hirurgie
der Parotismischtumoren
Zwei Umstände haben durch viele Jahre der erfolgreichen Behand- lung von Geschwülsten der Ohr- speicheldrüse im Wege gestanden.
Das eine war eine nicht ganz be- friedigende Kenntnis hinsichtlich der pathomorphologischen Klassi- fizierung der Parotistumoren und ihrer hiervon abhängigen zweck- mäßigen Behandlung; das zweite war die Sorge der Chirurgen, den Nervus facialis bei der Operation zu verletzen. So galt für lange Zeit die Fazialislähmung als „Geißel der Parotis-Chirurgie", denn sie war allzu oft der Preis, den man glaubte zahlen zu müssen in dem Bemühen um eine wirklich radikale Tumorausrottung. Es soll gezeigt werden, daß eine solche Einschät- zung der Lage in den meisten Fäl- len falsch ist, denn nur ein gerin- ger Teil der Kranken, die wegen ei- nes Parotistumors notwendigerwei-
se operiert werden müssen, braucht das schwere Schicksal ei- ner Fazialislähmung auf sich zu nehmen.
Von den 349 bis 1972 von uns ope- rierten Parotistumoren waren etwa 70 Prozent gutartige; 30 Prozent gehören zu den Malignomen. Von diesen letzteren können entspre- chend ihrem histologischen Cha- rakter und ihrer Größe 40 bis 45 Prozent so operiert werden, daß der Nerv erhalten bleibt, während bei den restlichen 55 Prozent der Kranken notwendigerweise eine teilweise oder vollständige Resek- tion des Gesichtsnerven hinge- nommen werden muß. Wir werden deshalb im folgenden eine kurze Aufschlüsselung unseres Kranken- gutes entsprechend der Histologie der Tumoren vorlegen, soweit dies in einem solchen kurzen Beitrag
möglich ist. Mit der damit gewon- nenen morphologischen Klassifi- zierung sollen die verschiedenen Standardtypen der Parotischirurgie zur Deckung gebracht werden.
Pathomorphologie der Parotisgeschwülste
Bei einer Gesamtzahl von 562 Pa- tienten, die wegen einer Speichel- drüsenerkrankung operiert wurden, lag die Glandulaparotis mit 84,1 Prozent an der Spitze, gefolgt von der Glandula submandibularis mit 14,4 Prozent und der Glandula sub- lingualis mit 0,4 Prozent. Die Pa- rotiserkrankungen verteilten sich mit 74 Prozent auf Tumoren im Sin- ne von Neoplasmen, mit etwa 25 Prozent auf entzündliche Verände- rungen (Sialosen, chronische ent- zündliche Ohrspeicheldrüsener- krankungen, Zysten, Fisteln etc.).
Die häufigste Geschwulstform der Parotis stellt das gutartige pleo- morphe Adenom (früher Nomenkla- tur: „Mischtumor"), ein Tumor epi- thelialen Ursprungs, dar. Die Ge- fahr der Malignisierung dieser Ge- schwulst nimmt mit der Dauer ih- res Bestehens zu und zwar in der Art, daß sich meistens im pleomor- phen Adenom ein anderer maligner Tumor, etwa ein Plattenepithel- oder Adenokarzinom entwickelt (so- genannter sekundär maligner Mischtumor). Die Frage eines pri- mär malignen pleomorphen Ade- noms wird diskutiert, wenn auch die morphologischen Kriterien für
Der derzeitige Stand der Behandlung
von Parotistumoren
Adolf Miehlke und Jörg Haubrich
Aus der Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik Göttingen (Direktor: Professor Dr. med. Adolf Miehlke)
Die operative Therapie der Parotisgeschwülste stellt ein wichtiges Teilgebiet der Chirurgie des Nervus facialis dar. Abhängig von der Pathomorphologie der Tumoren wird der Operateur vor die Alterna- tive gestellt, entweder den Nervus facialis sorgfältig zu schonen oder aber ihn bewußt zugunsten eines radikalen operativen Vorge- hens zu opfern. Ist die Gesichtsmotilität durch eine Resektion des Nervus facialis zerstört worden, stellt sich das Problem des Wieder- aufbaues des Nervenfächers mit Hilfe eines autologen Nerventrans- plantates. Je länger ein Tumor der Ohrspeicheldrüse besteht, desto größer wird die Gefahr der Malignisierung. Dies wird besonders deutlich am Beispiel des häufigsten Ohrspeicheldrüsentumors, des pleomorphen Adenoms.
