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Archiv "Rekonstruktionsprinzipien bei peripherer arterieller Verschlußkrankheit der unteren Extremitäten: Angiologie/Phlebologie (7)" (17.09.1993)

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Academic year: 2022

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Rekonstruktionsprinzipien bei

peripherer arterieller Verschlußkrankheit der unteren Extremitäten Angiologie/Phlebologie (7)

Richard Brandy,

Karl-Heinz Orenc1 2 und Hans Martin Becker'

Der Entwicklung diagnostischer und operationstechnischer Hilfsmittel fol- gend hat sich die rekonstruktive Ge- fäßchirurgie im Bereich der unteren Extremitäten vom Kerngebiet der aorto-iliacalen und femoralen Strom- bahn nach peripher ausgedehnt. Ver- besserungen des Bypassmaterials, er- weiterte intraoperative Kontrollmög- lichkeiten und zunehmende Kenntnis strömungsmechanischer Zusammen- hänge machen erfolgreiche Revasku- larisationen auch an kleinlumigen Gefäßen des Unterschenkels und Fu- ßes möglich. Wo in früheren Zeiten die primäre Gliedmaßenamputation die einzige chirurgische Alternative darstellte, gehören heute krurale Re- konstruktionen mit geringem Opera- tionsrisiko zum gefäßchirurgischen Standardrepertoire.

Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Regensburg

(Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. W. Hohen- berger);

2 Abteilung für Gefäß-, Thorax- und Herz- chirurgie der Universität Ulm

(Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. L. Sunder- Plassmann);

3 Gefäßchirurgische Abteilung Städtisches Krankenhaus München-Neuperlach (Chefarzt Prof. Dr. H. M. Becker)

S

tetige technische Neuerungen haben in den letzten 20 Jah- ren ein reichhaltiges Spek- trum interventioneller wie konventionell gefäßchirurgischer Be- handlungsmöglichkeiten der peri- pheren arteriellen Verschlußkrank- heit (AVK) entstehen lassen (Tabelle 1). Durch die Erweiterung der tech- nischen Operabilität können heute viele Patienten, die in früheren Zei-

ten aufgrund ihrer Begleitkrankhei- ten oder der lokalen Gefäßsituation für einen revaskularisierenden Ein- griff nicht geeignet waren, über die konservative Basistherapie hinaus er- folgreich behandelt werden. Je nach Schweregrad und Lokalisation ist ei- ne individuelle Indikationsstellung anzustreben. Das interdisziplinäre Gespräch zwischen Angiologen, Ra- diologen und Gefäßchirurgen bietet hierfür die beste Grundlage.

Die Ausschälung arterioskleroti- schen Materials (Desobliteration, Thrombendarteriektomie) und der Bypass stellen die klassischen gefäß- chirurgischen Rekonstruktionsprinzi- pien dar. Daneben sind heute die Möglichkeiten der endoluminalen Dilatation (perkutane transluminale Angioplastie, PTA) und der inneren Schienung getreten.

Die PTA hat sich seit ihrer Mo- difikation durch Grüntzig (5) im Jahr 1974 als eine in ihrem Indikationsbe- reich komplikationsarme Behand- lungsmethode alternativ und ergän- zend zum chirurgischen Vorgehen etabliert. In der Beckenetage gehört die Einlage von endoluminalen Me- tallprothesen (Stent) als Adjuvans bei der PTA in bestimmten Situatio- nen heute bereits zum klinischen Standard (8). Erfahrungen mit „al- ternativen" Kathetersystemen, die ei- ne Revaskularisation durch Entfer- nung des arteriosklerotischen Mate- rials aus dem Lumen erlauben, sind derzeit noch begrenzt.

Diagnostik

Für die Entscheidung, ob ein in- vasives Rekonstruktionsverfahren in- diziert ist, genügen in der Regel Ana- mnese, klinischer Befund, periphere Doppler-Verschlußdrucke und — im Stadium II — ein standardisierter Laufbandgehtest. Die Feststellung der lokalen Operabilität und Festle- gung einer individuellen Behand- lungsstrategie erfolgt obligat anhand einer Angiographie. Die intraarte- rielle digitale Subtraktionsangiogra- phie (i. a. DSA) wird hierbei wegen der geringeren Patientenbelastung, der Möglichkeit der Dokumentation der Kontrastmitteldynamik und der sicheren Darstellung der peripheren Ausstrombahn einschließlich des Ar- cus plantaris im allgemeinen favori- siert (9).

