit einer unbehandel-

Tabelle 5: Immunisierung in- nerhalb 48 Stunden post ex- positionem*)

Hepatitis-B-Rate nach Nadelstich

HBIG SIG

2,7% 4,7% < 0,12

*) G rady 1978

ten Kontrollgruppe verglichen. Die Immunprophylaxe erfolgte einmalig innerhalb 7 Tagen post partum. In der Gesamtgruppe fand sich keine Überlegenheit von HBIG gegen- über Placebo oder Nichtbehand- lung, gemessen an der Infektions- häufigkeit. (Hier wurde also im Ge- gensatz zu den übrigen Studien nicht die Hepatitis-B-Erkrankungs- häufigkeit zugrunde gelegt! Dies weil Infektionen bei Neugeborenen HBsAg-positiver Mütter häufig, klini- sche Erkrankungen aber relativ sel- ten sind.)

Wenngleich also in der HBIG-Grup- pe gleich viele Neugeborene infiziert wurden wie in der unbehandelten Gruppe, war doch der Verlauf der Infektion, und damit die Infektiosität der Säuglinge selbst, unterschied- lich: Die Zahl der sich entwickeln- den chronischen HBsAg-Träger un- ter den Neugeborenen wurde durch frühzeitige Gabe von HBIG (inner- halb von 48 h p. p.) signifikant ver- mindert. Dieser günstigere Infek- tionsverlauf ist von großer Bedeu- tung, denn wir wissen aus zahlrei- chen Studien, daß ein in früher Kind- heit erworbener HBsAg-Träger-Sta- tus mit einem erhöhten Leber- karzinomrisiko verbunden ist und zudem die chronischen HBsAg-Trä- ger oft neue Infektionsquellen dar- stellen.

In einer kürzlich erschienenen Stu- die von Reesink et al. gelang es, durch ein intensives Immunisie- rungsschema mit wiederholter HBIG-Gabe über 6 Monate und ge- nerell frühzeitigem Beginn der Pro- phylaxe innerhalb 48 Stunden p. p.

auch die Infektionsrate bei Kindern

Tabelle 6: Kriterien zur Bewertung der Hepatitis-Immunprophylaxe Prophylaxe gegen Krankheitsrisiko Prophylaktischer Effekt

der Immunglobuline

Risiko der Prophylaxe

Kosten/ Empfehlung Nutzen- zur Immun- Relation prophylaxe minimal

Hepatitis A mäßig:

- fulminante Hepatitis möglich

- keine chron. Verläufe - kein Übergang in Zirrhose

gesichert sehr ja

günstig

hoch:

- fulminante Hepatitis möglich

- bis 10% chronisch Übergang in Zirrhose möglich

- Leberkarzinomrisiko bei chronischen HBsAG-Trägern Hepatitis B

präexpositionell

postexpositionell

fehlt oder gering

sehr wahrscheinlich

minimal

minimal

ungünstig

günstig

nein

ja

Hepatitis Non-A, Non-B

sehr hoch:

- fulminante Hepatitis möglich

- 20-40% chronisch - Übergang in Zirrhose wahrscheinlich möglich

möglich minimal eventuell

günstig

eventuell

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 41 vom 9. Oktober 1980 2419

(8)

chronischer HBsAg-Träger-Mütter signifikant zu senken (39). Weitere Studien zur Frage der Prophylaxe bei Neugeborenen sind im Gange.

Offen ist insbesondere noch die Fra- ge, ob Neugeborene von Müttern, die im II. oder II I. Trimenon an akuter Hepatitis B erkrankten und in der postpartaten Periode unter Umstän- den bereits wieder HBsAG-negativ sind oder werden, mehr von der lm- munprophylaxe profitieren als Neu- geborene chronischer HBsAg-Trä- gerinnen.

Obwohl die Prüfung der Neugebo- renenprophylaxe mit HBIG noch nicht abgeschlossen ist, empfiehlt sich als lnterimsstrategie, alle Kin- der HBsAG-positiver Mütter postpar- tal innerhalb 48 Stunden und erneut nach 4 Wochen mit HBIG zu immuni- sieren.

Die Tragweite der Hepatitis-B-Infek- tion gerade bei Neugeborenen rechtfertigt bereits jetzt diese Emp- fehlung (Tabelle 6).

Empfehlungen

zur Hepatitis-B-Prophylaxe

~ Präexpositionelle Hepatitis-B- Prophylaxe in Endemiebereichen (Dialyse, Labor, Onkologie, Infek- tionsstation usw.) soll primär mit hy- gienischen Maßnahmen erfolgen.

