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Archiv "Körperliche Bewegung bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit" (08.11.2002)

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(1)

P

atienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) kön- nen durch die interventionellen und operativen Therapiemethoden oft sehr wirksam behandelt werden. Insbe- sondere mit minimalinvasiven Metho- den wie der transluminalen Endarter- ektomie (TEA) oder der perkutanen transluminalen Angioplastieverfahren (PTA) kann die Strombahn im Bereich von Becken- und Oberschenkelarterien oftmals funktionell wiederhergestellt werden. Limitiert sind interventionelle Verfahren allerdings im Bereich der Unterschenkelarterien.

Die PTA oder TEA einer isolierten Stenose bewirkt einen Wegfall des Durchblutungshindernisses und schafft damit beste Voraussetzungen für eine Schmerzfreiheit und Rekompensation des Patienten.

Patienten mit pAVK sind meist nicht nur isoliert an einer Gefäßstelle er- krankt, sondern die pAVK muss fast im- mer als Symptom der Systemerkran- kung Arteriosklerose angesehen wer- den. Entzündliche Gefäßwandprozesse, systemische Erkrankungen oder rezidi- vierende embolische Schübe spielen in der Pathogenese eine kleinere Rolle (22). Das bedeutet der systemische Charakter der Erkrankung: Eine Ge- fäßintervention an einer lokalen Stelle des Gefäßes beseitigt nicht weitere Pro- bleme der Erkrankung, die zum Bei- spiel die periphere Durchblutung, die Muskulatur und den Stoffwechsel be- treffen. Zudem birgt die Maßnahme ei- genständige Probleme, insbesondere ei- ne Restenosierung.

Neben Interventionsmethoden gibt es medikamentöse und nichtmedikamen- töse Therapiemaßnahmen. Diese kön- nen begleitend, ergänzend oder alterna-

tiv eingesetzt werden. Damit wird eine ausschließlich symptomorientierte The- rapiestrategie vermieden (12, 24, 31, 36).

In Studien war das funktionelle Lang- zeitergebnis von reinen Gefäßinter- ventionen nicht besser als das von rei- nem Gehtraining (4, 35). In einem multi- modalen Therapiekonzept ist deshalb Gehtraining ein wichtiger Schwerpunkt.

Pathophysiologie

Durchblutung. Die pAVK führt zu ei- ner peripheren Minderdurchblutung, die zum Beispiel in der Szintigraphie gut darstellbar ist (19) (Abbildung 1).

Diese Minderdurchblutung hat funktio- nelle und strukturelle Konsequenzen, die weit über die isolierte Stenose hin- ausgehen.

Die peripheren Gefäße sind im Ver- hältnis zur versorgten Muskelmasse sehr lang, und die Ruhedurchblutung ist wesentlich niedriger als im Herzmuskel.

So beträgt die Ruhedurchblutung des Herzmuskels etwa 50 mL/min × 100 g, die des Skelettmuskels etwa 5 mL/

min × 100 g. Bei Belastung wird die koronare Durchblutung etwa um das Vierfache gesteigert, die Skelettmus- keldurchblutung dagegen um das Zehn- fache. Bei der pAVK ist der Strömungs- widerstand in den erkrankten Gefäßen relativ hoch und die mögliche Steige- rung der Durchblutung ist deutlich ein- geschränkt (23). Der Strömungswider- stand in einer Extremität hat dabei zwei Komponenten: den transstenotischen Druckgradienten und den peripheren Gefäßwiderstand der distalen Gefäße.

