DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
DIE ÜBERSICHT
Wilhelm Höchter und Rudolf Ottenjann
Leitsymptome
111111 ■ 1111111 ■ IF
1. Bakterielle Enterokolitiden
Die bakteriellen Enterokolitiden verdienen aus verschiedenen Grün- den unser besonderes Interesse: Sie sind klinisch wie endoskopisch-biop- tisch nicht selten nur schwer von den idiopathischen Kolitisformen zu un- terscheiden (1, 6, 9). Der Darm rea- giert offenbar auf verschiedene No- xen mit ziemlich gleichbleibenden Reaktionsmustern. Sie können bei Erstmanifestation oder bei Exazer- bation von chronischen idiopathi- schen Kolitiden assoziiert sein. Bei Patienten mit idiopathischen Koliti- den soll eine erhöhte Empfänglich- keit für Darminfektionen vorliegen.
Im Spektrum der Erreger und in ihrer Häufigkeit haben sich bei den bakteriellen Enterokolitiden deut- liche Verschiebungen ergeben.
Darminfektionen mit Campylobacter und Yersinien sind durch neue dia- gnostische Verfahren in den Mittel- punkt des Interesses gerückt. Zu- sammen mit den Salmonellen sind sie derzeit die am häufigsten nachge- wiesenen Erreger von infektiösen Darmerkrankungen.
Die meisten bakteriellen Ente- rokolitiden stellen akute und selbstli- mitierte Krankheitsbilder dar, die im Gegensatz zur Colitis ulcerosa und zum Morbus Crohn innerhalb weni- ger Tage bis Wochen heilen.
Subakute und chronische Verläufe werden jedoch ebenfalls beobachtet, vor allem bei immuninkompetenten Patienten, wodurch die Differential- diagnose zusätzlich erschwert wird.
Die frühzeitige Diagnose ist vor al- lem im Hinblick auf die unterschied- liche Therapie von Bedeutung.
Die klinischen Zeichen der bak- teriellen Enterokolitiden unterschei- den sich kaum voneinander und auch nicht von den idiopathischen Koliti- den. Hauptsymptome sind Diarrhö, bei Kolonbefall meist blutig, krampf- artige Bauchschmerzen, Fieber und Übelkeit mit Erbrechen. Die wesent- lichen Merkmale der bakteriellen Enterokolitiden sind in Tabelle 1 zu- sammengefaßt.
1. Medizinische Abteilung
(Gastroenterologie und Hepatologie) (Chefarzt: Professor Dr. med.
Rudolf Ottenjann), Städtisches Krankenhaus München-Neuperlach
1.1 Salmonellen- Enterokolitis
Erst in den letzten Jahren wurde die häufige Dickdarmbeteiligung bei den Salmonellosen erkannt (4). Das endoskopische Bild der Salmonel- len-Kolitis variiert mit dem Schwere- grad der Erkrankung. In leichten Fällen sieht man punktförmige bis flächige Hämorrhagien und lympha- tische Hyperplasien in einer weitge- hend unauffälligen Schleimhaut.
Mittelgradige Veränderungen sind gekennzeichnet durch eine ödematö- se Schleimhaut, Hämorrhagien sowie Fibrinbeläge und Ulzera. Die schwe- re Form einer Salmonellen-Kolitis zeichnet sich durch konfluierende Ulzera mit hämorrhagisch aufgewor- fenem Randsaum aus. Das Vertei- lungsmuster ist meist segmental, be- tont linksseitig, selten auch diffus.
Das Rektum bleibt oft ausge- spart. Charakteristisch ist — im Ge- gensatz zu den chronischen Koliti- den — die rasche Heilungstendenz auch bei ausgeprägten Läsionen. Bei chronischem Verlauf muß an das gleichzeitige Vorliegen einer idio- pathischen Kolitis gedacht werden.
Die infektiösen Enterokolitiden haben nicht nur zahlen- mäßig an Bedeutung gewonnen. Der Wandel im Erre- ger-Spektrum der bakteriellen Enterokolitiden, die tou- rismusbedingte Zunahme der parasitären Infektionen so- wie sexuell übertragbare Infektionen im Anorektalbe- reich haben die Differentialdiagnose der Enterokolitiden deutlich erweitert. Bei Patienten mit Immunschwäche müssen auch opportunistische Keime als Erreger in Be- tracht gezogen werden.
