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Archiv "Dieses Gesetz - so nicht!" (02.06.1977)

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Dieses Gesetz

-so nicht!

Mit rückhaltloser Offenheit gab der Erste Vorsitzende der Kassenärztli- chen Vereinigung Nordrhein, Dr.

Hans W. Muschallik, der KV-Vertre- terversammlung am 21. Mai in Köln Aufklärung über das Honorarergeb- nis des Jahres 1976 und über das im Jahre 1977 zu erwartende Ergebnis im Landesber~ich Nordrhein:

...,. Muschallik wies darauf hin, daß mit einem Ausgabenanteil von 17,7 Prozent für ärztliche Leistungen seit über 10 Jahren der niedrigste Anteil an den Beitragseinnahmen der Kran- kenkassen festzustellen ist. Die du rehschnittliehe Umsatzsteigerung beim nordrheinischen Kassenarzt habe nur 2,35 Prozent betragen; der Umsatz wird bei der zu erwartenden Zunahme der Kassenärzte im Jahre 1977 um 900 Ärzte nur um 0,4 Pro- zent weiter steigen können! Damit kommt es zu einem unterproportio- nalen Zuwachs des Umsatzes, was unter Berücksichtigung der Infla- tionsrate von 4,5 Prozent zu einer drastischen Senkung des Rea/ein- kommensführt.

Unter starkem Beifall der Delegierten verwahrte sich Muschallik gegen jede Bagatellisierung der von den Ärzten freiwillig erbrachten finanzi- ellen Opfer und ihrer Bereitschaft zu weiterer Kostendisziplin. Unter Hin- weis auf die in Heft 20 des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTES eben veröf- fentlichten ausführlichen Darlegun- gen von Dr. Rolf Schlögell bei der Vertreterversammlung der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung in Saarbrücken faßte Dr. Muschallik noch einmal Inhalt und Tendenz der Kostenverlagerungsgesetze zusam- men, die am 3. Juni im zweiten Durchgang zur Beratung im Bundes- rat anstehen:

"Unsere soziale Krankenversiche-

rung ist neben der Vorsorge für das Alter zweifelsfrei ein Herzstück in der sozialen Sicherung unserer plurali- stischen Gesellschaft. Es kann auch kein Zweifel daran bestehen, daß der

politischen Beurteilung und Wer- tung hier die Priorität zusteht und die politischen Mehrheiten über die Ent- wicklung unseres Gesundheitswe- sens zu entscheiden haben.

C> Mit Entrüstung wehre ich mich

aber dagegen, wenn von mancher Seite der von uns Ärzten nachprüfbar geleistete große Beitrag zur Kosten- dämpfung in unserem Gesundheits- wesen und unsere darüber hinaus mehrfach gegebene Zusage zur fort- wirkenden Kostendisziplin nicht nur bagatellisiert, sondern scheinheilig als Begründung für die Notwendig- keit genommen werden, uns quasi unter Staatskuratel zu stellen.

[> Ich wehre mich auch dagegen,

daß bei der politischen Diskussion unsere Sorge, daß mit dem jetzigen Gesetzesvorhaben Weichen gestellt werden, die für unser Gesundheits- wesen schwere Gefahren bedeuten können, als auf standespolitischem Dünkel und ökonomischem Grup- penegoismus beruhende Einwände abgetan werden.

C> Ich betone erneut und mit allem

Ernst, daß die mit diesen Gesetzes- vorhaben beabsichtigten Problemlö- sungen - von der Rentenversiche- rung über die Art und Weise der Fort- führung der Kostendämpfung im Ge- sundheitswesen bis hin zu der Ge- fährdung der Chancen unserer jun- gen Generation in Ausbildung und Beruf - nach meiner Überzeugung nicht nur eine grundsätzliche gesell- schaftspolitische Wende bedeuten, sondern darüber hinaus Grundlagen unserer freiheitlichen demokrati- schen Selbstverwaltungsordnung insgesamt berühren!

...,. Es muß daher heute die Frage an unsere Politiker erlaubt sein, ob mit den jetzigen Gesetzesvorhaben eine sachgerechte und finanzierbare ge- sundheitspolitische Fortentwicklung angestrebt wird, die auch wir unter- stützen, oder ob nicht letztlich doch nur ein dirigistisches, ideologisch überlagertes gesellschaftspoliti- sches Instrument geschaffen wer- den soll, welches wir Ärzte ablehnen.