Im Verlauf der Erkrankung führt der chronisch eingeschränkte poststenoti- sche Blutfluss damit zu funktionellen Störungen, wie Abnahme der Gefäß- motilität, und relativ bald auch zu struk- turellen Veränderungen, wie einer Ab- nahme der Gefäßdiameter und der Ka- pillarisierung. Die Abhängigkeit von

Körperliche Bewegung bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit

Jürgen M. Steinacker, Yuefei Liu, Hartmut Hanke

Zusammenfassung

Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) ist meist eine arteriosklerotische Erkran- kung der Gefäße, sie betrifft aber auch die End- strombahn und die Muskulatur. Die pAVK führt zum Verlust von Belastbarkeit und Lebensqua- lität und im Extremfall zum Verlust der Extre- mität. Neben den interventionellen und operati- ven Revaskularisationsverfahren ist das Gehtrai- ning die wichtigste nichtmedikamentöse Thera- piemaßnahme in Ergänzung zur konsequenten Behandlung der Risikofaktoren Rauchen, arteriel- le Hypertonie, Hypercholesterinämie und Über- gewicht. Täglich sollte ein Intervall-Gehtraining über 60 min mit 5- bis 15-minütigen Intervallen durchgeführt werden, wobei die Belastungsin- tensität möglichst hoch sein sollte bis zum Claudi- cationsschmerz. Studien zeigen eine Steigerung der Gehstrecke um etwa 200 Prozent nach sechs bis zwölf Wochen. Die Langzeitergebnisse sind gleichwertig der von Gefäßinterventionen.

Schlüsselwörter: periphere arterielle Ver- schlusskrankheit, Lebensqualität, körperliche Aktivität, Gehtraining, Durchblutungsstörung

Summary

Physical Activity to Treat Peripheral Arteri- al Occlusive Disease

Peripheral arterial occlusive disease which is most commonly caused by arteriosclerotic occlusion of the arteries to the leg affects also the microcirculation and skeletal muscles, and leads to loss of performance, e.g. walking abili- ty, to loss of quality of life, and in last conse- quence, to loss of an extremity. Besides the use of sophisticated interventional and operative revascularization procedures, walking training remains the most important nonmedical treat- ment measure in addition to aggressive inter- vention of the risk factors smoking, hyper- lipidemia, arterial hypertension and body weight. Walking training should be performed daily for at least 60 min, divided in 5 to 15 min long exercise intervals that should cause even claudication. Multiple studies revealed that the intensity of exercise is an important predictor of the success of training and that the painfree walking distance can be doubled within six to twelve weeks. Long time results are equivalent to those of revascularization procedures.

Key words: peripheral arterial occlusive dis- ease, quality of life, physical activity, walking training, impaired circulation

Medizinische Klinik und Poliklinik, Abteilung Innere Medizin II – Kardiologie/Angiologie (Direktor: Prof. Dr.

med. Vinzenz Hombach), Sektion Sport- und Rehabilitati- onsmedizin (Leiter: Prof. Dr. med. Jürgen M. Steinacker), Universitätsklinikum Ulm

(2)

Perfusionsdruck und Durchblutung kann mit einer zirkulatorischen Hyper- bel beschrieben werden (Grafik 1). Bei der pAVK wird der maximale Blutfluss überwiegend durch die Stenose be- stimmt (obere Asymptote), während der minimale Perfusionsdruck, der noch eine Durchblutung zulässt (so ge- nannter Stagnationsdruck), im Wesent- lichen durch den Widerstand der peri- pheren Gefäßstrombahn bestimmt wird (linke Asymptote).

Die Kompensation einer Stenose kann durch Bildung von Kollateral- gefäßen, verbesserte Kapillarisierung oder Gefäßdilatation erfolgen. In Ruhe ist der Blutfluss in den peripheren Blut- gefäßen schon beim Gesunden gering, sodass auch die Scherkräfte am Endo- thel gering sind. Diese sind für die endogene Vasodilatation wichtig. Bei pAVK ist dieser Effekt verstärkt, zu- sätzlich ist die Endothelfunktion durch die Risikofaktoren arterielle Hyperto-

nie, Rauchen und Hyperlipidämie ge- stört (12, 32). Durch die periphere Min- derperfusion werden vasokonstriktive Mechanismen aktiviert wie das Renin- Angiotensin-System (RAS) (6). Bewe- gungsmangel und Überernährung er- höhen die RAS-Aktivität und senken den Blutfluss (32). Die RAS-Aktivität hat einen wesentlichen Anteil am er- höhten Gefäßwiderstand, verstärkt die arterielle Hypertonie und vermindert den Kollateralblutfluss (32).

