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Archiv "Vorhofflimmern - ein noch immer ungelöstes Problem" (08.05.1998)

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A-1164

M E D I Z I N EDITORIAL

(44) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 19, 8. Mai 1998

orhofflimmern gilt als die häufigste an- haltende Rhythmusstörung des Her- zens mit einer Prävalenz von zwei bis drei Prozent in der Bevölkerung über 60 Jahre, bis zu zehn Prozent jenseits des 65. Le- bensjahres und etwa zwölf Prozent bei über 75jährigen. Vorhofflimmern kommt sowohl bei Herzkranken als auch bei Herzgesunden vor. Das klinische Bild reicht von der Zufallsdiagnose bei einem beschwerdefreien Patienten bis zur ausge- prägten Symptomatik, wie Synkopen, Herzinsuf- fizienz oder Embolie. Die Arrhythmie reduziert üblicherweise die Herzleistung, führt zu inad- äquatem Frequenzverhalten unter Belastung, ist Ursache multipler Beschwerden und kann so- wohl aus hämodynamischen Gründen als auch in- folge koronarer Minderperfusion wie durch elek- trophysiologische Komplikationen bedrohlich werden. Es werden primäre – idiopathische – Formen des Vorhofflimmerns ohne kardiale Be- gleiterkrankung („lone atrial fibrillation“) von sekundären Formen als Folge kardialer und ex- trakardialer Erkrankungen unterschieden.

Die von Gallagher und Camm 1997 vorge- schlagene Klassifikation des Vorhofflimmerns nach dem zeitlichen Verlauf der Arrhythmie un- terscheidet paroxysmales Vorhofflimmern, das spontan in Sinusrhythmus konvertiert, und persi- stierendes Vorhofflimmern, das einer elektri- schen oder medikamentösen Kardioversion zu- gänglich ist, unbehandelt jedoch persistiert (1).

Dabei stellt sich häufig die Frage, inwieweit Sinus- rhythmus aufrechtzuerhalten ist oder ob nurmehr

die Möglichkeit der Kontrolle der Kammerfre- quenz besteht. Im letztgenannten Falle wäre eine

„Pseudoregularisierung“ mit einer nahezu nor- mofrequenten Kammerschlagfolge anzustreben.

Diese häufige Form des persistierenden Vor- hofflimmerns stellt therapeutisch die größte Her- ausforderung dar. Welche der beiden Strategien vorzuziehen ist, ist nicht geklärt und Gegenstand einer kontroversen Diskussion. Schließlich ist noch das permanente Vorhofflimmern zu nennen, das nicht mehr zu regularisieren ist. Hier kommt es dann allein auf die Kontrolle der Kammerfre- quenz zur Verbesserung der Hämodynamik an.

Grundsätzlich sollte eine Konversion von Vorhofflimmern in Sinusrhythmus angestrebt werden. Die Argumente sind folgende:

1 Es gilt, das Risiko einer Thromboembo- lie abzuwehren.

1 Vorhofflimmern führt zur Hyperkoagu- labilität.

1 Vorhofflimmern bedingt eine Abnahme des Herz-Zeitvolumens (15 bis 20 Prozent) mit entsprechenden hämodynamischen Konsequen- zen.1 Die Vorhofdilatation kann Ursache, aber ebenso auch Folge des Vorhofflimmerns sein.

1 Ein derzeit asymptomatisches Vor- hofflimmern kann im weiteren Verlauf relevante klinische Probleme verursachen und dann nicht mehr terminierbar sein.

Und schließlich:

1 Je kürzer Vorhofflimmern besteht, desto leichter ist Sinusrhythmus erreichbar.

V

Vorhofflimmern –

ein noch immer ungelöstes Problem

Berndt Lüderitz

(2)

Behandlung des

Grundleidens hat Priorität

Therapeutisch steht naturgemäß die Be- handlung des Grundleidens an erster Stelle: zum Beispiel Mitralklappenersatz, Ballondilatation, aortokoronarer Bypass oder andere herzchirur- gische Maßnahmen, thyreostatische Therapie, Korrektur einer Elektrolytdysbalance und an- dere. Das Ziel einer medikamentösen Therapie ist die Normalisierung der Kammerfrequenz (Frequenzkontrolle) oder die Regularisierung zu Sinusrhythmus (Rhythmisierung).

Nichtmedikamentöse Maßnahmen sind an- gezeigt bei therapieresistenter, arrhythmiebe- dingter Symptomatik. Indikationsbestimmend ist eine (zunehmende) links-ventrikuläre Funk- tionseinschränkung.

