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Archiv "Eine fortschrittliche Grundlage für die Weiterbildung" (27.05.1976)

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Academic year: 2022

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Die Information:

Bericht und Meinung 79. DEUTSCHER ÄRZTETAG

Eine fünf Meter lange Reihe von Aktenordnern stand hinter dem Präsidiumstisch aufgebaut, als un- ter Vorsitz von Vizepräsident Dr.

Karsten Vilmar die Diskussion über den Entwurf der Weiterbildungs- ordnung begann. Und diese Ak- ten waren auch nötig, denn es zeigte sich in der Debatte des öfte- ren, daß ein Rückgriff auf die darin dokumentierten Wünsche und Vor- schläge der Fachgesellschaften und Berufsverbände erforderlich war.

Prof. Sewering berichtete in sei- nem Einleitungsreferat, dessen Wortlaut das DEUTSCHE ÄRZTE- BLATT in einer seiner nächsten Ausgaben dokumentieren wird, die Weiterbildungskonferenz der Bun- desärztekammer habe bereits wäh- rend der Mitwirkung am Gesetzge- bungsverfahren für die neuen Kam- mergesetze auch die Arbeit an der Weiterbildungsordnung fortgesetzt, obwohl Änderungen der zur Zeit bestehenden Bestimmungen prak- tisch zunächst nicht möglich wa- ren. So habe sich nun im Lauf von vier Jahren ein umfangreicher Ka- talog von Änderungsvorschlägen angesammelt.

Der Entwurf enthält — einschließ- lich der Allgemeinmedizin — die Weiterbildungsvorschriften für 26 Gebiete, 17 Teilgebiete innerhalb von Gebieten sowie 15 Zusatz- bezeichnungen, die neben ande- ren Gebietsbezeichnungen geführt werden können.

• Der frühere Begriff „Facharzt"

wird nicht mehr verwendet; statt dessen sind die Kurzbezeichnun- gen (zum Beispiel „Chirurg") oder die Bezeichnungen mit der Formel

„Arzt für ..." zugelassen. Dies ent- spricht den Beschlüssen früherer Ärztetage.

Noch einmal versuchte in Düssel- dorf ein Delegierter darauf hinzu- wirken, daß die Bezeichnung

„Facharzt" wieder eingeführt wird, aber sein Antrag fand kaum noch Befürworter.

Eine erste Diskussion entzündete sich an der Frage, ob die Zahl der Teilgebiete erhöht werden sollte.

Der Antragsteller, Dr. Eberhard Ranke (Berlin), sprach von der Ent- wicklung von „Zaunkönigreichen"

und von der Gefahr, daß der Be- rufsweg der in den Teilgebieten tä- tigen Assistenzärzte in einer Sack- gasse ende. Demgegenüber stell- ten Dr. W. Müller-Osten und Prof.

Ulrich Kanzow noch einmal die Motive dar, die zur Einrichtung der Teilgebiete geführt haben: Sie die- nen gerade dazu, die „großen Fä- cher" zusammenzuhalten; die Wei- terbildung im Teilgebiet entwickelt sich aus der Weiterbildung im Ge- samtgebiet. Ärzte in anderen Län- dern beneiden uns um diese Ein- richtung; wenn es die Teilgebiete nicht gebe, würden viele der gro- ßen Fächer aufgesplittert, und — so Dr. Müller-Osten — statt der Zaunkönigreiche entstehen Festun- gen. Prof. Waldemar Hecker (Bay- ern) legte jedoch Wert darauf, daß auch die Möglichkeit erhalten blei- ben müsse, aus einem Teilgebiet ein selbständiges Gebiet werden zu lassen, wie es bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie bereits ge- schehen ist.

