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Archiv "Alloplastischer Gefäßersatz an den Arterien der unteren Extremitäten" (15.09.1977)

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Nach über 20 Jahren experimentel- ler und klinischer Erfahrung mit Ar- terienprothesen läßt sich anhand der Operationsergebnisse ein Resü- mee über die Indikation zur Verwen- dung alloplastischen Gefäßersatzes ziehen. Rekonstruktive Gefäßopera- tionen am infrarenalen Arterien- baum sind mit 80 Prozent unter den Gefäßoperationen am häufigsten, so daß sich anhand der langjährigen Erfahrung mit der Rekonstruktion dieser Arterienabschnitte einige si- chere Aussagen machen lassen, die hier umrissen werden sollen.

Das Bestreben, Blutgefäße durch künstliche Röhren zu ersetzen, ent- springt der Erkenntnis, daß die Blut- gefäße im wesentlichen allein für den Bluttransport verantwortlich sind. Bereits 1542 versuchte Vesal den Ersatz der Arteria femoralis am Hund durch einen Strohhalm (19)*).

Erst zu Beginn dieses Jahrhunderts wurden wieder Versuche unternom- men, Segmente von Transportarte- rien durch Silberröhren, Elfenbein- rohre, Gummischläuche oder Glas- röhren zu ersetzen (6, 13, 14, 18).

Alle diese Versuche schlugen fehl, weil es in den starren Röhren inner- halb weniger Stunden oder Tage zur.

Koagulation kam oder der Fremd- körper als unverträglich abgestoßen wurde. Voorhees, Blakemore und Jaretzki gelang es 1952, alloplasti- sche Gefäßprothesen zu entwickeln, die im Organismus einheilten und als Blutleiter durchgängig blieben (23). Es war von vorneherein selbst- verständlich, daß nur „Transportar-

terien" chirurgisch rekonstruiert und ersetzt werden konnten, nicht hingegen Versorgungsarterien.

Wie müssen Arterienprothesen beschaffen sein?

An die zur Verwendung kommenden Kunststoffe werden, neben der be- standenen Prüfung im Tierexperi- ment, bestimmte Voraussetzungen und Bedingungen geknüpft (22):

• Biochemisch gute Verträglichkeit im Organismus, das heißt keine oder nur sehr geringe Fremdkörperreak- tion.

Fehlende blastogene Potenz (Kar- zinom- oder Sarkomentstehung).

• Fehlende oder geringste Gerin- nungsaktivierung an der Kunststoff- oberfläche.

43 Konstanz der physikalischen und chemischen Eigenschaften (niedri- ge Quellneigung, hohe Reiß- und Deh nu ngseigenschaften).

• Optimale textiltechnische Verar- beitungsmöglichkeit.

Sichere Sterilisierbarkeit im Auto- klaven (der Schmelzpunkt sollte über 150° C liegen).

Von allen geprüften Kunststoffen haben diese Voraussetzungen letzt- lich nur Dacron und Teflon erfüllt, wobei sich beim Dacronfaden ge- genüber dem Teflonfaden eine ge-

Meilensteine in der Entwick- lung der gegenwärtigen Ge- fäßchirurgie waren die Einfüh- rung der direkten Beseiti- gung arterieller Verschlüsse

(Th rombendarteriektomie) durch Dos Santos 1947 und einer Dacron-Gefäßprothese zum Ersatz einer menschli- chen Aortenbifurkation durch DeBakey 1952. Dieses Prothe- senmaterial ist heute unent- behrlich für die Wiederher- stellung großer Arterien, doch ist ein Gebrauch auch mit spe- ziellen Risiken behaftet, und die Anwendung bedarf der Kritik, die sich an den Opera- tionsergebnissen orientieren muß.

ringe Fremdkörperreaktion des Or- ganismus als Vorzug erwies, die zu einer Umwachsung des Prothesen- materiales und zu einer besseren

„Inkorporierung" im Organismus führt (5). Als entscheidender Faktor für die Verwendbarkeit im menschli- chen Organismus hat sich außerdem die Textilstruktur der Prothesen er- wiesen, als deren wichtigstes Merk- mal die Porosität anzusehen ist (21).