Es muß die Frage erlaubt sein, ob, nachdem schon von den Regie-

Die Information:

Bericht und Meinung

DER KOMMENTAR

rungsparteien die Schulen und das Bildungswesen kaputtgemacht wur- den, nun das gleiche auch mit der Krankenversicherung passieren soll?"

Im Hinblick auf die bevorstehende Bundesratssitzung ging Dr. Mu- schallik auch noch einmal auf die entscheidende Rolle der CDU/

CSU-Opposition bei dem abschlie- ßenden Gesetzgebungsprozeß ein:

"Alle Abänderungsanträge der Op- position, die im Bundestag mehrheit- lich abgelehnt wurden, werden bei dem am 3. Juni beginnenden zweiten Akt des Gesetzwerdungsprozesses im Bundesrat mit Sicherheit wieder zur Diskussion stehen. Mit überwie- gender Wahrscheinlichkeit werden sie aber auch bei dem zu erwarten- den politischen Wiegespiel im Ver- mittlungsausschuß mehr oder min- der entscheidenden Änderungen un- terliegen.

Hier wird sich zeigen, ob die herbe und harte Kritik des Vorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Bundesverei- nigung in einem an den Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Deut- schen Bundestag gerichteten offe- nen Brief berechtigt war oder nicht.

in diesem Brief wird der CDU/CSU vorgeworfen, daß ihr Grundsatz- und Wahlslogan ,Freiheit statt Sozialis- mus' mit ihrem Verhalten in der kon- kreten Situation des jetzigen Gesetz- gebungsverfahrens schwerlich ver- einbar sei. Es wird darauf hingewie- sen, ,daß jeder Bürger, der ausAngst vor den Gefahren des Sozialismus, der Sozialisierung und der Gleich- macherei im Vertrauen auf das Ver- sprechen ,Freiheit statt Sozialismus' auf dem Wahlzettel sein Kreuz hinter der CDU gemacht hat, nun eine Ant- wort der von ihm gewählten Partei erwarte. Eine so harte Kritik muß nach meiner Überzeugung erlaubt und dem Oppositionspolitiker ver- ständlich sein.

Auch wir Ärzte sind enttäuscht dar- über, daß die politischen Kräfte der Opposition bei diesem Krankenversi-

cherungs-Kostendämpfungsgesetz nicht eindeutiger ihren politischen Standpunkt darstellen und ange- sichts der gesellschafts- und ge-

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 22 vom 2. Juni 1977 1451

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Die Information:

Bericht und Meinung Dieses Gesetz — so nicht!

sundheitspolitisch so schwerwie- genden Weichenstellung nicht klare- re Positionen beziehen. Aus vielen und vor allem aus jüngsten politi- schen Gesprächen mit maßgeben- den Unionspolitikern weiß ich aber auch um die Ernsthaftigkeit ihrer Be- mühungen und die schwere politi- sche Verantwortung. Angesichts des heutigen politischen Klimas und an- gesichts der so angespannten ge- samtwirtschaftlichen Situation, ver- schärft durch die anhaltend hohe Ar- beitslosenquote, muß nach meinem Empfinden auch Verständnis für das Ringen um einen tragbaren politi- schen Kompromiß aufgebracht werden.

Zum Krankenversicherungskosten- dämpfungsgesetz werden von der Opposition, und auch hier nenne ich nur Schwerpunkte, die Regelungen zur Arzneimittelverordnung, die Ein- führung einer prä- und poststationä-

ren Behandlung, die Beseitigung der Ersatzkassen und die Regelungen zur Weiterentwicklung der Gesamt- vergütung mit bundeseinheitlichen Orientierungsdaten abgelehnt. An- stelle der Regelungen im § 368 f wird bekanntlich die Einführung einer ,konzertierten Aktion' befürwortet, wobei aber bis heute insofern deut- liche Abstriche zu erkennen sind, als eine solche konzertierte Aktion, wenn auch subsidiär, so doch ins Gesetz aufgenommen werden soll.

Dabei will man allerdings, soweit dies zur Zeit erkennbar ist, die Be- rücksichtigung von Art und Umfang ärztlicher Leistungen ohne ihre Ein- schränkung auf Gesetz und Satzung ebenso aufnehmen wie die Berück- sichtigung der Grundlohnsumme.

