POLITIK
tervention im Kindes- und Jugendal- ter unter Leitung von Prof. Dr. sc.
pol. Klaus Hurrelmann, Universität Bielefeld, Ende Januar 1994 in Biele- feld.
In einem „Memorandum" postu- liert die Bielefelder Fachkonferenz eine multidisziplinäre und multipro- fessionelle Kooperation aller in die gesundheitliche und psychosoziale Betreuung von Kindern und Jugend- lichen eingeschalteten Therapeuten.
Die ärztliche Betreuung müsse eben- falls psychologische und pädagogi- sche Angebote gleichberechtigt ein- beziehen. Große Bedeutung komme auch der Familie, der Schule, den Selbsthilfeorganisationen und der allgemeinen Gesundheitsbildung und -aufklärung zu. Nach Schätzungen der Bielefelder Präventionsanalyti- ker könnten in Deutschland 10 bis 15 Prozent der Familien keine angemes- sene soziale, psychische und gesund- heitliche Betreuung der eigenen Kin- der gewährleisten. Insbesondere Migrantenfamilien und Familien aus sozialen Brennpunkten seien hierbei
AKTUELL
besonders stark betroffen. Es müß- ten in diesen sozial und existentiell benachteiligten Familien die
„Schwellenängste" zu einer gezielten Betreuung abgebaut werden.
Barrieren abbauen!
Die Zugangsbarrieren ließen sich nicht nur durch Informations- kampagnen abbauen. Vielmehr müß- ten auch die Sprechstundenzeiten der Arztpraxen und anderer Thera- peuten ebenso wie die Öffnungszei- ten der Beratungsstellen der Kran- kenkassen auf die besondere Klientel der zu Betreuenden zugeschnitten werden. Empfohlen wird, das Modell der „aufsuchenden Sozialarbeit" wei- ter zu erproben und gegebenenfalls routinisiert einzusetzen.
Die Krankheitsfrüherkennungs- programme im Kindesalter, bereits seit 1971 als kostenlose Pflichtlei- stungen der gesetzlichen Kranken- versicherung verankert, müßten kon- sequenter als bisher genutzt und wei-
terentwickelt werden. Es komme auf die Komplettheit der Inanspruchnah- me an und nicht nur auf eine vor- übergehende gute Akzeptanz bei den ersten Früherkennungsuntersuchun- gen bei Neugeborenen. Es sei not- wendig, die Qualitätssicherungsmaß- nahmen auf diesem Feld auszu- bauen.
Der Kinder- und Jugendärztli- che Dienst der Gesundheitsämter müsse aufgewertet werden und regel- mäßig Sprechstunden in Kindergär- ten und Schulen abhalten. Die Schul- eingangsuntersuchungen in den Bun- desländern müßten effizienter gestal- tet und die Untersuchungsmethoden vereinheitlicht werden. Familien, Kindergärten und Schulen werden als die wichtigsten „Gesundheitser- zieher" im Kindes- und Jugendalter bezeichnet. Noch Informationsdefizi- te gebe es auf dem Gebiet der Ernäh- rungsberatung, der Körperhygiene, der Mund- und Zahnhygiene, der kör- perlichen und geistigen Fitneß, des angemessenen Verbraucherverhal- tens und der Unfallverhütung. HC
Bayerische Ortskrankenkassen
Beratung über ,Ja oder Nein' zur Fusion
Um handfeste Unterlagen für die anstehende Entscheidung zu gewin- nen, ob die Allgemeinen Ortskran- kenkassen (AOK) Bayerns ihre bis- herige Selbständigkeit behalten oder sich zu einer größeren Einheit zu- sammenschließen sollen, entschloß sich der AOK-Landesverband zu ei- nem ungewöhnlichen Schritt. Auf ei- ner Sonder-Vertreterversammlung in München verständigten sich die De- legierten seiner 39 selbständigen Krankenkassen darauf, mit der Un- ternehmensberatung McKinsey ei- nen Beratervertrag zu schließen, der nicht nur die nötigen Entscheidungs- hilfen, sondern auch konkrete Vor- schläge zu ihrer praktischen Umset- zung erbringen soll.
Wie der Vorstandsvorsitzende des AOK-Landesverbandes Bayern, Fritz Schösser, dazu erklärte, sei mit dem Beratungsauftrag noch keine Aussage über das „ob und wie" einer
Regionalisierung verbunden. Viel- mehr müßten die AOK als größter Krankenversicherer in Bayern recht- zeitig sicherstellen, daß die nötigen Überlegungen zur künftigen Organi- sationsstruktur auf soliden unterneh- menspolitischen Grundlagen beru- hen. Der AOK-Landesverband läßt sich seinen Entschluß, „von Anfang an Klarheit über die künftige Kom- petenz- und Aufgabenverteilung zu schaffen", 2,3 Millionen DM kosten.
Der Unternehmensberatung wird nahegelegt, daran zu denken, daß in einer neuen Struktur die Zu- friedenheit der Kunden und das gün- stige Beitragsniveau (durchschnittli- cher Beitragssatz 13,2 v.H.) erhalten bleiben müssen. Zu den Auflagen, von denen die Beratung ausgehen muß, gehört außerdem, daß die re- gionalen Arbeitsplätze der rund 10 000 AOK-Mitarbeiter in allen Landesteilen erhalten werden.
Da das Ergebnis der Beratertä- tigkeit schon für September dieses Jahres erwartet wird, sollte allerdings nicht vergessen werden, daß frühere Tendenzen oder Vorschläge zur Re- gionalisierung bei manchen baye- rischen Ortskrankenkassen gelegent- lich auf massive Ablehnung gestoßen sind. So zum Beispiel im November 1992, als der damalige Landeschef Willi Heitzer auf dem Süddeutschen AOK-Tag in Nürnberg seinen Leu- ten „Kirchturmpolitik" und „Klein- staaterei" vorwarf.
Offenbar hat sich der Wind jetzt gedreht. Die Ende vorigen Jahres ausgegebene Parole „AOK-Fusionen verbessern die Wirtschaftlichkeit"
scheint im Hinblick auf 1996 bis an die Basis vorgedrungen zu sein. Der Beratungsauftrag an McKinsey signa- lisiert jedenfalls, daß eine Landes- AOK in Bayern zumindest nicht mehr unmöglich erscheint. KG A-1268 (24) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 18, 6. Mai 1994