Man unterscheidet im wesentlichen eine dichtgewebte Prothese mit sehr kleinen Poren und eine lockerge- strickte großporige Prothese. Die gewebte Prothese ist blutundurch- lässig auch bei aufgehobener Gerin- nung und wird daher zum Ersatz herznaher Aortensegmente bevor- zugt, wobei während des Einsatzes einer extrakorporalen Zirkulation der Patient voll heparinisiert werden muß; clas Einwachsen von Gewebe ist jedoch bei der kleinporigen Tex- tilstruktur erschwert oder unmög- lich.

Die großporigen Gefäßprothesen müssen vor ihrer Implantation sorg- fältig mit gerinnungsfähigem Blut getränkt und durch das in den

*) Die in Klammern stehenden Zahlen bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Alloplastischer Gefäßersatz an den Arterien

der unteren Extremitäten

Hans Martin Becker und Wolfgang J. Stelter

Aus der Chirurgischen Klinik der Universität München (Direktor: Professor Dr. Georg Heberer)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 37 vom 15. September 1977 2221

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Abbildung 1: Moderne elastische und gerippte Arterienprothese aus Dacron („Leight weight")

Arterienprothesen

Poren haftende Fibrin abgedichtet werden (Vorkoagulation, „preclot- ting"); durch später einwachsendes Gewebe werden diese Prothesen besser inkorporiert und vor Throm- bosierüng oder Infektion geschützt.

Sie werden daher zum peripheren Gefäßersatz bevorzugt, bei dem die Gerinnungsaktivität während der Operation erhalten bleibt.

Eine gewisse Längenelastizität der gestrickten oder gewebten Dacron- prothesen wird durch eine Rippung („crimping") (Abbildung 1) erreicht, wodurch außerdem einer Abknik- kung vorgebeugt wird. Die Quer- und Längselastizität spielt im einge- heilten Transplantat eine geringe Rolle, da die Prothesen durch Ein- bettung in Bindegewebe und Aus- kleidung mit Fibrin innerhalb weni- ger Monate erstarren (3).

Eigene Erfahrungen

mit prothetischem Gefäßersatz im Aorta-iliaca-Abschnitt

In den Jahren 1959 bis 1974 wurden an den Chirurgischen Universitäts- kliniken Köln (Direktor Professor Heberer) und München (Direktor

Professor Zenker, sejt 1. 4. 1973 Di- rektor Professor Heberer) insgesamt 2669 Patienten mit Verschlüssen oder Aneurysmen im Aorta-iliaca- Bereich operiert. Bei 1189 Kranken erfolgte die Rekonstruktion der er- krankten Gefäßstrecke durch allo- plastisches Material, vorwiegend ge- webte oder gestrickte Dacronröh- ren, davon 197mal wegen eines ter- minalen Bauchaortenaneurysmas und bei 992 Kranken wegen einer arteriellen Verschlußerkrankung (Tabelle 1). Lag ein arterielles Ver- schlußleiden zugrunde, wurde von uns die Indikation zur Anwendung alloplastischen Materials zurückhal- tend, nämlich nur bei 38,7 Prozent der Patienten, gestellt, während wir bei der Mehrzahl, nämlich 61,3 Pro- zent aller Patienten die Thromb- endarteriektomie bevorzugten. Nach der Resektion von Aneurysmen wurde dagegen stets durch Kunst- stoffprothesen, entweder in Rohr- oder Bifurkationsform, die Strom- bahn wiederhergestellt.

Zur Beurteilung der Ergebnisse wurde das gesamte Krankengut nachuntersucht und in drei Gruppen je nach Länge der Nachbeobach- tungszeit eingeteilt.

