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Archiv "Kardiovaskuläre Leitlinien" (04.02.2011)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 5

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4. Februar 2011 59

M E D I Z I N

EDITORIAL

Kardiovaskuläre Leitlinien:

Ver(w)irrt bei der Umsetzung?

Ina B. Kopp

Editorial zum Beitrag: „Ärztliches

Leitlinienwissen und die Leitlinien-

nähe hausärztli- cher Therapien“

von Karbach et al.

auf den folgenden Seiten

Situation angewendet werden können, muss unter Be- rücksichtigung der vorliegenden Gegebenheiten, zum Beispiel Begleiterkrankungen und individuellen Präfe- renzen des Patienten, geprüft werden. Dies wird auch in den genannten Leitlinien dargelegt. Offensichtlich ist jedoch mehr Öffentlichkeitsarbeit erforderlich, die be- tont, dass Leitlinien keiner Kochbuchmedizin Vorschub leisten sollen, sondern relevante Informationsquellen und ein wichtiges Element in einem integrativen Mo- dell der klinischen Entscheidungsfindung darstellen.

Wenn Hausärzte Leitlinien als Bedrohung ihrer the- rapeutischen Selbstbestimmung erleben, werden sie diese trotz Kenntnis der Inhalte kaum anwenden. Ande- rerseits nutzen Hausärzte andere Informationsquellen (Zeitschriften, Fortbildungen, kollegialen Austausch mit Experten) (7) und viele nehmen regelmäßig an Qualitätszirkeln teil (8). So ist davon auszugehen, dass auch Ärzte mit einer ablehnenden Haltung gegenüber Leitlinien entsprechende Kenntnisse zur medikamentö- sen Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen erwor- ben haben. Wenn Hausärzte den Wissenserwerb auf diese Weise als freiwillig erarbeitet erleben, werden sie dieses Wissen auch eher in die Tat umsetzen und im Er- gebnis leitliniengerecht behandeln. Dies könnte eine Ursache für die von Karbach et al. beobachteten gerin- gen Unterschiede in der Verordnungspraxis von Ärzten mit hohen und geringen Leitlinienkenntnissen darstel- len. Leider ist allerdings unbekannt, welche Informati- onsquellen von den Befragten tatsächlich und in wel- chem Umfang genutzt werden und inwieweit die Inhal- te des eingesetzten Fragebogens spezielle Leitlinien- kenntnisse oder allgemeine Fachkenntnisse abgebildet haben.

Zur Förderung der Akzeptanz von Leitlinien stellt vor diesem Hintergrund die Betonung der Notwendig- keit einer aktiven Auseinandersetzung mit den Inhalten anstelle einer unkritischen Übernahme oder vorschnel- len Ablehnung einen wichtigen Ansatzpunkt dar. Quali- tätszirkel sind vor dem Hintergrund der lokalen Gege- benheiten ein geeignetes Forum, um Leitlinieninhalte zu vermitteln, eigene Erfahrungen zu diskutieren und gemeinsam Umsetzungsstrategien zu erarbeiten. Leitli- nienautoren benötigen entsprechende Rückmeldungen aus der Praxis, um Probleme bei der Umsetzung bei der Überarbeitung der Leitlinie gezielt berücksichtigen zu können. Um eine Überflutung zu vermeiden, sollten sie die Auswahl geeigneter Leitlinienthemen und Inhalte stets kritisch prüfen.

P

atienten, die an Hypertonie, Koronarer Herzer- krankung und/oder Herzinsuffizienz leiden, er- halten nicht immer diagnostische und therapeutische Maßnahmen, deren Nutzen eindeutig belegt ist und die deshalb national und international in Leitlinien emp- fohlen werden. In den letzten Jahren wurde eine Zunah- me der Wahrnehmung und Umsetzung von Leitlinien- empfehlungen beobachtet, jedoch bleibt ein Verbesse- rungspotenzial. Die gezielte Verbreitung der Leitlinien und Fortbildungsangebote, also die Intensivierung tra- ditioneller Wege der Wissensvermittlung, sind nicht ge- eignet, dieses verbleibende Potenzial auszuschöpfen (1). Darauf deutet auch die explorative Indikatoranaly- se in der aktuellen Arbeit von Karbach et al. hin. Dabei kann eine leitliniengerechte Versorgung mit günstigen Auswirkungen auf die Ergebnisqualität durchaus er- reicht werden (2, 3). Interessanterweise scheinen Kran- kenhausärzte und Kardiologen weniger Vorbehalte ge- gen Leitlinien zu haben als Hausärzte (1–5).

