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Archiv "Nephrologie: Eine schlechtere Nierenfunktion im Alter ist kein Naturgesetz" (07.12.2007)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 497. Dezember 2007 A3383

M E D I Z I N R E P O R T

D

ie Prävalenz der Patienten mit eingeschränkter Nieren- funktion liegt in den USA bei circa elf Prozent und in Mitteleuropa ähn- lich hoch. Sie wurde bislang unter anderem deshalb unterschätzt, weil das Serum-Kreatinin allein ein ver- gleichsweise ungenauer Parameter für die Nierenfunktion ist. Die Prävalenz einer terminalen Nieren- insuffizienz wird bis zum Jahr 2020 vermutlich um 61 Prozent zuneh- men, die Inzidenz um 41 Prozent.

Die Voraussagen beruhen auf Daten des seit 1978 geführten US- Renal-Data-System(US-RDS)-Re- gisters und sind bei der Jahres- tagung der American Society of Nephrology (ASN) in San Francis- co diskutiert worden (1). Der pro- zentuale Zuwachs der Patienten- gruppe mit terminalem Nierenver-

sagen werde für Westeuropa ähnlich eingeschätzt, hieß es. Dabei gebe es eine Assoziation zwischen komplet- tem Nierenversagen und Alter, wes- halb die erhöhte Lebenserwartung die steigenden Zahlen mit verursa- che, sagte Prof. David T. Gilbertson (Minneapolis), der die Daten des US-RDS-Registers vorstellte. Weite- re Gründe: zunehmende Diabetes- prävalenz, eine bessere Therapie bei kardiovaskulären Erkrankungen, bei nicht terminaler Niereninsuffizienz und schließlich die bessere Versor- gung von Patienten an der Dialyse.

Sechs Millionen Diabetiker

Obwohl die glomeruläre Filtrations- rate (GFR) ab dem 40. Lebensjahr um jährlich 1 ml (pro min/1,73 m2) im Durchschnitt abnehme, sei das Altern per se kein Risikofaktor, son-

dern nur dann, wenn es mit nieren- schädigenden Erkrankungen ein- hergehe, sagte Prof. Dr. med.

Danilo Fliser (Medizinische Hoch- schule Hannover). Fliser zitierte eine japanische Studie, aus der Da- ten zur Entwicklung der GFR für 123 764 Personen, die älter als 40 Jahre sind, über mindestens zehn Jahre hervorgehen (2).

Das Alter allein hatte keinen prä- diktiven Vorhersagewert für eine Verminderung der GFR, wohl aber ein behandlungsbedürftiger Hyper- tonus (Risikofaktor 1,85), eine Adi- positas (1,43) und ein behandelter Diabetes (2,48). Unterhalb des 60. Lebensjahres hätten Menschen mit mittelgradig verminderter GFR (geschätzte GFR, eGFR) – je nach Altersgruppe – ein zwei- bis zehn- fach erhöhtes Risiko für einen Tod oder eine terminale Niereninsuffizi- enz, erläuterte Prof. Dr. Stephen De- rose (Pasadena) auf der Basis der Daten von 1,5 Millionen Menschen aus dem Renal Program Kaiser Permanente, Pasadena (3). Ab dem 60./70. Lebensjahr nehme das Risi- ko wieder ab. Eine eGFR von 45/ml/min/1,73 m2sei ein sinnvol- ler Cutoff für Ältere, ab dem mit ei- nem erhöhten Risiko für terminales Nierenversagen oder Tod gerechnet werden müsse, bei Jüngeren liege der Cutoff um 60 ml/min/1,73 m2.

Zehn bis 40 Prozent der Diabeti- ker – insgesamt wird die Zahl der Zuckerkranken in Deutschland auf mindestens sechs Millionen ge- schätzt – haben eine Nephropathie mit erhöhtem intraglomerulärem Druck, Albuminurie und Absinken der GFR. Von der Proteinurie ist jetzt belegt, dass sie ein eigenständi- ger Risikofaktor für einen Schlag-

NEPHROLOGIE

Eine schlechtere Nierenfunktion im Alter ist kein Naturgesetz

Entscheidend für die Abnahme der glomerulären Filtrationsrate sind

nierenschädigende Erkrankungen. Vorrangiges Ziel der Therapie von Diabetes und Hypertonie ist Schutz vor Endorganschäden.