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Abbildung 1 (links): Schnittführung zur Parotidektomie (nach Miehlke) — Abbildung 2 (rechts): Laterale Parotidektomie mit Erhaltung des Nervus facialis abgeschlossen*)
eine solche Diagnose sicherlich recht schwierig zu werten sind. In der Gruppe der bösartigen Parotis- geschwülste nehmen die maligni- sierten pleomorphen Adenome ei- nen Anteil von 6,9 Prozent ein.
Eine weitere typische gutartige Ge- schwulst der Ohrspeicheldrüse ist das papilläre Zystadenolymphom (10,9 Prozent der gutartigen Ge- schwülste), welches gar nicht sel- ten beideitig beobachtet wird. Sei- ne histologische Klassifizierung bereitet wegen des typischen Strukturmusters keinerlei Schwie- rigkeiten.
Abbildungen 1 bis 4 mit freundlicher Genehmigung entnommen aus: Miehl- ke, Chirurgie der Speicheldrüsen und des extratemporalen Nervus facialis, in Naumann, H. H., Kopf- und Hals-Chir- urgie, Band 2, Teil 2, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1974
Spricht man von bösartigen Ge- schwülsten der Parotis, so meint man an erster Stelle das Zylin- drom, in der neueren Nomenklatur adenoidzystisches Karzinom, eine Geschwulstform, die sich durch in- filtratives Wachstum, Neigung zu lokalen Rezidiven und zumeist hä- matogenen Fernmetastasen sowie lange Verlaufsdauer (Erkrankungs- zeiten bis zu 15 Jahren) kennzeich- nen läßt. Obwohl jedem Parotis- chirurgen diese Eigenschaften der Geschwulst nur allzu gut bekannt sind, verwundert es doch immer wieder, wenn in Veröffentlichungen das Zylindrom als semimaligner Tumor charakterisiert wird. In der neuen Nomenklatur „adenoid-zysti- sches Karzinom" wird durch den Namen klar ausgedrückt, was das Wesen dieser Geschwulst aus- macht. Typisch für den Ausbrei- tungsmodus des Tumors ist die Af-
finität zur Nervenscheide, woraus sich die Folgerung ableiten läßt, daß eine den Nerven schonende Operationstechnik bereits das nächste Rezidiv beinhalten kann.
Hinsichtlich der Geschlechtsvertei- lung der adenoid-zystischen Karzi- nome ergibt sich ein Verhältnis zu- ungunsten der Frau von 17:3.
Ein weiterer typischer Vertreter ei- ner Ohrspeicheldrüsengeschwulst ist der Mukoepidermoid-Tumor, der meistens als fakultativ maligne be- zeichnet wird. Er neigt ausgespro- chen zu Rezidiven und auch zur Fernmetastasierung. Seine Häufig- keit wird mit etwa fünf Prozent der Ohrspeicheldrüsengeschwülste an- gegeben.
Im Rahmen dieser knappen Dar- stellung wird das umfangreiche
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Abbildung 3 (links): Totale Parotidektomie mit Entfernung des sogenannten Innenlappens unter dem Facialisfächer — Abbildung 4 (rechts): Schwenklappen vom Musculus sternocleidomastoideus zur Abflachung der Operationsgrube
Gebiet der Pathomorphologie der Parotistumoren nur gestreift, indem nur die häufigsten Ge- schwulstformen von etwa 35 mögli- chen klassifizierbaren Geschwül- sten angeführt wurden.
Operative Therapie
Es besteht Einigkeit darüber, daß die moderne Therapie der Parotis- tumoren in erster Linie eine chirur- gische sein muß. Eine alleinige ra- diologische Behandlung — auch darüber ist man sich einig — ist unbefriedigend; sie wird nur als Palliativmaßnahme bei inoperablen Tumoren eingesetzt. Die Indikation zur Telekobalt-Nachbestrahlung hängt von der Gewebeart des je- weiligen Tumors ab. Wir möchten auf ihren Einsatz nicht verzichten, wenn zur Unterstützung der opera-
tiven Bemühungen eine zusätzli- che Sicherung notwendig zu sein scheint.
Die erforderliche Operation sollte auch bei gutartigen Parotistumoren frühzeitig durchgeführt werden, da mit dem Weiterwachsen der Ge- schwulst die Ansprüche an die operative Technik und die Gefähr- dung des Nervus facialis größer werden. Auch muß warnend darauf hingewiesen werden, daß anfäng- lich gutartige Tumoren in malignes Wachstum umschlagen können und dann besonders aggressiv sind.