Akzeptanz von Leitlinien:

ein multifaktorielles Phänomen

Erste Voraussetzung für den Erfolg von Leitlinien ist hohe methodische und fachlich-inhaltliche Qualität (6).

Karbach et al. bestätigen aber, dass dies allein nicht ausreicht. Die Nationale VersorgungsLeitlinie Chroni- sche KHK und die S3-Leitlinie Herzinsuffizienz der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Fa- milienmedizin (DEGAM) erzielten in der über die Arztbibliothek von Kassenärztlicher Bundesvereini- gung (KBV) und Bundesärztekammer (BÄK) publi- zierten Beurteilung mit dem Deutschen Leitlinien-Be- wertungsinstrument (DELBI) überdurchschnittlich gu- te Ergebnisse (siehe: www.arztbibliothek.de). Ob die von Karbach et al. befragten Hausärzte hiervon Kennt- nis hatten, ist allerdings unklar. Marketingstrategien unter Nutzung der Merkmale Qualität und Transparenz für „gute“ Leitlinien werden noch wenig eingesetzt.

Ein grundsätzlicher Vorbehalt gegen Leitlinien kann darin bestehen, dass Hausärzte die langfristige Bezie- hung zum Patienten und seiner Lebenswirklichkeit so- wie Berufserfahrung und Intuition hoch schätzen und deshalb individuelle Therapie und leitliniengerechte Behandlung als Widerspruch erleben (7). Definitions- gemäß sollen Leitlinien jedoch den gegenwärtigen Er- kenntnisstand wiedergeben, um Ärzte und Patienten bei der Entscheidungsfindung für eine angemessene Ver- sorgung zu unterstützen (6). Ob sie in der individuellen

AWMF-Institut für Medizinisches Wissensmanagement, Philipps-Universität Marburg:

Prof. Dr. med. Kopp

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M E D I Z I N

Umsetzung von Leitlinien:

Wissen heißt nicht handeln

Leitlinien werden dann benötigt, wenn tatsächlich ein Verbesserungsbedarf der Versorgungsqualität festge- stellt wird, das heißt, wenn eine Veränderung des Ver- haltens der Adressaten erforderlich scheint. Welche Hindernisse diesem Schritt selbst bei breiter Kenntnis und Akzeptanz vorhandener Handlungsempfehlungen entgegenstehen, verdeutlicht das klassische Thema

„Handhygiene im Krankenhaus“ (9). Um die er- wünschte Änderung zu erzielen, bedarf es konkreter In- terventionen, die auf psychologischen Theorien zur Er- klärung menschlichen Verhaltens beruhen wie zum Beispiel Lerntheorien, kognitive Theorien (9, 10).

Für die Planung künftiger Projekte zur Leitlinienim- plementierung ist zu berücksichtigen, dass:

Leitlinienkenntnis keinen validen Surrogatpara- meter für die Zielgröße „leitliniengerechtes Han- deln“ darstellt

eine einzige Intervention kaum Auswirkungen ha- ben wird

ein allgemein nutzbares Modell für die Kombina- tion verschiedener Interventionen nicht existiert.