Ergebnisse

des alloplastischen Gefäßersatzes bei Verschlußerkrankung

im Aorta-iliaca-Bereich

Insgesamt wurden 533 Aorten-Bifur- kationsprothesen zur Rekonstruk- tion der terminalen Bauchaorta und

beider Beckenarterien eingesetzt, davon 476 durch trans- und 57 durch retroperitonealen Zugang. Die Gesamtletalität bei dieser Operation betrug 10,3 Prozent (55 Kranke);

während für den transperitonealen Zugang eine Letalität von 10,7 Pro- zent (51 Patienten) ermittelt - wurde, war sie bei retroperitonealem Zu- gang mit 7 Prozent (4 Kranke) deut- lich geringer, obwohl meist der re- troperitoneale Zugang bei Kranken mit erhöhtem Operationsrisiko ge- wählt wurde. Bei den 403 unilatera- len Iliaka-Umleitungen, meist eben- falls retroperitoneal eingesetzt, be- trug die Operationsletalität 5,5 Pro- zent (22 Kranke). Die Operationsle- talität in der Gesamtgruppe nahm in den letzten Jahren deutlich ab.

Die Spätletalität ist hoch; nach 10 bis 15 Jahren sind nahezu 50 Pro- zent der Kranken verstorben, zu- meist an Komplikationen der gene-

Tabelle 1: Lokalisation und Art des alloplastischen Ge- fäßersatzes bei 1257 Kranken (Köln — München 1959 —1974) Aorta-iliaca-Abschnitt Verschlußerkrankung:

Y-Prothesen 533 Iliaka-Umleitung 403 Femoro-femorale

Umleitung 33

Axillo-femorale

Umleitung 23

Aneurysmen (Bauchaorta) 197 Femoralis-Poplitea-Abschnitt Verschlußerkrankung:

Femoro-popliteale

Umleitung 68

1257

2222 Heft 37 vom 15. September 1977 DEUTSCHES A.RZTEBL ATT

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Abbildung 2: Aortogramm eines 63jährigen Kranken vor und 3 Jahre nach Operation (aorto-bifemorale Bifurkationsprothe- se) eines hohen Aortenverschlusses (Leriche-Syndrom). Postoperativer Ausriß der distalen Anastomosen mit Bildung pulsierender Hämatome (Anastomosen- oder Nahtaneurysma)

ralisierten arteriellen Verschlußpro- zesse. Ein gutes Ergebnis, also Funktion und Durchgängigkeit der eingesetzten Gefäßprothese, konnte bei insgesamt 84,5 Prozent der über- lebenden Patienten gefunden wer- den. Bei Berücksichtigung nur der Überlebenden ließ sich eine Durch- gängigkeit der Umleitungen nach 0 bis 4 Jahren von 88,9 Prozent, nach 5 bis 9 Jahren von 80,9 Prozent und nach 10 bis 15 Jahren von nur noch 63,6 Prozent ermitteln. Entspre- chend steigen die Wiederverschluß- raten von 7,5 Prozent über 19,1 Pro- zent auf 36,4 Prozent an, je länger die Operation zurückliegt. In diesen Zahlen sind neben der Verschluß- thrombose des Transplantates auch andere Funktionseinschränkungen wie etwa Anastomosen-Aneurysmen enthalten.

In den letzten Beobachtungsjahren wurden zunehmend auch andere als die üblichen orthotopen Umlei- tungsverfahren angewendet. So wurde der von Vetto 1962 angegebe- ne quere, transpubisch von einer zur anderen Leiste subkutan verlau- fende femoro-femorale Prothesen- Bypass bei insgesamt 33 Kranken mit schweren allgemeinen oder kar- diopulmonalen Begleiterkrankun- gen eingesetzt, bei denen ein Ein- griff mit Durchtrennung der Bauch- wand ein zu hohes Risiko dargestellt hätte. Keiner dieser Kranken ver- starb nach der Operation. Voraus- setzung für den Einsatz dieses Ver- fahrens ist bei einseitigem Iliaka- Verschluß ein unbehinderter Zu- strom auf der Gegenseite. Sieben der Transplantate waren innerhalb eines Jahres wieder verschlossen;

die jenseits eines Jahres liegende Wiederverschlußrate der femoro-fe- moralen Prothesen ist jedoch ver- schwindend gering.

