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Archiv "Bundespflegesatzverordnung: Vor einem Drahtseilakt" (27.02.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Politik

D

as Bundesarbeitsministeri- um hat bereits zu Jahresbe- ginn „Vorüberlegungen zur Änderung der Bundespflege- satzverordnung" an die insge- samt 39 (!) von der Finanzie- rungs- und Pflegesatzneurege- lung betroffenen Organisatio- nen zur Stellungnahme über- sandt. Die Ministerialbeamten im Hause Blüm sind optimi- stisch und hoffen, daß das parla- mentarische Beratungsverfah- ren noch vor der Sommerpause 1985 abgeschlossen ist. In einer Entschließung hat der Bundes- rat denn auch die Bundesregie- rung aufgefordert, die Bundes- pflegesatznovelle so zügig zu behandeln, daß sie — wie geplant

— zum 1. Januar 1986 in Kraft tre- ten kann.

In Anbetracht des über das Krankenhausfinanzierungs- und Pflegesatzrecht abzuwickelnde Finanzvolumen von zur Zeit jährlich rund 50 Milliarden DM sind an den Verordnungsgeber allerdings besonders hohe An- forderungen gestellt. Die kom- plizierte Rechtsmaterie sollte daher ohne Zeitdruck beraten werden. Erschwerend kommt hinzu, daß den Krankenhäusern und Krankenhausberufen auch bei zügiger Beratung der Pfle- gesatznovelle nur wenig Zeit verbleibt, sich an grundlegend veränderte Bedingungen anzu- passen.

Seit Inkrafttreten der KHG-No- velle ist lediglich eines vollzo- gen worden: Die bislang gelten- de Mischfinanzierung der Kran- kenhausinvestitionen zwischen

Im Anschluß an das zum 1.

Januar 1985 in Kraft getre- tene „Gesetz zur Neuord- nung der Krankenhausfi- nanzierung (KHNG)" müs- sen jetzt die Details der neuen Finanzierungs- und Betriebsführungsvorschrif- ten geregelt werden. Die Referenten im Bundesar- beitsministerium haben ih- ren Verordnungsentwurf weitgehend fertiggestellt.

Bund und Länder wurde aufge- löst und damit die Finanzierung in die alleinige Verantwortung der Länder gestellt. Bis zum In- krafttreten des jeweiligen Lan- desrechtes gelten die bis zum 31. Dezember 1984 geltenden Bestimmungen weiter. Ob die ursprünglich hochgesteckten und mit der KHG-Novelle ver- bundenen Kostendämpfungs- ziele auch nur mittelfristig zu er- reichen sind und auch die Kran- kenhäuser auf Sparkurs zu trim- men sind, muß die Zukunft erst erweisen. Die Rahmenbedin- gungen für mehr Transparenz, interne und externe Kosten- steuerung, für mehr Wirtschaft- lichkeit und eine grundlegende Änderung des Pflegesatzrech- tes sind zwar gestellt worden. Es werden aber noch zwei bis drei Jahre verstreichen, ehe das we- sentliche Resultat — mehr Wirt- schaftlichkeit im stationären

Sektor — auch nur in Umrissen greifbar ist.

Der Entwurf einer neuen Pflege- satzverordnung aus dem Bun- desarbeitsministerium hat eini- ge markante Schwerpunkte:

Der bisher pauschalierte Pflege- satz soll künftig nach einzelnen abgrenzbaren Kostenkategorien gesplittet werden. Außerdem soll die Vergütung nachgewie- sener Selbstkosten umgestellt werden auf vorauskalkulierte, leistungsbezogene Entgelte in Form einer (flexiblen) Budgetie- rung. Der herkömmliche Ge- winn- und Verlustausgleich soll insoweit entfallen oder zumin- dest modifiziert werden, als da- durch stärkere Anreize zur spar- samen und wirtschaftlichen

Krankenhausbetriebsführung ausgehen können. Auch die vom Bundesarbeitsministerium ein- gesetzte Expertenkommission zur Neuordnung der Kranken- hausfinanzierung („Wannagat- Kommission") hat sich für die leistungs- und kostenorientierte Differenzierung der Pflegeent- gelte ausgesprochen.

