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phIakzente 1 /2009mediensplitter |
zEIgEfIngEr
Wer andern in der Nase bohrt, ist selbst ein Schwein! – So haben wir naseweis als Kinder gewitzelt. Heute reicht es mir schon, wenn jemand unverblümt in der eigenen ... na ja, lassen wir die Details, immerhin sind wir auf dieser Seite nicht unter uns, sondern mit allen. Da hört die Privatsphäre also auf. Anderer Leute Feuchtgebiete haben hier nichts zu suchen.
Aber wer nebenan sitzt, muss sich doch nicht gleich da- nebenbenehmen. Das gilt sogar im World Wide Web, wo ne- benan am andern Ende der Web Wide World sein kann. Kein Abstand ohne Anstand. Auch im Internet gibt es deshalb Um- gangsformen und Benimmregeln. Punkto Nase macht die Netiquette zwar noch keine Vorschriften, aber wenn sich die Fälle von virtuellem Popeln vor der Webcam häufen, kommt das sicher noch. Des Kindes Anstandsbuch von Marie von Adelfels mit goldenen Regeln in zierlichen Reimen schafft hierfür bereits 1894 eine verlässliche Grundlage:
«Nie dürft ihr mit den Fingern bohren In der Nase oder den Ohren.»
Auch Franz Vogts Anstandsbüchlein für das Volk aus dem gleichen Jahr widmet dem «Benehmen gegen sich selbst» ein
ganzes Kapitel und tituliert Nasenbohren, «an den eignen oder eines anderen Kleidern zupfen» oder «mit der Uhrkette spielen» als «üble Gewohnheiten, die als durchaus unan- ständig abzulegen sind». Diese und andere Regeln befolge der wahrhaft höfliche Mensch übrigens nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch im Geheimen. Zukunftsweisend deckt das Anstandsbüchlein damit alles ab, von der sexuel- len Belästigung über Handybefummeln bis zum Séparée im Chat.
Was lernen wir daraus? Auf keinen Fall wegschauen.
Null-Toleranz. Lassen Sie sich rotzfreches Verhalten nicht ge- fallen. Zeigen Sie mit dem Finger darauf – aber ziehen Sie diesen bitte zuerst aus der Nase. | Daniel Ammann