Neben der fernoro-femoralen Umlei- tung kommt die Anzapfung der Arte- ria axillaris als Spenderarterie meist für beide untere Extremitäten als Al- ternativverfahren beim Aorta-iliaca- Verschluß in Frage, wenn keine Wie- derherstellung im Beckenbereich erfolgen kann (4). Von 23 axillo-fe- moralen Umleitungen waren aller- dings nach Jahresfrist bereits zwölf wieder verschlossen. Auffällig ist je- doch, daß trotz des Wiederver- schlusses in der Regel die periphere Beindurchblutung gegenüber dem präoperativen Zustand erheblich ge- bessert war, obwohl die Operation seinerzeit zur Verhütung der dro-

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 37 vom 15. September 1977 2223

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Abbildung 3:

Operationssitus eines Anastomo- senaneurysmas in der Leiste:

Ausriß der früher gerne verwende- ten gewebten Dacrbnprothese aus der Arteria femoralis com- munis, fünf Jahre nach Erst- operation

Arterienprothesen

henden Amputation durchgeführt werden mußte. Offenbar hat der Zeitgewinn trotz späteren Wieder- verschlusses des Transplantates zur Verbesserung des Kollateralkreis- laufes beigetragen, da nur in Einzel- fällen bei Thrombose des axillo-fe- moralen Bypass eine Amputation durchgeführt werden mußte.

Ergebnisse des

alloplastischen Gefäßersatzes nach Resektion von Aneurysmen Das infrarenale Bauchaortenaneu- rysma wird klinisch entweder als Zu- falls- oder Nebenbefund oder in be- reits rupturiertem Zustand diagno- stiziert. Bei 149 elektiven Operatio- nen betrug die Letalität 14,8 Pro- zent, während sie im Stadium der Ruptur bei 48 Patienten auf 68,8 Prozent anwuchs! Die Spätletalität aller dieser Aneurysma-Kranken ist erheblich und vorwiegend auf die bereits höheren Lebensalter und an- dere Manifestationen arteriosklero- tischer Erkrankungen zurückzufüh-

ren. In rund zwei Drittel der Fälle wurden Bifurkationsprothesen im- plantiert, nur in einem Drittel war das Aneurysma auf die terminale Bauchaorta beschränkt, so daß eine Rohrprothese zur Strombahnwie- derherstellung ausreichte.

Das sehr seltene isolierte Iliaca-An- eurysma wurde nur vereinzelt ope- riert.

Eigene Erfahrungen mit prothetischem Gefäßersatz im Femoralis-Poplitea-Abschnitt Zum Ersatz kleinlumiger Arterien mit Durchmessern von fünf Millimeter und weniger eignen sich erfah- rungsgemäß Kunststoffprothesen kaum, außer bei sehr kurzer Implan- tatstrecke. Bei Überbrückung des Kniegelenkes mit seiner großen Beugefähigkeit besteht außerdem die Gefahr der Abknickung mit aku- ter Transplantatthrombose. Das Wiederherstellungsverfahren der Wahl im femoro-poplitealen Bereich

ist die Verwendung der autogenen Vena saphena als arterielles Umge- hungstransplantat. Stehen sie oder Venen aus anderen Körperregionen nicht zur Verfügung und ist auch eine Thrombendarteriektomie nicht möglich, so kann auf Dacronprothe- sen zurückgegriffen werden. Die we- nigen im Berichtszeitraum durchge- führten Eingriffe haben aber sehr enttäuscht. Von insgesamt 86 femo- ro-popliteal eingesetzten Transplan- taten bei 68 Kranken konnten 37 nachuntersucht werden. Innerhalb der ersten 4 Jahre waren davon 19 Transplantate verschlossen; nach 10 und mehr Jahren waren nur noch 25 Prozent durchgängig.

Wegen der unbefriedigenden Ergeb- nisse bei Verwendung der her- kömmlichen alloplastischen Prothe- sen wurde versucht, neue und bes- sere für diesen langstreckigen Ge- fäßabschnitt zu entwickeln. Die seit fünf Jahren erhältliche, besonders großporige Dacron-Velours-Prothe- se wurde deshalb im Oberschenkel- bereich vermehrt eingesetzt. Gegen- über den früher verwendeten ge- strickten Dacronprothesen erbrach- te sie aber keine entscheidende Ver- besserung der Resultate.