Als operative Methoden stehen uns zur Verfügung:
O die partielle Parotidektomie mit Erhaltung des Nervus facialis — auch Lobektomie oder subtotale
beziehungsweise laterale Paroti- dektomie genannt,
I) die totale Parotidektomie unter Erhaltung des Nervus facialis,
e
die totale Parotidektomie mit Opferung des Nervus facialis, ge- gebenenfalls mit Rekonstruktion des Nerven und bei entsprechen- den Fällen in Kombination mit der radikalen Halslymphknotenausräu- mung, der sogenannten radikalen Neck dissection.Je radikaler operiert wird, um so seltener treten Rezidive auf. Dieser Grundsatz gilt auch in der Parotis- chirurgie. Deshalb ist die subtotale bis totale Parotidektomie mit Erhal- tung des Nervus facialis zum Grundeingriff in der Chirurgie der Ohrspeicheldrüse geworden. Die früher oft durchgeführte Enuklea-
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tion oder gar nur eine lokale Exzi- sion der Geschwulst sollte nur noch unter allerengster Indika- tionsstellung und nur in Ausnahme- fällen angewandt werden, denn die Rezidivgefahr ist nach solchen Ein- griffen besonders hoch.
Nervus facialis
Um eine Parotidektomie vorneh- men zu können, muß zuerst der Verlauf des Gesichtsnerven opera- tiv gesichert werden. Er liegt mit seinen Ästen locker zwischen den Fältelungen des Drüsenkörpers der Speicheldrüse. Alle Äste des Ner- vus facialis verlaufen stets in einer Ebene, parallel zur Innenfläche der Pars superficialis der Glandula parolis-.
Die Bemerkung von Baily „The facial nerve should be looked upon as the meat within a parotid sandwich" stellt die anatomische Situation, vom klinischen Stand- punkt aus betrachtet, humorvoll und zugleich treffend dar. Sie macht deutlich, daß durch die Ver- laufsebene des Gesichtsnerven die Ohrspeicheldrüse sozusagen in zwei Lappen unterteilt wird, einen ziemlich großen, sogenannten Au- ßenlappen, und einen recht klei- nen, sogenannten Innenlappen;
beide sind vor der Bifurkation des Nervus facialis durch einen schma- len Isthmus miteinander verbun- den. Eine eigentliche bindegewebi- ge Trennung dieser beiden Schich- ten besteht jedoch nicht.
Die Identifizierung des Fazialis- stammes ist — wie erwähnt — die Voraussetzung für die erfolgreiche und zugleich ungefährliche Paroti- dektomie. Nach Darstellung des Fazialisstammes in der Fossa re- tromandibularis wird zunächst die Bifurkation des Nervus VII freige- legt. Es erfolgt die Darstellung des gesamten Plexus parotideus unter sektorenförmiger Aufspaltung des Außenlappens der Glandula paro- tis. Dabei wird der jeweilige Fazia- lis-Ast als Leitschiene durch das Gewebe der Ohrspeicheldrüse hin- durch benutzt.
Zum Aufsuchen des Fazialisstam- mes halten wir uns an der Göttin- ger Universitäts-HNO-Klinik an fe- ste Markierungspunkte. Die Schlüsselposition nimmt in unse- rem Vorgehen die Fissura tymp- anomastoidea ein. Nach retroauri- kulärer Inzision, die zu einer V-för- migen Schnittführung erweitert wird (Abbildung 1), suchen wir uns zunächst die Spina supra meatum auf.
Von ihr findet man sofort zur Fissura tympanomastoidea. In das lockere Binde- und Fettgewebe der Fossa retromandibularis wird zur Aufschließung des Gewebes ein Depot von Hyaluronidase-Lösung injiziert. Wir gehen dann unter Be- nutzung der Lupenbrille am End- punkt der Fissura tympanomastoi- dea, mit zwei schmalen Elevatorien das lockere Bindegewebe ausein- anderdrängend, in die Tiefe und finden in 6 bis 8 mm Tiefe den Fa- zialisstamm am Austritt aus dem Foramen stylomastoideum (Abbil- dung 2). Der Nervus facialis kommt hier als einziges querverlaufendes Gebilde in der Fossa retromandi- bularis silbrig glänzend zur Dar- stellung. Dieses Verfahren ist si- cher, dennoch sei der Hinweis nicht vergessen, daß bei einem unerwartetem Auftreten von Schwie- rigkeiten die Verwendung einer Spezialelektrosonde hilfreich sein kann.