Indikation

Die Indikationsstellung zu inva- siven gefäßrekonstruktiven Maßnah- men richtet sich nach den Gesichts- punkten der klinischen Indikation, der lokalen und allgemeinen Opera- bilität.

1. Klinische Indikation („Muß operiert werden?") Eine operative Rekonstruktion ist indiziert, wenn dringend benötigte Gehleistung wiederhergestellt wer- den soll oder eine Gliedmaße durch Minderperfusion vital bedroht ist.

Die Indikation für eine PTA sollte sich grundsätzlich nach den selben Kriterien richten, wie sie für die Operation gelten. Entscheidend für die Therapieplanung sind das klini- sche Stadium nach Fontaine-Rat- schow sowie die Lokalisation des Ge- fäßverschlusses. Darüber hinausge- hende Indikationskriterien, wie Aus- dehnung und Morphologie eines Verschlusses, sind im Einzelfall bei

(2)

( + ) + + ++

Tabelle 2: Stadieneinteilung nach Fontaine-Ratschow und Indikationsrichtlinien für Operation und PTA ( — keine Indikation, ( + ) relative Indikation, + absolute Indika- tion, + + dringliche Indikation)

Indikation Op/PTA Sta-

dium 1 II a II b III IV

Symptomatik

symptomfrei Claudicatio >200 m Claudicatio <200 m

Ruheschmerz Nekrose

Femoralisgabel/ femoro- krural/

Profundaplastile ) popliteal pedal

++

++

1) Verschlußprozesse im Bereich der Femoralisgabel sind für eine PTA ungeeignet.

aorto- iliakal

+ ++

++

Tabelle 1: Operative Behandlung der peripheren AVK — Neuentwicklungen auf angiologischem, radiologischem und gefäßchirurgischem Gebiet

Gefäßchirurgie

Verbesserung des Gefäßersatzmaterials

Erweiterung intraoperativer Kontrollverfahren (Flußmessung, Widerstandsmessung, Angioskopie, intraoperative DSA) Erweiterte Kenntnisse der Hämodynamik

Entwicklung femoro-cruraler und -pedaler Rekonstruktionsverfahren

Intraoperative transluminale Angioplastie (ITA) Radiologie

Digitale Subtraktionsangiographie (DSA)

Validisierung der PTA als klinisches Standardverfahren Technische Verbesserung bisheriger und Neuentwicklung

„alternativer" Kathetertechniken (Führungssysteme, LASER- unterstützte Verfahren, Atherektomiekatheter)

Endoluminale Prothesen (Stents) Angiologie

Differenzierung der medikamentösen Begleittherapie Weiterentwicklung konservativer Therapieprinzipien (Antikoagulation, Lyse, Rheologika, vasoaktive Substanzen)

MEDIZIN

der Wahl eines bestimmten operati- ven oder interventionellen Verfah- rens zu berücksichtigen. Allgemeine Anhaltspunkte bieten die in Tabelle 2 wiedergegebenen Indikationsrichtli- nien.

Stadium I

Das asymptomatische Stadium wird ausschließlich konservativ be- handelt.

Stadium II

Die Claudicatio intermittens als Ausdruck der eingeschränkten Stei- gerungsfähigkeit der Durchblutung kennzeichnet das Stadium II. Man unterscheidet ein Stadium II a mit relativ weiter Gehstrecke (200 bis 1000 m) und geringer Behinderung von einem Stadium II b mit kurzer Gehstrecke (50 bis 200 m) oder be- ruflicher Beeinträchtigung.

Im Stadium II a sind zunächst konservative Therapiemöglichkeiten auszuschöpfen, bevor etwa eine Dila- tation einer kurzstreckigen — proxi- mal des Kniegelenks gelegenen — Ste- nose erwogen wird. Im Einzelfall sind die Verschlußmorphologie und die Erfahrung des jeweiligen Zentrums in die Indikationsstellung miteinzu- beziehen.