Mehrfach gesplittete Pflegesätze

Während das Bundesarbeitsmi- nisterium von einer Differenzie- rung der Pflegesätze in eine Ho- telpauschale (Unterkunft und Verpflegung), ein Pflegeentgelt (für die pflegerische Versor- gung) sowie einen Behand- lungspflegesatz für die medizi- nische Versorgung ausgeht, ha- ben sowohl die Krankenhausträ- ger (Deutsche Krankenhausge- sellschaft u. a.), der Verband der leitenden Krankenhausärzte als auch — soweit jetzt bereits er- kennbar — die Bundesländer zu einer Pflegesatzdifferenzierung

„mit Augenmaß" aufgerufen.

Bundespflegesatzverordnung

Vor einem Drahtsellakt

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 9 vom 27. Februar 1985 (21) 549

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Bu ndespflegesatzverordnung

Namentlich die Krankenhausge- sellschaft will allenfalls—auch in Anbetracht zusätzlicher Verwal- tungskosten — eine Differenzie- rung des vollpauschalierten Ta- gessatzes in eine allgemeine Grundpauschale (Basispflege- satz) für Unterbringung und Ver- pflegung sowie für die pflegeri- schen und medizinischen Grundleistungen tolerieren, ne- ben welchen alle darüber hin- ausgehenden Sonder- und Zu- satzleistungen gesondert be- rechnet werden sollen.

Gerade diese Grundsatzent- scheidung birgt noch eine Men- ge Zündstoff. Das Bundesar- beitsministerium geht davon aus, daß künftig die Kostenbün- delung zu den einzelnen Pflege- satzabrechnungsblöcken im Ko- sten- und Leistungsnachweis geregelt werden. Für 16 beson- ders aufwendige Krankenhaus- leistungen sieht der Verord- nungsentwurf eine besonders zu vereinbarende Einzelvergü- tung unabhängig vom Pflege- satz vor. Dazu gehören bei- spielsweise Herzoperationen, Organtransplantationen oder die Behandlung mit einem Nie- renl ithotripter.

Durch die gesonderte Berech- nung solcher Leistungen sollen die Kalkulationsrisiken der Kran- kenhäuser begrenzt werden.

Der weiterhin mit den anderen Pflegesätzen bei der Behand- lung dieser Patienten abgegol- tene Leistungsbereich werde dadurch kostenmäßig homoge- ner und sei eher dem betriebs- wirtschaftlichen Ansatz der Bud- getierung zugänglich. Durch die gesonderte Berechnung werde insbesondere der Behandlungs- pflegesatz erheblich entlastet.

Zudem werde er mit dem Pfle- gesatz anderer Häuser ver- gleichbarer, was die Kosten- transparenz im Krankenhausbe- reich erhöhe. (Aber gerade wel- che Häuser und welche Versor- gungsstufen im einzelnen ver- gleichbar sind, darüber streiten sich jetzt schon die Experten).

Flexible Budgetierung

Ein weiterer zentraler Punkt ist die geplante „flexible Budgetie- rung". Dabei sollen die Pflege- satzparteien, also die Kranken- kassen und die Krankenhausträ- ger, für einen künftigen Zeit- raum einen Gesamtbetrag (Bud- get) vereinbaren, mit dem die allgemeinen Krankenhauslei- stungen einschließlich der durch die Vorhaltung bedingten Betriebskosten vergütet wer- den. Innerhalb dieses Rahmens soll das Krankenhaus wirtschaf- ten.

Damit dennoch nicht das Bud- get und die prospektiven Pflege- sätze zum Maß und zur Mitte al- ler Krankenhausleistungen wer- den, soll das Budget abhängig von Belegungsschwankungen flexibel angepaßt werden kön- nen. Dadurch sollen kostentrei- bende Fehlanreize, die Verweil- dauerverkürzungen und der Bettenabbau erschwert, zumin- dest eingegrenzt werden.