Ist dieses erste Ziel erreicht, so be- ginnt die Darstellung der Haupt- äste des Nervus facialis, indem man am Nervenstamm entlang in die Peripherie hinaus präpariert.
Man gelangt bald zur Bifurkation des Nervus facialis, also zur Auf- zweigung in den temporo-facialen und cervico-facialen Hauptast.
Partielle und totale Parotidektomie Da etwa 90 Prozent der pleomor- phen Adenome im Außenlappen der Parotis liegen, ist mit der Lo- bektomia superficialis sive Paroti- dektomia subtotalis auch die Ent- fernung der meisten Parotisge- schwülste ohne Funktionsbeein-
trächtigung des Gesichtsnerven möglich. Gelegentlich mag eine vorübergehende Fazialisparese als Operationsfolge eintreten, doch bildet sich diese in wenigen Tagen bis Wochen spontan zurück; da ja die Kontinuität des Nerven erhalten blieb.
Bei allen gutartigen Geschwülsten mit Sitz im Isthmus oder im Innen- lappen der Ohrspeicheldrüse, fer- ner bei allen Rezidivoperationen ist die totale Parotidektomie mit Er- haltung des Nervus facialis ange- zeigt. Um den Innenlappen entfer- nen zu können, muß der Nervus fa- cialis von diesem abgehoben wer- den (Abbildung 3).
Schwieriger gestaltet sich schließ- lich die Entfernung der sogenann- ten Eisbergtumoren im pharynge- alen Fortsatz der Ohrspeicheldrü- se. Diese entwickeln sich häufig unbemerkt gegen den Mundrachen hin.
In dieser Situation ist es von Vor- teil, den Falloppischen Kanal ein Stück weit retrograd in das Ma- stoid hinein zu eröffnen und den Nerven temporär aus ihm heraus- zuheben, um auf diese Weise Be- wegungsfreiheit für den Nerven selbst zu schaffen.
Zum Abschluß der Operation wird aus kosmetischen Gründen der tie- fe Defekt hinter dem aufsteigenden Unterkieferast mit einem Muskel- transpositionslappen überlagert.
Dabei verwenden wir Anteile des Musculus sternocleidomastoideus, die als Schwenklappen über den Operationsdefekt gebracht und fä- cherförmig vernäht werden (Abbil- dung 4).
Facialisplastik
Es wurde erwähnt, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der Kranken eine bewußte Opferung ihres Ge- sichtsnerven im Interesse einer ra- dikalen Ausrottung der ßeschwulst hinnehmen muß. Wenn die Hi- stologie des vorliegenden Tumors, seine Größe und sein klinisches
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Verhalten einen solchen schweren Entschluß erforderlich machen, dann ist jeder Versuch, dieser Not- wendigkeit auszuweichen, ein für den Kranken tödlicher Fehler.
Deshalb wird bei malignen Tumoren der Ohrspeicheldrüse eine totale Parotidektomie mit be- wußter Opferung des Nervus facia- lis durchgeführt. Bei gleichzeiti- gem Vorliegen von Halslymphkno- tenmetastasen geschieht dies in Verbindung mit einer radikalen Neck-Dissection als Monoblock- Operation.
Wenn die histologische Untersu- chung eine Rekonstruktion des Ge- sichtsnerven zulässig erscheinen läßt, werden vor der totalen Par- otidektomie möglichst viele periphe- re Äste des Nervus facialis am Vorderrand der Drüse identifiziert und mit bunter Seide markiert.
Beim Aufsuchen dieser feinen peri- pheren Äste bewährt sich der oben erwähnte Elektrostimulator. Dann folgt die Eröffnung des Warzenfort- satzes mit der Darstellung des Ge- sichtsnerven im Falloppischen Ka- nal und mit Querdurchtrennung des Nervus facialis im allgemeinen unterhalb des Abganges der Chor- da tympani, also weit entfernt vom Tumor im gesunden Gewebe. Der verbleibende Stumpf des Nervus facialis wird mit der Parotis ent- fernt.