Verschiedene nichtpharmakologische Be- handlungsmöglichkeiten stehen zur Disposition, wie der transthorakale Elektroschock, die AV- Knoten-Ablation, die AV-Knoten-Modifikation (Verzögerung der atrioventrikulären Überlei- tung ohne vollständige Blockierung derselben);

fernerhin ein elektrischer (antibradykarder) Schrittmacher bei nicht regularisierbarer Brady- arrhythmia absoluta. Bei paroxysmalem Vor- hofflimmern kommt der sogenannte „Mode- Switch“ in Frage, das heißt, die automatische, frequenzregulierende Umschaltung des Schritt- machers auf eine andere Betriebsart bei Auftre- ten von Vorhofflimmern. Unter präventiven Ge- sichtspunkten: biatriale oder multifokale Stimu- lation sowie kardiochirurgische Maßnahmen (von eher untergeordneter Bedeutung) und die intraatriale Defibrillation oder der implantier- bare, atriale Defibrillator.

Intraatriale Defibrillation als Alternative

Als Alternative zu der seit 1963 bekannten externen Elektroschockanwendung zeichnet sich die intraatriale Defibrillation durch eine höhere Effizienz bei niedriger Energieabgabe und Entbehrlichkeit einer Kurznarkose aus. Die konsequente Weiterentwicklung stellt der (au- tomatische) implantierbare atriale Defibrillator als Einzelsystem oder in Kombination mit ei- nem ventrikulären Kardioverter/Defibrillator dar. Für dieses System kommen Patienten mit paroxysmalem oder persistierendem Vorhof- flimmern in Betracht, welches gegenüber Me- dikamenten therapierefraktär ist und mit einer

Häufigkeit von etwa einmal pro Woche bis ein- mal alle drei Monate auftritt. Bisher wurden et- wa 140 dieser Systeme implantiert; die ersten Erfahrungen sind überaus ermutigend (zu die- sem Thema berichten auch Jung und Mitarbei- ter in dieser Ausgabe des Deutschen Ärzteblat- tes). Der klinische Stellenwert des implantierba- ren atrialen Defibrillators bleibt jedoch abzu- warten, da noch einige Fragen offen sind, wie die – offenbar sehr geringe – Gefahr der Induk- tion bedrohlicher Arrhythmien, die Patienten- akzeptanz bei rezidivierenden Schockentladun- gen, die Langzeitantikoagulation und die Rezi- divprophylaxe des Vorhofflimmerns. Von Nut- zen sind beim atrialen Defibrillator jedoch die sofortige antiarrhythmische Wirkung, die Kom- bination mit der Vorhofstimulation und die hä- modynamische Verbesserung durch Beeinflus- sung der chronischen atrialen Dysfunktion (Re- modelling).

Wesentlich für die Evaluation dieser thera- peutischen Innovation ist naturgemäß eine allge- meine klinisch-wissenschaftliche Aufgeschlos- senheit dem Neuen gegenüber, um erweiterte therapeutische Möglichkeiten für den Patienten entwickeln zu können.

Es kommt darauf an, das gesamte, nach dem heutigen Kenntnisstand verfügbare therapeuti- sche Armamentarium dem an Vorhofflimmern leidenden Kranken nutzbar zu machen. Die ra- sante Entwicklung der vergangenen Jahre recht- fertigt zudem die Hoffnung, in absehbarer Zeit von der symptomatischen Therapie zu einer ku- rativen Behandlung des Vorhofflimmerns zu ge- langen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1998; 95: A-1164–1165 [Heft 19]

Literatur

1. Gallagher MM, Camm AJ: Classification of atrial fibrillation.

PACE 1997; 20: 1603–1605.

2. Jung W, Lüderitz B: Implantation of an arrhythmia manage- ment system for patients with ventricular and supraventricular tachyarrhythmias. Lancet 1997; 349: 853–854.

3. Lown B, Perloth MG, Kaidbey S, Abe T, Harken DE: Cardio- version of atrial fibrillation. A report on the treatment of 65 episodes in 50 patients. N Engl J Med 1963; 269: 325–331.

4. Lüderitz B: Herzrhythmusstörungen – Diagnostik und Thera- pie. Berlin, Heidelberg: Springer, 1998 (5. Auflage).

5. Steinbeck G: Medikamentöse Therapie von Vorhofflimmern.

Klinikarzt 1996; 10: 275–277.

Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. med. Berndt Lüderitz

Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik Sigmund-Freud-Straße 25

53105 Bonn

A-1165

M E D I Z I N EDITORIAL

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 19, 8. Mai 1998 (45)

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