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Archiv "Leitlinien für Arzneimittelspenden" (11.10.2002)

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ie Präimplantationsdiagnostik (PID) ist ein kontrovers diskutier- tes Thema, das exemplarisch für die Konflikte in der modernen Medizin steht (2, 4, 9). Einmal mehr scheint hier eine Kluft zu bestehen zwischen techni- scher Machbarkeit einerseits und Unsi- cherheiten bei der ethischen Bewertung andererseits (10, 12). Die PID – in Deutschland verboten – ist ein komple- xer und lang dauernder Prozess, an dem verschiedene Berufsgruppen beteiligt sind. Schon im Vorfeld des Verfahrens, aber auch während der gesamten Pro- zedur, die sich über Monate bis Jahre erstrecken kann, kommt der psychoso- zialen Beratung und Begleitung des be- troffenen Paares ein großer Stellenwert zu (5, 6). Darüber hinaus würde auch die Arbeit mit behinderten Menschen durch eine Legalisierung der PID unter anderen Vorzeichen und gesellschaftli- chen Rahmenbedingungen vonstatten gehen als ohne diese Option (13).

Bei Studienanfängern und Studie- renden höherer Semester sollte ermit- telt werden, wie künftige Ärzte einer- seits und Studierende der Sozialarbeit und Sozialpädagogik an konfessionel- len Fachhochschulen andererseits das Verfahren und die damit verbundenen moralischen Probleme bewerten.

Im Wintersemester 2001/2002 wurden in Freiburg 321 Studierende befragt, 213 Studienanfänger, 108 höherer Semester.

Es wurde ein Fragebogen benutzt, der neben soziodemographischen Daten 25 Fragen zu drei Themenbereichen um- fasste: 1) Fragen zur allgemeinen morali- schen Einschätzung der PID und den da- mit verbundenen Problemen. 2) Fragen zur Bewertung von reproduktionsmedi-

zinischen Optionen, die Alternativen zur PID sein können. 3) Fragen, die die prak- tische Anwendung der PID betreffen, wie etwa die Bewertung von Indikatio- nen, die künftig den Einsatz der PID rechtfertigen könnten.

Das Durchschnittsalter der Befrag- ten beträgt 23,3 Jahre, das Geschlech- terverhältnis zeigt mit 70 : 30 einen deutlichen Frauenüberhang, was darauf zurückzuführen ist, dass an den kirchli- chen Fachhochulen überwiegend Frau- en studieren. Die Auswertung zeigte je- doch keine geschlechtspezifischen Un- terschiede bei den Antworten. Die überwiegende Mehrheit der Befragten (in keiner Gruppe unter 87 Prozent) gibt an, mit dem Thema PID schon in unterschiedlicher Weise (Medien, Stu- dium) in Berührung gekommen zu sein.

Die Frage, ob es in ihrem Bekannten- kreis Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung gibt, wird eben- falls von der Mehrheit bejaht, allerdings von den Medizinstudenten tendenziell etwas weniger häufig (47 beziehungs- weise 63 Prozent) als von den Studie- renden an den kirchlichen Fachhoch- schulen (67 bis 78 Prozent).

Der Status des Embryos

Ein Kernpunkt der Auseinanderset- zung um die PID ist der Status des Em- bryos vor allem im Hinblick auf die Fra- ge, ob ihm ein absolutes Lebensrecht zukommt (3, 8). Die Befragten bejahen dies mit deutlicher Mehrheit. Obwohl die Zustimmung in der Gruppe der Fünftsemester an der katholischen Fachhochschule (KFH) mit 90 Prozent T H E M E N D E R Z E I T

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A2690 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4111. Oktober 2002

www.difaem.de oder E-Mail: amh@di faem.de.

Das Bundesgesundheitsministerium, Dachverbände der Apothekerschaft und des pharmazeutischen Großhan- dels, der German Pharma Health Fund für den Verband der Forschenden Arz- neimittelhersteller und alle größeren Hilfswerke haben bekundet, dass sie sich in Zukunft an diesen Leitlinien ori- entieren werden.