Eine alleinige, erfolgreiche Behand- lung der Stenose kann nicht das Durch- blutungsproblem des chronischen pAVK-Patienten beseitigen, das eine große periphere Komponente aufweist.

Eine Gefäßdilatation führt bei der chro- nischen pAVK initial meist nur zu einer Verdopplung der Gehstrecke. Weitere Verbesserungen werden erst in den fol- genden Monaten erreicht (28, 35).

Muskulatur. Beim erwachsenen Mann beträgt die Muskulatur etwa 40 bis 45 Prozent des Körpergewichtes. In ihrer Gesamtheit ist die Muskulatur damit das größte Organ des Körpers. Die ischämische Toleranzzeit der Skelett- muskulatur ist mit mehreren Stunden wesentlich höher als die der meisten an- deren Körpergewebe. Nach wenigen Minuten Ischämie ist die kontraktile Funktion des Skelettmuskels nicht mehr gewährleistet. Die dann notwen- dige Pause bei Belastung verringert wieder den Sauerstoffverbrauch und er- laubt eine Regeneration des Stoffwech- sels der Muskelzelle. Deshalb ist bei pAVK die alterskorrigierte jährliche Amputationsrate mit etwa 0,7 Prozent sehr gering (1).

Dies würde bedeuten, dass hier kein wichtiges medizinisches Problem vor- liegt. Das ist aber nur scheinbar so. Pati- enten mit pAVK erreichen, wahrschein- lich aufgrund der körperlichen Inakti- vität, auch bei Oberkörperbelastung nur 50 Prozent der Sauerstoffaufnahme von Normalpersonen (30). Die chroni- sche pAVK führt aber auch zu einer Abnahme der Muskelmasse in den betroffenen Extremitäten (11, 12, 32) (Abbildung 1). Dabei sind wichtige Ein- flussgrößen neben der Inaktivitäts- hypotrophie aber auch die Minder- durchblutung selbst.

Die Autoren konnten zeigen, dass es bei der pAVK zu einer hohen Expressi- A

A3020 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 458. November 2002

Abbildung 1: Ganzkörperthalliumszintigramm eines Patienten mit peripherer arterieller Ver- schlusskrankheit (pAVK) (unten) und eines Patienten ohne pAVK (oben). Dargestellt sind die Auf- nahmen bei Belastung und in der Reperfusion. (Modifiziert nach Liu Y et al., Angiology 1996; 47:

879–886. Mit freundlicher Genehmigung von Westminster Publications, Glen Head, NY, USA) (19).

Abbildung 2: Myosin-Isoformenspektrum im M. gastrocnemius bei Normalpatienten und bei unterschiedlichem Schweregrad der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit. Während beim Normalpatienten die drei Myosin-Isoformen nachweisbar sind, kommt es mit steigendem klinischen Schweregrad zuerst zum Verlust des schnellen Myosins IId und folgend des inter- mediären Myosins IIa. Das langsame, stressresistente Myosin I überwiegt deutlich. (Aus Steinacker, JM et al., J Vasc Surg 2000; 31 443–449. Mit freundlicher Genehmigung von Mosby, Orlando, FL, USA) (33).

