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Archiv "Menschenrechtsverletzungen (III): Honduras: Hoffnung auf eine bessere Zukunft" (08.12.1995)

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THEMEN DER ZEIT INTERVIEW

Menschenrechtsverletzungen (III)

Honduras: Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Der 60jährige Arzt und Menschenrechtler Ram6n Custodio setzt sich schon seit Jahren für die bürgerlichen und politi- schen Rechte des honduranischen Volkes ein. 1981 gründe- te er das Komitee zur Verteidigung der Menschenrechte in Honduras, CODEH. Seit 1982 besucht Custodio regelmäßig Europa, um Regierungsvertretern und verschiedenen Orga-

nisationen die Menschenrechtslage in seinem Land zu schil- dern. Beim diesjährigen Besuch konnte er von ersten deut- lichen Verbesserungen berichten, was unter anderem auf den Regierungswechsel in Honduras vor gut einem Jahr zurückzuführen ist. Bei einem Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt berichtete Custodio von den Entwicklungen.*)

DÄ: Herr Custodio, neben Ihrer ärztlichen Tätigkeit— Sie sind Patholo- ge, waren über zwei Amtsperioden Präsident der honduranischen Ärzte- kammer und haben 15 Jahre lang an der medizinischen Fakultät von Tegu- cigalpa gelehrt — haben Sie sich im In- und Ausland einen Namen durch Ihr Engagement in Menschenrechtsfragen gemacht. Was hat Sie dazu gebracht?

Custodio: Bis Ende der 80er Jah- re hat es in meinem Land massive Verstöße gegen politische und bürger- liche Rechte gegeben, die überwie- gend von Militär und Polizei verübt wurden. Die jeweilige Regierung hat- te diese Verstöße damit gerechtfer- tigt, im Namen der „Doktrin für na- tionale Sicherheit" den Frieden im Land wahren zu wollen. Es ging je- doch nur darum, politisch Oppositio- nelle mundtot zu machen. Dabei wur- de auch kein Unterschied gemacht, ob es sich um „leichte" Kritiker der USA handelte — wie mich — oder um wahre Kommunisten. Uns allen droh- ten Folter, Verhaftungen oder gar willkürliche Hinrichtungen. Eine große Anzahl von Oppositionellen ist auch verschwunden, ohne daß je wie- der eine Spur von ihnen aufgetaucht ist. Zwischen 1981 und 1991 sind 185 Fälle dieser Art dokumentiert.

DÄ: 1981 war das Jahr, in dem Sie das CODEH, das Komitee zur Vertei-

*) Das Interview führten Petra Spielberg, Jo- sef Maus und Gisela Klinkhammer. Uber- setzungen: Ulf Baumgärtner

digung der Menschenrechte in Hondu- ras, gegründet haben, dessen Präsident Sie seitdem sind.

Custodio: Ja, zusammen mit ei- nem Soziologen und drei Rechtsan- wälten habe ich am 5. Mai 1981 das CODEH ins Leben gerufen, um im Rahmen der gesetzlichen Möglichkei- ten etwas gegen Menschenrechtsver- letzungen in Honduras zu tun . . .

DÄ: . . . Fünf Zivilisten gegen ein Militärregime — da waren die Aussich- ten auf Erfolg doch sicherlich sehr ge- ring?

Custodio: Wir haben schnell ge- merkt, daß wir ohne Unterstützung nur sehr schwer weiterkamen, da die jeweiligen Machthaber natürlich ver- sucht haben, unsere Aktivitäten zu stoppen. So wurden wir zum Beispiel isoliert; man hat auch einen Bom- benanschlag auf eines unserer Büros verübt und unsere Telefongespräche abgehört. Die CODEH hat deshalb versucht, die Familienangehörigen der Opfer nach dem argentinischen Vorbild zu organisieren. Darüber hinaus war und ist unser Ziel, die Be- völkerung von Honduras über die

Honduras

Im zentralamerikanischen Staat Honduras, der an Guatemala, El Salvador und Nicaragua grenzt, leben etwa fünf Millionen Menschen. 80 Prozent von ihnen sind Mestizen, 10 Prozent Indios. Der Anteil an Schwarzen/Mulatten und Weißen be- trägt je fünf Prozent.Weit über zwei Drittel der honduranischen Bevölkerung lebt in Armut; 40 Prozent sind Analphabeten.