Albert Petersen

Deutsches Institut für Ärztliche Mission Arzneimittelhilfe

Postfach 13 07, 72003 Tübingen

Dr. med. Frank J. Hensel Bundesärztekammer

Herbert-Lewin-Straße 1, 50931 Köln

Leitlinien für Arzneimittelspenden

Auswahl der Arzneimittel

>Arzneimittel sollen nur aufgrund eines aus- drücklich festgelegten Bedarfs und nur nach vorheriger Zustimmung des Empfängers ge- spendet werden.

>Alle Arzneimittel müssen in der nationalen Arz- neimittelliste des Empfängerlandes oder zu- mindest in der WHO-Liste der unentbehrlichen Medikamente aufgeführt sein.

>Darreichungsform und Stärke sollen den Ge- pflogenheiten im Empfängerland entsprechen.

Qualität und Haltbarkeit

>Gespendete Arzneimittel müssen aus einer zu- verlässigen Quelle stammen und den Qua- litätsanforderungen des Spender- und des Empfängerlandes entsprechen.

>Arzneimittel aus Haushalten oder Ärztemuster dürfen nicht gespendet werden.

>Nach Eintreffen im Empfängerland müssen die Arzneimittel noch mindestens ein Jahr haltbar sein. Ausnahmen sind nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Empfängers möglich.

Verpackung

>Die Beschriftung der Arzneimittel muss im Empfängerland verstanden werden. Die gene- rische Bezeichnung ist zu verwenden.

>Arzneimittelspenden sollen aus Großpackun- gen bestehen.

>Der Spende ist eine detaillierte Packliste beizu- fügen.

Abwicklung

>Der Empfänger muss über alle Spenden recht- zeitig unterrichtet werden.

>Die Wertangabe sollte auf dem internationalen Großhandelspreis basieren.

>Sämtliche Transportkosten bis zum Empfänger- land sowie die Einfuhrgebühren sollten vom Spender übernommen werden.

Präimplantationsdiagnostik

Bildung einer

ärztlichen Identität

Ein Vergleich von Medizinstudenten mit Studierenden sozial-

dienstlicher Studiengänge an zwei kirchlichen Fachhochschulen

Götz Fabry, Ruth Marquard

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deutlich über der der Medizinstu- denten aus dem siebten Semester (63 Prozent) liegt, ergibt das Ant- wortverhalten ein recht homoge- nes Bild. Denn auch in dieser Gruppe, bei der die Zustimmung noch am geringsten ausfällt, beja- hen fast zwei Drittel ein absolutes Lebensrecht des Embryos. Mehr als 80 Prozent der fortgeschritte- nen Medizinstudenten stimmen auch der Aussage zu, dass jedes menschliche Lebewesen das glei- che Recht auf Leben hat; bei den Studierenden im fünften Seme- ster an den kirchlichen Fachhoch- schulen liegt die Zustimmung bei annähernd hundert Prozent. Auf die Frage, wie die Studienteil- nehmer einen Embryo im Vier- bis Achtzellstadium beschreiben würden, findet sich keine eindeu- tige Übereinstimmung. Am ehe- sten findet die Umschreibung

„Gebilde, das zum Mensch wird“

Zustimmung (in allen Gruppen etwa 60 Prozent). Medizinstuden- ten des siebten Semesters votie- ren häufiger als ihre Studienkolle- gen für die Umschreibung „An- sammlung von Zellen“ (22 Pro- zent) und bezeichnen den Em- bryo zu 15 Prozent als „noch nicht so schützenswert wie ein schon fertiges Lebewesen“. Deutliche Unterschiede wurden jedoch nicht festgestellt.

