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9. Mai 2014 A 857 VORHOFFLIMMERNAntiarrhythmika für alle Patienten?
Aus pathophysiologischer Sicht erscheint es sinnvoll, diese Prozesse so früh wie möglich zu unterbrechen. Eine Abwägung von Für und Wider
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atienten mit symptomatischem Vorhofflimmern profitieren von einer Rhythmuskontrolle. In der ATHENA*-Studie galt dies nicht nur für eine Besserung von Sym - ptomen, sondern es war auch eine Reduktion des Endpunktes „kar - diovaskulär bedingter Hospitalisie- rung und Tod jeglicher Ursache“zu verzeichnen. Zudem scheint die Studienmedikation (Dronedaron) die Krankheitsprogression zu verlang- samen.
Unter Vorhofflimmern (VHF) lei- den etwa 2,1 Prozent der deutschen Bevölkerung, Tendenz steigend (1).
Prof. Dr. med. Paulus Kirchhof, Birmingham, beschrieb vier Circuli vitiosi – einen elektrischen, einen durch spontane Kalziumfreisetzung getriggerten, einen hämodynami- schen und einen fibrosebedingt- strukturellen –, die dafür sorgen, dass die Rhythmusstörung sich selbst fördert, progressiv verläuft und fast immer in ein permanentes VHF mündet. Schon in den ersten Tagen und Wochen entstehen laut Kirch- hof irreversible Schäden im Vor - hofmyokard. Aus pathophysiologi- scher Sicht sei es deshalb sinnvoll, diese Prozesse so früh wie möglich zu unterbrechen.
Symptomatisches VHF:
Tablette versus Katheter
Leitliniengerecht werden asympto- matische VHF-Patienten derzeit aber lediglich mittels oraler Anti- koagulation und Frequenzkontrolle behandelt. Eine Rhythmuskontrol- le mit Katheterablation (Pulmonal- venenisolation) oder mit Medika- menten (meist Ionenkanalblockern) ist bisher nur für Patienten mit Beschwerden vorgesehen (2). „Die medikamentöse Rhythmuskontrol- le ist für die meisten symptomati-schen VHF-Patienten die Thera- pie der Wahl“, betonte Prof. Dr.
med. Andreas Götte, Paderborn.
So habe eine Metaanalyse bei 57 Prozent der mit singulärer Ka- theterablation behandelten versus 53 Prozent der medikamentös be- handelten Patienten einen Behand- lungserfolg gezeigt (3). Höhere Er- folgsraten der Katheterablation seien nur durch mehrmalige An- wendung zu erzielen. „Und gera- de bei den älteren VHF-Patienten, die oft schon fibrotische Verände- rungen im Vorhof aufweisen, ist der Erfolg der Ablation limitiert“, so Götte.
Prof. Dr. med. Marc Horlitz, Köln, sah die Erfolgsrate der Ka- theterablation versus Medikamente mit 84 Prozent versus 65 Prozent deutlich positiver (4), räumte aber ein: „Die Katheterablation ist vor allem eine Erstlinienoption für jun- ge, ansonsten gesunde symptoma - tische Patienten ohne bedeutsa- me strukturelle Herzerkrankung, die die Einnahme von Antiarrhythmika ablehnen.“
Überlegungen, auch schon asym - ptomatische VHF-Patienten rhyth- muserhaltend zu behandeln, müssen erst noch durch kontrollierte Studi- en (wie EAST) untermauert wer- den. „Die bisher einzige Studie, die nahelegt, dass der Erhalt des Sinus- rhythmus durch Antiarrhytmika ei- nen Benefit für das Outcome der Patienten bringt, ist die ATHENA- Studie“, so Kirchhof. Hier wurden 4 628 Patienten mit paroxysmalem oder persistierendem VHF zweimal täglich mit 400 mg Dronedaron (Multaq®) versus Placebo behan- delt. Das mittlere Follow-up betrug 21 Monate.
