• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Symposium in Kosice: Mitteleuropäische Ärztekammern im Aufbruch" (30.09.1994)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Symposium in Kosice: Mitteleuropäische Ärztekammern im Aufbruch" (30.09.1994)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

THEMEN DER ZEIT TAGUNGSBERICHT

Symposium in Ko§ice

••

Mitteleuropäische Arztekammern im Aufbruch

Otmar Kloiber

Tagungen in Mittel- und Osteuropa haben in diesen Zeiten ein ganz besonderes Format: Als Gast nimmt man ständig Anteil an rasanten politischen Veränderungen, die wir

„ Westler" im „kapitalistischen" Europa nicht gewohnt sind.

So stand das Symposium der mitteleuropäischen Ärztekann-

mern aus Österreich, Polen, Slowakien, Tschechien, Ungarn und Deutschland in Kdice, Ost-Slowakei, am 11. und 12.

März 1994 ganz unter dem Eindruck der schnellen Verän- derungen in den Reformstaaten und ganz besonders unter dem Eindruck des Sturzes der Regierung Vladimir Meciars.

Dennoch, die Veranstaltung er- hielt ihren eigenen, berufspoliti- schen Stellenwert: Die neuen oder wieder eingerichteten Kammern in Mitteleuropa (Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn) orientieren sich stark an den etablierten Kam- mern (Österreich und Deutsch- land). Es war die Suche nach dem gemeinsamen Nenner, und der — so stellte sich heraus — ist größer als er- wartet.

Öffentliche Aufgaben erfordern

Pflichtmitgliedschaft

Hinter den Selbstverständlich- keiten der Kammerarbeit in den Ärzteschaften Österreichs und Deutschlands stehen mehr politi- sche Prämissen, als wir üblicherwei- se bereit sind wahrzunehmen. Die Wahrnehmung öffentlicher Aufga- ben, wie die Erstellung und Über- wachung der Berufsordnung, die Regelung der Weiter- und Fortbil- dung, die Qualitätssicherung und die Vermittlung zwischen Patienten und Ärzten, müssen von den Ärz- ten in Reformstaaten oft mühsam erstritten werden. So liegen in eini- gen Ländern wichtige Aufgaben noch weitgehend bei Regierungs- stellen oder anderen staatlichen Einrichtungen. Die Weiterbildung zum Beispiel ist im jüngst verab- schiedeten ungarischen Kammerge- setz an eine Weiter- und Fortbil-

dungsuniversität und nicht an die Ärztekammer vergeben worden.

Zudem fällt die Erfüllung der Auf- gaben den Kammern nicht zuletzt deshalb schwer, weil sie — wie fast alles in dem Gesundheitswesen der Reformstaaten — unter einem dra- stischen Finanzmangel leiden.

Die Erfüllung öffentlicher Auf- gaben in der freien Selbstverwal- tung mitteleuropäischer Staaten wird nicht nur als Chance zur Neu- gestaltung des eigenen Berufsfeldes gesehen, sondern auch als Über- nahme von Verantwortung gegen- über der Öffentlichkeit. In allen Ärztekammern Mitteleuropas, außer in der Slowakischen Repu- blik, gibt es eine Pflichtmitglied- schaft. Für die Slowakische Ärzte- kammer ist dies keine gute Startpo- sition: In dem von einigen als unbe- quem empfundenen Verband sind nur etwa 50 Prozent der Ärzte orga- nisiert, auf die anderen Ärzte hat man keinen Einfluß. Bei ihnen kann die Ärztekammer zum Bei- spiel die Einhaltung der Berufsord- nung nicht durchsetzen. Mit der freiwilligen Mitgliedschaft, so Pro- fessor Jozef P6chan, Präsident der Slowakischen Ärztekammmer, habe man deshalb „schlechte Erfahrun- gen" gemacht. Auch in der Tsche- chischen Republik gibt es starke Tendenzen, die Pflichtmitglied- schaft wieder abzuschaffen — nicht zuletzt, weil die Politiker eine allzu starke ärztliche Körperschaft fürch- ten.