Indikationen zur PID

Fragen nach möglichen Indikatio- nen der PID zeigen auffällige Un- terschiede zwischen den Medizin- studenten und den Studierenden der kirchlichen Fachhochschulen, die zu Beginn des Studiums meist nur als Trend erkennbar sind, mit zunehmender Semesterzahl aber eindeutig werden. Auf die Frage etwa, ob eine PID zum Ausschluss einer Trisomie 21 beziehungs- weise einer schweren geistigen Behinderung auch dann vorge- nommen werden sollte, wenn gar kein Hinweis auf ein erhöhtes Ri- siko vorliegt, antworten die Stu- dienanfänger aller drei Untersu-

chungsgruppen übereinstimmend zurückhaltend (25 bis 33 Prozent, Grafik 1).

Während sich diese Skepsis bei den Studierenden an den kirchli- chen Fachhochschulen im weite- ren Verlauf noch verstärkt (16 be- ziehungsweise 20 Prozent), befür- worten mehr als 60 Prozent der Medizinstudenten des siebten Se- mesters den Einsatz der PID für solche Fälle. Ähnlich fällt die Be- wertung für die Chorea Hunting- ton aus, die für die nichtmedizini- schen Untersuchungsgruppen als

„Erkrankung, die erst mit 40 Jah- ren auftritt“ umschrieben wurde.

In diesem Fall ist die Zustimmung der Medizinstudenten im siebten Semester mit 49 Prozent doppelt so hoch wie die der Studien- anfänger. Die Studierenden der kirchlichen Fachhochschulen da- gegen sind signifikant zurückhal- tender, in keiner Gruppe steigt die Zustimmung über fünf Prozent (Grafik 2).

Dem gleichen Trend folgt das Antwortverhalten, wenn danach gefragt wird, welche Konsequen- zen aus einem positiven Tester- gebnis (also einem festgestellten genetischen Defekt) gezogen wer- den sollen. Knapp 38 Prozent der Studienanfänger im Fach Human- medizin würden Trisomie 21 be- ziehungsweise eine zu erwartende schwere geistige Behinderung als Grund akzeptieren, den Embryo nicht für eine Schwangerschaft zu verwenden, die Erstsemester der kirchlichen Fachhochschulen lie- gen mit 31 beziehungsweise 26 Prozent Zustimmung in etwa gleich.

Deutliche Unterschiede zeigen dagegen die Antworten der höhe- ren Semester: Die Akzeptanz un- ter den Medizinern ist auf fast zwei Drittel gestiegen, wohinge- gen sie an der evangelischen Fach- hochschule (EFH) auf 27 Prozent, an der katholischen sogar auf zehn Prozent gesunken ist.Auch andere mögliche Indikationen, wie zum Beispiel schwere körperliche Missbildungen, werden sehr un- terschiedlich bewertet.

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Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4111. Oktober 2002 AA2691

Grafik 1

Grafik 2

Grafik 3

Prozentuale Verteilung der zustimmenden Antworten auf die Frage: „Würden Sie Ihr Kind mittels PID auch unabhän- gig von einem begründeten Verdacht auf Trisomie 21/

schwere geistige Behinderung kontrollieren lassen?“ (EFH, KFH = evangelische beziehungsweise katholische Fach- hochschule)

Prozentuale Verteilung der zustimmenden Antworten auf die Frage: „Würden Sie Ihr Kind mittels PID auch unabhän- gig von einem begründeten Verdacht auf Chorea Hunting- ton/eine Krankheit, die erst jenseits des 40. Lebensjahres auftritt, kontrollieren lassen?“

Prozentuale Verteilung der zustimmenden Antworten auf die Aussage: „Man sollte in Deutschland die PID weiterhin gesetzlich verbieten.“

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Diesen Differenzen liegen offen- sichtlich prinzipiell verschiedene Ein- stellungen zugrunde, die sich mit zuneh- mender Studiendauer stärker ausprä- gen. Dies lässt sich deutlich an der Be- wertung der Aussage „ich hätte gar nicht erst testen lassen“ ablesen.