Im Stadium II b kommen sowohl konventionell operative, als auch so- genannte interventionelle Methoden zum Einsatz. Soweit möglich, wird der PTA als schonenderem Verfah- ren der Vorzug gegeben. Bei der In- dikationsstellung im Stadium II b ist zu berücksichtigen, daß sich das kli- nische Bild durch eine (spontane oder iatrogene) arterielle Thrombose sprunghaft verschlechtern kann, eine

ZUR FORTBILDUNG

Situation, die oft einen Notfallein- griff mit höherer perioperativer Mor- bidität nach sich zieht (6).

Stadium III und IV

Liegen Ruheschmerzen oder ak- rale Nekrosen vor, so steht im allge- meinen die Zeitspanne, die eine kon- servative Therapie zur Erreichung befriedigender Ergebnisse braucht, nicht zur Verfügung. Trotz der im Vergleich zum Stadium II b wesent- lich ungünstigeren Voraussetzungen besteht in den Stadien III und IV ei-

ne dringliche Indikation zum revas- kularisierenden Eingriff. Während früher bei der AVK im Stadium III und IV die primäre Amputation in vielen Fällen die einzige Behand- lungsmöglichkeit darstellte, kann heute durch weit in die Gefäßperi- pherie reichende Rekonstruktionen der Versuch unternommen werden, die Extremität zu erhalten Hinzu kommt, daß die Letalität nach einer großen Gliedmaßenamputation (zehn bis 15 Prozent) wesentlich hö- her liegt als nach einem peripheren Rekonstruktionsverfahren (ca. drei Prozent) (3, 11). Die Indikation zu revaskularisierenden Eingriffen in den Stadien III und IV wird daher gerade bei Patienten im höheren Le- bensalter sehr weit gestellt.

2. Lokale Operabilität („Kann operiert werden?") Die Feststellung der lokalen Operabilität erfolgt anhand einer Angiographie. Der präokklusive Zu- strom und ein ausreichendes postok- klusives Arteriensegment als Aus- strombahn („run-off") müssen ge- währleistet sein. Nach indikatori- schen, therapeutischen und letztlich prognostischen Gesichtspunkten

A1-2388 (40) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 37, 17. September 1993

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Abbildung 1: Beidseitiger iliakaler Verschlußtyp a) und Rekonstruktion durch aortobifemorale Bifurka tionsprothese (b)

Abbildung 2: Stenose der Aortengabel vor (a) und nach PTA in „kissing balloon"-Technik (b) (mit freundlicher Genehmigung der Abteilung für Röntgendiagnostik und Nuklearmedizin, Städtisches Kran- kenhaus München-Neuperlach, Chefarzt Dr. F. Eggemann)

wird eine Einteilung in einen aorto- iliacalen, femoropoplitealen und kru- ralen Verschlußtyp getroffen.

Mehretagenverschlüsse lassen sich in ausgewählten Fällen durch ei- nen kombinierten Eingriff mit loka- ler Desobliteration und intraoperati- ver transluminaler Angioplastie (ITA) eines vor- oder nachgeschalte- ten Verschlusses behandeln, sofern im Operationssaal ein digitaler Rönt- gen-Bildspeicher zur Verfügung steht. Dieses Vorgehen stellt im Sin- ne einer minimal invasiven Chirurgie ein risikoarmes Verfahren dar und erweitert das Spektrum der gefäßre- konstruktiven Chirurgie gerade für Risikopatienten (1, 14).

3. Allgemeine Operabilität („Darf operiert werden?") Die Frage der allgemeinen Ope- rabilität muß vor dem Hintergrund der klinischen Beschwerden beant- wortet werden. Vor einem elektiven gefäßrekonstruktiven Eingriff mit dem Ziel einer Gehstreckenverlänge- rung werden strengere Anforderun- gen an die Operationsfähigkeit ge- stellt, als angesichts eines drohenden Extremitätenverlustes. Anamnese, Untersuchung und standardisierter Gehtest geben zu erkennen, ob der Patient tatsächlich primär durch die AVK oder eher durch seine Begleit- krankheiten (zum Beispiel KHK, Herzinsuffizienz, respiratorische In- suffizienz, postapoplektische Läh- mung) limitiert ist. Das Risiko des Eingriffs und der zu erwartende Ge- winn an Lebensqualität sind im Indi- vidualfall sorgfältig gegeneinander abzuwägen.