Differentialdiagnostik der
chronischen idiopathischen Kolitiden
Infektiöse
(Entero-)Kolitiden
Tabelle 1: Bakterielle Enterokolitiden
Art Lokalisation Endoskopie Diagnostik Komplikationen, Therapie
Verlauf Dünndarm
Dickdarm
Erregernach- weis im Stuhl Salmonellose
(S. typhi murium, enteritidis, infantis)
hämorrhagisch, hämorrhagisch- ulzerös, konfluierende Ulzera
toxisches Megakolon, Koinzidenz mit idio- pathischen Kolitiden
Lactulose Ampicillin Co-Trimoxazol
Perforation Shigellen-Ruhr
(Sh. felxneri, sonnei dysenteriae)
Rektum, Sigma, Kolon, Ileum
Colitis-ulcerosa- ähnliches Bild
Erregernach- weis im Stuhl
Ampicillin Tetrazyldine Sulfonamide Campylobacter-
Kolitis (C. jejuni, coli)
Jejunum Ileum Kolorektum
verstärkte Gefäßzeich- nung, Hämor- rhagien, Ulzera
Erregernach- weis im Stuhl oder Gewebe (Selektivnähr- böden)
20 Prozent Rezidive;
chronische Verläufe bei immuninkompe- tenten Patienten;
Komplikationen: toxi- sches Megakolon, Sepsis, Arthritis, Uveitis
Erythromycin Gentamycin
Yersiniose Serotyp (Y enterocolitica, 03/09 pseudotuber- culosa)
terminales Ileum rechtes Kolon
kleine Ulzera, Lymphfollikel- kokarden, Hämorrhagien
Erregernach- weis im Stuhl und Gewebe;
Antikörperkine- tik im Serum
Erythema nodosa Polyarthritis Serum chronische Verläufe
Tetrazyldine Co-Trimoxazol
Darm-Tuberkulose (Mycobacterium tuberculosis)
Ileozökal- bereich
Ulzera Stenose
Mykobakterien im Gewebe, verkäsende Granulome
Darm-Obstruktion Perforation Peritonitis
Tuberkulostatika
enteroinvasive E.
coli (EIEC)-Kolitis
Kolorektum Hämorrhagien Erreger und Cytotoxin im Stuhl
hämolytisch-urämi- sches Syndrom
Ampicillin Tetrazyklin Co-Trimoxazol Sepsis
Clostridium difficile, Kolitis
Kolorektum pseudomembra- nöse Kolitis
Erreger und Toxin im Stuhl
Vancomycin (Metronidazol) Kolorektum
Staphylokokkus aurens, Kolitis
pseudomembra- nöse Kolitis
Erreger und Toxin im Stuhl
Vancomycin (Metronidazol) Ewardsiellen-Kolitis
(E. tarda)
Rektum, Sigma aphthöse Ulzera Erregernach- weis im Stuhl
typhoide Verlaufsform Ampicillin Tetracycline Co-Trimoxazol
1.2 Campylobacter- Enterokolitis
Im letzten Jahrzehnt wurde Campylobacter jejuni et coli, ein gramnegatives mikroaerophiles Stäb- chenbakterium, neben den Salmo- nellen weltweit als häufigster Erre- ger von Darminfektionen erkannt (7). Die entzündlichen Schleimhaut- schäden sind im Dünndarm (Jeju-
num und
Ileum) wie im Dickdarm lo- kalisiert. Das endoskopische Bild mit Schleimhautödem, verstärkter Ge- fäßinjektion, Hämorrhagien undkleinen Ulzera ähnelt dem der Coli- tis ulcerosa (Abbildung 1). Diffuse und segmentale Verteilungsmuster werden beobachtet. Zwar sistieren die Symptome meist innerhalb einer Woche, in bis zu 20 Prozent der Fälle kommt es jedoch zu Rezidiven.