1972/73 entwickelte Sparks eine nach ihm benannte Methode des al- loplastischen Gefäßersatzes: Zwei übereinanderliegende Rohre aus Dacronnetzen mit sehr weiten Zwi- schenräumen enthalten im Lumen einen Silikon-Kautschuk-Mandrin.

Diese Prothese muß zunächst sub- kutan ohne Anschluß an das Gefäß- system implantiert werden; nach 6 bis 8 Wochen kann in zweiter Sit- zung der Silikon-Kautschuk-Kern entfernt und das eingeheilte und durch Bindegewebe abgedichtete Dacron-Netz-Rohr anastomosiert werden.

Die erforderliche Voroperation und die streng einzuhaltende Wartefrist beschränken den Eingriff auf die elektive Behandlung eines Stadium II (Claudicatio intermittens), das bei arteriellen Verschlußprozessen im Ober- und Unterschenkelbereich zur Zeit kaum zur Operation kommt, da

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Abbildung 4: Zeitpunkt des Auftretens von 75 Anastomosen- beziehungsweise Nahtaneurysmen nach Implantation alloplastischen Gefäßersatzmaterials wir die Indikation zunehmend stren-

ger auf die Gliedmaßenbedrohung begrenzen. Unsere im Berichtszeit- raum eingesetzten 34 femoropopli- tealen Sparksprothesen zeigten in- nerhalb eines Jahres 12mal einen Verschluß, das heißt in über einem Drittel, und kommen in ihren Ergeb- nissen daher in die Nähe der Da- cronprothesen.

Neuerdings kam eine aus Teflon ge- wirkte Prothese auf den Markt, de- ren Porengröße und Gußform und deren im Tierexperiment gewonne- ne Einheilungsparameter bessere Resultate zu versprechen scheinen (15).

Die seit einiger Zeit auf dem Markt befindliche Kollagenprothese aus xenogener Rinder-Carotis hat im Fe- moralis-Poplitea-Abschnitt die in sie gesetzten Erwartungen bisher zu- friedenstellend erfüllt und stellt ein Alternativverfahren zur autogenen Vena-saphena-Transplantation dar (1).

Komplikationen bei Einsatz von alloplastischem Gefäßersatz Neben den bekannten Komplikatio- nen rekonstruktiver Arterienchirur- gie (sekundäre Wundheilungen, kar- diopulmonale und intestinale Allge- meinkomplikationen, Rethrombo- sierungen) kommen bei protheti- schem Arterienersatz spezifische Komplikationen vor, die mit der Im- plantation von synthetischem Mate- rial in den menschlichen Organis- mus verbunden sind: Die Infektion des Implantates und das Anastomo- senaneu rysma.

Die Infektion des Prothesenbettes macht, entgegen einzelnen Berich- ten in der Literatur, immer die bal- digstmögliche Entfernung des Im- plantates und die Ligatur aller mit ihm in Verbindung stehender Arte- rien zwingend erforderlich. Jede Verzögerung unter Anwendung von Spüldrainagen, lokaler und systemi- scher Applikation gezielt eingesetz- ter Antibiotika ist ein Spielen mit dem Leben des Patienten! Bei den an unseren Kliniken eingesetzten

Prothesen kam es 14mal zur Infek- tion (1,1 Prozent). In keinem Falle konnte die Prothese erhalten wer- den. Neben dem Frühinfekt (bis zu vier Wochen nach Prothesenimplan- tation, fünf eigene Fälle), der als operationsbedingt anzusehen ist, kommen Spätinfekte vor, die offen- sichtlich hämatogen erfolgen. Die Letalität der Protheseninfektion ist hoch: Von unseren 14 Kranken ver- starben insgesamt 10. Meist sind nach Entfernung der Prothesen Am- putationen notwendig. Nur gele- gentlich können extraanatomische Bypass-Verfahren in nichtinfizier- tem Gebiet die Lebensfähigkeit der bedrohten Extremität erhalten (zum Beispiel aorto-iliaco-femorale Um- leitung durch das Foramen obtura- torium = Obturator-Bypass oder aorto-pelvico-femorale Umleitung

= extrapelviner Bypass, axillo-fe- moraler oder femoro-femoraler Bypass).