Wirkungen der Hauptklassen

blutdruck- senkender Medikamente auf das Renin-An- giotensin-System;

嘷 Stimulation 嘷

嘷 Hemmung +

GRAFIK

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anfall ist. Wie eine Auswertung von zwölf Studien aus den Datenbanken Medline und Embase (insgesamt knapp 147 000 Teilnehmer) ergab, erhöht sich das Risiko für einen Schlaganfall bei Proteinurie um 70 Prozent in Relation zu Proban- den, die in den übrigen Parametern vergleichbar waren (4).

Nephroprotektive Effekte von Renininhibitoren

Vorrangiges Behandlungsziel bei Diabetikern mit Hypertonie ist der Schutz vor Endorganschäden. Inhi- bitoren des Renin-Angiotensin- Systems (RAS) – wie die ACE- Hemmer – haben nephroprotektive Effekte. Eine bei der ASN vorge- stellte Phase-III-Studie belegt, dass Aliskiren, der erste Renininhibitor und damit ein neuartiges Medika- ment unter den RAS-Hemmern, bei Patienten mit Hypertonie und dia- betischer Nephropathie, zusätzlich zu einer bereits bestehenden antihy- pertensiven Therapie, die Niere schützt und die Proteinurie redu- ziert – zumindest im Beobach- tungszeitraum der Studie von 24 Wochen. Primärer Endpunkt der Studie war der Albumin-Kreatinin- Quotient des morgendlichen Spon- tanurins (UACR), der sich durch Hinzufügen von Aliskiren um 20 Prozent verbesserte.

„Offenbar hat Aliskiren bei die- ser oft schwer zu behandelnden Patientengruppe einen spezifisch positiven Effekt auf die Nierenfunk- tion“, kommentierte Prof. Dr. med.

Hermann Haller (Medizinische Hochschule Hannover) die Ergeb- nisse der Studie auf Anfrage des Deutschen Ärzteblatts. „Im Weite- ren wäre es natürlich interessant zu wissen, ob dieser Effekt konstant über einen längeren Zeitraum erhal- ten bleibt und nicht nur den UACR betrifft, sondern auch die GFR, die ein härteres Kriterium für die Nie- renfunktion ist“, sagte Haller. Auch die Senkung der Albuminurie habe sich aber als Therapieziel etabliert.

An der AVOID-Studie (Aliskiren in the EValuation Of Proteinuria In Diabetes) (5) haben 599 Hypertoni- ker mit diabetischer Nephropathie teilgenommen. Alle erhielten, zu- sätzlich zur optimierten Therapie

des Bluthochdrucks (zum Beispiel mit ACE-Hemmern oder Diuretika) Losartan in einer Dosierung von 100 mg am Tag. Nach drei Monaten wurden die Patienten randomisiert und erhielten zusätzlich zu Losartan entweder Placebo über weitere 24 Wochen oder Aliskiren, begin- nend mit 150 mg täglich für drei Mo- nate und anschließend für weitere zwölf Wochen, forciert titriert auf 300 mg am Tag.

Sechs Monate nach Randomisie- rung war der UACR-Quotient im Vergleich zu den Basiswerten durch- schnittlich um 20 Prozent stärker im Verum- als im Placeboarm gesun- ken. Das Ergebnis sei hoch signifi- kant, berichtete Prof. Dr. med. Hans- Henrik Parving (Rigshospital, Ko- penhagen) federführend für die Stu- diengruppe. Der Anteil der Patienten mit einer Senkung des UACR um mehr als 50 Prozent betrug bei Studi- enende 24,7 Prozent unter Aliskiren und 12,5 Prozent unter Placebo.