Wirtschaftlich betätigt sich das Land überwiegend in Agrarexporten (Kaffee und Bananen). Der Konkurrenzkampf der großen Bananenkonzerne und die Ri- valitäten zwischen oligarchischen Großgrundbesitzern entluden sich in jahrelangen Bürgerkriegen.

1954 wurde mit Hilfe der Vereinigten Staaten von Amerika ein Militär gegrün- det. Die anfänglich kleine Armee wurde vor allem infolge der US-Intervention 1980/81 zu einem 25 000 Mann starken Heer ausgebaut. Die Militärs waren sowohl unter liberaler (1981 bis 1989) als auch nationaler Regierung (1989 bis 1994) die ei- gentlichen Machthaber im Land. Militär und Polizei schreckten nicht davor zurück, gravierend gegen die Menschenrechte zu verstoßen. Als Rechtfertigung diente die

„Doktrin für nationale Sicherheit", nach der alle „nichtfunktionierenden" Elemen- te der Gesellschaft, vom einfachen Verbrecher bis zum politischen Dissidenten, mit Liquidierung rechnen mußten.

Eine deutliche Verbesserung der Lage trat erst im vergangenen Jahr nach einem erneuten Regierungswechsel ein. Im Januar 1994 löste Carlos Roberto Reina von der Partido Liberal Rafael Leonardo Callejas (Partido Nacional) ab. Erklärtes Ziel des neuen Präsidenten ist es, sich massiv für die Menschenrechte des hondurani- schen Volkes einzusetzen. Sp

A-3466 (38) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 49, 8. Dezember 1995

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THEMEN DER ZEIT

Menschenrechtsverletzungen in ih- rem Land aufzuklären. Dazu veran- stalten wir Workshops, Seminare und öffentliche Kundgebungen, geben Rechtsbeistand und berichten in pri- vaten Medien über unsere Arbeit.

Inzwischen arbeiten zahlreiche Frei- willige im CODEH mit, und es existieren lokale Büros in der Hälf- te aller 293 Gemeinden in Hondu- ras.

DÄ: Erhalten Sie auch Unterstüt- zung aus dem Ausland?

Custodio: Einen ersten Kontakt nach „außen" haben wir 1982 mit dem Weltkirchenrat in Genf geknüpft. In- zwischen haben wir Verbindung zu zahlreichen Menschenrechtsorgani- sationen im Ausland und zum Men- schenrechtskomitee der Vereinten Nationen. Finanzielle Unterstützung ist uns vor allem von Nicht-Regie- rungsorganisationen gewährt worden.

Vor drei Jahren hat uns auch die Eu- ropäische Gemeinschaft Gelder be- willigt, so daß wir unsere Arbeit er- heblich professionalisieren konnten.

Unsere Regierung hat natürlich im- mer behauptet, wir hätten das Geld aus Kuba, Nicaragua und Guatemala erhalten.

DÄ: Ärzte zählen in Honduras zu den Privilegierten. Gehören sie auch zu den Tätern?

Custodio: Wissen Sie, schwarze Schafe gibt es überall, man kann so etwas nicht verallgemeinern. Zwar gab es in früheren Jahren konkrete Hinweise darauf, daß Ärzte sich an der Folter von Verfolgten beteiligt haben, heute ist darüber aber nichts mehr bekannt. Allerdings erhalten wir auch kaum Unterstützung seitens der Ärzteschaft. Ich habe, seit ich mich im CODEH engagiere, nur noch wenige Freunde unter meinen Kollegen.

DÄ: Sie sprachen davon, daß massive Menschenrechtsverletzungen insbesondere in den 80er Jahren statt- fanden. Was hat sich seitdem geän-

dert?