Aorto-iliakaler Abschnitt Isolierte Verschlüsse im Bereich der Transportarterien des Beckens und des Oberschenkels haben meist nur eine eingeschränkte Gehfähig- keit zur Folge, andererseits ist mit konservativen Therapiemaßnahmen selten eine ausreichende Besserung zu erzielen. Die Indikation zur Ope- ration ist daher im Stadium II b gege- ben. Zeigt die Angiographie zusätzli- che Verschlüsse der nachgeschalte- ten Ober- und Unterschenkeletage, ist zunächst eine Korrektur des pro- ximalen Strombahnhindernisses an

Aortengabel oder Beckenetage indi- ziert. In der Regel genügt bei einem Verschluß der A. fern. superfic. der unbehinderte Einstrom in die A. pro- funda femoris (Profundaplastik), um weitgehende Beschwerdefreiheit zu erzielen.

Im aorto-iliakalen Gefäßab- schnitt kommen sowohl desobliterie- rende als auch umleitende Verfahren zur Anwendung. Kurzstreckige Ver- schlüsse ohne Zeichen der Ossifikati- on im angiographischen Leerbild eig- nen sich für eine Desobliteration.

Beiderseitige langstreckige Ver- schlüsse sprechen für ein Bypassver- fahren (Abbildung 1).

Kurzstreckige, konzentrische, wenig verkalkte Stenosen sind für ei- ne primäre PTA geeignet (Abbildung 2). Die Früh- und Spätergebnisse er- reichen zwar nicht diejenigen der chirurgischen Rekonstruktion, der Eingriff stellt für den Patienten je- doch eine wesentlich geringere Bela- stung dar. Allerdings sollten endolu- minale Verfahren grundsätzlich nur in solchen Zentren zum Einsatz kom- men, wo die Möglichkeiten einer not- fallmäßigen gefäßchirurgischen In- tervention gewährleistet sind.

Für ältere und kardiopulmonal eingeschränkte Patienten bedeuten orthotope Rekonstruktionen über ei-

(4)

67-75 75-90

5.5 95 60-85 ca. 40

PTA 0.1 53-90 60-85 25-80

Bypass orthotop (unilateral, Y-Prothese) Bypass extra- anatomisch axillofemoral

Letalität c7c

Primär- erfolg %

Durchgängigkeitsrate %

1 5 10 Jahre

Aorto-iliakal

TEA 3.5-5 95-99 80-97 87-90 72-82

femoro-femoral 2.4-5.7 95 80-90 75-85 64-80

PTA 0.3 70-96 34-80-96* 46-85

Femoro-Popliteal

TEA Femoralisgabel 0-1.9 74

Profundaplastik 2.2-4.8 87-92 60-80 Bypass supragenual

infragenual Vene Prothese

<3

82-98 95-97 89-97

78-82 66-86 45-85

36-70 65-80 25-48

Femoro-krural Venenbypass

Kunststoffbypass 1-7 40-68

35-43 25-65

78-94 65-85

63-91 50-61

48-76 23-43 Tabelle 3: Früh- und Langzeitergebnisse Durchschnittswerte aus der Literatur)

*) mit Stent

MEDIZIN ZUR FORTBILDUNG

nen trans- oder retroperitonealen Zugang oft ein beträchtliches Opera- tionsrisiko. Ist eine PTA nicht mög- lich oder nicht erfolgreich, kommen hier im Stadium III und IV extraana- tomische Umleitungen in Form axil- lofemoraler, axillo-bifemoraler oder gekreuzter femoro-femoraler Bypas- ses zur Anwendung. Eine Eröffnung des Abdomens beziehungsweise die Durchtrennung der muskulären Bauchwandschichten wird dadurch

Abbildung 3: Infragenualer femoropoplitealer By- pass, intraoperative angiographische Kontrolle (distale End-zu-Seit-Anastomose auf die infrage- nuale A. poplitea)

vermieden. Die perioperative Letali- tät läßt sich mit diesem Vorgehen auf etwa fünf Prozent begrenzen.

