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Archiv "Antikoagulation bei Vorhofflimmern" (05.08.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 31–32

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5. August 2013 523

M E D I Z I N

EDITORIAL

Antikoagulation bei Vorhofflimmern:

Zauberwort NOAK

Karl Werdan, Rüdiger Braun-Dullaeus, Peter Presek

Editorial zu dem Beitrag:

von Schlitt A, et al

„Perioperativer Umgang mit Antikoagulanzien

und Thrombo - zytenaggregations- hemmern“ auf den

folgenden Seiten

ban etwa drei Schlaganfälle mehr verhindert als durch Warfarin, das entspricht einer „Number Needed to Treat“ (NNT) von 170 beziehungsweise 330 (5).

Diese relativ hohen NNT müssen auch unter Berück- sichtigung der mehrfach höheren Arzneimittelkosten der NOAKs im Vergleich zum VKA Phenprocoumon betrachtet werden (5), wobei die gesundheitsöko - nomischen Aspekte durchaus kontrovers diskutiert werden (6, 7).

Handhabung von NOAKs versus VKAs

Wir alle kennen auf VKAs eingestellte Patienten mit stark schwankenden INR-Werten, teils bedingt durch mangelnde Adhärenz, aber auch als Folge der zahl- reichen Interaktionen mit anderen verschreibungs- pflichtigen und nicht verschreibungspflichtigen Arz- neimitteln sowie Nahrungsstoffen. Ein Achtel aller Krankenhausaufnahmen wegen unerwünschter Arz- neimittelwirkungen war in einer Studie des Netzwer- kes Regionaler Pharmakovigilanzzentren mit der Ga- be des VKAs Phenprocoumon assoziiert (8). Aber auch beim Einsatz von NOAKs müssen zahlreiche Aspekte bedacht werden: Nieren- und Leberfunkti- onseinschränkungen, Lebensalter, Körpergewicht, Arzneimittelinteraktionen wie die mit Amiodaron und mit vielen anderen mehr. Wir wissen noch nicht, wie gut die Adhärenz gegenüber den NOAKs ist und welche Auswirkungen das Vergessen der Tabletten- einnahme bei den relativ kurzen Halbwertszeiten dieser Substanzen auf die antikoagulatorische Wir- kung hat. Der Nutzen durch eine bessere Steuerbar- keit könnte dadurch verringert werden.

Perioperatives Vorgehen

Muss sich ein unter Antikoagulanzien stehender Pa- tient mit Vorhofflimmern einer elektiven oder gar ei- ner Notfalloperation unterziehen, so erhebt sich die Frage des Gerinnungs-Bridging, das Schlitt et al. in diesem Heft sehr übersichtlich und praxisbezogen beschreiben (9).

Für das Bridging beim VKA-behandelten Patienten gibt es jahrzehntelange Erfahrungen, für das Bridging beim NOAK-behandelten Patienten dagegen nahezu keine. Hier ist man als behandelnder Arzt gut beraten, sich an die offiziellen, an der Pharmakokinetik der ein- zelnen Substanzen orientierten Empfehlungen zu hal- ten (9). Schlitt et al. ziehen auch zu Recht in Zweifel,

W

ir alle kennen die Patienten mit Vorhofflim- mern, die mit einem Vitamin-K-Antagonisten (VKA) behandelt werden, und die die Mühsal der re- gelmäßigen INR-Kontrollen beklagen, sich deshalb in ihrer Lebensqualität eingeschränkt fühlen und viel- leicht auch schon einmal eine schwerwiegende Blu- tung erlitten haben. Wir kennen aber auch die vielen Patienten, die mit Vitamin-K-Antagonisten seit Jahr- zehnten gut eingestellt sind, und wir denken an die vielen thromboembolischen Ereignisse, die durch VKA bisher bei diesen Patienten verhindert worden sind. Ärzte und Patienten haben sich mit dieser Situa- tion arrangiert und waren bisher mehr oder weniger zufrieden. Die Situation hat sich mit der Einführung der neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) – Faktor IIa(Thrombin)-Hemmer Dabigatran und Faktor Xa- Hemmer Rivaroxaban und Apixaban – dramatisch ver- ändert. Aktuelle randomisierte kontrollierte Studien berichten über eine Überlegenheit der NOAKs im Ver- gleich zu VKAs, oder zumindest eine Nicht-Unterle- genheit bei weniger gravierenden Nebenwirkungen.