Während die Studienanfänger aller drei Gruppen in ihrer Zustimmung dabei noch relativ dicht beieinander liegen (43 bis 58 Prozent), unterscheiden sich die höheren Semester deutlich: Die Zu- stimmung bei den Medizinern geht auf 31 Prozent zurück, wohingegen sie an den kirchlichen Hochschulen auf 70 Prozent (evangelische Fachhochschule) beziehungsweise 77 Prozent (katholi- sche Fachhochschule) steigt. Ein Drittel der Studierenden des fünften Semesters der KFH würde, wenn sie selbst be- troffen wären, eine Schwangerschaft auch mit einem wahrscheinlich kranken Embryo entstehen lassen.

Bewertung der PID insgesamt

Die Frage, ob die PID auch weiterhin in Deutschland verboten bleiben sollte, beantworten die Studienanfänger aller drei Hochschulen weitgehend überein- stimmend (Grafik 3): 36 Prozent der Mediziner und jeweils etwa die Hälfte der beiden anderen Gruppen der ersten Semester befürworten dies. Ganz an- ders dagegen sehen erneut die Antwor- ten der höheren Semester aus: Die Zu- stimmung der Mediziner ist auf zwölf Prozent gesunken, an den kirchlichen Hochschulen ist sie dagegen auf 62 Pro- zent (EFH) beziehungsweise sogar auf 80 Prozent (KFH) gestiegen. Die höhe- ren Semester der Medizinstudenten und der Studierenden an der katholi- schen Fachhochschule unterscheiden sich damit erheblich von ihren Kommi- litonen im ersten Semester. Außerdem heben sich die medizinischen Siebtse- mester signifikant gegen die hohen Se- mester der beiden kirchlichen Fach- hochschulen ab.

Analog bewertet wird die Aussage, die PID stelle einen begrüßenswerten Fortschritt der Medizin dar und werde Leiden verringern. Während die Studi- enanfänger aller drei Gruppen skep- tisch sind, zeigen sich erneut deutliche Unterschiede unter den höheren Seme-

stern. Von den Medizinern würden jetzt 54 Prozent dieser Aussage zustimmen, wohingegen die Zustimmung an den kirchlichen Fachhochschulen auf unter zehn Prozent gesunken ist. Auch hier sind die Unterschiede sowohl innerhalb der einzelnen Hochschulgruppen als auch zwischen den Medizinstudenten und den Studenten der kirchlichen Fachhochschulen bemerkenswert.

An den Antworten auf die Frage

„was wäre für Sie ein ethisch vertret- barer Einsatzbereich der PID?“ (Gra- fik 4) zeigt sich, dass die Medizinstuden- ten ihre Bewertung an Indikationen orientieren, wohingegen die Studieren- den der kirchlichen Fachhochschulen die Präimplantationsdiagnostik grund- sätzlich ablehnen, und dass diese Ein- stellung offensichtlich durch die Studi- endauer beeinflusst wird. Am deutlich- sten zeigt dies der Vergleich zwischen Medizinstudenten und Studierenden der katholischen Fachhochschule. Wäh- rend die Studienanfänger der Medizin und der KFH den Einsatz der PID zur Diagnostik von schwersten geisti- gen und körperlichen Behinderungen mehrheitlich befürworten, sieht die Be- wertung der höheren Semester beider Fachrichtungen ganz anders aus: Die Zustimmung unter den Medizinern ist von 65 auf 83 Prozent gestiegen, unter den Studierenden an der katholischen Fachhochschule dagegen von 54 auf 33

Prozent gesunken. Umgekehrt wird die Aussage bewertet: „Überhaupt kein Einsatz wäre für mich ethisch vertret- bar.“ Hier halbiert sich die Zustim- mung der Mediziner von 36 (erstes Se- mester) auf 17 Prozent (siebtes Seme- ster), wohingegen sie an der katholi- schen Fachhochschule von 49 (erstes Semester) auf 67 Prozent (fünftes Se- mester) ansteigt.