Derartige Umleitungen können zu- meist vorübergehend, solange der sekundäre Wundheilungsprozeß dauert, die Extremität mit Blut ver- sorgen, bis sich unter günstigen Umständen wieder eine Möglichkeit zur Revision und erneuten günstige- ren Bypass-Führung im orthotopen Gefäßbett ergeben kann.

Das Anastomosen-Aneurysma ist die zweite, für alloplastische Gefäßpro- thesen spezifische Komplikation.

Meistens handelt es sich um Ausris-

se der Anastomosennaht, die ver- schiedene Ursachen haben kann:

Wundinfektion.

• Ausriß schwacher Arterienwand- teile (Durchschneiden der Naht am Gefäß, insbesondere nach lokaler Desobliteration von Plaques an der Anastomosenstelle).

0 Ausfransen des Prothesenrandes, wenn mit der Naht zu wenig Prothe- senrand gefaßt wird.

• Fraktur ungeeigneten Nahtmate- rials wie zum Beispiel der früher häufig verwendeten Seide.

O Prothesenruptur bei Brüchigwer- den des gestrickten Gewebes.

Es kommt zunächst zur Bildung pul- sierender Hämatome („Falsche An- eurysmen"), die der sofortigen Ope- ration bedürfen. Die zunehmende Spannung der Haut im Bereich grö- ßer werdender Hämatome führt in der Regel zu Hautnekrosen, die dann nach operativer Versorgung des Nahtrisses der sekundären Wundheilung und damit der mögli- chen Protheseninfektion Vorschub leisten.

Meist muß die gesamte Anastomose reseziert und die Gefäßkontinuität durch ein kleines weiteres Prothe- seninterponat zu einem weiter distal liegenden stabileren Arterienab-

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Arterienprothesen

schnitt wiederhergestellt werden.

Die Häufigkeit derartiger Nahtaus- risse liegt zwischen 5 und 10 Prozent.

Während aortale Anastomosen nur relativ selten ausreißen, sind Naht- aneurysmen in der Leistenbeuge an den dort liegenden Anastomosen häufig, besonders wenn sie weit kaudal unter dem Leistenband lie- gen und größerer mechanischer Be- anspruchung ausgesetzt sind.

Der Zeitpunkt ihres Entstehens kurz nach der Operation und dann mit einer erneuten Häufung zwischen dem dritten und fünften postoperati- ven Jahr gestatten Hinweise auf ihre Entstehungsursache (Abbildung 4).

Wie ist der Einsatz

alloplastischen Gefäßersatzes zu beurteilen

Unsere hier umrissenen Erfahrun- gen mit Gefäßprothesen entspre- chen denen der Weltliteratur. Abwei- chungen der Angaben untereinan- der lassen sich auf mangelnde Stan- dardisierung von Krankenkollekti- ven und Auswertungsmethoden zu- rückführen (10). Dennoch scheinen die Erfahrungen in allen größeren gefäßchirurgischen Zentren ähnlich zu sein, besonders im Hinblick auf die Anwendung von alloplastischen Gefäßprothesen. Die Indikation zur Verwendung von Gefäßprothesen aus Kunststoff orientiert sich dabei einmal an der klinischen Opera- tionsindikation, zum anderen am an- giographischen und morphologi- schen Befund.

Die klinische Indikation wird weitge- hend bestimmt vom Beschwerde- komplex, der in der Stadieneintei- lung nach Fontaine-Ratschow seine Wertigkeit erhält. Dabei besteht Ei- nigkeit, daß im symptomlosen Sta- dium I bei nachweisbarem Arterien- verschluß kein Anlaß für eine opera- tive Gefäßrekonstruktion besteht.