Gute Hinweise auf Wirksamkeit der NOAKs

Die großen randomisierten NOAK-Studien – RE-LY (Dabigatran), ROCKET-AF (Rivaroxaban) und ARISTOTLE (Apixaban) – die alle von den Herstel- lern finanziert wurden, haben gegenüber dem VKA Warfarin entweder eine Nicht-Unterlegenheit bei gleicher (Rivaroxaban) und geringerer (Dabigatran 2

× 110 mg) Blutungsrate oder sogar eine Überlegen- heit (Dabigatran 2 × 150 mg, Apixaban) gezeigt (1, 2). Dabei sollte allerdings nicht übersehen werden, dass die „Zeit im therapeutischen Bereich“ (TTR) der INR-Werte für Warfarin in den drei Studien im Mittel nur zwischen 55 und 66 % lag und damit ten- denziell eine Überschätzung der Wirksamkeit der NOAK vorliegen könnte. Allerdings dürften unserer Erfahrung nach diese Zahlen der Alltagssituation entsprechen. Eine höhere Adhärenz kann mit Selbst- messung und Selbstmanagement erreicht werden, wobei eine damit zusammenhängende Senkung kli- nischer Endpunkte wie Schlaganfälle, Blutung und Tod in einigen, aber nicht allen Studien gezeigt wur- de (3, 4). Aber auch unter einem anderen Aspekt hielt sich die Überlegenheit der NOAKs in Grenzen:

In 1 000 Behandlungsjahren wurden mit 2 × 150 mg Dabigatran etwa sechs Schlaganfälle und mit Apixa-

Medizinische Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III, Department für Innere Medizin und Herz - zentrum des Universi- tätsklinikums Halle (Saale) der Martin-Luther-

Universität Halle-Wittenberg:

Prof. Dr. med. Werdan Zentrum für Innere Medizin, Otto-von Guericke Universität Magdeburg:

Prof. Dr. med.

Braun-Dullaeus Sektion Klinische

Pharmakologie Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg:

Prof. Dr. med. Presek

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ob das perioperative Bridging von VKA-Patienten mit Heparin aufgrund aktueller Arbeiten nicht sogar infrage gestellt werden muss. Zumindest bei Schrittmacher- und ICD-Implantationen von VKA-behandelten Pa- tienten scheint die kontinuierliche Fortsetzung der VKA-Behandlung anstelle eines Heparin-Bridging die Hämatom-Häufigkeit sogar zu reduzieren, ohne Zunah- me thromboembolischer Ereignisse (10).

VKA oder NOAK bei Vorhofflimmern?

Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es derzeit noch nicht. Die Europäische Vorhofflimmern-Leitlinie (6, 11) sieht VKAs (INR 2–3) und NOAKs als gleich- wertig an (Klasse I/A), wobei bei stark schwankenden INR-Werten unter VKAs den NOAKs der Vorzug gege- ben werden sollte (I/B). Mit einer Klasse-II/A-Empfeh- lung favorisieren die europäischen Leitlinien – und noch mehr die amerikanischen – den Einsatz von NO- AKs gegenüber VKAs, natürlich unter Beachtung der Einschränkungen, insbesondere der Nierenfunktion.

Eine spezifische der drei verfügbaren NOAK-Substan- zen wird derzeit nicht bevorzugt.

Und wie machen wir es? Wir raten einem gut mit VKA-eingestellten Vorhofflimmern-Patienten nicht, das bewährte Therapiekonzept zugunsten einer NOAK- Umstellung zu verlassen. Umgekehrt führen wir eine Neueinstellung in der Regel mit einem NOAK durch und nicht mit einem VKA, weil wir in der Summe von Praktikabilität, Nutzen und Nebenwirkungen in den NOAKs für die Mehrzahl der Patienten einen Vorteil sehen gegenüber den VKAs. Nicht zuletzt überzeugen alle NOAKs auch wegen der deutlichen Reduktion der Hirnblutungen und sollten sich daher gerade bei Patien- ten mit hohem Risiko für diese Komplikationen beson- ders eignen. Eine Ausnahme sind Patienten, bei denen wir von einer sehr geringen Medikamenten-Compliance ausgehen müssen; hier kann die regelmäßige INR- Messung unter einer VKA-Medikation als Therapie- kontrolle hilfreich sein. Die Argumentation, bis zur Verfügbarkeit von NOAK-Antidots solle die Neuein- stellung mit VKA vorgenommen werden, wirkt unseres Erachtens nicht sehr überzeugend, hat sich doch bisher die Sorge vor nicht beherrschbaren Blutungskomplika- tionen bei sachgerechter Anwendung nicht bestätigt.

Mittlerweile gibt es auch Konsensempfehlungen ver- schiedener Expertengruppen zu Blutungsnotfällen (12, 13). Eine weitere Frage bleibt die Erstattungsfähigkeit.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat bei Apixaban zur Behandlung des Vorhofflimmerns „Hinweise auf einen geringen Zusatznutzen“ gefunden. Die Konse- quenzen aus dieser Bewertung sind derzeit noch offen.