Die Bundesärztekammer sieht ihre Grundsatzforderungen in- soweit bestätigt, als eine trans- parentere Pflegesatzgestaltung und durch den veränderten Ge- winn- und Verlustausgleich stär- kere Anreize zur sparsamen und wirtschaftlichen Krankenhaus- betriebsführung gesetzt werden sollen. Allein die nachgewiese- nen Fehlsteuerungen, die das Pauschalierungssystem begün- stigt, rechtfertigten es, den Übergang zu einer leistungs- orientierten, kostengerechteren Erfassung und Berechnung er- brachter Leistungen zu wagen.

Die Differenzierung der Pflege- sätze ist wünschenswert und fol- gerichtig. Ebenso ist es ein Fort- schritt, besondere Pflegeentgel- te und Behandlungspflegesätze für enumerativ aufgeführte Ein- richtungen des Krankenhauses zu ermöglichen. Auch ein nicht definitiv vorgegebener Katalog von besonders zu vergütenden überdurchschnittlich teuren Lei- stungen ist ein Weg, eine ko-

stengerechtere Abrechnung und eine zielgerechte betriebs- interne Steuerung in Gang zu setzen.

Weder für die Bundesärztekam- mer noch für den Bundesver- band der Belegärzte Deutsch- lands ist es aber tolerabel, daß mit den Pflegesätzen auch jene Leistungen vergütet werden sol- len, die von den Belegärzten bei anderen Ärzten veranlaßt wer- den. Zu den belegärztlichen Lei- stungen zählt der BMA-Entwurf nämlich auch die von den Beleg- ärzten „veranlaßten" ärztlichen

Leistungen und Leistungen von ärztlich geleiteten Einrichtun- gen. Keinesfalls sollen, so Bun- desärztekammer und Belegarzt- verband, die Berechnungsmög- lichkeiten auf die von dem hauptbehandelnden Belegarzt persönlich erbrachten Leistun- gen begrenzt werden. Die Be- gründung: Der Belegarzt muß auch den nachgeordneten Dienst und den Hintergrund- dienst selbst finanzieren; durch eine Begrenzung würde dem konsiliarisch hinzugezogenen Belegarzt eine eigene Berech- nungsmöglichkeit genommen werden. Die versorgungsnot- wendige durchgängige Versor- gung durch den Belegarzt wäre erneut mit erheblichen existen- tiellen Risiken belastet.

Arztkostenabschlag präzise festlegen

Infolge der Harmonisierung von GOÄ- und Bundespflegesatzver- ordnung (zum 1. Januar 1985) sowie der geplanten Neugestal- tung des Pflegesatzes ist es er- forderlich, den „Arztkostenab- schlag" auf den Behandlungs- pflegesatz für die medizinische Versorgung umzurechnen. Infol- ge der veränderten Berech- nungsbasis muß, so das Petitum der Bundesärztekammer, ein dem bisherigen Abschlag ent- sprechender Absenkungswert errechnet und in der Pflegesatz- verordnung präzise festgelegt werden.

550 (22) Heft 9 vom 27. Februar 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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Bu ndespflegesatzverord nu ng

Das Budgetierungsprinzip hält die Bundesärztekammer für dis- kutabel. Sie fordert freilich, daß der Ärzteschaft Recht und Stim- me im Landespflegesatzaus- schuß, der Empfehlungen über erforderlich werdende Budget- anpassungen geben kann, ge- währt wird.

Die Beteiligung der Ärzteschaft ist allein schon deshalb erfor- derlich, damit die medizinischen Möglichkeiten nicht den finan- ziellen Rahmenbedingungen davonlaufen. Eine einseitige An- bindung der Empfehlungen an

die "einnahmenorientierte Aus-

gabenpolitik der Krankenkas-

sen" ist deshalb nicht zu verant-

worten. Die Politik muß für die daraus resultierenden Konse- quenzen ("Deckelung", "Hek- kenschnitte") geradestehen.

..,. Wenn das neue Pflegesatz- recht und das geänderte Finan- zierungssystem "greifen" sol- len, darf es nicht nur Möglich- keiten eröffnen, Kosten anders als bisher zu berechnen und zu verteilen, die Transparenz ins- gesamt zu erhöhen oder Kosten zu verlagern.