Der Einsatz der PID zur Ge- schlechtsdiagnostik ohne Krankheits- bezug oder zur Auswahl körperlicher Merkmale wird von allen Befragten deutlich abgelehnt. Was den Personen- kreis der möglichen Nutzer der PID be- trifft, so votieren die Medizinstudenten des siebten Semesters zu 60 Prozent für Paare, die ein erhöhtes Risiko für eine schwere Erbkrankheit tragen. Die Stu- denten höherer Semester der katholi- schen Fachhochschule nennen dagegen zu 60 Prozent die Alternative „generell für niemanden“, wohingegen die Stu- dierenden an der evangelischen Hoch- schule in ihrer Bewertung ungefähr da- zwischen liegen.

Konsequenzen für das eigene Verhalten

Das bisher gezeigte Antwortmuster blieb auch dann bestehen, wenn die Stu- dierenden gefragt wurden, wie sie sich T H E M E N D E R Z E I T

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A2692 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4111. Oktober 2002

Grafik 4

Prozentuale Verteilung der zustimmenden Nennungen auf die Frage: „Was wäre für Sie ein ethisch vertretbarer Einsatzbereich der PID?“ (Mehrfachnennungen waren möglich.)

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selbst verhalten würden, wenn sie mit einem 25-prozentigen genetischen Risi- ko belastet wären.Als Antwortmöglich- keiten sollten der Verzicht auf ein Kind, die Adoption, eine künstliche Befruch- tung mit PID, eine Schwangerschaft mit Pränataldiagnostik und eventueller Ab- treibung (in der Literatur auch als

„Schwangerschaft auf Probe“ bezeich- net [14]), die Samen- beziehungsweise Eizellspende und schließlich eine natür- liche Zeugung ohne jegliche Interventi- on („es darauf ankommen lassen“) ge- geneinander abgewogen werden. Die Studienanfänger an den kirchlichen Fachhochschulen äußern hier klare Prä- ferenzen für die Adoption und die natürliche Zeugung ohne Intervention, die von jeweils etwa 40 Prozent genannt werden. Bei allen anderen Alternativen liegt die Zustimmung jeweils im Be- reich von nur zehn Prozent.

Anders werten dagegen die Studi- enanfänger in Medizin. Zwar stimmen der Adoption 42 Prozent zu, doch dann folgen die In-vitro-Fertilisation mit PID (29 Prozent) beziehungsweise die Schwangerschaft mit Pränataldiagno- stik und eventuellem Abbruch (26 Pro- zent) vor der Schwangerschaft ohne In- tervention, die von knapp einem Viertel der Befragten genannt wird. Während diese Unterschiede jedoch lediglich Trends wiedergeben, unterscheiden sich die Antworten der Studierenden aus den höheren Semestern wieder deutlicher: Jetzt ist die Präimplantati- onsdiagnostik die von den Medizinern mit fast 40 Prozent am häufigsten ge- nannte Alternative, deren Akzeptanz an den kirchlichen Fachhochschulen mit 5,4 (evangelisch) beziehungsweise null Prozent (katholisch) erheblich niedriger ist. Eine analoge Bewertung ergibt sich für die so genannte Schwan- gerschaft auf Probe.

Zusammenfassung und Diskussion

Weitgehende Einigkeit besteht bei al- len Befragten über allgemeine morali- sche Aussagen. In Fragen der prakti- schen Umsetzung und Indikationen tre- ten jedoch deutliche Unterschiede zuta- ge: Die Studierenden der kirchlichen Fachhochschule stehen der PID im Ver-

gleich zu den Medizinstudenten kriti- scher gegenüber. Am deutlichsten leh- nen die Studierenden des fünften Se- mesters der katholischen Fachhoch- schule die PID ab, wohingegen die Me- dizinstudenten des siebten Semesters die Präimplantationsdiagnostik am stärksten befürworten. Diese Zustim- mung orientiert sich allerdings an Indi- kationen; eine PID zur Diagnose des Geschlechts ohne Krankheitsbezug oder sogar um körperliche Merkmale zu bestimmen, lehnen auch die Medi- zinstudenten ab.