Chronische Verläufe bis zu sechs Jahren wurden bei immuninkompe- tenten Patienten beobachtet. Auch ein toxisches Megakolon und das Bild der pseudomembranösen Koli- tis wurden beschrieben. An extrain- testinalen Manifestationen wurden Sepsis, Meningitis, HLA-B-27-positi-
ve Arthritis, Cholezystitis und Neph- ritis beobachtet. Der Erregernach- weis erfolgt direkt aus dem Stuhl im Dunkelfeld- oder Phasen-Kontrast- Mikroskop und kulturell. Seit kur- zem stehen auch serologische Tests zur Verfügung.
1.3 Yersinia
-Enterokolitis
Die Yersiniose (8) wird vor al- lem durch Yersinia enterocolitica, Serotyp 03 und 09 hervorgerufen, selten durch Yersinia pseudotuber- Dt. Ärztebl. 86, Heft 24, 15. Juni 1989 (49) A-1845Tabelle 2: Parasitäre Darmerkrankungen
Endoskopie gelbliche Plaques kleine Ulzera chronisch: ent- zündliche Poly- pen, Sacculatio- nen
Diagnostik Erregernach- weis im frischen oder fixierten Stuhl (Merthio- lat-Jod-FormoI);
Erreger im Biopsat (PAS- Färbung) Serologie Krankheit
Amöbiasis (Entamöba histolytica, Protozoon)
Lokalisation rechtes Kolon Rekto-Sigmoid
Symptome blutige Diarrhö, Bauchschmer- zen
Therapie Metronidazol Dehydroeme- tin
Komplikation Amöbom Perforation Peritonitis Leberabszeß
Schistomiasis (S. mansoni, S.
japonicum, Tre- matoden)
linkes Kolon (S. mansoni) Dünndarm (S.
japonicum)
blutige Diarrhö, Bauchschmer- zen
entzündliche Polypen, Ulzera, Stenose;
chronisch: gelbe Knötchen
Eier-Nachweis im Stuhl und Biopsat, Serolo- gie
Leberfibrose mit portaler Hypertension,
„Bilharzi- nome"
Praziquantel
Hä a emesis Balantidiose
(B. coli, Proto- zoon)
Strongyloides- stercoralis- Infektion (Ne- matoden)
Anisakiasis (Anisakis mari- na, Nematode)
Zökum
Ileozökal- bereich
Magen, Dünn- darm, Ileozö- kalregion
asymptoma- tisch, ruhrarti- ges Bild Diarrhö
Bauchschmer- zen, Übelkeit, Erbrechen
derangiertes Gefäßbild, Ulzera
Hämorrhagien, Ulzera, granulo- matöse Reaktio- nen (Helmin- thome)
Verdickung der Darmwand, Ulzera (Crohn- ähnliches Bild)
Erreger im frischen Stuhl oder im Biopsat Larven und Eier im Stuhl
Larven im Ge- webe, Serologie (Anamnese:
Verzehr von ro- hem Fisch)
Tetrazykline
Tiabendazol Mebendazol
eventuell chirurgische Resektion
culosis. Erkrankungen führen bei Kleinkindern und Erwachsenen über 30 Jahren meist zu einer akuten bis subakuten Enterokolitis, bei Jugend- lichen von etwa 10 bis 30 Jahren vor- nehmlich zu einem „pseudo-appen- dizitischen" Bild. Endoskopisch sieht man im bevorzugt betroffenen rech- ten Kolon und terminalen Ileum Hä- morrhagien, kleine oberflächliche Ulzera und sogenannte Lymphfolli- kelkokarden (Abbildung 1). Häufi- ge extraintestinale Manifestationen sind Erythema nodosum und Poly- arthritis, selten werden intraabdomi- nelle Abszesse, Hepatitis, Myokardi- tis, Meningitis, Osteomyelitis, Rei- ter-Syndrom und eine hämolytische Anämie beschrieben. Bei schweren Verläufen können Komplikationen wie Perforation, Peritonitis und Sep- sis auftreten.
Die Diagnose beruht auf dem Erregernachweis im Stuhl und dem Nachweis der Antikörperkinetik im Serum.