..,. Erweiterte Empfehlungskom- petenz des Landespflegesatz- ausschusses (Budgetänderung, gesonderte Vergütung von Lei- stungen) erfordert Parität oder zumindest Ausgewogenheit in seiner Zusammensetzung. Die Beschränkung des Gremiums auf die Deutsche Krankenhaus- gesellschaft und die Spitzenver- bände der Krankenkassen (ein- schließlich der privaten Kran- kenversicherung) trägt gewiß nicht den medizinisch-ärzt- lichen Aspekten bei der hoch- sensiblen Krankenhausarbeit Rechnung. Wer nicht weiter Krankenhauspolitik nach dem St.-Fiorians-Prinzip betreiben will, sollte die Forderung, mitbe- raten und mitsprechen zu dür-

fen, nicht immer mit Ressortpar-

tikularismus und bloßem Macht- und Interessengehabe abtun!

Dr. Harald Clade

DEUTSCHES itRZTEBLATT

Ausdem

einen Graben in den nächsten

Die Arbeitsgemeinschaft der So- zialdemokraten im Gesundheits- wesen, kurz ASG, schlägt vor, im Gesundheitswesen strikt nach Ba- sisversorgung und Spezialversor- gung zu unterscheiden. Eine sol- che Trennung soll sowohl für den ambulanten wie für den stationä- ren Sektor gelten. Das ist der Kern

Schwarze Schale, rötlicher Kern: Sena- tor Herbert Brückner Foto: Darchioger

eines umfänglichen Papiers, das der Vorsitzende der ASG, der Bre- mer Gesundheitssenator Herbert Brückner, am 11. Februar 1985 in Bonn der Presse vorstellte.

Um ihr Ziel zu erreichen, macht sich die ASG die alte Erkenntnis, daß die Gebührenordnung eine Steuerfunktion hat, zunutze. Vor

DER KOMMENTAR

rund 25 Jahren wurde die Gebüh- renordnung genutzt, um Opas Praxis- die damals angeblich nur mit einem Schreibtisch und einem Stethoskop ausgerüstet war- den modernen Zeiten anzupassen. Dank der Einzelleistungsvergü- tung wurde aus Opas Praxis so ein medizinisch-technisch bestens ausgestatteter Hochleistu ngsbe- trieb. Das Ziel, die Praxis zu mo- dernisieren, wurde so gut er- reicht, daß die damaligen Kritiker und ihre politischen Kinder von heute Zauberlehrlingsgefühle be- schleichen. Sie hätten eigentlich Opas Praxis ganz gern wieder zu- rück, jedenfalls in der sogenann- ten Basis- oder Primärversorgung.

Und so will die ASG die Gebüh- renordnung diesmal, 25 Jahre später, für den Weg zurück nut- zen. Sie fordert die Ablösung der Einzelleistungsvergütung. Sie soll durch ein Kopfpauschalsystem - für die primärärztliche Versor- gung - und eine Vergütung nach., Leistungskomplexen - für die se:

kundärärztliche Versorgung - er- setzt werden. Eine Trennung in Primär- und Sekundärversorgung kann, das hat die ASG richtig er- kannt, nur funktionieren, wenn dem Patienten der freie Zugang zum Arzt verwehrt wird. Die so- zialdemokratischen Gesundheits- arbeiter setzen sich deshalb für ein Einschreibsystem ähnlich dem in Großbritannien oder in den Nie- derlanden ein. Hier fungiert der Primärarzt als Filter; der Spezial- arzt arbeitet nur auf Überweisung.

Und wer ist "Primärarzt"? Die ASG meint damit die Allgemei- närzte, die primärärztlich tätigen Internisten und die niedergelasse- nen Kinderärzte.

Eine vergleichbare Differenzie- rung fordert die ASG für die Kran- kenhäuser: Krankenhäuser der Regelversorgung seien so auszu- rüsten, daß sie sich tatsächlich auf das beschränkten, was für die Versorgung des großen Teils der Kranken ihres Einzugsbereiches wirklich benötigt werde. Hochlei- stungsmedizin hingegen sei nur in den eigens dafür bestimmten Krankenhäusern zuzulassen. Da Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 9 vom 27. Februar 1985 (23) 551

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