Kairo 2,5 Millionen Einwohner und erreichte über 1967 rund 3,4 Millio- nen, 1974 etwa 5,7 Millionen, heute etwa 7 bis 8 Millionen, mit Vororten sogar 11 Millionen Einwohner. Kairo ist damit größer als Groß-London, das im gleichen Zeitraum (1960 bis 1977) seine Einwohnerzahl prak- tisch konstant gehalten hat und fast so groß wie Groß-Tokio mit 11,6 Mil- lionen Einwohnern, das aber 1960 bereits 8,6 Millionen Einwohner aufwies.
Die in Oxford, Paris oder Harvard ausgebildete Elite drängt rasch auf sichtbare Erfolge, entwickelt ein ver- ständliches Prestigedenken in ei- nem ebenfalls verständlichen Natio- nalstolz. Aber jedweder Ehrgeiz steht auf einem nicht immer tragfä- higen Boden infrastruktureller Be- dingungen. Sie wurden auf dem Se- minar auch von dem Präsidenten des ägyptischen Ärztesyndikates, Prof. Dr. Hamdy EI-Sayed, in bewun- dernswert offener Kritik genannt: Der Mangel an breitem technischen Verständnis bei dem Mitarbeitern (die Herz-Lungen-Maschine im Maa- di-Militärhospital wird von einem Professor für Kardiologie gewartet), der Mangel an adäquat ausgebilde- tem Hilfspersonal, das Fehlen eines ausreichenden Telekommunika- tionssystems, die Verkehrsverhält- nisse, insbesondere in Kairo, welche das Erreichen des akut Erkrankten durch den Notarzt wie auch das der Dialysiereinheit durch den chro- nisch Nierenkranken zu einem Abenteuer machen würde. Die Auf- rechterhaltung eines 24-Stunden- Dienstes im Labor ist praktisch un- möglich; die Situation für die Trans- fusionsmedizin aufgrund des man- gelhaften Gesundheitszustandes der Spender (40 Prozent Hepatitis in der Anamnese) äußerst unbefriedi- gend.
Aus der unmittelbaren Anschauung der Verhältnisse und aus der Diskus- sion mit den liebenswürdigen ägyp- tischen Kollegen entsteht der Wunsch zu helfen. Wie aber könnte hier eine wirksame Hilfe aussehen?
Zwei Dinge neben dem guten Willen sind wichtig. Zeit und Geld. Dies muß immer wieder offen gesagt wer-
den. Zeit und Geld insbesondere für
die Ausbildung, für die Breitenbil- dung und bevorzugt für eine Ausbil- dung im Lande selbst. Auslandsauf- enthalte für den Hochschullehrer- nachwuchs sollten möglichst kurz sein, dafür häufiger erfolgen und nur in solchen Institutionen stattfin- den, in denen Mitarbeiter aus eige- ner Anschauung die Verhältnisse im Heimatland des Stipendiaten ken- nen. Die Ausbildung sollte vorzugs- weise Techniken umfassen, die spä- ter auch angewandt werden können.
So hart dies auch klingen mag: Der wissenschaftliche Fortschritt wird von Ausnahmen abgesehen auf nicht voraussahbare Zeit weiterhin in den reichen Ländern stattfinden, weil Mittel und Personal in den Ent- wicklungsländern für die vitalen Be- dürfnisse der Gesundheitsfürsorge eingesetzt werden müssen.
..,. Wünschenswert wären Gegenbe- suche deutscher Ärzte und auch ihre zeitlich begrenzte Mitarbeit in ägyp-
tischen Kliniken, um die dortigen
Kollegen und das Hilfspersonal nicht nur in bestimmten Methoden, sondern auch in bestimmten Ar- beitsweisen zu schulen. Denkbar wäre die Etablierung fester Paten- schaften zwischen großen Kranken- häusern hier und dort.
Aus einer solchen KooperaLton könnte eine auf Dauer wirksame Hil-
fe rlerden, zu mal wenn· gleichzeitig
mit solchen Anstrengungen die wirt- schaftlichen Kräfte des Landes voll und ganz friedlichen Aufgaben zu- gewandt werden. (Wie dringend dies gewünscht wird, ist aus den jüng- sten Friedensbemühungen des ägyptischen Präsidenten zu erse- hen). Mit Sicherheit kann davon aus- gegangen werden, daß auch der .. Lehrende" bei einer Kooperation lernen würde: Dem aus der stark ap- parativ bestimmten modernen Medi- zin kommenden Arzt könnte die al- lenthalben gelobte Hilfsbereitschaft und Güte von Ärzten und Schwe- stern in Ägypten ein Vorbild sein. Viele der bei uns bestehenden Vor- schriften, der erhobenen Forderun- gen und der diskutierten Entwick- lungsmöglichkeiten der Medizin müssen aus der Sicht des ägypti-
Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen Gesundheitswesen in Ägypten
sehen Medizineralltages in ihrem Perfektionismus übertrieben oder gar lächerlich wirken. Dies wieder- um könnte auch bei uns die Besin- nung auf das wesentliche Ziel des Arztturns fördern, das alle Ärzte die- ser Weit verbindet: den Leidenden zu helfen.
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. med. Michael Arnold Anatomisches Institut
Lehrstuhl 111
der Universität Tübingen Osterbergstraße 3 7400 Tübingen
VEREINIGTE STAATEN
Ärzte-Autos
Die American Medical Association hat mit der Sage aufgeräumt, daß Ärzte grundsätzlich die luxuriöse- sten Autos hätten. "Im Gegensatz zur öffentlichen Meinung", so heißt es in einer Mitteilung der AMA, "fah- ren die meisten Ärzte nicht mit Lin- colns oder Cadillacs".
Aus einer Umfrage gehe vielmehr hervor, daß zwei Drittel der amerika- nischen Ärzte ihre Hausbesuche mit Fahrzeugen machen, die kleiner sei- en als das Durchschnittsauto in den USA: Nur 37,3 Prozent der Ärzte fah- ren "fullsize cars" (das sind die Wa- gen, die man bei uns als amerikani- sche Wüstenschiffe bezeichnet), die anderen bevorzugen die drei kleine- ren Wagenklassen, nämlich "inter- mediate"-, "compact"- oder "eco- nomy"-Autos (zu letzteren gehören der VW-Golf und entsprechende ja- panische Autos). Ein einziger Arzt fiel bei der Umfrage aus der Reihe- er sagte: ",ch fahre mit dem Fahrrad - außer wenn es schneit". Daraus könnte man allerdings den Schluß ziehen, daß die amerikanischen Ärz- te der Mode nachhinken: Radfahren ist in den letzten zwei Jahren in den USA du rehaus fashionable gewor- den, und jede Großstadt, die etwas auf sich hält, hat inzwischen Rad- fahrwege mit eigenen Verkehrszei-
chen. AMA
DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 15 vom 13. April 1978 919