~ Nur im Falle gehäuften Neuauf- tretens von B-Hepatitiden in Ende- miebereichen ist Prophylaxe mit HBIG empfehlenswert. SIG mit ei- nem mittleren anti-·HBs-Gehalt von 1:500 stellt eine praktikable Alterna- tive dar.

~ Nach Nadelstichverletzungen oder vergleichbarer gesicherter (!) Exposition mit HBsAg-positivem Ma- terial soll schnellstmöglich inner- halb 48 Stunden mit HBIG i. m. im- munisiert werden. Die Vorausset- zungen hierfür sind in Tabelle 7 auf- gelistet. Nach 4 Wochen wird eine zweite Dosis HBIG verabreicht. Es liegen keinerlei überzeugende Da- ten vor, die abweichend von den vor-

Tabelle 7: Regeln zur postexpositioneilen Hepatitis-B-Prophylaxe

0

Rasch handeln!

f) sofort je 10 ml Blut vom "Spender'' und "Empfänger" zur .,.. sofortigen serologischen Untersuchung

.,.. oder späteren Untersuchung

8

Wenn "Spender" HBsAg-positiv und

a) "Empfänger" HBsAg-negativ/anti-HBs-negativ:

.,.. HBIG innerhalb 48 h

b) "Empfänger" HBsAg-positiv:

.,.. keine Prophylaxe

c) in 48 Stunden kein Befund vom "Empfänger" verfügbar: .,.. sofort HBIG

d) "Empfänger" HBsAg-negativ (wie a), aber kein HBIG

.,.. innerhalb 48 h verfügbar: sofort SIG

0

Wiederholung der HBIG-Gabe nach 4 Wochen .,.. erfolgt: wenn Empfängerinitial HBsAg-negativ und

anti-HBs-negativ

.,.. unterbleibt: wenn verzögerte Analyse beim "Empfänger"

anti-HBs-positiv oder HBsAg-positiv ergibt

2420 Heft 41 vom 9. Oktober 1980

DEUTSCHES ARZTEBLATT

liegenden Studien einen Verzicht auf die zweite Gabe rechtfertigen.

~ Neugeborene HBsAg-positiver Mütter sollten innerhalb 48 Stunden post parturn 0,5 ml/kg HBIG i. m.

erhalten. Monatliche Wiederho- lungsimpfungen mit 0,16 ml/kg über 6 Monate können möglicherweise sinnvoll sein.

~ Ob Sexualpartner von akut an Hepatitis B erkrankten Personen HBIG erhalten sollen, bedarf der weiteren Überprüfung.

Generell ist es besser, innerhalb 48 Sturden postexpositioneil SIG zu geben, wenn kein HBIG rechtzeitig verfügbar ist, als über 48 Stunden auf HBIG zu warten.

Non-A-non-B-Hepatitis-Prophylaxe Erreger der NANB-Hepatitis und Im- munität gegen diese sind bis heute noch nicht routinemäßig nach- weisbar.

Eine Aussonderung möglicherweise mit "NANB-Viren" kontaminierter Blutkonserven ist daher noch nicht möglich. Die bisherigen Ergebnisse zur passiven Immunprophylaxe der

NANB-Posttransfusionshepatitis sind ermutigend (23, 28, 41 ), jedoch steht der endgültige Wirkungsbe- weis noch aus. Es liegen drei kon- trollierte Studien hierzu vor (Ta- belle 8).

Über eine Immunprophylaxe spora- discher NANB-Hepatitiden liegen noch keinerlei Untersuchungen vor, ebenso fehlen Studien zur postex- positionellen NANB-Hepatitis-Pro- phylaxe. Wenn der endgültige Wir- kungsnachweis zur Prophylaxe der NANB-Posttransfusionshepatitis ge- lingen sollte, ist die Annahme wohl berechtigt, daß SIG auch gegen spo- radische NANB-Hepatitiden wirkt; bei diesen ist ja in jedem Fall mit einer geringeren lnokulationsmenge als bei transfusionsbedingten Infek- tionen zu rechnen. Andererseits ist noch nicht auszuschließen, daß es sich beim Erreger der sporadischen NANB-Hepatitis um ein anderes Vi-

(9)

Tabelle 8: Studien zur präexpositioneilen Non-A-non-8-Hepatitis-Prophylaxe

Autoren Zielgruppe Patientenzahl Non-A-non-8-Hepatitis-lnzidenz (%)

ikterisch anikterisch

Placebo Knodell et al. Polytransfundierte 279 7,4

1976 Herzoperierte

Seef et al. Polytransfundierte 2204 1,8

1977 Patienten

Kuhns et al. Polytransfundierte 195 7,8

1976 Patienten

Postexpositionelle Non-A-non-8-Hepatitis-Prophylaxe noch keine Studie

rus handelt als bei der NANB-Hepati- tis nach Transfusion (11 ).