Auch die Albuminausschei- dungsrate im Urin (UAER) lag nach Therapie mit Aliskiren nach 24 Wo- chen durchschnittlich um 21 Pro- zent unter der, die in der Placebo- gruppe im Vergleich zu den Basis- werten erzielt werden konnte. Die eGFR, errechnet nach der interna- tional empfohlenen MDRD-Formel (Modification of Diet in Renal Dis- ease), nahm im Beobachtungszeit- raum der Studie nicht ab, der Blut- druck sank im Verumarm leicht um durchschnittlich 2 mm Hg systo- lisch und 1 mm Hg diastolisch (durchschnittliche Basiswerte: 140/

80 mm Hg). Der Effekt des Reninin- hibitors sei also unabhängig vom Blutdruck, so Parving. Eine Reduk- tion der Albuminurie um 50 Prozent senkt das Risiko für ein Herz-Kreis- lauf-Versagen bei Typ-II-Diabetikern um 27 Prozent (6).

Bestimmung der GFR über Cystatin oder MDRD-Formel

Das Serum-Kreatinin allein gilt für die Beurteilung der Nierenfunktion nicht mehr als ausreichend. Auch über die endogene Kreatinin-Clear- ance wird die GFR vor allem im unteren kritischen Bereich (50 bis 90 ml/min) häufig zu positiv einge- schätzt. „Die Fachgesellschaften

empfehlen entweder die MDRD- Formel oder die Bestimmung von Cystatin C im Serum“, erläuterte Haller. Cystatin C ist ein kleines Pro- tein (13 kD), welches fast vollständig glomerulär filtriert, tubulär rückre- sorbiert und in den Nierentubuli ab- gebaut wird. Ein Test auf Cystatin C im Serum wird bereits unterhalb ei- ner GFR von 88 ml/min/1,73 m2auf- fällig. Steigende Werte (Cystatin über 1,12 mg/l) korrelieren mit kar- diovaskulären Risiken und der Ge- samtmortalität (7).

Ein Vergleich der kardiovas- kulären Mortalität mit der GFR, die entweder über Cystatin C oder über das Serum-Kreatinin mithilfe der MDRD-Formel abgeschätzt wurde, ergab: Bei moderater Niereninsuffizi- enz (bis 90 ml/min) lassen sich mit beiden Methoden die Risiken etwa gleich gut abschätzen. Bei Patienten über 65 Jahren korreliere dieses Ri- siko jedoch über den gesamten Be- reich der eGFR mit Cystatin C, während die Risikoabschätzung mit- hilfe von Serum-Kreatinin (MDRD- Formel) nur im unteren Bereich der eGFR korreliere, berichtete Prof. Dr.

med. Brad Astor (Johns Hopkins Uni- versity, Baltimore) (8). Ausgewertet worden waren die Daten von 6 997 Erwachsenen (680 Todesfälle in durchschnittlich 8,1 Jahren) des Third National Health and Nutrition Examination Surveys (NHANES III).

In der Transplantationsmedizin wird Cystatin C deshalb auch als Nieren- funktionsparameter in der Nachsorge von Patienten angewendet, vor allem bei Immunsuppression mit Calcineu-

rininhibitoren. n

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

LITERATUR

1. JASN 2007; Bd. 18, Abstr-Nr SA-FC046.

2. Kidney 2007; Int Bd 71, 159.

3. JASN 2007; Bd 18, Abstr-Nr SA-FC051.

4. JASN 2007; Bd 18, Abstr-Nr F-PO944.

5. JASN 2007; Bd 18, Abstr SA-PO1051;

AVOID = Aliskiren in the Evaluation of Proteinuria in Diabetes; Aliskiren ist seit September in Deutschland als Mono- und Kombinationstherapie für die Behandlung von Hypertonikern zugelassen.

6. RENAAL-Studie = Reduction of Endpoints in NIDDM with the Angiotensin II Antagonist Losartan, www.circ.aha journals.org/

cgi/content/full/110/8/-R5-152691.

7. NEJM 2005; Band 352: 2049–60.

8. JASN 2007; Band 18, Abst. SA-FC048.

Referenzen

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