Aussichtsreicher erscheint die Entwicklung einer kombinierten Strategie, die auf die individuelle Fragestel- lung, den speziellen Kontext, die Bedürfnisse der Adres- saten und die gemeinsam mit diesen ermittelten Barrieren zugeschnitten ist (9, 10). Qualitätsindikatoren zur Mes- sung des Umsetzungsgrades von Leitlinien und ihrer Auswirkungen auf Versorgungsergebnisse sollten bereits von den Leitlinienautoren selbst auf Grundlage aner- kannter methodischer Standards und strenger Bedarfs- feststellung vorgeschlagen werden. Ihr Einsatz muss aber einen erfahrbaren Nutzen für den dokumentierenden Arzt haben. Der Zeitbedarf für Dokumentationen und die Er- füllung regulatorischer Anforderungen werden schon jetzt als großes Problem erlebt (5). Als besonders erfolg- reich haben sich freiwillige Qualitätsprogramme erwie- sen, bei denen eine Rückmeldung der eigenen Ergebnisse im Vergleich und Unterstützung für die Erarbeitung von Problemlösungen gewährleistet sind (2). Ein solcher Aus- tausch bietet auch eine Grundlage, um die Belange der praktisch tätigen Kollegen für die Überarbeitung von Leitlinien aufnehmen zu können und die vorhandenen Verbesserungspotenziale in der Versorgung von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen auszuschöpfen.

Interessenkonflikt

Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 10. 1. 2011, angenommen: 11. 1. 2011

LITERATUR

1. Hagemeister J, Schneider C, Diedrichs H, Mebus D, Pfaff H, Wass- mer G et al.: Inefficacy of different strategies to improve guideline awareness – 5-year follow-up of the hypertension evaluation project (HEP). Trials 2008; 9(39): 1–7.

2. Heidenreich PA, Lewis PR, LaBresh KA, Schwamm LH, Fonarow GC:

Hospital performance recognition with the get with the guidelines program and mortality for acute myocardial infarction and heart failure. Am Heart J 2009; 158(4): 546–53.

3. Ballard DJ, Ogola G, Fleming NS, et al.: Impact of a standardized heart failure order set on mortality, readmission, and quality and costs of care. International Journal for Quality in Health Care 2010;

22(6): 437–44.

4. Komajda M, Lapuerta P, Hermans N, et al.: Adherence to guidelines is a predictor of outcome in chronic heart failure: the MAHLER sur- vey. European Heart Journal 2005; 26: 1653–9.

5. Schoen C, Osborn R, Doty MM, Squires D, Peugh J, Applebaum S:

A survey of primary care physicians in eleven countries, 2009: per- spectives on care, costs, and experiences. Health Aff (Millwood) 2009; 28(6): w1171-w83.

6. Kopp I: Perspektiven der Leitlinienentwicklung und -implementation aus der Sicht der AWMF. Z Rheumatol. 2010 Jun; 69(4): 298–304.

Verfügbar: http://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Leitlinien/

Werkzeuge/Publikationen/ll-p1004.pdf (Zugriff am 06.01.2011) 7. Bölter R, Kühlein T, Ose D, et al.: Barrieren der Hausärzte gegen

Evidenzbasierte Medizin – ein Verständnisproblem? Eine qualitative Studie mit Hausärzten. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes 2010;

104(8–9): 661–6.

8. Andres E, Beyer M, Schorsch B, et al.: Qualitätszirkel in der Ver- tragsärztlichen Versorgung: Ergebnisse der kontinuierlichen Basis- dokumentation in Bremen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes 2010; 104(1):

51–8.

9. Michie S, Johnston M, Abraham C, Lawton R, Parker D, Walker A, on behalf of the ‘‘Psychological Theory’’ Group: Making psychologi- cal theory useful for implementing evidence based practice: a con- sensus approach. Qual Saf Health Care 2005; 14: 26–33.

10. McDermott L, Yardley L, Little P, Ashworth M, Gulliford M, the eCRT Research Team: Developing a computer delivered, theory based in- tervention for guideline implementation in general practice. BMC Family Practice 2010, 11: 90–100.

Anschrift der Verfasserin Prof. Dr. med. Ina B. Kopp

AWMF-Institut für Medizinische Wissensmanagement c/o Philipps-Universität

Karl-von-Frisch-Straße 1, 35043 Marburg E-Mail: kopp@staff.uni-marburg.de kopp@awmf.org

Cardiovascular Guidelines in German Healthcare:

Confusion in Implementation?

Zitierweise

Kopp IB: Cardiovascular guidelines in German healthcare: Confusion in Imple- mentation?

Dtsch Arztebl Int 2011; 108(5): 59–60. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0059

@

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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