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Das Aut-idem-Durcheinander

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Bayerisches Ärzteblatt 4/2002 179

Leitartikel

Sogar Deutschlands größte Boulevardzeitung kam an dem Thema nicht vorbei. „Arzt oder Apotheker – wer sucht jetzt meine Medika- mente aus?“, so die fett gedruckte Schlagzeile in der „BILD“-Zeitung am 1. März. Nicht einmal den Medien, die eigentlich höchsten Wert auf Aktualität legen, war es beim jüngs- ten gesetzgeberischen Geistesblitz der Bundes- regierung möglich, Schritt zu halten. Denn das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz, das als Kernstück die Aut-idem-Regelung ent- hält, ist sofort nach seiner Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 22. Februar in Kraft getreten. Bei genauerem Hinsehen gibt es ei- gentlich kaum handfeste Argumente, die ein solches Hauruck-Verfahren rechtfertigen wür- den.

Denn ob die Aut-idem-Regelung hält, was sich die Strategen aus dem Bundesgesundheits- ministerium davon versprechen, kann durch- aus bezweifelt werden. Der Arzt verordnet einen Wirkstoff, der Apotheker sucht dazu das preisgünstigste Präparat aus, so der einfach klingende Mechanismus. Ärzte, die diesen aus- hebeln möchten, müssen künftig aus dem unte- ren Preisdrittel verordnen. Und hier beginnen bereits die Probleme: Wie ist das untere Preis- drittel definiert? Wie kann man wissen, ob ein Präparat, das eben noch zu den günstigen auf dem Markt gehörte, nicht bereits teurer gewor- den ist? Fragen, denen sich eine Kommission auf Bundesebene derzeit stellt und die im Sommer beantwortet sein sollen. Fragen, die man eigentlich sinnvollerweise geklärt hätte, bevor das Gesetz in Kraft getreten ist.

Die Frage der Patienten, der wir uns jetzt häufig bei der Verordnung von Arzneimitteln stellen müssen, lautet: Warum bekomme ich

nicht mehr mein gewohntes Medikament?

Denn gerade für chronisch Kranke oder für äl- tere Menschen ist es nicht leicht, mit in Farbe und Form variierenden Arzneimitteln zurecht zu kommen. Wer immer Kunde desselben Apo- thekers ist, wird sich wahrscheinlich nur ein- mal umstellen müssen. Wer in unterschied- lichen Apotheken seinen Bedarf deckt, der erhält unter Umständen jedes Mal ein anderes Präparat. Dass dies der Therapietreue nicht gerade förderlich ist, versteht sich von selbst.

Hinzu kommt, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Patienten und uns Ärzten da- durch gefährdet wird, dass wir erklären müs- sen, warum die Pillen und Tabletten unter- schiedlich aussehen und wir nicht die Substi- tution durch den Apotheker verhindert haben.

Wir müssen uns auch dafür rechtfertigen, wa- rum wir mögliche Schäden in Kauf nehmen, obwohl wir diese gar nicht verhindern kön- nen. Fakt ist, dass Originalpräparate und Ge- nerika nicht immer die Zulassung für identi- sche Indikationsgebiete haben und teilweise auch unterschiedlich zu dosieren sind. Gerade in der medizinischen Versorgung von Kindern und älteren Menschen kann eine Über- oder Unterdosierung zu erheblichen Schäden füh- ren. So, wie die Rechtslage momentan ist, haf- ten wir Ärzte für diese Schäden, auch wenn sie auf Grund einer fehlerhaften Substitution ein- getreten sind.

Alle offenen Fragen werden zusätzlich noch um ein hausgemachtes Problem ergänzt. Denn obwohl dies drucktechnisch durchaus möglich gewesen wäre, gab es zum Start der Regelung keine geänderten Rezeptvordrucke. Die Kas- senärztliche Bundesvereinigung wies darauf hin, dass man dies erst mit den Spitzenver- bänden ausdiskutieren müsse. Für die Zwischenzeit wurden einige Hinweise gege- ben, die das richtige Ausfüllen des Rezeptes nur unwesentlich erleichterten. Die Kassen- ärztlichen Vereinigungen in den Ländern ha- ben deshalb ihre Mitglieder selbst informiert.

Beim notwendigen Vorgehen, um die Substitu- tion auf dem Rezept auszuschließen, waren die Empfehlungen höchst unterschiedlich. Sie reichten vom Durchstreichen des Aut-idem- Kästchens über das Ankreuzen eben jenes Kästchens bis hin zum handschriftlich anzu- bringenden Hinweis „nec idem“. Dieses deutschlandweite Durcheinander wäre mit ein wenig mehr Weitblick durchaus vermeidbar gewesen.

Wir haben allen Vertragsärzten in Bayern, die Arzneimittel verordnen, relativ zeitnah eine schriftliche Handlungsanweisung gesendet.

Unsere Empfehlung lautet: Verordnen Sie günstig und wirtschaftlich! Zwar ist es durch- aus auch möglich, durch das Ankreuzen des Aut-idem-Kästchens auf dem Rezept die Her- ausgabe eines anderen als des gewünschten Medikaments zu verhindern. Dies kann aller- dings für den einzelnen Arzt, die einzelne Ärztin im Falle eines Prüfantrages zu Proble- men führen. Durch eine wirtschaftliche, über- legte Verordnungsweise können wir dabei hel- fen, die Ausgaben für Arzneimittel zu senken, ohne dass die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten darunter leidet. In dieser Ziel- setzung stimmen wir mit den Gesundheitspo- litikern in Berlin voll überein, nur die Aut- idem-Regelung hätte es dazu nicht gebraucht.

Das Aut-idem-Durcheinander

Dr. Wolfgang Hoppenthaller, stellv.

Vorsitzender des Vorstandes der KVB Dr. Axel Munte,

Vorsitzender des Vorstandes der KVB

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