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Wenn die Nase blind wird

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PRAXIS

DIE PTA IN DER APOTHEKE | Januar 2020 | www.diepta.de

D

er Kaffeeduft am

Morgen weckt die Lebensgeister. Der zarte Hauch von Parfum, der durchs Büro weht, sorgt für gute Laune. Und der vertraute Geruch des geliebten Partners löst ein Feuerwerk an Emotionen aus, gibt uns Sicher-

heit und Halt. Gerüche spielen im Leben eine wichtige Rolle.

Wohlgerüche genauso wie ab- scheulicher Gestank. Letztge- nannter hat das Talent, uns einen Ekelschauer über den Rücken zu jagen und spontan Übelkeit auszulösen, erfüllt oft aber auch eine wichtige Warn-

funktion: Feuer, Chemikalien oder Verdorbenes riechen zu können, kann lebensrettend sein. Ein intaktes Riechvermö- gen brauchen wir zudem, damit Essen und Trinken zum Genuss werden. Während die Zunge ge- rade einmal fünf Geschmacks- richtungen unterscheiden kann,

hat die Nase viel feinere Anten- nen: Tausende von Duftnoten, die das Geschmackempfinden mitprägen, kann das Super- organ erkennen.

Jeder Fünfte riecht schlecht Alles das macht klar: Riechstö- rungen sind keine Bagatelle, sondern gleichen einem Gene- ralangriff auf die Lebensquali- tät. Untersuchungen deuten da- rauf hin, dass rund 20 Prozent der Bevölkerung von einer Be- einträchtigung der Riechzellen betroffen sind. Die meisten lei- den unter einem eingeschränk- ten Riechvermögen, Experten sprechen dann von Hyposmie.

Schätzungsweise fünf Prozent weisen einen kompletten Ver- lust des Riechvermögens, eine sogenannte Anosmie, auf. Jähr- lich werden knapp 80 000 Men- schen in Deutschland wegen Riechstörungen in HNO-Klini- ken behandelt, so der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen- Ohrenärzte. Bekannt ist, dass die Nase im Alter häufiger streikt als in jungen Jahren. Bei der Hälfte der über 80-Jährigen funktioniert das Riechvermö- gen gar nicht mehr. Dennoch sollten Probleme mit den Ge- ruchssinn auf keinen Fall als

„normale Alterserscheinung“

abgetan werden. Eine Untersu- chung beim Facharzt ist unver- zichtbar. Ein Grund: Riechstö- rungen können im Rahmen neurodegenerativer Erkran- kungen wie Morbus Parkinson oder Alzheimer-Demenz auf- treten, möglicherweise sogar sehr frühe Hinweise auf diese Erkrankungen liefern. Sehr oft verschlechtert sich das Riech- vermögen schon viele Jahre be- vor die krankheitsspezifischen Symptome auftreten.

Angriff auf die Riech- schleimhaut Grundsätzlich können Riechstörungen viele, sehr unterschiedliche Ursachen

RIECHSTÖRUNGEN

Wie wichtig der Geruchssinn ist, merken viele Menschen erst, wenn

die Nase streikt. Riechstörungen sind weit verbreitet. Was dagegen hilft, hängt von den individuellen Ursachen ab.

Wenn die Nase blind wird

© vvvita / iStock / Getty Images

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haben – völlig harmlose, aber auch ernsthafte. Das macht klar, warum eine exakte Diagnostik in jedem Alter erforderlich ist. Zu den häufigen Auslösern gehören Virusinfektionen, etwa die echte Grippe. Haben die Krankheits- erreger die Riechschleimhaut ge- schädigt, bleibt die Riechstörung auch dann noch bestehen, wenn die Infektion längst überstanden ist. Mediziner sprechen von post- infektiöser Riechstörung. Typi- scherweise wird sie von einer veränderten Geruchswahrneh- mung, einer sogenannten Paros- mie, begleitet. Oft hat der Riech- verlust seinen Ursprung auch in einer chronischen Nasenneben- höhlen-Entzündung. Nasenpo- lypen, Verkrümmungen der Na- senscheidewand, Hirntumore sowie toxische Schäden der Riechschleimhaut, beispielsweise durch Pestizide, Nikotin oder Kokain, gehören zu den weiteren Ursachen. Vergleichsweise häufig kommt es zudem nach Kopfver- letzungen zu einer Schädigung des Riechapparates. Bei einem Schädelhirntrauma, etwa aus- gelöst durch einen Schlag oder Sturz auf den Kopf, können die Riechfasern abreißen.

Lästige Nebenwirkung Wichtig zu wissen: Auch eine Reihe von Medikamenten kann eine Riechstörung als Neben- wirkung haben, darunter be- stimmte Antibiotika (z. B. Strep- tomycin), Antirheumatika (z. B.

