Spektrum der Woche Aufsatze • Notizen
AUS DEN BUNDESLÄNDERN
werkes. Hier konnte Dr. Büch auf eine besonders erfolgreiche Soli- darität der Ärzteschaft hinweisen:
„Wie seinerzeit bei der Gründung des Versorgungswerkes gerade die jungen Kollegen die Einrich- tung des Versorgungswerkes, das doch zunächst besonders für die älteren Kollegen da war, unter Hin- nahme persönlicher Belastung un- terstützten, so wird diese Maßnah- me nunmehr erfreulicherweise be- sonders auch von den älteren De- legierten begrüßt."
Zu mehr Phantasie insbesondere der Politiker bei der Bewältigung der Probleme des Gesundheitswe- sens rief der Mainzer Soziologe Professor Dr. Helmut Schoeck in seinem Festvortrag „Ist eine ratio- nale Gesundheitspolitik noch möglich?" auf. Professor Schoeck ging von der Vermutung aus, daß Politiker offenbar in der ständigen Furcht leben, die Dankbarkeit des Bürgers und Wählers zu verlieren:
deshalb hätten sie wohl auch Angst davor, dem Bürger zuzumu- ten, für etwas, was ursprünglich einmal „Wahlgeschenk" war, plötzlich bezahlen zu sollen. Ein ganz aktuelles politisches Ereig- nis, nämlich der Wahlsieg von Margaret Thatcher in England, könnte aber nach Professor Schoeck ein Beweis dafür sein, daß diese Angst unbegründet ist.
Eine weitere, vielleicht irrige An- nahme der Politiker: Der Gesetz- geber muß nach Professor Schoeck den Ermessensspielraum abstecken, innerhalb dessen die Angehörigen bestimmter Berufe, beispielsweise Ärzte, tätig sein dürfen, ohne sich Schadenersatz- klagen zuzuziehen. Aber niemand kommt auf die Idee, das gleiche einmal auf die krankenversicher- ten Bürger anzuwenden: ihnen droht kein Regreß, wenn sie zu spät zum Arzt kommen!
Ähnlich kann man, führte Profes- sor Schoeck weiter aus, die bei Politikern verbreitete Annahme in Frage stellen, das Gesundheitswe- sen — „die Gesundheitspflege" — sei nicht den Gesetzen des Mark-
tes unterworfen. Wenn man ein- mal anfangen würde, die wirkli- chen Ursachen der Inanspruch- nahme des „Gesundheitsmarktes"
durch den Bürger zu untersuchen, so würde man nach Schoecks Mei- nung darauf kommen, daß längst nicht alle Wünsche an das Ge- sundheitswesen gleichrangig sind.
Ebenso würde man dann feststel- len, daß der zum Beispiel im For- schungsprogramm der Bundesre- gierung oft vorkommende Begriff vom „schichtenspezifischen" oder
„altersspezifischen" Gesundheits- bedarf in die Irre geht. Der Ge- sundheitsbedarf eines unter Fünf- zehnjährigen ist oft ganz anders als der eines Bürgers zwischen 30 und 60, selbst wenn sie der glei- chen Schicht angehören. Letzterer hat möglicherweise, wie Schoeck formulierte, „mit seiner Gesund- heit für seinen beruflichen Erfolg bezahlt" — soll man ihm dies etwa verbieten?
Ein weiteres anschauliches Bei- spiel gab Prof. Schoeck mit dem Hallux valgus. Diese Abknickung der Großzehe ist medizinisch bei allen Frauen das gleiche Phäno- men, hat aber möglicherweise schichtenspezifisch ganz unter- schiedliche Ursachen: Mädchen aus wohlhabenderen Familien be- kamen in jungen Jahren bereits Schuhe mit Stöckelabsätzen, Mädchen aus ärmeren Schichten mußten die von den Geschwistern
„vererbten" Schuhe anziehen.
Die Gesundheitspolitik, forderte Professor Schoeck, sollte nicht dem schlechten Beispiel der Ge- sellschaftspolitik folgen, die mög- lichst schnell allen möglichst das gleiche zukommen lassen will. Es gebe keinen Grund zu der Annah- me, daß der Bürger nicht mündig genug ist, mit einem „persönli- chen Gesundheitsbudget", näm- lich in Form einer Selbstbeteili- gung, umzugehen. Professor Schoeck schlug vor, daß die priva- te Krankenversicherung einmal genauer auswertet, wie sich die dort mögliche Selbstbeteiligung auswirkt. gb
BAYERN
KV: „Stimmungsmache der Ortskrankenkassen"
Die Pressestelle der bayerischen Ärzteschaft hat Äußerungen des Landesverbandes der Ortskran- kenkassen in Bayern in seinem Mitteilungsblatt zurückgewiesen, es sei zu befürchten, daß durch die Empfehlung der „Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen"
1979 das Ende der Beitragsstabili- tät eingeläutet werde. Hierzu wird daran erinnert, daß die bayeri- schen Ortskrankenkassen seit Jahren die niedrigsten Vergütun- gen und seit Mitte vorigen Jahres den niedrigsten Punktwert für den Kassenarzt auszahlen und mit der- zeit 10,62 Prozent den niedrigsten Beitragssatz im Bundesgebiet be- rechnen. Weiter wird der bayeri- sche Sozialminister Dr. Fritz Pirkl zitiert: „Der sich schon 1976 ab- zeichnende Trend einer rückläufi- gen Kostensteigerung in der ge- setzlichen Krankenversicherung hat sich auch 1977 fortgesetzt".
In der Pressemitteilung heißt es dann, der Anteil der Ausgaben für Krankenhausbehandlung an den Gesamtausgaben der Krankenkas- sen sei von 20 Prozent im Jahre 1965 inzwischen auf 32 Prozent angewachsen, während der Anteil für ambulante Behandlung durch Kassenärzte im gleichen Zeitraum von ebenfalls rund 20 Prozent im Bundesdurchschnitt auf 17,6 Pro- zent im Jahre 1978 zurückgegan- gen ist. In Bayern beträgt dieser Anteil nur 17,2 Prozent, bei einzel- nen bayerischen Ortskrankenkas- sen liegt er sogar nur bei 16 und bei 14 Prozent.
Diese Tatsachen, erklärt die Pres- sestelle der bayerischen Ärzte- schaft, beweisen den Willen der bayerischen Kassenärzte zur Spar- samkeit.
Sie müßten es daher ablehnen, jetzt etwa zum Sündenbock für Beitragserhöhungen der Orts- krankenkassen gemacht zu wer- den. PBÄ
1462 Heft 21 vom 24. Mai 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT