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Leopold-Franzens Universität Innsbruck Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaften

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Academic year: 2022

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Leopold-Franzens Universität Innsbruck

Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaften

Der Einfluss von Zeitpunkt und Ausmaß negativer Kindheitserfahrungen und des Moderators Resilienz auf die PTBS Symptomatik im Erwachsenenalter

Masterthesis zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science (M. Sc.) im Fach Psychologie

Eingereicht von: Matthias Pömsl, 1019064, Matthias.Poemsl@student.uibk.ac.at Betreuerin: Dr. Silvia Exenberger-Vanham

Innsbruck, den 5. März 2021

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Zusammenfassung

Hintergrund: Der Zeitpunkt negativer Kindheitserfahrungen und deren Ausmaß haben einen deutlichen Einfluss auf die psychische und physische Gesundheit. Resilienz wird als ein dynamischer Prozess verstanden, der eine Antwort auf jedwede Form von Stressor ist, der zusätzlich sowohl kulturellen, individuellen, temporalen als auch kontextuellen Bedingungen unterliegt und dessen Ergebnis eine gelungene Anpassung des Menschen ist. Diese Arbeit untersucht die Auswirkungen von Zeitpunkt und Ausmaß negativer Kindheitserfahrungen auf die Symptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) im Erwachsenenalter.

Zusätzlich wird ermittelt, ob die Resilienz einen Einfluss auf diese Auswirkungen hat.

Methoden: Im Rahmen einer Querschnittstudie wurden Proband*innen in den Wartezimmern der Innsbrucker Tirol Kliniken rekrutiert. Die hier untersuchte Stichprobengröße umfasst N = 222 erwachsene Teilnehmer*innen (53,6% Frauen) im Alter von 18 bis 80 Jahren (M = 40;

SD = 14.96). Die Proband*innen füllten eine Fragebogenbatterie aus. Dabei wurden soziodemographische Daten erhoben. Kindheitstraumata wurden mit der Skala „Belastende Kindheitserfahrungen“ (KERF) erfasst, die aktuelle PTBS Symptomatik mittels des Essener Trauma – Inventars (ETI). Der Fragebogen Connor-Davidson Resilience Scale – 10 Item Version (CD – Risc – 10) misst die Resilienz im Erwachsenenalter.

Ergebnisse: Es zeigt sich ein positiver Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der negativen Kindheitserfahrungen und der PTBS Symptomatik im Erwachsenenalter (rs = .30***;

p = .000). Zudem konnte nachgewiesen werden, dass unbelastete Proband*innen im Vergleich zu belasteten Proband*innen eine signifikant niedrigere PTBS Symptomatik hatten (d = -.54;

p = .000). Zum Einfluss des Zeitpunktes der Traumatisierung auf die PTBS Symptomatik im Erwachsenenalter konnten keine signifikanten Ergebnisse berechnet werden. Zudem wurde kein moderierender Effekt der Resilienz nachgewiesen.

Konklusion: Für die PTBS Symptomatik im Erwachsenenalter ist die Belastungsschwere in der Kindheit von entscheidender Bedeutung. Eine höhere Belastung geht mit einer stärkeren PTBS einher und ist in dieser Studie die maßgebliche Einflussgröße der PTBS. Der Zeitpunkt des Auftretens der belastenden Erfahrungen scheint für die PTBS Symptomatik eine untergeordnete Rolle zu spielen. Zusätzlich konnte kein moderierender Effekt der Resilienz nachgewiesen werden. Bei psychologischen Interventionen nach negativen Kindheitserfahrungen sollten protektive Faktoren gefördert werden.

Stichwörter: Resilienz, negative Kindheitserfahrungen, Trauma, Zeitpunkt, PTBS

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Abstract

Background: Load and timing of adverse childhood experiences (ACE) have an impact on psychological and physical health. Resilience is a dynamic process in the face of any cultural, individual, temporal or contextual stressor that results in the adaptation of humans. This study analyses the impact of time and ACE load on resilience in adulthood.

Methods: A cross-sectional study was conducted in the waiting rooms of the Tirol Kliniken.

The study sample consisted of N = 222 adult participants (53.6% female). Participants age ranges from 18 to 80 (M = 40; SD = 14.96). Several questionnaires were completed: The Scale “Belastende Kindheitserfahrungen” (KERF) measures adverse childhood experiences.

Post-traumatic stress disorder (PTSD) symptoms were calculated using the Essener Trauma – Inventar (ETI). Finally the Connor-Davidson Resilience Scale – 10 Item Version (CD – risc – 10) was completed to measure Resilience in adulthood.

Results: ACE load was significantly associated with PTSD symptoms (rs = .30***; p = .000).

Participants with no ACE history showed significantly lower levels of PTSD symptoms than participants with ACE load (d = -.54; p = .000). There was no significant link between the timing of ACEs and PTSD. Resilience did not moderate any effects on PTSD.

Conclusion: ACE load plays a decisive role for PTSD in adulthood. Higher levels of ACEs cause higher levels of PTSD symptoms. The timing of ACEs does not seem to have any impact on PTSD. There was no link between ACE timing and PTSD. Resilience also did not moderate any of the effects on PTSD. Thus, ACE load is in this study the main influence on PTSD. Psychological interventions include enhancing protective factors after ACE exposure.

Keywords: Resilience, Adverse Childhood Experiences, Trauma, Timing, PTSD

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I

Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis ... III

1 Einleitung ... 1

2 Resilienz ... 3

2.1 Resilienz als Forschungsgebiet ... 3

2.2 Definitionen von Resilienz ... 6

2.3 Resilienz in dieser Arbeit ... 12

2.4 Risiko- und Schutzfaktoren der Resilienz ... 13

2.4.1 Risikofaktoren ... 13

2.4.2 Schutzfaktoren ... 15

2.5 Maßnahmen zur Förderung von Resilienz ... 17

3 Negative Kindheitserfahrungen und Trauma ... 19

3.1 DSM Kriterien von Trauma ... 19

3.2 Definition von negativen Kindheitserfahrungen ... 19

3.3 Psychische Folgen von Trauma ... 20

3.3.1 Posttraumatische Belastungsstörung ... 20

3.3.2 Weitere psychische Erkrankungen nach und Folgen von Traumata ... 22

3.4 Physische Folgen von Traumata ... 27

3.4.1 Neurobiologische Korrelate ... 27

3.4.2 Physische Folgen von Trauma ... 28

3.5 Soziale Folgen von Traumata ... 29

4 Schwere und Zeitpunkt des Traumas ... 31

4.1 Schwere des Traumas ... 31

4.2 Zeitpunkt des Traumas ... 33

5 Kindheitstrauma und Resilienz ... 38

6 Fragestellung und Hypothesen ... 44

7 Methodik ... 46

7.1 Setting ... 46

7.2 Untersuchungsablauf ... 46

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II

7.3 Untersuchungsinstrumente ... 47

7.4 Stichprobe ... 51

7.5 Soziodemographische Daten ... 52

7.6 Datenanalyse ... 55

8 Ergebnisse ... 58

8.1 Deskriptive Daten ... 58

8.2 Hypothesenprüfung ... 59

9 Diskussion ... 71

9.1 Limitationen ... 76

9.2 Zusammenfassung und Ausblick ... 77

10 Literaturverzeichnis ... 79

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III

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Soziodemographische Daten der Stichprobe ... 53

Tabelle 2: Häufigkeitsverteilung der ACEs in der Stichprobe ... 58

Tabelle 3: Gruppenstatistik der Testgruppen in Bezug auf PTBS Symptomatik ... 59

Tabelle 4: T-Test bei unabhängigen Stichproben ... 59

Tabelle 5: Spearman Korrelation der PTBS Symptomatik und Belastungsschwere... 60

Tabelle 6: Deskriptive Statistik der Belastungs – Testgruppen ... 61

Tabelle 7: Einfaktorielle ANOVA der Belastungs – Testgruppen ... 61

Tabelle 8: Testung der Unterschiede zwischen den Belastungs – Testgruppen nach Gabriel . 62 Tabelle 9: Spearman - Korrelationen zwischen PTBS und Altersstufen ... 63

Tabelle 10: Spearman Korrelation zwischen PTBS und Alter ... 64

Tabelle 11: Spearman Korrelation der Belastungsschwere und dem Alter des ersten ACEs .. 64

Tabelle 12: Deskriptive Statistik der Alters - Testgruppen in Bezug auf PTBS ... 65

Tabelle 13: Einfaktorielle ANOVA der Alters - Testgruppen in Bezug auf PTBS ... 65

Tabelle 14: Gruppenunterschiede der Altersgruppen nach Gabriel ... 66

Tabelle 15: Deskriptive Statistik der drei Altersgruppen ... 66

Tabelle 16: Gruppenstatistiken der beiden Altersgruppen ... 67

Tabelle 17: T-Test der Altersgruppen in Bezug auf PTBS ... 67

Tabelle 18: Moderatoranalyse KERF_MULTI x ACEAlt ... 68

Tabelle 19: Moderatoranalyse KERF_MULTI x RES ... 69

Tabelle 20: Moderatoranalyse ACEAlt x RES ... 70

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1

1 Einleitung

Seitdem Resilienz in den 1970er Jahren in der Positiven Psychologie erstmalig systematisch erforscht wurde, ist sie zunehmend ins Zentrum der modernen psychologischen Forschung gerückt (Bonanno et al., 2015). Dies leitete den Wandel von einer an Pathologie und Dysfunktionalität orientierten Entwicklungspsychologie hin zu einem breitgefassteren Spektrum an positiven Ansätzen, wie zum Beispiel einer positiven Veränderung oder Anpassung des Menschen an die Umwelt (Bonanno et al., 2015).

Resilienz kann als ein dynamischer Prozess verstanden werden, der eine Antwort auf jedwede Form von Stressor ist, der zusätzlich sowohl kulturellen, individuellen, temporalen als auch kontextuellen Bedingungen unterliegt und dessen Ergebnis eine gelungene Anpassung des Menschen ist. Das Konzept der Resilienz wurde in einem Prozess, der sich in vier Wellen vollzog, immer weiter systematisiert und konkretisiert (Wright et al., 2013). Ergebnis dieser Bewegung sind vielfältige Definitionen von Resilienz und ihren Bestandteilen (Fletcher &

Sarkar, 2013).

Weitaus homogener hingegen sind Traumata definiert. Sie beschreiben extreme Ereignisse, die für den Menschen eine massive Bedrohung darstellen und fast immer tiefe Verzweiflung auslösen (American Psychiatric Association, 2000). Die negativen Folgen von Traumata können dabei vielfältige psychische sowie körperliche Erkrankungen sein (Felitti et al., 1998;

Marusak et al., 2015). Neben solch extremen Ereignissen werden auch andere aversive Kindheitserfahrungen häufig unter dem Traumabegriff subsumiert und mit negativen sozialen und gesundheitlichen Endpunkten in Verbindung gebracht (Hughes et al., 2017).

Da viele Menschen im Laufe ihres Lebens mit potenziell traumatischen Erlebnissen konfrontiert sind, ist es von Bedeutung, die Auswirkungen dieser zu untersuchen. Diese Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen negativen Kindheitserfahrungen und Resilienz im Erwachsenenalter. Die Stichprobe umfasste N = 222 Proband*innen. Die verwendeten Untersuchungsinstrumente waren ein soziodemographischer Fragebogen sowie die Skala „Belastende Kindheitserfahrungen“ (KERF), die das Ausmaß und den Zeitpunkt negativer Kindheitserfahrungen misst und die Connor-Davidson Resilience Scale – 10 Items Version (CD - Risc -10), die die Resilienz im Erwachsenenalter abbildet. Zur Erfassung der aktuellen Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) Symptomatik wurde das Essener Trauma – Inventar (ETI) verwendet.

Zu Beginn wird der aktuelle Forschungsstand zu den Themenbereichen Resilienz sowie negative Kindheitserfahrungen und Trauma geschildert. Daraus wird weiter die

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2 Forschungsfrage der Studie mit den Untersuchungshypothesen abgeleitet. Darauf folgt eine Schilderung des Untersuchungsablaufs, der verwendeten Instrumente und der statistischen Verfahren zur Datenauswertung. Im Ergebnisteil werden die Hypothesen berechnet und die Ergebnisse dargestellt. Anschließend folgt die Diskussion der gefundenen Sachverhalte. Im letzten Teil der Arbeit werden Limitationen geschildert und ein Ausblick auf zukünftige Forschungen dargeboten.

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3

2 Resilienz

Zwischen 50 und 60% der Menschen widerfährt im Laufe ihres Lebens mindestens ein potenziell traumatisches Lebensereignis (Bonanno & Mancini, 2008; Kessler et al., 1995;

Ozer et al., 2003). Manche Menschen sind in der Lage selbst größte Hindernisse zu überkommen, wohingegen andere von alltäglichen Problemen überfordert sind (Bonanno, 2004). Was Menschen dazu befähigt, Stressoren zu überwinden und gestärkt aus belastenden Situationen hervorzugehen, ist Thema der Resilienzforschung. Im Folgenden werden die wichtigsten Meilensteine der Resilienzforschung geschildert und Definitionen von Resilienz verglichen. Dabei werden Risiko- und Schutzfaktoren erläutert und eine Definition von Resilienz dargeboten.

2.1 Resilienz als Forschungsgebiet

Die Etablierung der Resilienz als psychologisches Konstrukt hatte seine Anfänge in den frühen 1970er Jahren, als Psychiater*innen und Psycholog*innen immer wieder das Phänomen beobachten konnten, dass Kinder trotz widriger Umstände eine normale Entwicklung bis hin zum Erwachsenenalter durchlebten (Bonanno et al., 2015; Masten, 2016). Dies leitete den Wandel von einer an Pathologie und Dysfunktionalität orientierten Psychologie hin zu einem breitgefassteren Spektrum an positiven Ansätzen, wie zum Beispiel einer positiven Veränderung oder Anpassung (Bonanno et al., 2015). Die genaue Entwicklung der Forschung im Bereich der Resilienz kann rückblickend in vier Wellen unterschieden werden (Masten, 2016; Wright et al., 2013).

Die erste Welle begann in den 1970er Jahren und entsprang einem Zeitgeist, der den Fokus auf die Deskription individueller Stärken und Charakteristika legte, die Kinder als besonders widerstandsfähig gegenüber Stressoren auszeichneten (Masten, 2016). In dieser Zeit entwickelte sich die Terminologie von Unverwundbarkeit über Stressresistenz hin zum Begriff der Resilienz (Wright et al., 2013). Zwei Kernpunkte charakterisierten den damaligen Resilienzbegriff: Zum einen musste überhaupt ein Stressor vorliegen, der die Entwicklung behindert oder gefährdet und somit potenziell Schaden entstehen könnte. Zum anderen musste dieser Stressor überwunden werden und so eine gelungene Anpassung stattfinden (Wright et al., 2013). Da bestimmte Faktoren häufig negative Folgen hatten, wurden diese erfasst und als Risikofaktoren bezeichnet. Zu dieser Zeit lag noch keine genaue Definition von Risikofaktoren vor und man verstand darunter allgemein alles, was eine erhöhte Wahrscheinlichkeit eines negativen Ausgangs beinhaltet. Diese Definition lässt jedoch großen Spielraum für kumulative Effekte und Interaktionen mehrerer Risikofaktoren (Wright et al.,

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4 2013). Ist ein potenzielles Trauma überwunden und die Entwicklungsleistung vollbracht, so ist man nach der Überzeugung der ersten Welle resilient (Wright et al., 2013). Dies bedeutet, dass Resilienz an der Anpassungsleistung nach einem Risiko gemessen wird. Jedoch wurden weder Kriterien für einen solchen Anpassungserfolg definiert, noch Regeln aufgestellt, nach denen eine gelungene Anpassung bemessen wird (Wright et al., 2013). Es stellte sich zunehmend die Frage, welche spezifischen Faktoren nach einem traumatischen Ereignis protektiv wirken und somit zur Resilienz eines Menschen beitragen (Fletcher & Sarkar, 2013). So legte die Forschung der ersten Welle ein besonderes Augenmerk auf Korrelate und Anzeichen einer positiven Anpassung unter widrigen Umständen. Es war von besonderem Interesse, ob es individuelle oder situationsabhängige Unterschiede gibt, die unter ähnlichen Stressoren zu unterschiedlichen Anpassungsleistungen führen (Wright et al., 2013). Zwei Korrelate standen im Mittelpunkt: (1) allgemein protektive Faktoren, die in allen Lebenslagen und gegen jedes Risiko zu einer besseren Anpassung führen und (2) protektive Faktoren, die besonders bei sehr hohem Risiko einen entscheidenden Einfluss auf die positive Anpassung zu haben scheinen (Wright et al., 2013). Die letztgenannten Faktoren spielen nur dann eine gesonderte Rolle, wenn es sich um eine hoch risikoreiche Situation handelt und stellen eine Art Schutzschild dar, mit dem die Gefahr abgewendet wird (Wright et al., 2013). Eine Pionierstudie aus dieser Zeit stellt die Langzeitstudie von Werner und Smith (2001) dar. Die Forscherinnen untersuchten über vierzig Jahre 698 Personen, die 1955 auf der Insel Kauai geboren wurden und erfassten dabei Risiko- und Schutzfaktoren (Werner & Smith, 2001). Die Studienteilnehmer*innen wurden zu gesundheitlichen Daten und wichtigen Lebensereignissen befragt. Ein Drittel der Proband*innen war Belastungen ausgesetzt und somit in der Entwicklung gefährdet. Diese Risikofaktoren umfassten vor allem psychische Erkrankungen der Eltern und andere familiäre Probleme sowie chronische Armut. Es zeigte sich, dass wiederum ein Drittel der gefährdeten Personen eine normale Entwicklung durchlebten (Werner & Smith, 2001). Die Forscherinnen konnten in dieser Gruppe protektive Faktoren erkennen. Diese waren ein ausgeprägter Optimismus und Selbstbewusstsein, Erfüllung im Beruf und ein selteneres Auftreten von chronischen Erkrankungen. Zudem war eine enge Bindung zu einer primären Bezugsperson und nahestehende Personen außerhalb der Familie Kriterien, die die Teilnehmer*innen der resilienten Gruppe aufwiesen (Werner & Smith, 2001). Nachdem in internationalen Studien eine Vielzahl einzelner Korrelate identifiziert wurde, betrachteten die Forscher*innen ihre Ergebnisse differenzierter und stellten sich die Frage, welcher Prozess der resilienten Anpassung zugrunde liegt.

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5 Anfang der 1990er Jahre verlagerte sich der Fokus der Resilienzforschung auf mögliche Prozesse, mit welchen Menschen Widrigkeiten überwinden, die sie erleben (Fletcher &

Sarkar, 2013; Luthar et al., 2000; Masten, 2016; Wright et al., 2013). In dieser zweiten Welle der Resilienzforschung, wurde Resilienz also nicht mehr als einfaches Konzept von Ursache und Wirkung betrachtet, sondern als dynamisches System verstanden, welches vielen kulturellen und individuellen Einflussfaktoren (wie der jeweiligen Wahrnehmung und Interpretation der Umwelt) unterliegt (Wright et al., 2013). So zeigte sich zum Beispiel, dass abhängig vom situativen Kontext, Charaktereigenschaften wie Selbstvertrauen zur Resilienz beitragen, oder aber auch keinen Einfluss nehmen können. Zur gleichen Zeit stellte sich heraus, dass es außerdem möglich ist, dass Kinder in einem Aspekt ihrer Entwicklung die Aufgaben, die ihnen gestellt werden, meistern und als resilient gesehen werden können, während sie gleichzeitig an einer anderen Entwicklungsaufgabe scheitern (Wright et al., 2013). Eine weitere Erkenntnis dieser Zeit war, dass viele Kinder, die ein Trauma erlebt hatten, im späteren Verlauf eine normale Entwicklung durchlebten, solange die Rahmenbedingungen für eine gute Entwicklung gegeben waren. Somit wird der gesellschaftliche und kulturelle Kontext, in dem Resilienz eingebettet ist, verstärkt betont (Wright et al., 2013).

Nachdem die wissenschaftliche Forschung durch Studien eine Vorstellung davon gewonnen hatte, woraus sich Resilienz bilden könnte, stellte man sich die Frage, ob es möglich sei, Resilienz gezielt zu fördern. Anhand experimenteller Studiendesigns versuchte man das herauszufinden. Der Beginn der dritten Welle der Resilienzforschung wurde dadurch eingeleitet (Wright et al., 2013). Es wurden Interventionsprogramme entwickelt, die zum Ziel hatten, negative Entwicklungen in Risikogruppen zu verringern. Hierbei waren insbesondere jene Programme erfolgreich, deren Interventionen sich auf die positiven Korrelate der ersten Welle bezogen. Zum Beispiel wurde versucht, die Ausprägung einer Psychopathologie gefährdeter Kinder durch gezielte Veränderungen der Umwelt zu verhindern. Dazu gehörte, die nachteiligen Lebensumstände der Kinder zu verringern, Ressourcen zu fördern, Beziehungen zu intensivieren oder andere protektive Aspekte aufzubauen (Wright et al., 2013). Man erlangte außerdem die Erkenntnis, dass es bestimmte Entwicklungsphasen gibt, in denen Interventionen erfolgreicher sind als in anderen. Studien ergaben, dass man nach einer Scheidung der Eltern die kindliche Resilienz durch Interventionen fördern konnte, die Verhaltensänderungen der Eltern hin zu einer verstärkten Einnahme der Elternrolle zum Ziel hatten (Wright et al., 2013). In den meisten der damaligen Studien zeigte sich, dass für Kinder in schwierigen Zeiten enge Beziehungen zu anderen Menschen der wichtigste Schutzfaktor

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6 sind (Wright et al., 2013). Der Blick richtete sich insgesamt mehr auf das Umfeld und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die die Ausbildung von Resilienz für die einzelne Person ermöglichten (Ungar, 2013).

In der aktuellen Resilienzforschung wird verstärkt auf das neurobiologische Zusammenspiel zwischen Mensch und Umwelt eingegangen. Die Forschung der vierten Welle der Resilienz untersucht, welchen Einfluss Gene, unsere biologische Entwicklung, die Entwicklung des Gehirns und der allgemeine Kontext haben. Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Anpassung ein allumfassender und dynamischer Prozess ist, bei dem es nicht genügt, ihn eindimensional zu betrachten (Wright et al., 2013). Zudem ist die vierte Welle dadurch gekennzeichnet, dass ein verstärkter interdisziplinärer Austausch über die Erkenntnisse der Resilienzforschung entstanden ist (Masten & Wright, 2010). In den letzten beiden Jahrzehnten wurde die Erforschung der Resilienz auf verschiedene andere Bereiche wie Unternehmen, Sport, Militär, Gemeinschaften oder der Bildung ausgeweitet (Fletcher &

Sarkar, 2013). Die Hoffnung der aktuellen Forschung besteht darin, Wissenschaft und Anwendung der Resilienz zu modernisieren (Wright et al., 2013). Es etablierten sich verschiedene Definitionen, die zumeist Resilienz als Persönlichkeitsmerkmal (Trait), Prozess oder Ergebnis beschreiben (Fletcher & Sarkar, 2013).

2.2 Definitionen von Resilienz

Die obige Schilderung der vier Wellen der Resilienzforschung legt nahe, dass es bis heute keinen Konsens über die genaue Definition sowie Kriterien der Resilienz gibt (Fletcher &

Sarkar, 2013). Heterogene Definitionen erschweren sowohl die Vergleichbarkeit verschiedener Studien untereinander als auch zusammenfassende Metaanalysen (Davydov et al., 2010).

Resilienz als Persönlichkeitsmerkmal – Trait Resilience

Ganz im Geist der ersten Welle definiert Rutter Resilienz allgemein als Summe protektiver Faktoren, welche die Antwort auf eine Gefahr aus der Umwelt, die mit negativen Folgen einhergehen würde, modifizieren, verbessern oder verändern (Rutter, 1987).

Noch heute ist die Erforschung der Resilienz als Charaktereigenschaft von Bedeutung.

Manche Forscher*innen vertreten die Ansicht, dass Resilienz als konstantes Persönlichkeitsmerkmal angesehen werden kann, welches Menschen dabei unterstützt, mit erschwerten Umständen zurechtzukommen, sich an diese anzupassen und somit gut entwickeln zu können. Hierbei spricht man heute von Trait Resilience (Connor & Davidson, 2003; Ong et al., 2006).

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7 Dieser Ansicht folgend, definieren Connor und Davidson Resilienz als die individuellen Eigenschaften, die es einer Person ermöglichen, im Angesicht von Unglück zu gedeihen (Connor & Davidson, 2003). In einer Metaanalyse untersuchten Hu, Zhang und Wang (2015) den Zusammenhang zwischen Trait Resilience und der psychischen Gesundheit von Menschen. Dabei ist besonders wichtig, dass die Autor*innen Trait Resilience als eine konstante Charaktereigenschaft auffassten und psychische Gesundheit als Folge der dadurch gelungenen Anpassung definierten (Hu et al., 2015). Zudem untersuchten sie die möglichen Einflüsse der Moderatoren Alter, Geschlecht und negative Erfahrungen. Erwachsene zeigten sich hierbei im Vergleich zu Kindern oder Jugendlichen resilienter gegenüber negativen Indikatoren psychischer Gesundheit (Indikatoren psychischer Erkrankung). Für positive Indikatoren psychischer Gesundheit wurde kein entsprechender altersabhängiger Unterschied gefunden (Hu et al., 2015). In der Summe hatten Frauen eine geringere Trait Resilience als Männer. Dazu waren die Auswirkungen einer hohen oder niedrigen Resilienz auf die psychische Gesundheit bei Frauen deutlich stärker als bei Männern, wobei eine niedrige Resilienz mit mehr psychischen Erkrankungen einherging (Hu et al., 2015). Einen weiteren Moderator stellten die derzeitigen Lebensumstände der Proband*innen dar. Bei Menschen, die sich derzeit in einer schwierigen Lebenssituation befanden war die Auswirkung der Trait Resilience auf die psychische Gesundheit signifikant größer als bei Menschen, die sich derzeit in keiner Notlage befanden (Hu et al., 2015). Dieses Verständnis von Resilienz als ein relativ konstantes Persönlichkeitsmerkmal spiegelt jedoch mehr eine häufig vertretene Meinung in der Wissenschaft wider, als eine feststehende Definition.

Ercan (2017) untersuchte 2017 den Zusammenhang zwischen den Big Five Persönlichkeitsmerkmalen und der Resilienz bei jungen Erwachsenen. Dazu wurde eine quantitative Studie mit 392 Student*innen durchgeführt. Der resiliente Teil der Stichprobe hatte signifikant höhere Werte in den Bereichen Extraversion, Offenheit für neue Erfahrungen, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Lediglich bei Neurotizismus wiesen die nicht-resilienten Proband*innen signifikant höhere Werte auf (Ercan, 2017). Eine Regressionsanalyse konnte zeigen, dass die Persönlichkeitsmerkmale Neurotizismus, Extraversion und Gewissenhaftigkeit eine Vorhersage der Resilienz möglich machen. Dabei ist die sicherste Vorhersage über das Persönlichkeitsmerkmal Neurotizismus möglich, wobei ein geringer Wert für Neurotizismus eine hohe Resilienz vorhersagt (Ercan, 2017). Eine hohe Ausprägung der Extraversion und der Gewissenhaftigkeit sagen dagegen auch einen hohen Wert der Resilienz voraus (Ercan, 2017).

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8 Resilienz als dynamischer Prozess

Die zweite Welle der Resilienz findet sich in der Definition von Masten, Best und Garmezy (1990) wieder. Sie verstehen Resilienz als den Prozess, der die Kapazität für oder das Ergebnis einer erfolgreichen Anpassung im Angesicht herausfordernder oder bedrohlicher Umstände beschreibt (Masten et al., 1990). Dieses Verständnis von Resilienz als Prozess findet auch heute noch Verwendung (Panter‐Brick & Leckman, 2013). Die American Psychological Association beschreibt Resilienz als einen Prozess, der darin besteht, sich unter widrigen Umständen, Traumata, Tragödien, Bedrohungen und starken Stressoren anzupassen oder sich von schwierigen Erfahrungen zu erholen (American Psychological Association, 2020). Panter-Brick und Leckman (2013) verstehen darunter einen Prozess, wodurch verfügbare Ressourcen genutzt werden, um das Wohlbefinden aufrecht zu erhalten. Zusätzlich betonen sie, dass diese Ressourcen individuell und kulturabhängig sind. Dies geht über ein bloßes nicht Vorhandensein von pathologischen Folgen hinaus und zeigt, wie allumfassend Resilienz hier verstanden wird (Panter‐Brick & Leckman, 2013).

Zehn Jahre später wurde Resilienz als ein dynamischer Prozess beschrieben, der eine positive Anpassung im Kontext erschwerter Umstände beschreibt (Luthar et al., 2000). Eine weitaus breitgefasstere Definition liefert Masten. Sie bezeichnet Resilienz als „eine Gruppe von Phänomenen, die zu guten Ergebnissen in der Anpassung und Entwicklung führen, obwohl diese massiv bedroht werden [eigene Übersetzung aus dem Englischen]“ (Masten, 2001).

Resilienz als Fähigkeit

Eine sehr detaillierte und spezifische Definition von Resilienz liefert Bonanno (2004):

Demnach ist Resilienz eine Fähigkeit von Erwachsenen, die unter normalen Bedingungen leben und einem einmaligen, potenziell sehr schädigenden Ereignis ausgesetzt werden – wie zum Beispiel dem Tod eines nahen Verwandten oder einer lebensbedrohlichen Situation – und dabei verhältnismäßig stabil bleiben, ein gesundes Level der psychologischen und physiologischen Funktionsweise aufrecht erhalten und die Kapazität für Reifung und positive Emotionen zeigen (Bonanno, 2004). Diese Definition bleibt also auf erwachsene Menschen, die ein einmaliges traumatisches Ereignis erlebten, beschränkt. Andere traumatische Situationen, zum Beispiel Kindersoldat*innen, die durch Extremsituationen schwer traumatisiert wurden, bleiben unberücksichtigt. Eine deutlich umfassendere Definition von Resilienz stammt von Lee und Cranford (2008). Sie nennen Resilienz schlicht die Fähigkeit von Individuen, mit Veränderung, Widrigkeiten und Risiken erfolgreich umzugehen (Lee &

Cranford, 2008).

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9

Kernkomponenten von Resilienz – problematische Lebensumstände und positive Anpassung Es kristallisieren sich zwei Kernkomponenten der Definitionen von Resilienz heraus, die den meisten Auslegungen gemein sind: Problematische Lebensumstände und eine positive Anpassung an diese (Fletcher & Sarkar, 2013). Die meisten Forscher*innen sind sich darin einig, dass beide Aspekte für das Auftreten von Resilienz entscheidend sind (Fletcher &

Sarkar, 2013).

Dennoch finden sich auch hier wieder uneinheitliche Interpretationen, die eine Vergleichbarkeit erschweren. Man kann erschwerte Umstände als jene negativen Lebensumstände auffassen, von denen man weiß, dass sie statistisch mit Anpassungsproblematiken zusammenhängen (Fletcher & Sarkar, 2013; Luthar & Cicchetti, 2000; Luthar et al., 2000). Diese Definition beinhaltet eine Schwelle, die überschritten werden muss, damit Ereignisse oder Umstände als Widrigkeiten gezählt werden können und die sinnhaft in einem nahen Verhältnis zum Risiko stehen (Fletcher & Sarkar, 2013). Andere Autor*innen gehen weniger restriktiv vor und bezeichnen problematische Umstände lediglich als jedwedes Erschwernis oder Leid, das mit Problemen, Unglück und Trauma in Verbindung steht (Fletcher & Sarkar, 2013; Jackson et al., 2007). Man kann erkennen, dass einige Forscher*innen von selteneren und dafür gravierenderen Ereignissen ausgehen und andere hingegen alltägliche Probleme zusätzlich miteinbeziehen. Es setzte sich jedoch die Erkenntnis durch, dass Resilienz sowohl in starken Notsituationen, als auch im alltäglichen Stress gefordert und gezeigt werden kann (Fletcher & Sarkar, 2013; Sameroff & Rosenblum, 2006).

Zudem ist es möglich, dass verschiedene Arten von Resilienz, wie beispielsweise Resilienz in alltäglichen oder in Extremsituationen, die Antwort auf verschiedene Stressoren sein können (Davydov et al., 2010). Fletcher und Sarkar (2013) bemerken darüber hinaus, dass Stress nicht nur durch negative oder bedrohende Erfahrungen entstehen kann. Eine berufliche Beförderung kann, obwohl sie als positives Ereignis angesehen wird, den Stress erhöhen und eine Anpassungsleistung erfordern, die dann als Resilienz betrachtet werden kann (Fletcher &

Sarkar, 2013).

Die Definition von positiver Anpassung gestaltet sich ähnlich kompliziert. Luthar und Cicchetti (2000) beschreiben diese als eine soziale Kompetenz, die sich im Verhalten manifestiert oder als den Erfolg, die Aufgaben der jeweiligen Entwicklungsstufen zu meistern. Verschiedene Forscher*innen sehen darin Anzeichen eines Zusammenhangs mit innerer Gesundheit (Fletcher & Sarkar, 2013; Masten & Obradović, 2006). Die Umstände, unter denen die Anpassung geschieht, bestimmen jedoch entscheidend mit, welcher Maßstab

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10 für die Indikatoren einer gelungenen Anpassung verwendet wird. So ist es beispielsweise bei Schulkindern möglich, die schulische Leistung als Maßstab anzuwenden, wohingegen für Soldat*innen in einem Krisengebiet das Fehlen von psychiatrischen Symptomen durchaus als gelungene Anpassung gesehen werden kann (Fletcher & Sarkar, 2013). Kulturelle Einflüsse müssen hier besonders beachtet werden, da eine positive Anpassung durchaus gesellschaftsabhängig definiert werden kann (Fletcher & Sarkar, 2013; Mahoney & Bergman, 2002).

Formen von Resilienz – Recovery, Resistance und Reconfiguration

Ein sehr greifbares Beispiel, wie Resilienz außerdem verstanden werden kann, liefern Lepore und Revenson (2006), die in einem Review Resilienz mit den drei Facetten „Recovery, Resistance und Reconfiguration“ beschreiben.

Recovery

Nachdem eine Person einer Belastung ausgesetzt war, erholt sie sich wieder davon und kehrt zum Ausgangspunkt ihrer Funktionsfähigkeit zurück. Dieses Phänomen wird in der Psychologie auch als normatives Anpassungsmuster bezeichnet. Obwohl diese Möglichkeit der Regeneration von manchen Wissenschaftlern nicht als Form der Resilienz bewertet wird (Bonanno, 2004), ist sich die Mehrheit der Forscher*innen darüber einig, dass Resilienz eine Grundvoraussetzung für die Erholung nach psychischem Stress darstellt (Garmezy, 1991;

Lazarus, 1993; Masten & Reed, 2002). Die Frage nach dem zeitlichen Rahmen, in dem eine Erholung stattfinden sollte, beantworten (Calhoun & Tedeschi, 2014) damit, dass auch eine langsame Erholung als resilient angesehen werden kann. Resilienz ist hierbei also die Fähigkeit zur Regeneration. Individuen finden von selbst wieder in den Alltag zurück (Zautra et al., 2010).

Resistance

Menschen, die sich als widerstandfähig erweisen, zeigen vor, während und nach einer Belastung ihre normale Funktionsfähigkeit (Bonanno, 2004). Diese resiliente Resistenz wird zeitweise als negativ missverstanden, da sie im Kontrast zu geläufigen Annahmen über den Vorgang der Trauer steht. Dabei wird angenommen, dass nach einem Verlust das Empfinden von Stress unausweichlich ist. Zudem wird das Fehlen von Stress als pathologisch angesehen.

Darüber hinaus geht man davon aus, dass es wichtig ist, einen Verlust psychisch zu verarbeiten. Darauf folgt das Nachlassen der psychischen Stressempfindung und am Ende

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11 steht die Bewältigung des Verlustes (Calhoun & Tedeschi, 2014). Jedoch zeigte Bonanno (2004) in einer Studie mit Hinterbliebenen, dass es viele verschiedene Muster gibt, mit denen Menschen auf einen Verlust reagieren. Dazu zählte unter anderem eine kaum vorhandene Trauer, die zeitlich stabil war. Im Gegensatz zum oben geschilderten Ablauf von Trauer konnte eine leichte und zeitlich stabile Depression als häufigste Trauerarbeit identifiziert werden (Bonanno, 2004). Eine potenziell schädigende Konsequenz dieser Annahme findet sich in der psychologischen Praxis. Einige psychologische Interventionen in der Trauer- oder Traumaarbeit legen großen Wert darauf, Schutzmechanismen abzubauen, anstatt Resilienz zu fördern (Calhoun & Tedeschi, 2014). Es kann davon ausgegangen werden, dass Resistenz die häufigste Form dieser drei Resilienzgruppen darstellt (Bonanno et al., 2004).

Reconfiguration

Bewältigt man ein belastendes Ereignis und geht daraus gestärkt und mit mehr Ressourcen hervor, so zeigt man sich resilient. Dieser Vorgang beschreibt aus evolutionspsychologischer Sicht eine erfolgreiche Anpassung an die Umwelt (Cicchetti, 1995; Cicchetti & Cohen, 1995).

Heute findet man diese Art der resilienten Rekonfiguration, wenn Menschen ihre Gedanken, Glaubenssätze und ihr Verhalten an traumatische Ereignisse anpassen und somit eventuelle Traumata in der Zukunft vermeiden (Calhoun & Tedeschi, 2014). In der Theorie der kognitiven Bewältigung wird dieser Vorgang als Assimilation oder Akkommodation verstanden (Lepore, 2001). Trotz einer deutlichen Überschneidung mit dem Konzept der posttraumatischen Reifung oder des posttraumatischen Wachstums (Bengel & Lyssenko, 2012), kann die resiliente Rekonfiguration sowohl positive, als auch bedingt negative Anpassungen zeigen. Spricht man von posttraumatischem Wachstum, sind nämlich ausschließlich „positive psychologische Veränderungen gemeint, die von Betroffenen als Ergebnis oder Folge des Bewältigungsprozesses von extrem belastenden Lebensereignissen berichtet werden. Der Begriff posttraumatisches Wachstum betont, dass Betroffene sich nicht nur vom Trauma erholen, sondern es als Gelegenheit für weitere persönliche Entwicklung nutzen“ (Zöllner et al., 2006). Somit bezieht man sich dabei auf positive Konsequenzen eines Traumas (Calhoun & Tedeschi, 2014). Es wird deutlich, dass Regeneration, Resistenz und Rekonfiguration eher die Art der Belastungsbewältigung in den Mittelpunkt stellen (Bengel &

Lyssenko, 2012).

Mehr auf den Inhalt/ Gehalt von Resilienz konzentriert sich die Definition von Zautra, Hall und Murray (2008). Unabhängig vom akuten Stressor besteht hierbei Resilienz zu einem Drittel aus Regeneration und zu zwei Dritteln aus der Fähigkeit der Nachhaltigkeit. Sie

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12 beschreiben damit die Kraft, die eigene Lebensenergie, Lebensfreude und den Glauben an den Sinn des Lebens auch nach einem PTE nicht zu verlieren (Bengel & Lyssenko, 2012). Diese Nachhaltigkeit ist das Kernelement einer langfristigen und generellen Resilienz (Zautra et al., 2010).

Sozio-ökologisches Verständnis von Resilienz

Ungar (2013) sieht Resilienz in einem sozio-ökologischen Kontext. Dabei wendet sich der Fokus von individuellen Fähigkeiten und Entwicklungen hin zu sozio-ökologischen Rahmenbedingungen. Es geht darum, ein fähiges Umfeld zu haben, das stützend zur Seite stehen kann und somit eine positive Anpassung unter Stressoren zu ermöglichen. Diese Ressourcen können beispielsweise eine sichere Nachbarschaft, eine sichere Bindung zu einer Bezugsperson oder ein anregender Arbeitsplatz sein (Rönnau-Böse & Fröhlich-Gildhoff, 2020). Die Vertreter des sozio-ökologischen Ansatzes setzen sich zudem dafür ein, dass Resilienzförderung nicht instrumentalisiert werden soll und kritisieren dieses Vorgehen.

Dafür wird beispielsweise die Praxis genannt, in der Arbeitswelt Resilienz gezielt zu fördern, um die Belastbarkeit der Arbeitnehmer zu erhöhen, ohne dabei auch gleichzeitig die Arbeitsbedingungen zu verbessern (Rönnau-Böse & Fröhlich-Gildhoff, 2020).

Aburn, Gott und Hoare (2016) analysierten 100 empirische Studien zur Resilienz aus den Jahren 2000 bis 2015. Ihr Ziel war es, verschiedene Resilienzdefinitionen zu vergleichen, um einen Einblick dahingehend zu erlangen, wie Resilienz in der empirischen Forschung verstanden wird. Sie kamen zu dem Schluss, dass kein einheitlicher Konsens über die Definition von Resilienz besteht und Resilienz viele Facetten beinhaltet. Es stellten sich jedoch fünf Konzepte als besonders verbreitet heraus: Resilienz als ein sich Weiterentwickeln, um Widerstände zu überwinden, Anpassung an die Umwelt, ‘ordinary magic’ – Resilienz als ein alltägliches Phänomen, das jedem Menschen gemein ist (Masten, 2001) –, eine gute psychische Konstitution, die als eine Stellvertreterfunktion für Resilienz dient und die Fähigkeit, sich von Rückschlägen zu erholen (Aburn et al., 2016).

2.3 Resilienz in dieser Arbeit

Wie bereits erwähnt, definieren Connor und Davidson (2003) Resilienz als eine Charaktereigenschaft; dies bringt einen entscheidenden Vorteil mit sich, der auch in dieser Studie zur Geltung kommt: die Messbarkeit von Resilienz wird erleichtert. Die Connor – Davidson Resilience Scale liefert valide Daten zur Resilienz. In dieser Studie wird jedoch eine umfassendere Definition von Resilienz gewählt.

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13 In Anlehnung an Fletcher und Sarkar wird der Resilienzbegriff erweitert und als dynamischer Prozess angesehen, welcher diversen kulturellen, individuellen und kontextuellen Bedingungen unterliegt. Er ist eine Antwort auf jedwede Form von Stressor, der zusätzlich sowohl kulturellen, individuellen, temporalen als auch kontextuellen Bedingungen unterliegt und dessen Ergebnis eine gelungene Anpassung des Menschen ist (Fletcher & Sarkar, 2013).

Somit ist Resilienz kein feststehendes Ergebnis einer Entwicklung sondern ein wandelbarer Prozess, der von äußeren Einflüssen mitbestimmt wird. Zwei mögliche Einflussgrößen dieses Prozesses – Zeitpunkt und Ausmaß negativer Kindheitserfahrungen – untersucht diese Arbeit.

2.4 Risiko- und Schutzfaktoren der Resilienz 2.4.1 Risikofaktoren

Als Risikofaktoren werden Bedingungen oder Variablen verstanden, die die Wahrscheinlichkeit positiver oder sozial erwünschter Verhaltensweisen senken oder die Wahrscheinlichkeit negativer Konsequenzen erhöhen (Jessor et al., 1999; Wustmann, 2004a).

Dabei erhöhen Risikofaktoren jedoch nur die Auftretenswahrscheinlichkeit nachteiliger Entwicklungsergebnisse und haben diese nicht immer gesichert zur Folge (Fingerle et al., 1999; Wolke, 2001; Wustmann, 2004a). Es handelt sich hierbei also um Wahrscheinlichkeitsaussagen und nicht um feste Kausalitäten (Werner, 1986; Zolkoski &

Bullock, 2012).

Aktuell unterscheidet die Entwicklungspsychologie zwei Gruppen von gefährdenden Faktoren. Vulnerabilitätsfaktoren beschreiben Bedingungen, die sich auf biologische oder psychische Merkmale des Kindes beziehen (Laucht, 1999; Laucht & Schmidt, 2000; Niebank

& Petermann, 2002; Wustmann, 2004a; Zolkoski & Bullock, 2012). Exemplarisch hierfür sind Defizite, Defekte oder Schwächen des Kindes (Wustmann, 2004a). Zu den Vulnerabilitätsfaktoren zählen außerdem chronische Erkrankungen, Geburtskomplikationen, neuropsychologische Defizite, unsichere Bindungsorganisation, geringe kognitive Fähigkeiten und verminderte Fähigkeit zur Selbstregulation (Egle et al., 1997; Hohm et al., 2017; Laucht

& Schmidt, 2000; Petermann, 2000; Rak & Patterson, 1996; Scheithauer & Petermann, 1999).

Die zweite Gruppe bilden Bedingungen, welche psychosoziale Merkmale der Umwelt des Kindes betreffen. Diese werden als Risikofaktoren im engeren Sinne verstanden (Laucht, 1999; Laucht & Schmidt, 2000; Niebank & Petermann, 2002; Wustmann, 2004a). Als weitere Risikofaktoren werden ein niedriger sozioökonomischer Status, chronische Armut, elterliche Trennung, Alkohol- und Drogenmissbrauch der Eltern, psychische Störung eines Elternteils, niedriges Bildungsniveau und Erziehungsdefizite verstanden (Egle et al., 1997; Goldstein &

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14 Brooks, 2005; Hohm et al., 2017; Petermann, 2000; Scheithauer & Petermann, 1999; Werner

& Smith, 2001; Wustmann, 2004a). Zudem ergibt sich die Gefahr, dass Risikofaktoren gehäuft auftreten und meist keine isolierten Ereignisse sind. Durch diesen kumulativen Effekt kann ein Risikofaktor nicht nur inhaltlich für sich gewertet werden, sondern auch gleichzeitig als Indiz für weitere Risikofaktoren gesehen werden (Wustmann, 2004a). Zum Beispiel erhöht sich für ein Kind, das in Armut aufwächst, die Wahrscheinlichkeit, dass seine Eltern arbeitslos oder psychisch krank sind. Dies bedingt häufig eine schlechtere Ernährung und Pflege und führt so wiederum zu einer größeren Gesundheitsgefährdung des Kindes (Scheithauer & Petermann, 1999; Wustmann, 2004a).

Dabei stellen traumatische Erlebnisse wie körperliche Misshandlungen oder auch Vernachlässigung eine besonders extreme Form von Risikofaktoren dar und bringen vermehrt negative Konsequenzen mit sich (Howell & Miller-Graff, 2014; Simeon et al., 2007;

Wustmann, 2004a; Zolkoski & Bullock, 2012). Diese sprengen die Grenzen vorhersehbarer Erfahrungsspielräume und führen zu Ohnmachtserleben (Butollo & Gavranidou, 1999;

Wustmann, 2004a).