Man soll keinen Arterienverschluß operieren, sondern den kranken Menschen! Im Stadium II (Claudica- tio intermittens), vorwiegend bei

kurzer Gehstrecke (Stadium Ilb), wird sowohl im gut operalen Aorta- iliaca-Abschnitt als auch meist im Femoralis-Poplitea-Abschnitt die In- dikation zur Operation gestellt. Die Begründung liegt einerseits in der erheblichen Einschränkung des Gehradius, andererseits in den gu- ten Resultaten gefäßwiederherstel- lender Eingriffe an den Beckenarte- rien und der terminalen Aorta, bei allerdings zu beachtender Opera- tionsletalität.

Demgegenüber ist für Gefäßrekon- struktionen im Femoralis-Poplitea- Abschnitt trotz der niedrigen Opera- tionsletalität wegen der unbefriedi- genden Früh- und Langzeitergeb- nisse Zurückhaltung am Platze, vor- wiegend in der Anwendung allopla- stischen Materials. Im Stadium III (Ruheschmerz) und IV (Gangrän/

Nekrose) scheint uns jeder Eingriff gerechtfertigt, der die Chance bie- tet, die bedrohte Gliedmaße zu er- halten.

Aneurysmen, vor allem der Bauch- aorta und der Beckenarterien, sind erfahrungsgemäß weniger durch Thrombose und Embolisierung als durch Ruptur gefährdet. Die Diagno- se allein stellt deshalb eine absolute klinische Indikation zur operativen Ausschaltung dar. Lediglich die Ri- sikoabwägung wird in Einzelfällen zu exspektativer konservativer The- rapie zwingen.

Bei peripheren Aneurysmen, die vor- wiegend an der Arteria femoralis communis und Arteria poplitea vor- kommen, besteht wegen der hohen Thrombose- und Emboliegefahr zwingend die Indikation zur operati- ven Ausschaltung. Man wird in den Regionen des Oberschenkels und Kniegelenkes jedoch autogenem oder heute auch xenogenem biolo- gischem Gefäßersatzmaterial den Vorzug einräumen.

Die angiographische und morpholo- gische Indikation zur Verwendung alloplastischen Gefäßersatzmate- rials läßt sich im folgenden kurz skizzieren: Aneurysmen im Aorta- iliaca-Abschnitt müssen in jedem Fall prothetisch ersetzt werden. Bei

Verschlußerkrankungen sprechen langstreckige Iliaka- oder Aorta-Ver- änderungen, insbesondere bilateral sowie der hohe infrarenale Aorten- verschluß eindeutig für die Verwen- dung alloplastischen Gefäßersatzes als Umleitung. Genaue Berücksich- tigung verdient jedoch die Aus- strombahn in die Peripherie: Be- steht sie nur in einer relativ schmal- kalibrigen Arteria profunda femoris, so würde die Thrombendarteriekto- mie bessere Voraussetzungen für ein gutes Langzeitergebnis schaf- fen; diese Methode bevorzugen wir auch für die Beseitigung kurzstrek- kiger Verschlüsse. Gelingt die Thrombendarteriektomie nicht, ist immer noch der Kunststoff-Bypass möglich.

Bei arteriellen Verschlußprozessen vom Oberschenkeltyp sollte — neben der vielfach ausreichenden Revas- kularisation der Arteria profunda fe- moris — zur Gefäßrekonstruktion nicht alloplastischem, sondern bio- logischem Material (autogene Vena saphena magna oder Kollagenpro- these) der Vorzug eingeräumt werden.

Literatur

Heberer, G., Rau, G., Löhr, H. H.: Aorta und große Arterien, Springer, Berlin — Heidelberg — New York 1966 — Horsley, J. S.: Surgery of blood vessels, Mosby, St. Louis 1915 — Jeg er, E.: Die Chirurgie.der Blutgefäße und des Her- zens, Hirschwald, Berlin 1915; Reprint: Sprin- ger, Berlin — Heidelberg — New York 1973 — Vollmar, J.: Rekonstruktive Chirurgie der Arte- rien, Thieme, Stuttgart, 2. Aufl. 1975 — Weso- lowski, S. A., Dennis, C.: Fundamentals of vas- cular grafting, McGraw-Hill Book Co., New York 1963

Anschrift für die Verfasser:

Privatdozent

Dr. med. Hans Martin Becker Chirurgische Klinik

der Universität Nußbaumstraße 20 8000 München 2

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