Es muß nun entschieden werden, ob die Rekonstruktion des Ge- sichtsnerven in Frage kommt. Die Erfahrung hat gelehrt, daß bei be- reits präoperativ bestehender Fa- zialislähmung eine Rekonstruktion des Nerven, und sei sie auch noch so gut gelungen, nicht zur Funk- tionswiederkehr führt. Das hängt wahrscheinlich mit tumorbedingten Stoffwechselveränderungen im Nerven selbst zusammen, wie wir sie in experimentellen Untersu- chungen nachweisen konnten. Bei solchen Kranken wird also auf die Rekonstruktion des Gesichtsnerven verzichtet, ebenso wie bei sehr al- ten Patienten und im Falle beson- ders ausgedehnter Tumoren. Im Falle günstiger Umstände, das
heißt bei sicherer Entfernung des Tumors weit im Gesunden und bei Patienten im mittleren und jünge- ren Lebensalter, entschließen wir uns im allgemeinen zur Rekon- struktion des Gesichtsnervs in Stamm und Ästen.
Der operationsbedingte große De- fekt im peripheren Fazialisneuron wird durch ein freies Nerventrans- plantat, welches vom Patienten frisch entnommen wird, überwun- den. Als Spendernerv verwenden wir mit Vorliebe den Nervus auricu- laris magnus oder Teile des Plexus cervicalis, da diese Nerven in ih- rem Stamm und ihrer Astfolge in etwa den Verhältnissen beim Ge- sichtsnerven mit seinen Aufzwei- gungen entsprechen. Es ist außer- ordentlich wichtig, daß das Trans- plantat ohne jede Spannung am zentralen und peripheren Stumpf anastomosiert wird. Um eine Ver- schiebung der Anastomose zu ver- hindern, werden die Nahtstellen des Transplantates in Kollagen-Zy- linder eingehüllt. Dabei ist es wich- tig, daß das Epineurium sowohl am Transplantat als auch an den Fa- zialisstümpfen auf eine kurze Strecke hin zurückgeschlagen und reseziert wird. Das gefürchtete Ein- wachsen des epineuralen Bindege- webes in die Anastomosenstelle selbst kann auf diese Weise verhin- dert werden.
Die richtige Technik des Fazialis- Wiederaufbaues ist die Vorausset- zung für die von Patient und Arzt erhoffte Funktionswiederkehr der emotionalen Ausdruckskraft der Mimik. Allerdings dauert es oft ein bis zwei Jahre bis endgültig ent- schieden werden kann, ob das Transplantat funktionstüchtig ge- worden ist oder nicht.
Anschrift der Verfasser:
Professor
Dr. med. A. Miehlke Privatdozent
Dr. med. J. Haubrich 34 Göttingen Geiststraße 5-10
Therapie
Verätzungen des ösophagus mit alkalischen oder säurehaltigen Mit- teln kommen hauptsächlich bei Kindern zwischen dem ersten und vierten Lebensjahr vor. Getrunkene Lauge kann mit verdünntem Zitro- nensaft oder Essig neutralisiert werden; wurde Säure geschluckt, sollte in Milch aufgeschwemmte Magnesia usta gegeben werden.
Nach der Neutralisation ist eine Schockbehandlung angebracht.
Sofort nach dem Ereignis müssen mittels Ösophagoskopie das Aus- maß der Verätzung und die sich daraus ergebenden pathologischen Veränderungen geklärt werden. Mit der unverzüglichen Applikation von Steroiden läßt sich die Ödement- stehung verhindern. Die Patienten müssen intravenös ernährt werden, damit die Speiseröhre ruhiggestellt bleibt. Zweit- oder drittgradige Verätzungen erfordern die Gabe von antibiotischen Mitteln. Grund- sätzlich wird bei Verätzungen vor Magenspülung gewarnt. cb (Hecker, W.; Klumpp, H.: Kinder- arzt 6 [1975] 609-614)
Ein temporäres Kolostoma ermög- licht das Freihalten der distalen Dickdarmabschnitte von der Stuhl- passage, wenn man einen weiteren Eingriff im Darmbereich plant. Bei einem späteren extraperitonealen Verschluß dieses doppelläufigen Anus praeter braucht man die freie Bauchhöhle nicht zu eröffnen, den- noch sind Komplikationen zu be- fürchten. Sie lassen sich meist ver- meiden, wenn der Verschluß mit Hilfe der Resektion durchgeführt wird. Dieses Verfahren macht im- mer eine spannungsfreie Naht möglich und senkt daher die Inzi- denz von Insuffizienzen erheblich.
Dank dieser Methode können die Patienten früher nach Hause ent- lassen werden als nach extraperi- tonealem Verschluß des temporä-
ren Kolostomas. cb
(Schwemmle, K., et al.: Chirurg 46 [1975] 379-381)
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