Die Ergebnisse der Studie lassen den Schluss zu, dass die Sozialisation durch das jeweilige Studium offensichtlich ei- nen deutlichen Einfluss auf die morali- sche Bewertung der PID hat. Interes- sant ist, dass die Mediziner in ihrem Antwortverhalten weitgehend dem Richtlinien-Entwurf der Bundesärzte- kammer zur PID folgen (1). Es wurde zwar nicht ermittelt, inwieweit die Be- fragten diesen Entwurf kannten, es lässt sich aber vermuten, dass dieser, wenn überhaupt, dann nur oberflächlich be- kannt ist. Offensichtlich bildet sich aber während des Medizinstudiums eine ärztliche Identität, die bei aller Kon- troverse im Detail doch gemeinsam ge- teilte Bewertungsmuster erkennen lässt. Dies gilt analog auch für die Vergleichsgruppen an den kirchlichen Fachhochschulen, deren kritischere Haltung gegenüber der PID in höheren Semestern deutlicher ausgeprägt ist und sich inhaltlich an die offizielle Haltung der beiden großen Kirchen annähert (7, 11).

Die am Prozess der Entscheidungs- findung beteiligten Berufsgruppen bringen ihre eigenen, offensichtlich durch die berufliche Sozialisation ge- prägten Werthaltungen ein, die – wenn sie unhinterfragt und unverstanden bleiben – ein erhebliches Konfliktpo- tenzial in sich bergen. Insofern scheint im Hinblick auf die ärztliche Ausbil- dung eine bewusste Auseinanderset- zung mit den sozialisationsbedingten Einflüssen sowie der Identifikation mit der eigenen Berufsgruppe und deren Standards ein unverzichtbares Ele- ment zu sein. Besonders erhellend könnten vor dem Hintergrund der Stu- die Lehrveranstaltungen sein, an de- nen Lernende aus anderen Berufs-

gruppen, zum Beispiel den sozial- dienstlichen Studiengängen oder von Krankenpflegeschulen, beteiligt sind.

So könnte frühzeitig ein Prozess in Gang kommen, in dem die eigenen Normen und Werte als relativ begrif- fen werden, woraus die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens im Sinne der Erweiterung moralischer Kompetenz erwächst.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 2690–2693 [Heft 41]

Literatur:

1. Bundesärztekammer: Diskussionsentwurf zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik. Dtsch Arz- teblatt 2000; 97: A 525–528 [Heft 9].

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3. Habermas J: Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik? Der Streit um das ethische Selbstverständ- nis der Gattung. In: Habermas J: Die Zukunft der menschlichen Natur. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2001; 34–125.

4. Handyside AH, Kontogianni EH, Hardy K, Winsten RM: Pregnancies from biopsied human preimplanta- tion embryos sexed by y-specific DNA amplification.

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5. Hildt E: Über die Möglichkeit freier Entscheidungsfin- dung im Umfeld vorgeburtlicher Diagnostik. In:

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7. Körtner V: Theologie und Biomedizin. EPD-Dokumen- tation 2001; 26/01.

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13. Radtke: Wehret den Fortschritten – subjektive An- sichten eines zum „Liegenlassen“ Bestimmten. In:

Kleinert S (Hrsg.): Der medizinische Blick auf Be- hinderung. Würzburg: Königshausen & Neumann, 1997: 61–64.

14. Rothmann BK: The tentative pregnancy. New York:

Penguin 1986.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Götz Fabry

Abteilung für Medizinische Psychologie Stefan-Meier-Straße 17

79104 Freiburg

E-Mail: fabry@uni-freiburg.de T H E M E N D E R Z E I T

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