A-440 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 8, 25. Februar 2000
T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE
iner Gesundheitsreform folgen – kaum, dass sie umgesetzt wer- den konnte – in knappem Zeit- abstand die nächsten. Änderungen der Gebührenordnungen und der ärzt- lichen Vergütungsmodalitäten häufen sich. Dies mag der Eindruck der ver- gangenen Dekade sein. Für die Wei- terentwicklung des Gesundheitswe- sens, der Prävention, Diagnostik und Therapie sowie deren Finanzierbar- keit ist ein Fundus valider Daten un- abdingbar.
Eine wesentliche Aufgabe der Ge- sundheitswissenschaften/Public Health ist der Transfer der Forschungsergeb- nisse in die Versorgungspraxis und Politikberatung.
In Deutschland hat die Entwick- lung auf dem Gebiet der Gesundheits- wissenschaften/Public Health im Ver- gleich zu den angelsächsischen Län- dern Mitte der 80er-Jahre relativ spät eingesetzt. Vonseiten des Bundesmi- nisteriums für Bildung und Forschung werden seit 1992 mit einem Fördervo- lumen von mehr als 100 Millionen DM fünf Public-Health-Forschungs- verbünde (Bayerischer, Berliner, Norddeutscher, Nordrhein-Westfäli- scher – und Sächsischer Forschungs- verbund) unterstützt.
Inzwischen
Anschluss erreicht
Ein Themenschwerpunkt des Internationalen Public-Health-Kon- gresses in Freiburg war die Darstel- lung der Forschungsergebnisse die- ses Förderprogramms. Aus der Sicht des neuen Vorsitzenden der Deut- schen Gesellschaft für Public Health (DGPH), Professor Dr. rer. soz. Bern- hard Badura, Fakultät für Gesund- heitswissenschaften der Universität
Bielefeld, scheint nun der Anschluss an die internationale Entwicklung ins- gesamt gesehen gelungen, „das Pub- lic-Health-Glas ist schon halb voll“.
Angesichts der Jahrtausendwen- de sollte mit diesem Kongress das Er- reichte beurteilt sowie Entwicklun- gen, Potenziale und Perspektiven für die Zukunft diskutiert werden.
Public Health als Gesundheits- wissenschaft umfasst das extrem brei- te Spektrum von der Gesundheitsför- derung, über die Krankheitsverhü- tung, die Krankheitsbekämpfung bis hin zur Rehabilitation. Über diesen umfangreichen und interdisziplinären Themenkanon diskutierten in Frei- burg nahezu 1 400 Teilnehmer.
Wie gesund sind die Deutschen?
Kardiovaskuläre Erkrankungen sind neben den Infektionen die größ- te Erkrankungsgruppe. Hinsichtlich des Rückgangs der kardiovaskulären Erkrankungen liegt Deutschland im internationalen Vergleich auf einem Mittelplatz und verharrt dort. In an- deren Ländern wurde dagegen ge- zeigt, dass Lebensstil und Prävention die Erkrankungshäufigkeit, Schwere und Sterblichkeit günstig beeinflus- sen. Die Prävention muss insofern verstärkt und besser vergütet werden.
Die Mortalitätsstatistik belegt, dass die Lebenserwartung der Deutschen in den letzten 50 Jahren zugenommen hat. Im Vergleich zu anderen Län- dern der OECD-Statistik hat sich die Position in der Rangliste jedoch kaum verbessert, obwohl Deutsch- land bei den Aufwendungen für Be- handlung, Rehabilitation und Pflege weltweit mit am großzügigsten war.
Für die Dauer und die Qualität des
Lebens – darüber stimmen die Public- Health-Experten weithin überein – sind sozio-ökonomische Einflüsse ausschlaggebend.
In der Fülle der mehr als 600 Ein- zelvorträge nahmen die Themen Qua- lität und Leitlinien breiten Raum ein.
Die Behandlungsqualität bei Opera- tionen wird zunehmend nicht nur nach eingetretenen Komplikationen beurteilt, sondern auch nach der Pati- entenzufriedenheit. Die Patientenori- entierung wurde beim Kongress gene- rell als zukünftiges Forschungsziel thematisiert. Eine multizentrische Evaluierung subakromialer Dekom- pressionen mit endoskopischem Ver- fahren ergab, dass sich die behandel- ten Patienten nach ambulanter Ope- ration genauso zufrieden oder eher zufriedener als nach stationärer Ope- ration äußern. Gesamtwirtschaftlich betrachtet, verursachte eine ambulant durchgeführte subakromiale Dekom- pression geringere Kosten je Fall, ver- glichen mit einer Operation im Kran- kenhaus.
In einer Befragung über Leitlini- en zu Diagnostik und Therapie des Lungenkarzinoms wurde deutlich, dass neben Leitlinien von Tumorzen- tren in hohem Maß eigene Leitlinien von den befragten Klinikärzten einge- setzt werden. Die Befragten wünsch- ten, dass die vorliegenden Leitlinien um Aussagen zu den Kosten der je- weiligen Therapien und zur Lebens- qualität ergänzt werden sollten.
Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) präsentierte sich in mehreren Workshops. Der MDK will nicht nur wie früher Einzel- fälle begutachten, sondern zuneh- mend die Krankenkassen bei strategi- scher Planung beraten.
Hedy Kerek-Bodden, Joachim Heuer