Jungen und Mädchen zeigen sich im Lauf ihrer Entwicklung unterschiedlich resilient und das Geschlecht kann bedingt als Risikofaktor betrachtet werden (Bröckling, 2016). Dabei ist ein Unterschied, dass bis zur Pubertät Jungen häufiger psychisch erkranken als Mädchen. Dafür leiden Mädchen während der Pubertät vermehrt an Depressionen und Essstörungen, Jungen sind insgesamt resilienter (Bröckling, 2016). Jungen leiden häufiger unter Lernbehinderungen und externalisierenden Verhaltensstörungen als Mädchen. Diese zeigen häufiger internalisierte Verhaltensstörungen (Bengel et al., 2009; Bröckling, 2016). Im Erwachsenenalter sind es dann wiederum Frauen, die über eine höhere Resilienz verfügen als Männer. Beide Geschlechter zeigen jedoch vulnerable Punkte.

In einer Studie untersuchten Pechmann et al. (2015) die Zusammenhänge zwischen Resilienz, dem Alter und dem Geschlecht bezogen auf Depressivität und Ängstlichkeit. Mit einer Stichprobengröße von 3748 Proband*innen konnten sie herausfinden, dass eine allgemein niedrigere Resilienz Ängstlichkeit und Depressivität vorhersagt. Die Stärke dieses Zusammenhangs wurde deutlich durch das Geschlecht beeinflusst. Resilienz hatte bei Männern einen stärkeren positiven Einfluss auf die Symptomatik der Depression (Pechmann et al., 2015).

Pechmann und Kolleg*innen (2014) untersuchten den Einfluss der Schichtzugehörigkeit auf Resilienz, psychische Belastung und Lebenszufriedenheit im jungen bis hin zum hohen Erwachsenenalter. Bei Proband*innen hatte die Schichtzugehörigkeit bis ins höhere

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15 Lebensalter einen Einfluss auf die Ausprägung der Resilienz, Depressivität und Lebenszufriedenheit. Dabei galt die Zugehörigkeit zur Unterschicht als Risikofaktor und ging mit einer geringeren Resilienz und höherer psychischer Belastung einher. Die Ausprägung der Ängstlichkeit wurde ab einem Alter von 55 Jahren nicht mehr signifikant durch die Schichtzugehörigkeit der Frauen beeinflusst (Pechmann et al., 2014). Anders zeigt sich dies bei männlichen Probanden. Ab dem Rentenalter konnte hier kein Schichteinfluss auf die psychische Belastung mehr festgestellt werden. Lediglich die Ausprägung der Resilienz wurde noch bis zum 74. Lebensjahr durch die Schichtzughörigkeit beeinflusst. Vor dem Rentenalter zeigte sich jedoch, dass eine niedrigere Gesellschaftsschicht mit einer geringeren Resilienz einherging (Pechmann et al., 2014). Über die gesamte Stichprobe hinweg hatten Proband*innen, die der Oberschicht zugehörig sind, die höchste Resilienz (Pechmann et al., 2014).

2.4.2 Schutzfaktoren

Im gleichen Maße wie Risikofaktoren Resilienz hemmen, können Schutzfaktoren förderlich wirken (Alvord & Grados, 2005; Benzies & Mychasiuk, 2009; Fergus & Zimmerman, 2005;

Martinez‐Torteya et al., 2009; Zolkoski & Bullock, 2012). Dabei verändern Schutzfaktoren die Antwort auf einen Stressor dahingehend, dass ein negatives Ergebnis verhindert werden kann. Allgemein kann zwischen personalen und sozialen Ressourcen unterschieden werden (Wustmann, 2004b). Hierbei werden die personalen Ressourcen in kindbezogene Faktoren und Resilienzfaktoren unterschieden. Unter den kindbezogenen Faktoren versteht man positive Temperamenteigenschaften, die soziale Unterstützung und Aufmerksamkeit bei den Betreuungspersonen hervorrufen. Dies ist besonders bei aktiven und offenen Kindern der Fall (Julius et al., 2000). Zudem ist es positiv, das weibliche Geschlecht oder das erstgeborene Kind zu sein. Als Resilienzfaktoren werden unter anderem Problemlösefähigkeiten, Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, ein positives Selbstkonzept, Fähigkeiten zur Selbstregulation, sicheres Bindungsverhalten und eine optimistische Lebenseinstellung genannt (Wustmann, 2004b). Dem gegenüber stehen soziale Ressourcen. Diese finden sich innerhalb der Familie, in den Bildungsinstitutionen und im weiteren sozialen Umfeld.

Innerhalb der Familie spricht Wustmann beispielsweise von mindestens einer stabilen Bezugsperson, Kohäsion, enge Geschwisterbindung und einem hohen sozioökonomischen Status. In den Bildungsinstitutionen spielen unter anderem klare, transparente und konsistente Regeln und Strukturen eine Rolle. Darüber hinaus ist positive Verstärkung und ein angemessener Leistungsstandard von Bedeutung (Julius et al., 2000). Im weiteren sozialen Umfeld ist es wichtig, kompetente und fürsorgliche Erwachsene außerhalb der Familie zu

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16 haben, die Vertrauen und Zusammengehörigkeitssinn fördern und als positive Rollenmodelle dienen (z.B. Nachbarn, Lehrer und Freunde) (Bender & Lösel, 1998). Des Weiteren sind Ressourcen auf kommunaler Ebene wichtig. Diese können Angebote der Familienbildung oder Gemeindearbeit sein. Auf die Gesellschaft bezogen sind prosoziale Rollenmodelle, Normen und Werte von Bedeutung (Wustmann, 2004b).

Nach Benzies & Mychasiuk (2009) kann Resilienz dann optimiert werden, wenn protektive Kräfte in allen interaktiven Bereichen des sozio - ökologischen Models gestärkt werden (z.B.

in Familie oder Gesellschaft). Dabei sind individuelle Schutzfaktoren hier (a) eine enge Bindung zu einer Bezugsperson im ersten Lebensjahr, (b) soziale Verträglichkeit mit einem Unabhängigkeitsgefühl, (c) eine optimistische Sichtweise und (d) Offenheit für Strategien der required helpfulness (Werner, 1984). Zudem sind Intelligenz, Bindung zu Anderen (Alvord &

Grados, 2005), Bewältigungsstrategien, Temperament, Gesundheit, Gender (Benzies &

Mychasiuk, 2009) und internale Motivation (Masten, 2001) der Resilienz zuträglich. Die Fähigkeit zur Selbstregulation gilt als besonders starker Schutzfaktor (Alvord & Grados, 2005; Benzies & Mychasiuk, 2009; Zolkoski & Bullock, 2012). Als ein weiterer individueller Schutzfaktor hat sich ein positives Selbstkonzept erwiesen (Marton et al., 1988; Zolkoski &

Bullock, 2012). Eine weitere Studie aus dem Jahr 2013 fand zudem heraus, dass die Glaubensschemata Selbstwirksamkeit, Optimismus, Vertrauen, Erfolg und Selbstwert Prädiktoren für die Resilienz darstellen (Keyfitz et al., 2013). Dabei war Selbstwirksamkeit in hoher Ausprägung der beste Prädiktor für Resilienz (Keyfitz et al., 2013).

Positive familiäre Bedingungen sind Eltern, die ihre Kinder unterstützen und fördern und dabei einen liebevollen Umgang pflegen (Zolkoski & Bullock, 2012). Schutzfaktoren in der Gesellschaft des Kindes stellen Vorbilder außerhalb der Familie dar. Das könnten zum Beispiel Lehrer oder Nachbarn sein (Zolkoski & Bullock, 2012). In anderen Studien konnte gezeigt werden, dass ein religiöser Glaube (Grotberg, 2003) oder ein anderes Glaubenssystem als Schutzfaktor dienen kann (Benzies & Mychasiuk, 2009). Eine Studie, die Resilienz bei Frauen mit Brustkrebs untersuchte, konnte zeigen, dass Frauen, die in ihrem bisherigen Leben häufiger mit erschwerten Bedingungen konfrontiert waren, eine höhere Resilienz aufwiesen, als Frauen mit wenigen Herausforderungen vor ihrer Erkrankung (Dooley et al., 2017). Somit wirkt moderater Stress in der Entwicklung als Schutzfaktor.

Bei der Betrachtung von Risiko- und Schutzfaktoren ist noch wichtig zu betonen, dass sich diese nicht gegenseitig aufheben (Rönnau-Böse & Fröhlich-Gildhoff, 2020). Zudem stellen sie keine Gegensätze am jeweils anderen Ende eines Spektrums dar und das Augenmerk sollte daher auf das Zusammenwirken der parallel auftretenden Risiko- und Schutzfaktoren liegen

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17 (Wustmann, 2004a). Die Wechselwirkung der beiden Faktoren ist ein wichtiger Kernaspekt für das Verständnis von Resilienz (Rönnau-Böse & Fröhlich-Gildhoff, 2020).