Kontrolle

pAVK

Anterior Posterior Anterior Posterior

Stress Redistribution

Kontrolle MHC IId

MHC IIa MHC IId

pAVK II pAVK III pAVK IIII

(3)

on des Stressproteins HSP70 im Ske- lettmuskel kommt. Bei der pAVK im Stadium II mit der typischen Claudica- tio intermittens sind die Konzentratio- nen von Stressproteinen besonders hoch. Die Stressproteine sind Indikato- ren für einen Ischämie-Reperfusions- schaden (17). Die Bildung dieser Pro- teine erhöht aber die Ischämietoleranz des Muskels (18). Weitere Folgen der Ischämie sind Calciumüberladung und Einzelfasernekrosen, die zur Atrophie beitragen (11). Diese Ischämieauswir- kungen führen auch zu peripheren Ner- venschädigungen mit partieller Dener- vierung von Muskelfasern, die zu einer gewissen Gangataxie bei der pAVK bei- tragen (13, 27).

Die Ischämie bei Belastung sollte nach bisherigem Verständnis zu höhe- ren Laktatspiegeln bei der Belastung von pAVK-Patienten führen. Dies ist aber nicht so, die maximalen Laktatspie- gel bei PAVK sind deutlich niedriger (29). Lange Zeit blieb dieser Zusam- menhang unverstanden und wurde auf niedrigere Muskelmasse und Durchblu- tung zurückgeführt. In den letzten Jah- ren konnte nachgewiesen werden, dass es bei der pAVK zu einer signifikanten

Abnahme der Faserfläche von schnellen Muskelfasern kommt, die Laktat bilden können (13, 27). Die Autoren konnten zei- gen, dass sich das Spektrum der Myosinschwerketten, die die kontraktilen Eigenschaften des Muskels bestimmen, in Abhän- gigkeit vom klinischen Schwere- grad zunehmend zu langsamen Myosinen verschiebt. Im Stadi- um IV haben vitale Muskelge- biete fast das gesamte schnelle Myosin verloren (33).

Bei pAVK finden sich niedri- ge ATP-Spiegel und eine Glyco- genverarmung (16). Dies führt zu einer Vulnerabilität schneller Fasern (15). Die schnellen Fa- sern sind zwar wesentlich kräfti- ger, energetisch aber deutlich aufwendiger, das heißt weniger effizient als langsame Fasern.

Das ist ein wichtiger Grund für die Verschiebung zu langsamen Fasertypen oder Myosin-Isofor- men bei der pAVK (32).

Da chronische pAVK die Muskulatur wesentlich betrifft, ist Geh- training in der Therapie auch aus die- sem Grund unbedingt notwendig.

Grundzüge der Therapie

Direkte Ziele der Behandlung sind:

>die Hemmung der Progression der koronaren Herzerkrankung und der pAVK,

>die Verminderung des (kardialen) Risikos,

> die Verbesserung von Belastbar- keit und Lebensqualität.

Die Säulen der Therapie im chro- nischen Stadium der pAVK sind die Behandlung der Risikofaktoren der Arteriosklerose sowie der Begleiter- krankungen (insbesondere der KHK) und die Verbesserung des peripheren Blutflusses (22).

Nichtmedikamentöse Basistherapie Die Basistherapie umfasst insbesonde- re eine positive Beeinflussung von Risi- kofaktoren wie Rauchen und Überge- wicht, die nichtmedikamentöse Be- handlung der arteriellen Hypertonie,

der Hypercholesterinämie und des Stoffwechsels (zum Beispiel Hyperin- sulinämie, Diabetes mellitus). Diese Maßnahmen sollten durch tägliches Gehtraining unterstützt werden (22, 24, 31, 36, 38).

Rauchen ist der wichtigste Risiko- faktor der pAVK. Über 90 Prozent der Patienten mit pAVK geben an, im Ver- lauf ihres Lebens eine Zeit lang ge- raucht zu haben. Die Amputationsrate ist bei rauchenden Patienten deutlich höher als bei Nichtrauchern. Die Auf- gabe des Rauchens beeinflusst nach- weislich die Progredienz der pAVK und der Arteriosklerose (9, 10).