Antikoagulanzien mit universalen Einsatzmöglich- keiten stellen die NOAKs jedoch (noch?) nicht dar, da sie bei der Antikoagulation prothetischer Herzklappen bisher nicht überzeugen konnten.

Interessenkonflikt

Prof. Werdan hat Honorare für Beratertätigkeit und Studienunterstützung (Drittmittel) von der Firma Bayer erhalten. Er bekam Kongressgebühren- und Reisekostenerstattung sowie Vortragshonorare von den Firmen Bayer und Boehringer-Ingelheim.

Prof. Braun-Dullaeus erhielt Honorare für Beratertätigkeit von den Firmen Bayer und Boehringer-Ingelheim. Er wurde für Vorträge honoriert von den Firmen Bayer, Boehringer-Ingelheim und Pfizer.

Prof. Presek erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

LITERATUR

1. ESC Working Group on Thrombosis – Task Force on Anticoagulants in Heart Disease Position Paper: New Oral Anticoagulants in Atrial Fibrilla- tion and Acute Coronary Syndromes. J Am Coll Cardiol 2012; 59:

1413–25.

2. Dentali F, Riva N, Crowther M, et al.: Efficacy and Safety of the Novel Oral Anticoagulants in Atrial Fibrillation – A Systematic Review and Meta-Analysis of the Literature. Circulation 2012; 126: 2381–91.

3. Matchar DB, Jacobson A, Dolor R, et al., for the THINRS Executive Committee and Site Investigators. Effect of Home Testing of International Normalized Ratio on Clinical Events. N Engl J Med 2010; 363:

1608–20.

4. Clarkesmith DE, Pattison HM, Lane DA: Educational and behavioural interventions for anticoagulant therapy in patients with atrial fibrillation.

Cochrane Database Syst Rev 2013; 6: CD008600. [Epub ahead of print].

5. Anonymus: Vitamin-K-Antagonisten oder „neue“ orale Antikoagulan- zien? Der Arzneimittelbrief 2013; 47: 40DB01–40DB02.

6. Darius H, Bosch R, Hindricks G, et al.: Kommentar: Fokus Update der Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zum Ma- nagement des Vorhofflimmerns. Kardiologe 2013; 7: 171–80.

7. Leitfaden der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Orale Antikoagulation bei nicht valvulärem Vorhofflimmern. Empfehlungen zum Einsatz der neuen Antikoagulantien Dabigatran (Pradaxa) und Riva- roxaban (Xarelto). Version 1.0 September 2012. www.akdae.de/arznei mitteltherapie/TE/LF/PDF/OAKVHF.pdf.

8. Schmiedl S, Rottenkolber M, Szymanski J, et al.: Bleeding complicati- ons and liver injuries during phenprocoumon treatment—a multicentre prospective observational study in internal medicine departments.

Dtsch Arztebl Int 2013; 110(14): 244–52.

9. Schlitt A, Jámbor C, Spannagl M, et al.: The perioperative management of treatment with anticoagulants and platelet aggregation inhibitors.

Dtsch Arztebl Int 2013; 110(31–32): 525–32.

10. Birnie DH, Healey JS, Wells GA, et al., for the BRUISE CONTROL Investigators: Pacemaker or Defibrillator Surgery without Interruption of Anticoagulation. N Engl J Med 2013; 368: 2084–293.

11. Camm AJ, Lip GYH, De Caterina R, et al.: 2012 Focused Update of the ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation. An update of the 2010 ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation.

Developed with the special contribution of the European Heart Rhythm Association. Eur Heart J 2012; 33: 2719–2747.

12. Koscielny J, Beyer-Westendorf J, von Heymann C, et al.: Blutungsrisiko und Blutungsnotfälle unter Rivaroxaban – Periinterventionelles Hämos- tasemanagement. Hämostaseologie 2012; 32: 287–293.

13. Spannagl M, Bauersachs R, Debus ES, et al.: Therapie mit Dabigatran – Periinterventionelles Management und Interpretation von Gerinnungs- tests. Hämostaseologie 2012; 32: 294–305.

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Karl Werdan

Medizinische Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III

Department für Innere Medizin und Herzzentrum des Universitätsklinikums Halle (Saale) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Ernst-Grube-Straße 40, 06120 Halle (Saale) karl.werdan@uk-halle.de

Englischer Titel:

Anticoagulation in atrial fibrillation: NOAK´s the word

Zitierweise

Werdan K, Braun-Dullaeus R, Presek P: Anticoagulation in atrial fibrillation:

NOAK´s the word. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(31–32): 523–4.

DOI: 10.3238/arztebl.2013.0523

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The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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