• Dr. Rankes Antrag, einige Teil- gebiete zu streichen, wurde abge- lehnt. Lediglich sein Vorschlag,

Prof. Dr. Hans Joachim Sewering, der zu Beginn der Plenarsitzungen ein Grundsatzreferat zur Sozial-, Gesund- heits- und ärztlichen Berufspolitik hielt, das auf Seite 1490 ff. im Wortlaut ver- öffentlicht ist, war auch Referent zum Tagesordnungspunkt 3: „Neufassung der Weiterbildungsordnung", worüber auf diesen Seiten berichtet wird

auch das Teilgebiet Rheumatologie zu streichen, wurde dem Vorstand überwiesen — dies aus einem be- sonderen Grund: Das Teilgebiet kommt zweimal vor, einmal als Teilgebiet der inneren Medizin, ein- mal bei der Orthopädie. Der Inhalt dieser beiden gleichbezeichneten Teilgebiete ist jedoch naturgemäß ganz verschieden, und viele Dele- gierte meinten, daß diese Lösung zur Verwirrung der Patienten bei- tragen könnte.

Weiterer Streitpunkt: die Bezeich- nung des neuen Gebietes „Mund- Kiefer-Gesichts-Chirurgie".

Eine fortschrittliche Grundlage für die Weiterbildung

Bericht über die Diskussionen des 79. Deutschen Ärztetages über die Muster-Weiterbildungsordnung

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 22 vom 27. Mai 1976 1481

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Die Information:

Bericht und Meinung Weiterbildungsordnung

Die sorgfältige Vorbereitung der Weiterbildungsordnung, die vom 79. Deutschen Ärztetag nach zweitägiger Erörterung ver- abschiedet worden ist, ließ sich in mehreren „Aktenmetern" bemessen: Bild links mit Frau Rita Horn, der persönlichen Referentin Prof. Sewerings, des Vorsitzenden der Weiterbildungskonferenz; Rechtsfragen spielten bei Berufs- und Weiterbil- dungsordnung verständlicherweise eine große Rolle, — hier die Bank der Juristen (v. I. n. r.): Dr. jur. Jürgen W. Bösche, Dr.

jur. Rainer Hess, RA Franz M. Poellinger

Der Präsident des entsprechenden Berufsverbandes, Dr. Dr. Kurt Hem- merich, verwies insbesondere auf die internationale Entwicklung, in der sich dieses Fach ausgebildet habe. Der hauptsächlich von Hals- Nasen-Ohren-Ärzten eingebrachte Antrag, das Wort Gesicht aus der Gebietsbezeichnung zu streichen (oder es auch dem HNO-Gebiet hinzuzufügen), wäre für dieses Ge- biet geradezu tödlich. Denn im Zuge der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft (EG) würden sich Mund-Kiefer-Ge- sichts-Chirurgen aus anderen Län- dern in Deutschland niederlassen können; für Deutsche aber sei das eingeschränkte Gebiet mit seinem mühevollen Aus- und Weiterbil- dungsgang — zwei Studien, zwei Staatsexamen, zwei Promotionen und die entsprechenden Weiterbil- dungsgänge — dann nicht mehr at- traktiv.

Der Streichungsantrag wurde zu- nächst angenommen. Allerdings brachte die Nacht offenbar einen Meinungsumschwung.

Als nämlich am nächsten Mor- gen bei der Anlage zur Weiterbil- dungsordnung der Inhalt derWeiter- bildung dieses Gebietes zur Debat-

te stand und bei dieser Gelegen- heit Dr. Hemmerich in einer leiden- schaftlichen Rede noch einmal die Konsequenzen des Vortagsbe- schlusses aufgezeigt hatte, fanden sich neue Argumente, unter ihnen insbesondere das der zunehmen- den Bedeutung der Gesichtschirur- gie für die Beseitigung von Unfall- folgen. Der Vortagsbeschluß wur- de daraufhin mit eindrucksvoller Mehrheit wieder rückgängig ge- macht.

Arbeitsprogramm für das nächste Jahr

Der Vorstand der Bundesärztekam- mer und die Weiterbildungskonfe- renz werden sich im übrigen im Lauf des kommenden Jahres mit einer größeren Zahl von Anträgen zu befassen haben, die ihnen vom 79. Ärztetag überwiesen worden sind, so daß die Weiterentwicklung der Weiterbildungsordnung als Ta- gesordnungspunkt für den 80.