Custodio: Zunächst hat sich die gesamtpolitische Lage verändert.

Seit 1990 etwa gehörte zu den wich- tigsten Punkten auf der Agenda der US-Außenpolitik, einen gemeinsa-

INTERVIEW

men lateinamerikanischen Markt zu errichten und Kriege in der Region zu beenden. Das hat dazu geführt, daß Demokratie, Entmilitarisierung und Entwicklung gefördert wurden.

Politische und zivile Rechte gewan- nen also mehr Gewicht. So sind seit- dem beispielsweise keine Fälle von systematischer Folter mehr vorge- kommen.

DÄ: Trugen auch die Aktivitäten der CODEH erste Früchte?

Custodio: Ja, auch das. Seit unge- fähr zwei Jahren laufen Verfahren vor Zivilgerichten, die Täter werden also nicht mehr vor ein Militärgericht ge- stellt, was einem Freispruch gleich- kommt. Außerdem sind wir mit zwei Klagen gegen den honduranischen Staat wegen Verletzung der Men- schenrechte vor dem Interamerikani- schen Menschengerichtshof erfolg- reich gewesen — dies ist bisher einzig- artig für Lateinamerika.

DÄ: Herr Custodio, seit Januar letzten Jahres hat Honduras mit Car- los Roberto Reina einen neuen Präsi- denten. Der Vertreter der liberalen Partei hat als eines seiner wichtigsten Ziele die Verbesserung der Menschen- rechtssituation bezeichnet. Sind den Worten bereits Taten gefolgt?

Custodio: Durchaus! Reina hat zum Beispiel durchgesetzt, daß die Kriminalpolizei jetzt dem Innenmi- nisterium untersteht und nicht mehr dem Militär. Außerdem hat er die Wehrpflicht abgeschafft und veran- laßt, daß zivilrechtliche Verfahren gegen Offiziere eingeleitet werden,

die während seiner Regierungszeit Menschenrechtsverletzungen began- gen haben. Eine enorme Verbesse- rung für den CODEH ist auch, daß uns endlich eine Rechtsform zugebil- ligt wurde. Seit 1985 haben wir einen legalen Status beantragt, von den vorherigen Machthabern ist er uns immer verweigert worden. Reinas Einsatz für die Menschenrechte sei- nes Volkes hat aber auch seine Schat- tenseiten: Die wirtschaftliche und so- ziale Lage des Landes stagniert; es

„Das ist er, Volk, der Verantwortliche für po- litische Morde, terrori- stische Anschläge, Kom- munismus und Subver- sion — Roman Custodio

— der einzig gute Kom- munist ist der tote Kom- munist — Antikommu- nistische Jugend von Honduras." Mit diesem Plakat wurde gegen den Menschenrechtler Custodio in Tegucigalpa Hetze gemacht.

Foto: Baumgärtner

gibt nun zwar mehr Freiheit, aber auch mehr Armut.

DÄ: Stehen Sie oder andere Mit- glieder des CODEH einer Partei, möglicherweise der liberalen Partei Reinas, nahe?

Custodio: Nein, keiner von uns gehört irgendeiner politischen Partei an, auch nicht der liberalen. Men- schenrechtsarbeit hat nichts mit Par- teizugehörigkeit zu tun. Übrigens wurde ein Großteil der Menschen- rechtsverletzungen unter zwei libera- len Präsidenten begangen.

DÄ: Wenn sich die Menschen- rechtssituation in Honduras weiterhin gravierend verbessert, ist dann das CODEH überflüssig?

Custodio: Nein, davon gehe ich nicht aus. Unser Bestreben besteht ja nicht nur darin, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Wir wollen auch in Zu- kunft dafür sorgen, daß die Menschen in unserem Land über ihre Rechte aufgeklärt werden. Und wir wollen ih- nen bei der Wahrung dieser Rechte

helfen. ❑

Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 49, 8. Dezember 1995 (39) A-3467

Referenzen

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