2.5 Maßnahmen zur Förderung von Resilienz

Luthar (2014) befasst sich mit der Frage, wie durch die Minimierung modifizierbarer Risikofaktoren Resilienz gefördert werden kann. Es sollten die Risikofaktoren angegangen werden, die (a) den größten Einfluss mit anhaltenden Konsequenzen haben und (b) relativ modifizierbar sind, wie zum Beispiel die Funktionsweise eines Erziehungsberechtigten (Luthar et al., 2014). Da negative Ereignisse in der Regel stärker wirken als positive (Baumeister et al., 2001), soll ein Übergewicht des Positiven erzeugt werden (Luthar et al., 2014). Hierzu wurde ein Verhältnis zwischen guten und schlechten Ereignissen von drei zu eins als förderlich beschrieben, um ein bestmögliches psychisches Wachstum zu erreichen (Fredrickson & Losada, 2005). Interventionen zur Förderung von Resilienz können hierbei in ein Macro- und Microlevel aufgeteilt werden (Greenberg, 2006). Das Macrolevel legt den Grundstein für Interventionen auf dem Microlevel (Oral et al 2016). Auf der Ebene des Macrolevels werden wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen geschaffen, die sichere, unterstützende und gesundheitsförderliche Gemeinschaften, Einstellungen und Verhaltensweisen ermöglichen sollen (Hornor, 2017). In der konkreten Umsetzung würde man hier versuchen, negative Kindheitserfahrungen zu verhindern und gleichzeitig die Gemeinschaft zu stärken. Dazu könnten Mindestlöhne angehoben oder das Bildungssystem durchlässiger und bezahlbarer gestaltet werden (Hornor, 2017). Auf Gesellschaftsebene kann nach Khanlou und Wray Resilienz dadurch gesteigert werden, indem für mehr soziale Gerechtigkeit gesorgt wird (Khanlou & Wray, 2014). Dies bezieht sich auf Einkommensgerechtigkeit, ein faires Schulsystem und ein zugängliches Gesundheitssystem.

Microlevelinterventionen hingegen versuchen, die Kultur, Einstellungen und Beziehungen innerhalb von Gemeinden, Schulen, der Peer - Group oder der Familie zu verbessern. Dies geschieht durch Programme, die positive Entwicklungsprozesse stärken (wie Kommunikationstraining oder Elternkurse) und so die Beziehungen der Kinder zu ihren Bezugspersonen verbessern (Greenberg, 2006; Hornor, 2017). Eine kanadische Studie mit Jugendlichen einer indigenen Risikopopulation konnte zeigen, dass gezielte Outdoor- Aktivitäten, die auf die Bedürfnisse und den kulturellen Hintergrund der Teilnehmer*innen abgestimmt waren, die Resilienz steigern konnten. Eine direkte Folge davon war, dass die Jugendlichen nach den Interventionen ihre körperliche und psychische Gesundheit höher einschätzten als zuvor (Ritchie et al., 2010). Zudem schlägt Robson auf der Ebene des Individuums Skill-Trainings und das Ausbauen von Stressbewältigungsstrategien vor

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18 (Robson, 2014). In einer Studie mit auffälligen und problematischen Schulkindern konnte überdies gezeigt werden, dass speziell geschulte Lehrkräfte in der Lage waren, durch Interventionen die Resilienz der Kinder zu steigern und dadurch problematische Verhaltensweisen zu verringern (Stoiber & Gettinger, 2011). Zusammenfassend empfiehlt Masten (2005) für alle der dargestellten Interventionsebenen drei Grundstrategien, um die Funktionsweise und Entwicklung des Menschen sicherzustellen: 1.) Die Auswirkungen von Risikofaktoren minimieren, 2.) die positiven Effekte von Ressourcen steigern und 3.) die Anpassungsfähigkeit des Individuums schützen, wiederherstellen oder fördern.

Die Förderung von Resilienz scheint auf der einen Seite lohnend, auf der anderen Seite mit teils großem Aufwand und hohen Kosten für die Gesellschaft verbunden zu sein. Es ist also entscheidend, Interventionen möglichst zielgerichtet und effizient zu gestalten. Dies macht deutlich, dass es von Bedeutung ist, individuelle und gesamtgesellschaftliche Risikofaktoren für eine verminderte Resilienz möglichst genau zu identifizieren, um Lösungsansätze zu erarbeiten.

Zusammenfassend kann mit Rönnau-Böse und Fröhlich-Gildhoff (2020) gesagt werden, dass sich Resilienz an einer belastenden Situation und deren Bewältigung zeigt (Rönnau-Böse &

Fröhlich-Gildhoff, 2020). Wie erfolgreich solche Bedrohungen in der Entwicklung bewältigt werden können und welches Entwicklungsergebnis sich daraus ergibt, hängt maßgeblich von den oben geschilderten Risiko- und Schutzfaktoren ab und kann durch Maßnahmen gezielt gefördert werden. Jedoch können dabei auch der Zeitpunkt und das Ausmaß der Entwicklungsbedrohungen eine bedeutende Rolle spielen. Im Folgenden werden diese im Sinne negativer Kindheitserfahrungen beleuchtet.

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3 Negative Kindheitserfahrungen und Trauma

Die obige Schilderung verdeutlicht, dass Resilienz einen Einfluss auf viele Bereiche des Lebens hat. Jedoch gibt es noch weitere Ereignisse, die das Leben und auch die Resilienz beeinflussen können. Im Folgenden werden negative Kindheitserfahrung und Kindheitstraumata besprochen und deren Folgen dargestellt.

3.1 DSM Kriterien von Trauma

Das DSM V (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) legt den Fokus bei der Definition von Trauma verstärkt auf objektiv erfassbare Kriterien und weniger auf das subjektive Erleben in der Situation (American Psychiatric Association, 2013). Dabei entschied man sich, aufgrund von mangelnder Evidenz und klinischer Nützlichkeit, das Kriterium der empfundenen Hilflosigkeit, Furcht oder Entsetzen zu entfernen. Zusätzlich ist es nicht mehr zwingend, das potenziell traumatische Ereignis selbst erlebt zu haben. Es ist möglich, davon Zeuge gewesen zu sein oder dass den betroffenen Personen davon berichtet wurde (American Psychiatric Association, 2013). Nach Maercker und Michael (2009) werden sogenannte Typ I-Traumata, die einmalig und meist kurzdauernd sind, von Typ II-Traumata, die sich wiederholen und über einen längeren Zeitraum anhalten, unterschieden. Zudem wird zwischen interpersonellen und akzidentellen Traumata differenziert (Maercker & Michael, 2009). Nicht jedes traumatische Ereignis muss jedoch zwangsläufig die Diagnose einer PTBS nach sich ziehen.

Das ICD-10 (International Classification of Diseases) legt operationalisierte Kriterien für die Definition eines Traumas und einer daraus möglicherweise resultierenden, posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) fest. Als Trauma wird ein Ereignis angesehen, das den tatsächlichen oder drohenden Tod, tatsächliche oder drohende ernsthafte Körperverletzung oder eine Bedrohung der eigenen körperlichen Unversehrtheit oder anderer nach sich zieht und bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung auslösen würde (World Health, 2004). Inwiefern traumatische Erfahrungen in der Kindheit jedoch einen Einfluss auf das spätere Leben und Erleben haben können, soll im Folgenden ausführlich erläutert werden.

3.2 Definition von negativen Kindheitserfahrungen

Eine frühe Studie, die sich intensiv mit negativen Kindheitserfahrungen befasst, ist die ACE – Studie von Felitti und Kolleg*innen (1998). Dabei steht die Abkürzung ACE für adverse childhood experience und ist im deutschen mit negativen oder belastenden Kindheitserfahrungen gleichzusetzen. Dabei erstreckt sich die Zeitspanne der ACEs bis zur Volljährigkeit. Den Forscher*innen zufolge, handelt es sich hier um direkten oder indirekten

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20 emotionalen, körperlichen und/oder sexuellen Missbrauch durch die Eltern oder andere Bezugspersonen. Des Weiteren zählt Mobbing durch die Peer – Group oder bezeugte häusliche Gewalt zu den belastenden Kindheitserfahrungen (Felitti et al., 1998; Isele et al., 2014).

In einer Metaanalyse versuchen Kalmakis und Chandler (2014) den Begriff der negativen Kindheitserfahrungen zu vereinheitlichen und zu definieren. Dafür analysierten sie 128 Artikel über negative Kindheitserfahrungen und deren Auswirkungen aus den Jahren 1970 bis einschließlich 2013. Zur Analyse der Artikel gingen die Forscher nach den fünf Schritten nach Norris vor (Kalmakis & Chandler, 2014). Dabei wird zuerst das Konzept beobachtet und beschrieben. Im zweiten Schritt erfolgt die Kategorisierung der Beobachtungen (Kalmakis &

Chandler, 2014). Anschließend werden diese operationalisiert und ein Modell des Konzepts wird erstellt. Im letzten Schritt wird eine Hypothese des Konzepts formuliert (Kalmakis &

Chandler, 2014). Allen verwendeten Studien war gemein, dass sie keine klare Definition für negative Kindheitserfahrungen lieferten, sondern lediglich Beispiele aufzählten, die sie in diese Kategorie einordneten (Kalmakis & Chandler, 2014). Die Forscher identifizierten fünf Kernkomponenten, die negative Kindheitserfahrungen ausmachen. Sie sind: (1) schädigend, (2) andauernd oder wiederkehrend, (3) stressend, (4) kumulativ und (5) variierend im Schweregrad. Aus diesen Punkten leiten Kalmakis und Chandler (2014) ihre Definition negativer Kindheitserfahrungen ab: „Negative Kindheitserfahrungen sind Ereignisse in der Kindheit, die in ihrer Intensität variieren und häufig andauern, die im familiären oder sozialen Kontext auftreten und Schaden oder Stress verursachen und somit das physische und psychische Wohlbefinden des Kindes stören und dessen Entwicklung schädigen.” (S.1495).

3.3 Psychische Folgen von Trauma

3.3.1 Posttraumatische Belastungsstörung

Die initialen Reaktionen auf Traumata sind bei den meisten Menschen gleich. Dabei durchleben sie das Trauma immer wieder erneut, zeigen Vermeidungsverhalten und Übererregbarkeit (Kearns et al., 2012). Bei vielen Menschen schwächen sich diese Symptome nach einiger Zeit ab. Bleiben sie jedoch bestehen, führt das zur Diagnose einer PTBS (Kearns et al., 2012). Die Diagnosekriterien einer PTBS lauten nach DSM-V (American Psychiatric Association, 2013):

A. Traumatisches Ereignis: Tod, tödliche Bedrohung, sexuelle Gewalt etc. Die Person war dem Ereignis direkt, indirekt oder als Zeuge ausgesetzt.

