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A1164 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 16⏐⏐22. April 2005
S T A T U S
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er Fall: Das vor dem Arbeitsgericht klagende Krankenhaus verlangt vom Beklagten, einem bei ihm beschäftigten leitenden Arzt, die vertraglich vorgesehene Erstattung von Kosten im Ne- bentätigkeitsbereich.Ausweislich des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages ist es dem Be- klagten ausdrücklich erlaubt, Sprechstundentätigkeit, nicht stationäre Gutachtertätigkeit, konziliarische Beratung sowie Lehrtätigkeit, soweit sie nicht zu den Dienstaufgaben gehö- ren, als Nebentätigkeit aus- zuüben. Neben dem Arbeits- vertrag existiert ein Miet- und Dienstverschaffungsvertrag, wonach der Kläger dem Be- klagten für die Nebentätig- keiten Räume, Einrichtungen, Material und Personal im Rahmen der jeweiligen Mög- lichkeiten zur Verfügung stellt.
Im Gegenzug hat der Be- klagte die dem Kläger durch seine Nebentätigkeit entste- henden Personal-, Sach- und Verbrauchsmaterialkosten zu erstatten.
Auf entsprechende Rüge der Unzulässigkeit des Rechts- wegs zu den Arbeitsgerichten hatte das Bundesarbeitsge- richt am 24. September 2004
(Az.: 5 AZB 46/04) darüber zu entscheiden, ob die Kosten- erstattung im Nebentätig- keitsbereich in einem rechtli- chen oder unmittelbaren wirt- schaftlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht oder die Arbeitstätig- keit und die Nebentätigkeit insoweit klar voneinander ab- geschichtet sind, dass der Be- klagte in seinem Nebentä- tigkeitsbereich dem Kläger wie ein Dritter gegenüber- steht, der mit dem Kranken-
haus kooperiert und die zur Verfügung gestellten Leistun- gen bezahlen muss. Das Bun- desarbeitsgericht befand, dass die Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 a ArbGG aus- schließlich zuständig sind.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 a ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeit- gebern über Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammen- hang stehen.Ein unmittelbar wirtschaftlicher Zusammen- hang ist anzunehmen, wenn der Anspruch auf demsel- ben wirtschaftlichen Verhält- nis beruht oder wirtschaftli- che Folge desselben Tatbe-
standes ist. Die Ansprüche müssen innerlich eng zu- sammengehören, also einem einheitlichen Lebenssachver- halt entspringen. Nach zu- treffender und nachfolgend wiedergegebener Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist dies im Streitfall anzuneh- men. Der Anspruch des Klä- gers resultiert aus einer im Arbeitsvertrag genehmigten Nebentätigkeit des Beklag- ten, die wie die Haupttätig- keit die medizinische Versor- gung von kranken Menschen und damit zusammenhängen- den Tätigkeiten betrifft. Als Erweiterung seines medizini- schen Angebotes erlaubt der Kläger dem Beklagten ne- ben seiner Dienstaufgabe im Bereich der Krankenbehand- lung die Durchführung der Ambulanz und die sonsti- gen Nebentätigkeiten. Ein enger Zusammenhang mit der medizinischen Versor- gung in der Abteilung im Sinne eines einheitlichen Le- benssachverhaltes ergibt sich insbesondere daraus, dass der Beklagte ebenso wie bei sei- nen Dienstaufgaben in den Räumen sowie mit den Ein- richtungen und mit dem Per- sonal des Klägers tätig wird.
Aus Sicht der Patienten han- delt es sich insgesamt um eine Einheit.
André Ueckert CBH-Rechtsanwälte Köln
Leitlinien werden definiert als systematisch entwickel- te Entscheidungshilfen für Ärzte und Patienten, die ei- ne individuelle, angemessene gesundheitliche Versor- gung ermöglichen sollen. Leitlinien werden als valide angesehen, wenn durch ihre Befolgung die erwarteten gesundheitlichen und ökonomischen Resultate tat- sächlich erzielt werden. Evidenzba-
sierte Leitlinien werden insbesondere in Disease-Management-Programmen
zur qualitätsgesicherten Versorgung chronisch Kranker eingesetzt. Zur kritischen Bewertung von Leitlinien ha- ben die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Bun- desärztekammer, die Spitzenverbände der Krankenkas- sen sowie die Deutsche Krankenhausgesellschaft ein Clearing-Verfahren für Leitlinien etabliert. Im Mittel- punkt dieses Verfahrens stehen die systematische Recherche und Qualitäts- und Angemessenheits-Be-
wertung von Leitlinien zu ausgewählten Versorgungs- bereichen durch unabhängige Expertengruppen. Die Ergebnisse dieser Analyse werden in Form von allge- mein zugänglichen „Leitlinien-Clearingberichten“ in gedruckter (Schriftenreihe des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin = ÄZQ) und elektronischer Form (www.leitlinienclearing.de) zur Ver- fügung gestellt. Der Sachverständigen- rat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen befürwortet die Anwendung von Leitlinien zur Qualitätssicherung und als Instru- mente zur Verbesserung der Versorgungsergebnisse.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med.
Jörg-Dietrich Hoppe, kritisiert hingegen die zunehmen- de „Programm-Medizin“: Patienten würden zu statisti- schen Größen, die individuelle Patient-Arzt-Beziehung
verlöre an Bedeutung. JF
Leitlinien
L E X I K O N
Arbeits- oder Zivilgericht?
Kostenerstattung im Nebentätigkeitsbereich
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