Deutschen Ärztetag in Saarbrük- ken schon feststehen dürfte. Ne- ben der Rheumatologie handelt es sich dabei um Zusatzbezeichnun- gen für klinische Pharmakologie, für Pharmakomedizin, für Sozial-

medizin, für Psychotherapie; Prof.

Sewering hatte in seinem Referat auch auf den bereits vorliegenden Antrag für die Einführung eines Gebietes „Psychoanalytische Medi- zin" und einer Zusatzbezeichnung

„Phlebologie" hingewiesen.

Ausführlich diskutiert wurde erneut die Länge der Weiterbildungszei- ten. Von Delegierten aus dem Mar- burger Bund lag ein Antrag vor, die in der Weiterbildungsordnung vor- gesehenen Weiterbildungszeiten generell auf die Zeiten zu kürzen, die in den Richtlinien der EG über die Niederlassungsfreiheit als Min- destzeiten für die gegenseitige An- erkennung der Diplome vorgese- hen sind. In den meisten Fällen sind die Weiterbildungszeiten in Deutschland länger.

Zahlreiche Delegierte nahmen hier- zu Stellung. Hier einige der Argu- mente: Die EG sollte sich eher uns anschließen. Bei vielen Gebieten sei eine Kürzung der vorgesehenen Weiterbildungszeiten überhaupt nicht möglich. Die Verselbständi- gung von Teilgebieten würde bei der vorgeschlagenen Verkürzung gefördert. Die Operationskataloge in den operativen Gebieten (im Ausland gibt es sie nicht) seien un- erfüllbar. Es gehe bei der Weiter-

1482 Heft 22 vom 27. Mai 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Um Fragen der Weiterbildungsordnung ging es auch in dieser Gesprächsrunde, im Vordergrund Prof. Sewering und Prof. Deneke, umgeben von (v. I. n. r.) Prof. Wal- ter Kreienberg, Dr. Wilhelm Baldus, Dr. Joachim Kühn, Dr. Wolfgang Müller-Osten, Dr. Heinz-Peter Brauer, Rita Horn

Die Information:

Bericht und Meinung

bildung nicht so sehr ums Lernen, denn: „Medizin ist Erfahrung, Er- fahrung aber ist eine Funktion der Zeit." Eine Verkürzung würde die Differenz zur Weiterbildungszeit der Allgemeinärzte und damit den Anreiz für die Weiterbildung zum Allgemeinmediziner vermindern.

Prof. Sewering wies insbesondere auf die Unvergleichbarkeit der Wei- terbildungsmethoden in anderen Ländern hin: Italien und Frankreich beispielsweise kennen die Weiter- bildung in Assistenzarztstellen nicht, so daß dort die Weiterbil- dung in unbezahlter Form — also auf Kosten des jungen Arztes — erfolgen müsse. In Holland hinge- gen, wo die Weiterbildung ähnlich wie bei uns geregelt ist, sind die Weiterbildungszeiten mindestens ebensolang.

Der Antrag auf Kürzung wurde mit eindeutiger Mehrheit abge- lehnt. Später gab es sogar einmal einen Antrag auf Verlängerung der Weiterbildungszeit in einem Gebiet, nämlich in der Orthopädie. Die An- tragsteller, die allerdings erfolglos waren, wollten damit erreichen, daß das damit über die EG-Norm zu erreichende Jahr für einen Wei- terbildungsabschnitt beim nieder- gelassenen Orthopäden genutzt werden kann, was nach den EG- Vorschriften innerhalb der Mindest- zeiten nicht möglich ist.

Nur kurz war die Diskussion einer Neuerung, nämlich der Prüfung.