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21 B. Wiedererleben: Albträume, unfreiwillige und sich aufdrängende belastende Erinnerungen, dissoziative Reaktionen wie Flashbacks, intensiver und langanhaltender Stress und physiologische Reaktionen.

C. Vermeidung: anhaltendes und starkes Vermeiden von traumaassoziierten Gedanken, Gefühlen oder externen Reizen.

D. Negative Veränderung von Gedanken und Stimmung: u.a. Amnesie, verzerrte Vorwürfe gegen sich selbst und andere, andauernde negative traumaassoziierte Emotionen, eingeschränkter Affekt.

E. Veränderung in Erregung und Reaktionsfähigkeit: gereiztes oder aggressives Verhalten, selbstverletzendes und leichtfertiges Verhalten, erhöhte Vigilanz, übermäßige Schreckreaktionen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen.

F. Dauer der Symptome länger als ein Monat

G. Funktionelle Bedeutsamkeit: In klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

H. Die Symptome sind keine Folge von Medikamenten, Substanzeinnahme oder Krankheiten.

Bis heute gibt es wenig Erkenntnisse darüber, wie nach einem traumatischen Ereignis die Entstehung einer PTBS verhindert werden kann (Kearns et al., 2012). Künftig wird im ICD – 11 zwischen einer PTBS und einer komplexen PTBS (KPTBS) unterschieden werden (Brewin et al., 2017). Die KPTBS beschreibt dabei andauernde Persönlichkeitsveränderungen nach Extrembelastungen. Sie umfasst die psychischen Folgen von Geiselhaft, Kriegsgefangenschaft, dem Ausgeliefertsein bei sexueller und häuslicher Gewalt, physischem oder sexuellem Missbrauch in der Kindheit oder organisierter sexueller Ausbeutung (Voderholzer & Hohagen, 2018).

Studien, die sich mit der Prävalenz von PTBS und KPTBS befassten, kamen zu dem Ergebnis, dass rund 2,3% bis 3% der Bevölkerung an einer PTBS leiden. Für eine KPTBS konnten Werte zwischen 0,6% und 1% ermittelt werden (Hyland et al., 2017; Wolf et al., 2015). Die Untersuchung von Menschen in Traumakliniken zeigte, dass die Diagnose einer KPpTBS häufiger war als die einer PTBS. Hier litten 7,8% bis 37% an einer PTBS und 32,8%

bis 42,8% der Menschen an einer KPTBS (Hyland et al., 2017; Karatzias et al., 2016;

Nickerson et al., 2016). Andere Studien sprechen wiederum von einer Lebenszeitprävalenz der PTBS von circa 8% (Steinert et al., 2015).

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22 In ihrem Review befassten sich Santiago et al. (2013) mit dem Verlauf einer PTBS im ersten Jahr nach dem Erleben eines Traumas und unterschieden dabei, ob es sich um ein akzidentelles Trauma oder ein interpersonelles Trauma handelte (Maercker & Michael, 2009;

Santiago et al., 2013). Interpersonelle Traumata sind Ereignisse, die durch einen anderen Menschen absichtlich verursacht werden, wie sexuelle Übergriffe. Von akzidentellen Traumata spricht man bei unabsichtlichen oder unkontrollierbaren Ereignissen, wie Verkehrsunfällen oder Naturkatastrophen (Maercker & Michael, 2009). Allgemein stellten sie fest, dass einen Monat nach dem Trauma rund 29% der Menschen an einer PTBS erkrankt waren. Nach einem Jahr reduzierte sich diese Zahl jedoch auf 17% (Santiago et al., 2013). Für absichtlich zugefügte Traumata zeigte sich aber, dass sich die Anzahl der Personen, die nach einem Monat an einer PTBS litten (11,8%) nach zwölf Monaten auf 23,3% verdoppelte (Santiago et al., 2013). Zudem stellten die Forscher*innen fest, dass ein erstmaliges Auftreten der PTBS zu einem späteren Zeitpunkt als drei Monate nach dem Trauma sehr selten war (3,5%).

Mit dem Zusammenhang zwischen PTBS im Jugendalter und Suizidalität befasst sich der Review von Panagioti et al. (2015). Die Forscher*innen fanden einen starken Zusammenhang zwischen einer PTBS und Suizidalität. Der Effekt war unabhängig vom Alter oder dem Geschlecht der Proband*innen und erwies sich insgesamt als robust (Panagioti et al., 2015).

Eine weitere Review Studie, die sich mit dem im DSM – V neu eingeführten dissoziativen Subtypen der PTBS (American Psychiatric Association, 2013) befasste, kam zu dem Schluss, dass besonders Kindheitstraumata im Vergleich zu Traumata im Erwachsenenalter die Auftretenswahrscheinlichkeit einer dissoziativen PTBS erhöhten (Hansen et al., 2017).

3.3.2 Weitere psychische Erkrankungen nach und Folgen von Traumata

In zahlreichen Studien wurden verschiedene Krankheitsbilder schwerpunktmäßig untersucht.

Psychotische Störungen

Die Auswirkung von Kindheitstraumata auf die Entwicklung von psychischen Krankheiten untersuchte eine belgisch-holländische Forschergruppe. Dafür nutzten die Forscher*innen Daten einer vorangegangenen Langzeitstudie, die das genetische Risiko psychotischer Störungen untersuchte (Isvoranu et al., 2016; Korver et al., 2012). Es wurden insgesamt 552 Menschen mit einer maximal 10 Jahre andauernden, nicht-affektiven psychotischen Störung nach DSM V im Alter von 16 bis 60 Jahren analysiert (Isvoranu et al., 2016).

Die Untersuchung der Beziehung von Kindheitstraumata und einer psychotischen Störung erfolgte erstmalig unter Verwendung einer Netzwerkanalyse (Isvoranu et al., 2016). Die Stichprobe war überwiegend männlich (75%) und hatte ein Durchschnittsalter von 30 Jahren

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23 (SD = 7) (Isvoranu et al., 2016). Die Patient*innen erlitten mehrheitlich Kindheitstraumata.

Rund 79% gaben an, emotional vernachlässigt worden zu sein. Weitere 25% berichteten von physischer Vernachlässigung, 25% von sexuellem Missbrauch, 26% von emotionalem Missbrauch und 16% von physischem Missbrauch (Isvoranu et al., 2016). Ein signifikanter Unterschied konnte bei sexuellem Missbrauch festgestellt werden, den Frauen häufiger erlebten als Männer (Isvoranu et al., 2016). Die Forscher*innen konnten keinen direkten Zusammenhang zwischen den Traumasubskalen und einer psychotischen Störung ermitteln.

Der Effekt wurde dafür durch die Symptome allgemeiner Psychopathologie mediiert (Isvoranu et al., 2016). Die Autor*innen schlussfolgern, dass Kindheitstraumata möglicherweise erhöhten emotionalen Stress bewirken, welcher wiederum die Verbindung zur psychotischen Störung herstellt (Isvoranu et al., 2016). Zusätzlich stellten sie fest, dass Angst die Brücke zwischen emotionalem Missbrauch und der sog. Positivsymptomatik der psychotischen Störung (Paranoia, Wahn und Halluzinationen) darstellte (Isvoranu et al., 2016). Als weiteren Risikofaktor identifizierten sie eine niedrige Impulskontrolle, die die Verbindung zwischen physischem Missbrauch und der Symptomgruppe Größenwahn, Feindseligkeit und Übererregtheit darstellte (Isvoranu et al., 2016). Zudem konnten sie zeigen, dass eine psychomotorische Retardierung mit einem abgeflachten Affekt, geringerer Spontanität und verschlechtertem Sprachfluss einhergeht und so den Mediator zwischen physischer Vernachlässigung und der sog. Negativsymptomatik darstellt (Isvoranu et al., 2016). Einen weiteren starken Mediator sahen die Forscher*innen in übermäßigen Sorgen.

Durch dieses Denkmuster wird der Zusammenhang zwischen physischem Missbrauch mit Wahn und Halluzinationen hergestellt (Isvoranu et al., 2016).

Affektive-, Angst- und Psychotische Störungen

Der Zusammenhang zwischen Kindheitstraumata und psychischer Erkrankung wurde in einer Langzeitstudie untersucht (van Nierop et al., 2015). Die holländischen Forscher*innen nutzten Daten einer großen, dreijährigen staatlichen Umfrage der Allgemeinbevölkerung zur mentalen Gesundheit (van Nierop et al., 2015). Die Forscher*innen bildeten zwei Gruppen, welche die Stichprobe nach klinischer Diagnose aufteilten. Die 1577 Teilnehmer*innen der ersten Gruppe litten an affektiven Störungen (Major Depression, Bipolare Störung, Dysthymie). In der zweiten Gruppe befanden sich 1120 Proband*innen mit Angststörungen (soziale Phobien, Angststörungen und generalisierte Angststörung) (van Nierop et al., 2015).

Da in ihrer eigenen Stichprobe der Anteil an Menschen mit einer nicht-affektiven psychotischen Störung zu gering war, verwendeten die Forscher*innen zusätzlich Daten der zuvor beschriebenen Studie von Isvoranu et al. als dritte Symptomgruppe (Isvoranu et al.,

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