1.4 Darminfektionen durch Escherichia coli
Neben den im menschlichen Darm physiologischerweise vorkom- menden Escherichia-coli-Bakterien können verschiedene Stämme unter- schiedlicher Pathogenität abgegrenzt werden. Säuglings-pathogene E.-co- li-Stämme werden als Erreger der Säuglings-Enteritis vor allem anläß- lich von Heim- und Krankenhaus- Epidemien nachgewiesen. Gegen- über Erwachsenen weisen diese Stämme offenbar keine Pathogenität auf. Enterotoxinbildende E.-coli- Stämme (ETEC) sind für eine Groß- zahl der Reise-Diarrhöen verant- wortlich. Je nach Region werden sie in 20 bis 50 Prozent der Reise-Diar- rhöen nachgewiesen. Beide genann- ten Stämme führen lediglich zu aku- ten, selbstlimitierten Enteritis-For- men, die in der Regel ziemlich harm- los verlaufen. Davon abzugrenzen
sind die enteroinvasiven E.-coli- Stämme (EIEC), welche schwere Kolitiden mit ruhrähnlichem Krank- heitsbild hervorrufen können.
1.5 Aktinomykose
Die Aktinomykose kann sich am Gastrointestinaltrakt nur manifestie- ren, wenn der anaeorobe Erreger Actinomyces israeli, ein grampositi- ves Bakterium, durch entzündliche Erkrankungen, Perforationen oder Operationen in die Darmwand und das periintestinale Gewebe gelangt.
Es kommt vorwiegend im Rek- tum- und Ileozökalbereich zu extra- muralen, chronisch-eitrigen, granu- lomatösen Entzündungen mit Fi- steln, Abszessen und Bindegewebs- indurationen. Die Sicherung der Diagnose ist nur durch den Nach- weis sogenannter Drusen im Eiter
oder Biopsiematerial sowie kulturell möglich.
Tabelle 3: Venerische und sexuell übertragbare Affektionen
Krankheit Symptome Endoskopie Diagnose Therapie
anorektale Gonorrhö (Neisseria gonorrhoeae)
schleimig-eitrige Absonderung peranal, Juckreiz
hämorrhagisch-ulzeröse Proktitis/Rektitis
Erregernachweis im Thayer-Martin-Selek- tiv-Medium
Penicillin Ampicillin
anorektale Syphilis (Treponema pallidum
Nässen, Juckreiz, vergrößerte Lymphknoten
Primäreffekt: Erosionen Lues II: Condylomata lata
Lues III: Gummata
Erregernachweis im Dunkelfeld, Serologie
anorektaler Herpes (Herpes simplex Typ II)
Nässen, Brennen, Juckreiz, Tenesmen (Rezidiv-Neigung!)
anale Rötung, Bläschen- bildung, Erosionen, Ulzera
kulturell aus Läsion (Transport-Medien!) Serologie
Idoxuridin?
Acyclovir?
Diarrhö Chlamydia-Proktitis
(Chlamydia trachomatis)
Colitis-ulcerosa-ähnliches Bild
Nachweis in Gewebe- kultur, Serologie Lymphogranuloma
venereum (LVG Serotyp L1, L2, L3)
blutig-schleimig-eitri- ger Ausfluß
hämorrhagisch-ulzeröse Prokto-rektitis, Striktu- ren, Fisteln, Abszesse
Erregernachweis im Biopsat, Serologie
Tetra ine
Ulcus molle (chancroid) (Hämophilus ducreyi)
Tenesmen, schmerz- hafte Lymphknoten- schwellungen
anorektale Ulzera kultureller Nachweis aus der Läsion
Tetrazykline
Nässen Granuloma inguinale
(Calymatobacterium gra- nulomatis)
perianal granulomatöse Wucherungen
Erregernachweis im Tetrazy ine Biopsat
2. Parasitäre Kolitiden
Parasitäre Erkrankungen kom- men vor allem in den Tropen und Subtropen — tourismusbedingt je- doch auch in den westlichen Län- dern — vor (3). Bei Tropen-Rückkeh- rern ist vor allem an die Amöben- ruhr und die Schistosomiasis (Bilhar- ziose) zu denken. Die Kryptospori- dien-Enterokolitis wird heute vor al- lem bei Patienten mit erworbenen Immunmangelsyndrom (AIDS) be- obachtet. Einen Überblick über die parasitären Darmerkrankungen gibt Tabelle 2.