Femoro-poplitealer Abschnitt

Kurzstreckige Verschlüsse an der Femoralisgabel und am Profun- daabgang werden desobliteriert und gegebenenfalls plastisch erweitert.

Die A. profunda femoris ist das ent- scheidende Kollateralgefäß für das am häufigsten von einem Verschluß betroffene periphere Gefäß, die A.

femoralis superficialis. Der Profun-

dakreislauf ist daher bei der fortge- schrittenen AVK von hervorragender Bedeutung für den Extremitätener- halt.

Langstreckige Verschlüsse im di- stalen femoro-poplitealen Abschnitt werden durch supra- oder infragenu- al angeschlossene Bypasses über- brückt (Abbildung 3). Die autologe Vena saphena magna ist aufgrund ih- rer hohen biologischen Wertigkeit Bypassmaterial der ersten Wahl.

Isolierte, relativ kurzstreckige Verschlüsse und konzentrische Ste- nosen, wie sie bevorzugt in der A. fe- moralis superficialis in Höhe des Ad- duktorenkanals zu finden sind, kom- men für eine PTA in Frage. Alter, begleitende Risikofaktoren, Ischä- miestadium und chirurgische Alter- nativen finden Eingang in die Indika-

tionsstellung. Technische Ausfüh- rung und Nachbehandlung bestim- men die Spätergebnisse. Dement- sprechend variieren die Erfolgsraten im Spätverlauf zwischen 25 und 80 Prozent. (8, 13).

Kruraler Abschnitt

Dünnlumige Anschlußgefäße und eingeschränkte Ausstromver- hältnisse bestimmen die anatomische und funktionelle Besonderheit der kruralen Gefäßregion. Dementspre- chend sind Rekonstruktionsmanöver am Unterschenkel mit einer hohen Frühverschlußrate behaftet. Die In- dikation wird in den Stadien III und IV zur Abwendung des drohenden Extremitätenverlustes gestellt.

A1-2390 (42) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 37, 17. September 1993

(5)

Ergebnisse

Im aorto-iliacalen Bereich zei- gen die Operationsverfahren durch- weg gute Langzeitergebnisse mit Of- fenheitsraten von 80 bis 90 Prozent und 70 bis 80 Prozent nach fünf und zehn Jahren (Tabelle 3). Das Opera- tionsrisiko konnte in den letzten Jah- ren deutlich auf ein bis fünf Prozent gesenkt werden (2, 4, 12).

Die Spätergebnisse nach femo- ro-poplitealen Rekonstruktionen hängen von zahlreichen Faktoren ab.

Präoperatives Ischämiestadiurn, in- traoperative Rekonstruktionsmög- lichkeiten und nicht zuletzt die Nach- sorge bestimmen über die Offen- heitsrate, die nach fünf Jahren zwi- schen 40 und 85 Prozent liegt.

Die Langzeitresultate kruraler Rekonstruktionen mit Durchgängig- keitsraten von 23 bis 76 Prozent nach fünf Jahren sind vor dem Hinter- grund zu bewerten, daß sich der Al- tersgipfel der Patienten aus dieser Gruppe in das achte Lebensjahr- zehnt verlagert hat und in bis zu 90

Prozent mit einer relevanten KHK gerechnet werden muß (7, 10). Dem- entsprechend gering ist die Überle- benswahrscheinlichkeit mit 44 Pro- zent und 24 Prozent nach fünf und zehn Jahren.

Nachbehandlung

Voraussetzung für erfolgreiche periphere Gefäßrekonstruktionen ist die Sicherstellung der Nachsorge.

Derzeit besteht im Vergleich zur Dif- ferenzierung von Indikationsstellung und Operationstechnik in der „By- passwartung" noch ein erheblicher Nachholbedarf. Eine Dauerantiko- agulation mit Kumarinderivaten, re- gelmäßige Nachuntersuchungen zur Erkennung des drohenden Spätver- schlusses und die Bereitschaft zu

„Service-Operationen" bieten die be- ste Gewähr für eine möglichst dauer- hafte Durchgängigkeit distaler Re- konstruktionen. Ein offener Bypass ist jedoch nicht in jedem Fall mit dem Extremitätenerhalt gleichzusetzen.