Knodell und Mitarb. konnten in einer Studie an 279 polytransfundierten Herzoperierten eine signifikante Re- duktion ikterischer NANB-Hepatiti- den durch SIG-Prophylaxe vergli- chen mit Placebo nachweisen (23).

Auch in einer großen multizentri- schen Studie von Seef et al. konnte der günstige Effekt von SIG bezüg- lich der ikterischen NANB-Hepatiti- den nachgewiesen werden (41).

Im Gegensatz zu diesen beiden Stu- dien konnten Kuhns et al. keinen protektiven Effekt von SIG gegen NANB-Posttransfusionshepatitiden nachweisen (28).

Von großer Bedeutung ist weiterhin das Ergebnis einer Nachuntersu- chung der Gruppe um Knodell (24): Es wurde gezeigt, daß die Chronifi- zierungsrate der NANB-Hepatitis mit SIG von 40,5 Prozent auf 4,5 Prozent gesenkt wird. Wenngleich der Anteil der chronischen NANB-Hepatitiden in der Kontrollgruppe mit 40 Prozent etwas höher liegt als in anderen Stu- dien (16), ist doch die Reduktion auf 4,5 Prozent auch gegenüber ande- ren unbehandelten Gruppen (etwa 25 Prozent chronisch) eindrucksvoll

und ein wichtiges Argument für die Immunisierung gegen NANB-Hepati- tis mit SIG.

Praktische Schlußfolgerungen zur NANB-Hepatitis-Prophylaxe ..,.. SIG senkt wahrscheinlich die Zahl ikterischer NANB-Posttransfu- sionshepatitiden und schützt in ei- nem hohen Maße vor dem Übergang in eine chronische NANB-Hepatitis.

..,.. Ob SIG die Zahl sporadischer NANB-Hepatitiden, zum Beispiel im Gefolge von Tropenreisen, senkt, ist offen. SIG-Prophylaxe könnte also auch bei anti-HAV-positiven (gegen Hepatitis A immunen) Tropenreisen- den sinnvoll sein.

..,.. Da an einer .,NANB-Virämie"

nicht gezweifelt werden kann, muß mit Infektionsgefahr bei einer Nadel- stichverletzung an einem Patienten mit akuter oder chronischer NANB- Hepatitis gerechnet werden. Die Wirksamkeit von SIG unter diesen Umständen ist noch nicht erprobt.

Im Einzelfall wird auf Grund der schwerwiegenden prognostischen

lmplikationen der NANB-Hepatitis

der Versuch einer Immunprophylaxe mit SIG abzuwägen sein. Allgemeine Empfehlungen für diesen Falllassen sich noch nicht geben (3).

SIG Placebo SIG

1,1 5,3 4,9

0,8 7,7 6,9

6,4 8,8 11,8

Hepatitis-A-Prophylaxe

Die Wirksamkeit von SIG, das wegen der großen Durchseuchung der Se- rumspender mit anti-HAV ja prak- tisch ein "Hepatitis-A-Hyperimmun- globulin" darstellt, zur Verhütung der Hepatitis A wurde in über 10

Studien seit 1944 nachgewiesen .

Der protektive Effekt liegt bei minde- stens 80 Prozent (1 0).

Am eindrucksvollsten wurde die Wirksamkeit von SIG in der über 108 000 US-Soldaten umfassenden Korea-Studie bewiesen (34).

SIG schützt vor Hepatitis A sowohl bei präexpositionaller als auch bei postexpositionaller Anwendung. Die präexpositionelle Immunisie- rung mit 0,06 ml/kg (= 1 Amp

a

5 ml/

Erw.) S/G zum Beispiel vor Tropen- reisen sollte im Hinblick auf die 3 bis 4 Tage lange Resorptionszeit 2 bis 5 Tage vor der Abreise in Endemiege- biete erfolgen (Tabelle 9).

Wiederholungsimpfungen sind bei Expositionsfortdauer alle 4 Monate angezeigt.

Die Indikationen zur Reisehepatitis- prophylaxe sind in Tabelle 10 aufge-

führt. 1>

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft

41

vom

9.