„Der kombinierte Endpunkt aus kardiovaskulär bedingter Hospita- lisierung und Tod jeglicher Ursa- che wurde um 24 Prozent redu- ziert“, so Kirchhof (p < 0,001) (5).
Dronedaron sei bisher das einzige Antiarrhythmikum, das eine signi- fikante Reduktion in diesem End- punkt bewirkt hat. Eine Besonder- heit der Studie war der Einschluss von Patienten in frühem Krank- heitsstadium. Dies zahlte sich aus:
Laut einer Post-hoc-Analyse ent- wickelten die Verum-Patienten sel- tener ein permanentes VHF; die Krankheitsprogression wurde also offenbar verlangsamt (6).Eine an- dere zeigte zudem eine Reduktion der Schlaganfallrate unter Drone- daron (7).
Patienten mit Loop-Recorder früh erfassen
Oft genug werden VHF-Patienten aber erst spät und nur zufällig ent- deckt. Dr. med. Mathias Busch, Greifswald, erläuterte die Möglich- keiten des implantierbaren Loop-Re- corders Reveal XT von Medtronic:
„Er ermöglicht eine durchgehende Überwachung und objektivierbare Aufzeichnung auch asymptomati- scher VHF-Episoden.“ Dies könne etwa bei Patienten mit seltenen, aber hochsymptomatischen VHF- Paroxysmen, mit unklaren Synko- pen oder kryptogenen Schlaganfäl- len angezeigt sein.
Eine weitere Einsatzmöglichkeit ist laut Busch die Optimierung der laufenden oralen Antikoagulanzien- therapie (OAK) von VHF-Patien- ten. Diese müsste dann nur noch er- folgen, wenn tatsächlich VHF auf- getreten ist. Erste Daten eines von Busch und Kollegen geführten Re- gisters zeigen eine deutliche Ver- kürzung der OAK-Behandlungs- dauer auf durchschnittlich 2,8 Mo-
nate pro Jahr.
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Simone Reisdorf
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Literatur im Internet:www.aerzteblatt.de/lit1914
*ATHENA = Prevention of Cardiovascular Hospitali- zation or Death From Any Cause in Patients with Atrial Fibrillation/Atrial Flutter
Symposium „Die frühzeitige Intervention bei Vor- hofflimmern: Das Für und Wider“ in Mannheim, Veranstalter: Sanofi/Medtronic
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9. Mai 2014LITERATURVERZEICHNIS DÄ 19/2014
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Antiarrhythmika für alle Patienten?
Aus pathophysiologischer Sicht erscheint es sinnvoll, diese Prozesse so früh wie möglich zu unterbrechen. Eine Abwägung von Für und Wider
LITERATUR
1. Wilke T, et al.: Incidence and prevalence of atrial fibrillation: an analysis based on 8.3 million patients. Europace 2013; 15:
486–93.
2. Camm AJ, Kirchhof P, et al.: Guidelines for the management of atrial fibrillation: the task force for the management of atrial fi- brillation of the European Society of Cardio- logy (ESC). Eur Heart J 2010; 31:
2369–429.
3. Calkins H, et al.: Treatment of atrial fibrillati- on with antiarrhythmic drugs or radiofre- quency ablation: two systemic literature re- views and meta-analyses. Circulation Ar- rhythm Electrophysiol 2009; 2: 349–61.
4. Card Electrophysiol Clin 2012; 4: 287–97.
5. Hohnloser SH, et al.: Effect of Dronedarone on cardiovascular events in atrial fibrillati- on. NEJM 2009; 360: 668–78.
6. Connolly SJ, et al.: Analysis of stroke in ATHENA: A placebo-controlled, double- blind, parallel-arm trial to assess the effica- cy of dronedarone 400 mg BID for the pre- vention of cardiovascular hospitalization or death from any cause in patients with atrial fibrillation/atrial flutter. Circulation 2009;
120: 1174–80.
7. Page RL, et al.: Rhythm- and rate-control- ling effects of Dronedarone in patients with atrial fibrillation (from the ATHENA Trial). Am J Cardiol 2011; 107: 1019–22.