Entsprechend dem sowjeti- schen Modell hatten einige vormals kommunistische Staaten eine zwei- stufige Facharztausbildung, die in der Regel nach drei Jahren mit der ersten Stufe einen zur selbständigen Tätigkeit befugten Arzt hervor- brachte. Jetzt wolle man, so erläu- terte Dr. M. Dubrava, in der Slowa- kei zu einer einphasigen, verlänger- ten Weiterbildung kommen und sich so an die in Westeuropa übli- chen Verfahren annähern. Die Bemühungen einzelner internatio- naler fachärztlicher Verbände, eu- ropäische Facharztprüfungen im Alleingang einzuführen, wurden von der deutschen Seite scharf kriti- siert, da die Regelung der Weiter- bildung nicht Partikularinteressen überlassen werden dürfe. Auch der Präsident der Österreichischen Ärz- tekammer, Primarius Dr. Michael Neumann, betonte, daß die Rege- lung und Ausführung der Weiterbil- dung in die Hand der Kammmer gehöre.

Reform der

Weiterbildungsgänge

Die Weiterbildung unterliegt oft Finanzierungsproblemen. Von der (noch) als selbstverständlich be- trachteten Praxis, daß Weiterbil- dung in Deutschland als „Training an the Job" und in angestellter Stel- lung durchgeführt wird, ist man in den Reformstaaten noch weit ent- A-2570 (38) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 39, 30. September 1994

(2)

fernt. Oft müssen Ärzte erhebliche finanzielle Opfer aufbringen, um an Weiterbildungsuniversitäten Kurse besuchen oder um - wie geplant - an sogenannten "akkreditierten Weiterbildungsstätten", oft weit weg vom eigentlichen Arbeits- und Wohnort, unentgeltlich arbeiten zu können.

Die chronische Unterfinanzie- rung des Gesundheitssystems führt in Reformstaaten zu vielfältigen Spannungen. Ein großes Problem dabei ist, daß zum einen das monat- liche Einkommen der Ärzte, je nach Land, zwischen gerade mal 250 und 500 Mark liegt; zum ande- ren ist es im Vergleich zu anderen Berufen in ihren Ländern auch rela- tiv niedrig. Die neu eingerichteten Sozialversicherungen kommen mit den Bonarierungen nicht nach, schließen Fachärzte aus oder zahlen prinzipiell an niedergelassene Ärzte gar nicht. Die Kammern haben kaum Einfluß auf die Verträge, da ihnen die Mitwirkung versagt wird, und kassenärztliche Strukturen exi- stieren nicht. Bis zu einer echten Vertretung der Ärzteschaft gegen- über den Kostenträgern wird es wohl noch schmerzhafte Auseinan- dersetzungen geben.

"Das Umdenken" ist mühsam

Die Finanzierungskrise der Ge- sundheitswesen hängt noch mit al-

ten "Doktrinen" des Kommunis-

mus zusammen:

~ Gesundheitsversorgung muß für alle umsonst sein. Begriffe wie Eigenverantwortung und Subsi- diarität sind den gewendeten Funk- tionären Fremdwörter. Da wird So- lidarität zur Farce, wenn alle nur Empfänger sein wollen und eine so- zial gerechte Belastung der Versi- cherten nicht wirklich stattfindet.

~ Lunatcharsky, einem Ver- trauten Lenins, wird nachgesagt, er habe die Devise geprägt, "Arzte werden nicht bezahlt, sondern vom Volk ernährt". Dieses Prinzip heißt

"Schwarzzahlung" oder "Grauer Markt" oder etwas neutraler "Para- solvenz". Es funktioniert - zumin- dest teilweise - immer noch, und es

MMjiW,'~WW\W•WWjWWWWW

TAGUNGSBERICHT

wird zur Gefahr für die neu einge- richteten, gesetzlichen Krankenver- sicherungen.

Wir haben als Ärzte in den rei- chen Staaten natürlich keinen Grund, darüber den Zeigefinger zu erheben, aber wenn es nicht gelin- gen wird, die Regierung zu über- zeugen, daß ordentliche Arbeit auch ordentlich bezahlt werden muß, dann sind die Sozialversiche- rungen von vomherein zum Schei- tern verurteilt.

Die Fronten sind verhärtet und die Beziehungen zu den Gesund- heits- beziehungsweise den Wohl- fahrtsministeriell stark belastet. Die Vertreter der Slowakischen Kam- mer berichteten, daß Ärzte von der Regierung Meciar oft als "Parasiten der Gesellschaft" oder "Mafia in Weiß" tituliert wurden. Die Freude der Ärzte aus der Slowakei und Tschechien über den Sturz der Re- gierung Meciar ist zu verstehen.