Oktober

1980

2421

(10)

Tabelle 9: Immunisierungsschema zur Reisehepatitisprophylaxe + Standardimmunglobulin (Beriglobin~) 0,06 ml/kg KG (ca. 5 mi/Erw.) + 2-5 Tage vor Einreise in Endemiegebiet

+ 14 Tage Abstand zu Aktivimpfungen

+ Wiederholung alle 4 Monate bei Expositionsfortdauer

Tabelle 10: Indikationen zur Reisehepatitis-Prophylaxe absolute:

+ Entwicklungshelfer, Tramper --> Länder mit geringem hygienischen Stan- dard

+ Reisende--> Länder mit sehr hoher Hepatitisinzidenz (Mexiko, Westafrika): 1 Hepatitiserkrankung/300 bis 350 Einreisende

relative:

+ Reisende --> Länder mit hoher Hepatitisinzidenz (Mittlerer Osten, Afrika, Mittel- und Südamerika, südliches Asien): mehr als 1 Hepatitiserkrankung/ 1500 Einreisende

keine:

- Europareisen

- Kurzaufenthalte in tropischen Gebieten

- Reisen nur in Umgebung mit westlichem Hygienestand

Postexpositionel/e Hepatitis-A-Pro- phylaxe mit SIG ist indiziert bei Per- sonen in der Hausgemeinschaft von akut an Hepatitis A Erkrankten.

Keine Indikation ist gegeben nach wenig intensiven und sehr kurzem Kontakt mit Hepatitis-A-Erkrankten (Schulen, Betriebe usw.).

Als spätester Zeitpunkt, zu dem der Versuch der Immunprophylaxe sinn- voll erscheint, wird der zehnte Tag post expositionem angegeben, wo- bei die Erfolgsquote bei frühzeitiger Immunisierung zweifellos höher liegt.

4. Aktive Immunisierung Aktivvakzinen gegen Hepatitis B werden derzeit erprobt und stehen noch nicht allgemein zur Verfügung.

Für 1982 bis 1983 wird mit dem Ab- schluß der Erprobung gerechnet.

Ausblick

Neue Impulse zur Hepatitis-Prophy- laxe sind in naher Zukunft in folgen- den Bereichen zu erwarten:

..,.. Aktive Immunisierung gegen He- patitis B. Anwendung zur präexposi- tioneilen und möglicherweise auch als kombinierte passiv-aktive Immu- nisierung zur postexpositioneilen Prophylaxe analog der Tetanuspro- phylaxe.

..,.. Endgültige Klärung der Wirksam- keit von HBIG bei Neugeborenen HBsAg-positiver Mütter und bei Se- xualpartnern von Patienten mit He- patitis B.

..,.. Screening von HBsAg-negativen Blutkonserven auf lgM-anti-HBc, um verbliebenen Anteil der B-Posttrans- fusionshepatitiden zu eliminieren.

..,.. Charakterisierung und Nachweis von "NANB-Markern" wird Möglich- keiten eröffnen, neue Infektketten zu erkennen und zu unterbrechen (kon-

2422 Heft 41 vom 9. Oktober 1980 DEUTSCHES ARZTEBLATT

taminiertes Transfusionsblut, konta- minierte Gerinnungspräparate, in- fektiöse Patienten, infektiöse gesun- de Vi rusträger).

..,.. Endgültige K_lärung der Wirk- samkeit von SIG zur Prophylaxe der NANB-Posttransfusionshepatitis und der sporadischen NANB-Hepa- titis .

..,.. Testung von Desinfektionsmit- teln auf ihre Wirksamkeit gegen Er- reger der NANB-Hepatitis.

Literatur

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte- schaft: Infektionsschutz bei Virushepatitis;

DEUTSCHES ARZTEBLATT 76 (1979) 999-1000- von Ehrlich, B., Gmelin, K., Kom- merell, B.: Prevalence and clinical features of hepatitis A and Non-A, Non-B among 450 pa- tients with acute viral hepatitis, Virus and Liver Sympos., Basel 1979 von Ehrlich, B., Gmelin, K., Kommerell, B., et al.: Chronicity of Non N Non B Hepatitis-Difference between post- transfusion and sporadic cases-1st Interna- tional Symposium an Non-NNon-B-Hepatitis, Vienna-Austria 1980- Grady, G. F., Lee, V. A., Prince, A. M., et al.: Hepatitis B immune globu- lin for accidental exposures among medical personnel: Final report of a multicenter con- trolled trial, J. of lnfect. Dis. 138 (1978) 62~38 - Hoofnagel, J. H., Waggoner, J. G.: Hepatitis A and B Virusmarkers in immune serum globu- lin, Gastroenterology 78 (1980) 259-263- lwar- son, S., Akelmen, J., Eriksson, E., et al.:

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Hepatitis Viruzidie chemischer Desinfektions- mittel, Münchn. Med. Wschr. 122 (1980) 357-359

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Bodo von Ehrlich Medizinische Universitätsklinik Abteilung Innere Medizin IV- Gastroe nte ro log ie

Bergheimer Straße 58 6900 Heidelberg

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