Diese Prüfung wird ausdrücklich als „ergänzend" bezeichnet, we- sentliche Unterlage für die Aner- kennung bleiben die Zeugnisse über die Weiterbildung. Prof. Se- wering betonte auch, daß es gelun- gen sei, nicht nur eine staatliche Prüfung, sondern auch eine staatli- che Prüfungsordnung zu verhin- dern. Gegenüber einem Berliner Delegierten, der sich für eine staat- liche Prüfung einsetzte, betonte Sewering jedoch, daß auch die Weiterbildungsordnung öffentli- ches Recht ist.

Verschiedene Bestimmungen des Entwurfes führten zu Diskussionen über die Allgemeinmedizin, beson-

ders an Hand der durch das Fach- arzturteil und die bisher erlassenen Kammergesetze bedingten Vor- schrift, welche verwandten Ge- bietsbezeichnungen nebeneinander geführt werden dürfen. Dabei ist die Allgemeinmedizin ausdrücklich ausgenommen: Ein Allgemeinarzt darf keine andere Gebietsbezeich- nung daneben führen.

Ein Antrag lag vor, der die Bundes- ärztekammer auffordern sollte, eine Änderung dieser in den drei bisherigen Kammergesetzen schon vorhandenen Bestimmung zu errei- chen mit dem Ziel, daß die Allge- meinmedizin mit jedem anderen Gebiet „kompatibel" sein sollte.

Die Befürworter meinten, der Allge- meinarzt brauche keinen besonde- ren Schutz durch eine solche Be- stimmung, und das Beharren auf der „Inkompatibilität" sei ein

„Standpunkt von gestern" (Dr.

Jungmann). Als Beispiel, wo ein besonderes Bedürfnis für das Füh- ren einer zweiten Gebietsbezeich- nung vorhanden sei, wurde insbe- sondere die Arbeitsmedizin ge- nannt.

Die Argumente der Befürworter der „Inkompatibilität" setzten sich jedoch durch — der Antrag wurde fast einstimmig abgelehnt. Insbe- sondere wurde darauf hingewie- sen, daß sehr viele Gebietsärzte (wie man nun statt Facharzt sagen muß) in ihrer Weiterbildung ganz automatisch die Voraussetzungen für die Anerkennung als Allgemein- arzt erwerben. Dies aber hätte zur Folge, daß auf einem Umweg jegli-

che Beschränkung auf ein oder zwei Gebiete aufgehoben sei: So könne ein Internist beispielsweise auf dem Umweg über die Allge- meinmedizin auch Augenheilkunde oder Gynäkologie betreiben.

Ein anderes Problem war das der

„Wechselassistenten". Die Bundes- ärztekammer ist durch einen Ärzte- tagsbeschluß aufgefordert worden, das in Rheinland-Pfalz seit einigen Jahren praktizierte System der Wechselassistentenstellen zu prü- fen und gegebenenfalls Anregun- gen für seine Anwendung auch in anderen Ländern zu geben. Es handelt sich dabei darum, daß As- sistentenstellen ausdrücklich für solche Assistenzärzte reserviert werden, die Allgemeinärzte werden wollen und bei denen dann die Weiterbildungszeiten in den einzel- nen Gebieten kurz sind. Vor allem Delegierte, die dem Marburger Bund angehören, äußerten sich skeptisch bis ablehnend hierzu, weil sie die Gefahr befürchten, daß auf diesem Umweg wieder limitier- te Assistenzarztstellen entstehen.

In der Endabstimmung wurde die neue Weiterbildungsordnung samt ihrer Anlage fast einstimmig angenommen. Professor Sewering nannte in einem Schlußwort diese Weiterbildungsordnung eine wichti- ge, eine fortschrittliche Grundlage für den ärztlichen Beruf. Er dankte den Delegierten für die konstrukti- ve Diskussion, die für ihn persön- lich der Höhepunkt eines Viertel- jahrhunderts der gemeinsamen Ar- beit an der Weiterbildung sei. bt

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 22 vom 27. Mai 1976 1483

Referenzen

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