Mit der Annäherung der Re- formstaaten Mitteleuropas an die Europäische Union (Polen und Un- garn sind bereits assoziiert) wird der Gedanke der ärztlichen Selbst- verwaltung in Europa einen neuen Auftrieb bekommen. Auch die EG- Kommission beginnt langsam zu er- kennen, daß ärztliche Selbstverwal- tung zwar auch, aber keineswegs nur, Lobbying ist.

Starke, verfaßte Ärzteschatten in Mittel- und Osteuropa sind nicht nur für die gesundheitliche Versor- gung der Bevölkerung notwendig, sondern auch, um den Gedanken der freien Selbstverwaltung im Eu- ropa von morgen zu verbreiten und damit zu stärken. Das Engagement der Österreichischen und der deut- schen Ärztekammern beim Aufbau der ärztlichen Berufsorganisation in den Reformstaaten zielt dabei nicht nur nach Osten; sondern es betrifft auch uns zwischen Aachen und Frankfurt, zwischen Flensburg und Oberstdorf.

Sozial gerechte und gleichzeitig leistungsfähige Gesundheitssysteme benötigen den Ausgleich zwischen staatlichen und marktwirtschaftli- ehen Kräften. Selbstverwaltung ist als bürgernahes Konzept ein Weg für die Zukunft.

Dr. Otmar Kloiber, BÄK A-2572 (40) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 39, 30. September 1994

Kosice-

Memorandum

Die Teilnehmer des Sym- posiums der mitteleuropäi- schen Ärztekammern (Tsche- chische Republik, Ungarn, Deutschland, Polen, Öster- reich und Slowakei - in alpha- betischer Reihe der slowaki- schen Namen der Länder ge- nannt), das in Kosice am 11.

und 12. März 1994 stattgefun- den hat, geben folgende ge- meinsame Erklärung ab:

Wir halten die Aufgaben, Bestimmungen und Funktio- nen der Ärztekammern in al- len Teilnehmerstaaten für gleich gelagert. Eines der Prinzipien ist dabei, daß ein wesentliche Teil jener Aufga- ben, die bisher (in den Re- formländern) beim Staat la- gen, von den freien und demo- kratisch gewählten Ärztekam- mern übernommen werden müssen.

Die Traditionen der mit- teleuropäischen Ärztekam- mern zeigen deutlich auf, daß für die Qualität der ärztlichen Versorgung, für die Sicherheit in der medizinischen Fortbil- dung sowie für die Richtlinien der Ausübung ärztlicher Tätigkeit in der freien Praxis eine Pflichtmitgliedschaft er- forderlich ist.

Die Anforderungen, die von der Gesellschaft mit vol- lem Recht an die Ärzteschaft gestellt werden, haben sich al- lerdings auch in einem ange- messenen sozioökonomischen Zustand der Ärzte widerzu- spiegeln.

Das Symposium hat einen neuen Grundstein für eine weitere gute Zusammenarbeit der mitteleuropäischen Ärzte- kammern gelegt.

Kosice, den 12. März 1994

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Dass ärztliche Tätigkeit heute ohne Delegation bestimmter Leistungen praktisch nicht mehr möglich ist, da - rüber besteht weitestgehend Einig- keit.. Anders sieht es bei

Sie können aber meines Erachtens keine unmittelbar förderliche Auswirkung auf die Qualität der ärztlichen Leis- tung haben, weil sie eben nicht auf die ärztlichen

Während Richtlinien in der Regel aus sich heraus verbindlich sind, sind Leitlinien und Empfehlun- gen aus sich heraus (erst einmal) nicht für den Arzt rechtlich verbind-

Die Bundesärztekammer unter- stütze den öffentlichen Gesundheits- dienst nach Kräften, versicherte Vil- mar; daher auch die Förderung für neue Studiengänge im

Ludwig Sievers, der von 1933 bis zur Absetzung durch die Natio- nalsozialisten im Jahr 1943 Syndi- kus der Ärztekammer für die Pro- vinz Hannover und der Landesstelle

Gleichfalls zum Auftakt des Ärztetags verbreitete die Bundes- tagsfraktion der Grünen, der auch Frau Fischer angehört, eine Er- klärung, in der sie der Hoffnung Ausdruck gibt, mit

Chris Ham, ein bekannter Theo- retiker in Gesundheitsfragen, faßte die Ziele der Regierung so zusam- men: „Das Ziel ist ein mehr plurali- stischer Staatlicher Gesundheits- dienst,

3. Maßnahmen zur Mengensteuerung Der Erweiterte Bewertungsausschuss beschließt, dass ein In-Kraft-Treten des EBM Regelungen zur Steuerung der Menge der insgesamt