D-Penicillamin), Antihyperto- nika (z. B. Diltiazem, Nifedipin), Antidepressiva (z. B. Amitripty- lin) sowie Chemotherapeutika (z. B. Methotrexat). Werden die Arzneimittel wieder abgesetzt oder können sie durch andere Präparate ersetzt werden, bes- sert sich meist auch das Riech- vermögen wieder. In seltenen Fällen können Riechstörungen auch angeboren sein. Und: Bei einem Teil der Betroffenen lässt sich das Problem keiner offen-

sichtlichen Ursache zuordnen.

Dann sprechen Ärzte von idio- pathischer Riechstörung.

Tests geben Aufschluss Die Diagnose ist eine umfangreiche Prozedur. Neben Anamnese und gründlicher Untersuchung von Nase, Nasennebenhöhlen und Co. kann das Riechver- mögen durch unterschiedliche Tests überprüft werden. In sub- jektiven Testverfahren, die die aktive Mithilfe des Patienten erfordern, geht es beispielsweise darum, bestimmte Duftstoffe zu erkennen. Eine bewährte Testmethode ist zum Beispiel der Sniffin’Sticks-Test (Riech- stifte-Test). Dabei werden dem Patienten mit unterschiedli- chen Duftstoffen befüllte Filz- stifte unter die Nasenlöcher ge- halten. Seine Aufgabe besteht darin, die Duftstoffe zu erken- nen und namentlich zu benen- nen. Um das Ausmaß einer Riechstörung objektiv zu erfas- sen, werden Veränderungen in der Hirnstromkurve (im Elek- troenzephalogramm, EEG),

die durch Riechreize ausgelöst werden, gemessen. Möglicher- weise kommen auch bildge- bende Verfahren wie die Mag- netresonanztomografie (MRT) zum Einsatz.

Die Therapie richtet sich nach der individuellen Ursache der Riechstörung. Werden zugrun- deliegende internistische oder neurologische Erkrankungen ursächlich behandelt, bessert sich oft auch der Geruchssinn wieder. Sind toxische Substan- zen die Auslöser, gilt es, diese zu meiden. Eine chronische Na- sennebenhöhlen-Entzündung kann medikamentös beseitigt und bei ausbleibendem Erfolg chirurgisch behandelt werden.

Auch bei Nasenscheidewand- Verkrümmung und Polypen in der Nase kommt eine Operation infrage.

Medikamentös werden Riech- störungen insbesondere mit Corticosteroiden behandelt. Sie wirken entzündungshemmend und haben zudem direkten Ein- fluss auf die Riechfunktion. Die Behandlung erfolgt systemisch

mit Tabletten oder lokal mit Nasensprays.

Die Nase trainieren Ein viel- versprechender Ansatz ist ein sogenanntes professionelles Riechtraining. Das Prinzip:

Über einen Zeitraum von meh- reren Wochen schnuppert der Patient morgens und abends an duftbefüllten Riechstiften. Stu- dien haben gezeigt, dass sich der Geruchssinn durch den täg- lichen Schnupperparcours oft signifikant verbessern lässt.

Die gute Nachricht: Bei vielen Be- troffen kehrt das Riechvermögen spontan wieder zurück. Bei Riech- störungen, die im Anschluss an eine Virusinfektion auftreten, ist die Spontanheilungsrate beson- ders hoch, nach Kopfverletzun- gen ist sie geringer. In jedem Fall aber brauchen Betroffene Ge- duld. Denn die Regeneration der Nase ist ein langsamer Prozess der viele Monate, mitunter sogar Jahre dauern kann.  n

Andrea Neuen, Freie Journalistin

ACHTSAM IM ALLTAG!

Verdorbene Lebensmittel, Brandgeruch, verschwitzte Kleidung: Wer sich nicht mehr auf seine Nase verlassen kann, muss im Alltag besonders wach- sam sein. Nützlich sind für Menschen mit Riechstörung z. B. diese Hinweise:

+Lebensmittel optimal lagern (kühl, trocken) und das Kauf- bzw. Öffnungs- datum notieren!

+Nach Rezeptvorschrift würzen!

+Beim Kochen den Herd im Auge behalten (Anbrenngefahr)!

+Feste Zeitpläne für Körperhygiene, Wäschewechsel, Müllentsorgung und Toilettenreinigung einhalten!

+Mit offenen Flammen (z. B. Kerzen, Kamin) besonders vorsichtig sein!

+Giftige und gefährliche Substanzen beschriften, nicht umfüllen und getrennt lagern!

+Rauchmelder (in Deutschland Pflicht) und ggf. Gasmelder anbringen und regelmäßig prüfen!

Weitere Hinweise und Informationen liefert die Patientenbroschüre „Riech- und Schmeckstörungen“ der Arbeitsgemeinschaft Olfaktologie und Gustolo- gie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Sie ist abrufbar unter: olfaktologie.hno.org/patienten.html

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