Bei zehn bis 20 Prozent unserer Pa- tienten ist trotz erfolgreicher Rekon- struktion eine Amputation nicht zu vermeiden. Umgekehrt hat der Spät- verschluß eines Bypasses, der im Sta- dium der kritischen Ischämie ange- legt wurde, nicht immer den Extre- mitätenverlust zur Folge, da eine zwi- schenzeitliche Kollateralenbildung die Blutversorgung in ausreichendem Maße gewährleisten kann.

Deutsches Arzteblatt

90 (1993) A 1-2386-2392 [Heft 37]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Richard Brandl

Oberarzt der Chirurgischen Klinik und Poliklinik, Gefäßchirurgie Universität Regensburg Franz-Josef-Strauß-Allee 11 93053 Regensburg

Akute und chronische Läsion des vorderen Kreuzbandes

Unter der Fragestellung nach In- dikation und Art der Therapie der akuten und chronischen Läsion des vorderen Kreuzbandes (VKB) im deutschsprachigen Raum sollte mit einer Umfrage eine Datenbasis ge- schaffen werden, aus der für das Jahr 1991 in guter Näherung die tatsächli- che klinische Praxis an chirurgischen Kliniken entnommen werden kann.

Anhand von vier Fällen — einer iso- lierten kindlichen, tibialen Kreuz- bandruptur, einer akuten isolierten Kreuzbandruptur beim Erwachse- nen, einer veralteten anteromedialen Instabilität und der Kniegelenksluxa- tion — beantworteten 298 Chef- und Oberärzte aus 290 chirurgischen Kli- niken einen Multiple-choice-Frage- bogen mit 155 Antwort-Alternativen.

269 Fragebögen konnten vollständig ausgewertet werden. Dabei ergeben sich folgende klinische Konsequen- zen: Es gibt keine eindeutigen Thera-

pierichtlinien, keine deutschsprachi- ge „Schule" bei der Versorgung der VKB-Läsion des Erwachsenen. In ei- nigen Punkten besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen klinischer Pra- xis und wissenschaftlicher Literatur;

zu nennen sind hier vor allem die He- parinisierung von Kindern, die The- rapieform der isolierten VKB-Rup- tur, die Art und Dauer der postope- rativen Immobilisation sowie die Verwendung alloplastischen Materi- als. Art und Umfang der Nachbe- handlung sind extrem verbesserungs- pflichtig: Nur in 43 Prozent der Ant- worten werden die Patienten im post- operativen Verlauf vom Operateur oder der erstbehandelnden Klinik nachuntersucht. Risikopatienten muß eine ambulante, poststationäre Thromboembolie-Prophylaxe verab- reicht werden (medikolegaler Aspekt). Beim derzeitigen Wissens- stand besteht keine gesicherte Indi-

kation zur Verwendung alloplasti- scher Implantate als echte Prothesen

— selbst eine Drittrevision ließe sich mit autogenem Material der kontra- lateralen Seite angehen. Die exakte Aufarbeitung und Analyse des eige- nen Krankengutes im Rahmen der Nachuntersuchung darf nicht länger als „klinische Forschung" (ab-)quali- fiziert werden, sondern muß Eingang in die tägliche Routine finden. Die Autoren betonen, daß es sich bei die- ser Zusammenstellung weniger um eine originäre wissenschaftliche Lei- stung, sondern vielmehr um eine Ge- meinschaftsarbeit jedes einzelnen handelt, der sich an der Umfrage be- teiligt hat. scr

Scherer, M. A., G. Blümel: Therapie der akuten und chronischen Läsion des vor- deren Kreuzbandes. Ergebnisse einer Umfrage an 290 chirurgischen Kliniken.

Chir. Praxis 46 (1993) 279-294.

Priv.-Doz. Dr. Michael A. Scherer, Univ.-Prof. Dr. G. Blümel, Institut für Experimentelle Chirurgie der Techni- schen Universität München, Klinikum rechts der Isar, Ismaningerstraße 22, 81675 München.

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