Man will aber dennoch nicht eine solche konzertierte Aktion in Frei- heit, also unabhängig von gesetzli- chen Bindungen, quasi als ein Mora-

torium verstanden wissen, sondern diese Regelung im Gesetz fest- und fortschreiben. Eine solche Aufnah- me der ,konzertierten Aktion' in das Gesetz bedeutet aber für mich die Gefahr— und diese ist im Hinblick auf die anhaltend schlechte gesamtwirt- schaftliche Entwicklung groß —, daß das Arbeitsministerium die Möglich- keit einer permanenten Einwirkung auf die vertraglichen Beziehungen, zum Beispiel zwischen Krankenkas- sen und Ärzten, erhält.

Wir sind natürlich weiterhin intensiv darum bemüht, allen verantwortli- chen Politikern, vornehmlich denen der Opposition, zu verdeutlichen, auf Grund welcher sachlichen Argumen- te wir zur Erhaltung der freiheitlichen Grundzüge unseres Gesundheitswe- sens so beinahe verzweifelt darum ringen, daß dieses Gesetz so nicht Gesetz wird." M/DÄ

Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Bundesarbeitsminister Dr. Ehrenberg hat hinter verschlosse- Die nachdrückliche Ablehnung der Bestimmungen der

Gesetzentwürfe zur Renten- und zur Krankenversiche- rung durch die organisierte Ärzte- und Zahnärzteschaft, durch die Berufsorganisationen der Apotheker, der Ver- bände der Krankenhäuser, die pharmazeutische Industrie und die Selbstverwaltungen der Ersatzkrankenkassen wird vonder Bundesregierung und den Parteien der Regie- rungskoalition als unverantwortlicher Gruppenegoismus gebrandmarkt. Die Notwendigkeit der Verabschiedung der Gesetze wird damit begründet, daß nur so die soge- nannte Kostenexplosion in der Krankenversicherung erfolgreich bekämpft werden kann.

Tatsache ist demgegenüber, daß es den freiwilligen Bemühun- gen von Ärzten, Zahnärzten, Apothekern, Kranken- häusern usw. gelungen ist, die Kostenentwicklung bei den Krankenkassen bereits im Jahre 1976 erfolgreich zu dämpfen.

Die Regierungskoalition behauptet, durch diese Gesetze würden die Renten gesichert und die Kosten der Kranken- versicherung ohne einen Leistungsverlust gedämpft.

Beides trifft nicht zu!

Die Renten sind durch die vorgesehenen gesetzlichen Rege- lungen auf längere Sicht kaum sicherzustellen. Die vorge- sehene Mehrbelastung der Krankenkassen durch eine Kostenverlagerung aus der Rentenversicherung wird bis 1980 rund 31 Milliarden erreichen. Deshalb müssen die Beiträge zur Krankenversicherung nach Angaben der Krankenkassen in Kürze um ca. 10 -15 Prozent erhöht werden.

nen Türen die Verminderung von Leistungen der Kran- kenversicherung bei steigenden Beiträgen bestätigen müssen. Warum wird dies alles von der Regierungskoali- tion in der Öffentlichkeit verschwiegen?

Warum werden die Gründe für unsere Ablehnung der Gesetz- entwürfe entstellt und immer wieder als dem Allgemein- wohl widersprechend verteufelt?

Wir sehen in den Auswirkungen beider Gesetzentwürfe den Weg in die Sozialisierung des Gesundheitswesens! Wir sehen nach wie vor gegenüber dem geltenden Recht er- hebliche Verluste an Gestaltungsraum für die Selbstver- waltungen in der Krankenversicherung und an Ver- tragsfreiheit!

Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Die Zeit ist nur noch kurz! Wir richten die dringende Bitte an den Bundesrat, aber auch noch einmal an die Abgeord- neten des Deutschen Bundestages, den Gesetzentwürfen in der vorliegenden Form ihre endgültige Zustimmung zu versagen!

Helfen Sie uns bitte bei unseren Bemühungen!

Aktionsgemeinschaft der deutschen Ärzte Haedenkampstraße 5, 5000 Köln 41 (Lindenthal)

Am 18. Mai 1977 erschien der hier sehr verkleinert wiedergegebene Anzeigentext in großen deutschen Tageszeitungen

1452 Heft 22 vom 2. Juni 1977

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Referenzen

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