3. Sexuell übertragbare anorektale Infektionen
Die sexuell übertragbaren Er- krankungen gehören heute zu den häufigsten Infektionskrankheiten in den Industrie-Ländern (5). Dabei spielen die klassischen venerischen Infektionen wie Gonorrhö, Syphilis, Lymphogranuloma venerum, Ulcus molle und Granuloma inguinale zah-
lenmäßig nur eine untergeordnete Rolle. Das Gros bilden nichtspezifi- sche genitale Infektionen wie Candi- dose, Condylomata acuminata, Tri- chomoniasis, Molluscum contagio- sum sowie Herpes- und Chlamydien- Infektionen. Vorwiegend durch ho- mosexuellen und heterosexuellen Analverkehr bedingt, werden diese Infektionen mit zunehmender Häu- figkeit im Anorektalbereich beob- achtet. Vor allem bei Homosexuel- len werden nicht selten Mehrfach- Infektionen angetroffen. Auch bei Infektionen mit Amöben und Shigel- len ist die sexuelle Übertragung von zunehmender Bedeutung.
Die sexuell übertragbaren Ano- rektal-Infektionen führen meist zu dem Bild einer hämorrhagischen oder hämorrhagisch-ulzerösen Prok- titis oder Rektitis. Differentialdia- gnostisch sind sie daher vor allem bei den idiopathischen Kolitiden, der ra- diogenen, ischämischen und Suppo- sitorien-Kolitis sowie bei den ande- ren infektiösen Enterokolitiden in Betracht zu ziehen. Die bei ano- rektalen Infektionen fast immer vor- handenen schleimig-eitrigen Abson-
derungen begünstigen das Angehen und Wachstum von Condylomata acuminata. Eine Übersicht über die sexuell übertragbaren anorektalen Infektionen gibt Tabelle 3.
3.1 Pseudoinfektiöse Proktitis
Sexualaktivitäten im Analbe- reich können zu nichtinfektiös be- dingten Läsionen und Komplikatio- nen führen.
3.1.1 Traumatische Proktitis
Beim Analverkehr oder Einbrin- gen von Fremdkörpern peranal kann es zu Schleimhautverletzungen kom- men. Sekundär-Infektionen können durch die normale bakterielle Kolon- Besiedelung oder durch synchrone venerische
Infektionen hinzutreten.
Selten können Fremdkörper im Ano- rektalbereich impaktiert sein, wel- che oft nur endoskopisch zu entfer- nen sind. Eine adäquate endoskopi- Dt. Ärztebl. 86, Heft 24, 15. Juni 1989 (57) A-1849
sche Untersuchung ist oft nur unter Lokalanästhesie möglich, da durch Verletzungen und Fissuren im Anal- bereich heftige Schmerzen und re- flektorische Spasmen auftreten.
3.1.2 Allergische Proktitis:
Substanzen, welche als Gleit- mittel bei Analverkehr benutzt wer- den, können direkt zu Schleimhaut- schäden oder über eine Sensibilisie- rung zur allergischen Proktitis füh- ren, wie es für das Prophylen-Glycol nachgewiesen wurde.
4. Histoplasmose
Die „klassische" Histoplasmose ist eine in Nord- und Mittelamerika endemische Pilzerkrankung, verur- sacht durch Histoplasma capsula- tum; sie ist in Europa äußerst selten.
Primäre Eintrittspforte sind meist die Atemwege; der Intestinaltrakt wird fast immer sekundär befallen.
Colitis-ulcerosa-ähnliche Bilder wur- den beschrieben. Bei chronischen In- fektionen kommt es zu tiefen Ge- schwüren und granulomatösen, tu- morähnlichen Veränderungen, vor allem im Ileozökalbereich. Bioptisch können große Makrophagen — ange- füllt mit Histoplasma capsulatum — in der Lamina propria nachgewiesen werden. Beweisend ist die positive Pilzkultur.
5. Virale Kolitiden
Die Bedeutung von Viren als Verursacher einer Enterokolitis ist noch nicht hinreichend geklärt, dürf- te derzeit aber noch unterschätzt werden (2). Als Erreger kommen un- ter anderem in Frage: Rota-Viren, Norwalk-Viren, Adeno-Viren, Cali- ci-Viren und Astro-Viren.
Beim Erwachsenen ist die Zyto- megalie-Virus-Kolitis von besonde- rer Bedeutung. Sie wird sowohl als Superinfektion bei chronischen idio- pathischen Kolitiden beobachtet als auch bei Patienten mit Zustand nach Nierentransplantation und bei Pa- tienten mit erworbenem Immunman- gelsyndrom (AIDS).
Abbildung 1: Endoskopisches Bild einer Campylobacter-Colitis
Abbildung 2: Endoskopisches Bild einer Yersinia-Colitis
6. Schlußfolgerungen
Angesichts der Vielzahl der auf- gezeichneten Kolitiden läßt sich ver- muten, daß ein Teil der früher als Colitis ulcerosa und Morbus Crohn diagnostizierten Kolitiden mit Total- remission tatsächlich fehldiagnosti- zierte — vor allem infektiöse — Koliti- den waren.
Es gibt nach wie vor keinen ein- zigen für Colitis ulcerosa oder Mor- bus Crohn spezifischen endoskopi- schen oder histologischen Befund.
Durch chronische Verläufe bei in- fektiösen Enterokolitiden sowie durch Superinfektionen von chroni- schen idiopathischen Kolitiden wird die Differentialdiagnose zusätzlich erschwert. Mikrobiologische Unter- suchungen des Stuhles sowie von Ge- webeproben (bioptische Mikrobiolo- gie) und serologische Untersuchun-
gen haben daher an Bedeutung ge- wonnen. Zur Vermeidung von Fehl- diagnosen wird daher folgendes Vor- gehen empfohlen:
■ bei Erstmanifestation einer Kolitis Zurückhaltung mit der Dia- gnose einer chronischen idiopathi- schen Kolitis (Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn);
■ bei Erstmanifestation und Exazerbation einer Kolitis immer mi- krobiologische und serologische Dia- gnostik (einschließlich bioptischer Mikrobiologie) (1) durchführen;
■ Verlaufsbeobachtung mit
„sequentieller" Endoskopie, Biopsie, Mikrobiologie und Serologie.
Literatur
1. Bayerdörffer, E.; W. Höchter, G. Schwarz- kopf-Steinhauser, P. Blümel, H. Schmiedel, R. Ottenjann: Bioptic microbiology in the dif- ferential diagnosis of enterocolitis. Endo- scopy 18 (1986) 177
2. Gorbach, S. L.: Viral infections and inflam- matory bowel disease. Gastroenterology 83 (1982) 1318
3. Fernex, M.: Krankheiten des Verdauungs- traktes bei Patienten, die aus den Tropen zu- rückkehren. Schweiz. med. Wschr. 94 (1962) 1239
4. Mandal, B. K., V. Mani: Colonic involvement in salmonellosis. Lancet I (1976) 887 5. Owen, R. L.: Sexually related intestinal dis-
ease. In: Gastrointestinal disease, M. H. Slei- senger, J S. Fordtran (Eds.), third edition, W.
B. Saunders Philadelphia/London/Toronto/
Mexico City/Rio de Janeiro/Sydney/Tokyo 1983
6. Rutgeerts, P., K. Geboes, E. Ponette, G. Co- remans, G. Vantrappen: Acute infective col- itis caused by endemic pathogens in western Europe: endoscopic features. Endoscopy 14 (1982) 212
7. Skirrow, M. B.: Campylobacter, Salmonella, Shigella and other acute bacterial disorders.
In: Inflammatory bowel disease, R. N. Allan, M. R. B. Keighley, J. Alexander-Williams, C.
Hawkins (Eds.), Churchill Livingstone Edin- burg, London, Melbourne and New York 1983
8. Vantrappen, G., E. Ponette, K. Geboes et al:
Yersinia enteritis and enterocolitis: gastroen- terological aspects. Gastroenterology 72 (1977) 220
9. Höchter, W.; Ottenjann, R.: Ischämische und seltene andere Kolitiden. Dtsch. Ärztebl. 86, Heft 11/1989
Anschrift der Verfassen
Dr. med. Wilhelm Höchter Prof. Dr. med. Rudolf Ottenjann 1. Medizinische Abteilung Städtisches Krankenhaus München-Neuperlach 8000 München 83