Medikamentöse Therapie

Die Prinzipien der medikamentösen Therapie sind an anderer Stelle aus- führlich dargestellt worden (12, 31). Po- sitive Langzeiteffekte sind nachgewie- sen für die Lipid senkende Therapie mit CSE-Hemmern (1, 12, 23) und die Be- handlung der arteriellen Hypertonie, insbesondere für ACE-Hemmer (3, 12, 29, 31). Die Thrombozytenaggrega- tionshemmung mit Aspirin oder Clopi- dogel ist nur für Patienten mit invasiver Therapie belegt, wird aber allgemein zur Risikosenkung kardialer Komplika- tionen gegeben (2, 12, 20). Der Hämato- krit sollte zwischen 38 bis 48 Prozent ge- halten werden (24). Vasodilatatoren werden zwar häufig eingesetzt, die Stu- dienergebnisse sind aber widersprüch- lich (12).

Gehtraining

Patienten mit pAVK haben eine deutli- che Verminderung der Geh- und Bela- stungsfähigkeit, selbst bei langsamer Gehgeschwindigkeit. Die reduzierte Be- lastbarkeit führt zu einer Abnahme von Aktivitäten des täglichen Lebens und damit einer Verminderung der Lebens- qualität (26). Die Erhöhung von Belast- barkeit und Lebensqualität sind daher die primären Therapieziele für Patien- ten mit pAVK (Grafik 2).

Die primäre nichtmedikamentöse Therapie für pAVK ist das Gehtraining.

Hierzu liegen randomisierte und kon- trollierte Studien vor. Die Einzelstudi- en weisen zwar teilweise kleine Fallzah- Grafik 1

Periphere Durchblutung bei peripherer arterieller Ver- schlusskrankheit (pAVK). Die zirkulatorische Hyperbel beschreibt die Beziehung zwischen Blutfluss und Per- fusionsdruck. Der maximale Blutfluss wird bei pAVK überwiegend durch die Stenose bestimmt (obere Asymptote), während der minimale Perfusionsdruck, der noch eine Durchblutung zulässt (Stagnations- druck), im Wesentlichen durch den Widerstand der peri- pheren Gefäßstrombahn bestimmt wird (linke Asym- ptote). (Modifiziert nach Steinacker et al., Perfusion 1998; 11: 172–181. Mit freundlicher Genehmigung von Verlag Perfusion, Nürnberg) (31).

(4)

len auf, insgesamt ist aber der Effekt des Gehtrainings eindeutig belegt (7, 8, 12, 34). Bei 26 analysierten Studien mit 539 Patienten mit PAVK II nahm die schmerzfreie Gehstrecke von 117 auf 282 m zu, das ist ein Zugewinn von 165 m oder 141 Prozent. In einer Meta- analyse wurde ein ähnlicher Effekt auf die maximale Gehstrecke von 179 m be- rechnet (8).

Wenig beachtet, aber bedeutend sind Befunde aus randomisierten Studien, die intensives Gehtraining mit der peri- pheren Gefäßrekonstruktion oder mit der Angioplastie verglichen haben.

Nach einem erfolgreichen Gefäßein- griff nahmen zwar die Beschwerden ab, die Belastungsfähigkeit wurde aber durch körperliches Training gleich gut wie beim Bypass oder deutlicher ge- genüber der PTA verbessert (4, 35). Das verwundert nicht, denn körperliches Training greift nicht wie eine klassische Therapie selektiv an einer Organfunkti- on oder molekularen Struktur an, son- dern ist eine therapeutische Maßnah- me, die viele Organfunktionen und den gesamten Menschen einschließt (Gra- fik 2).

Der periphere Blutfluss und die Scherkräfte am Endothel sind wichtig für die endogene Vasodilatation und können durch körperliche Arbeit wirk-

sam gesteigert werden. Muskelarbeit ist die wichtigste Maßnahme, um die Endothelfunktion wiederherzustellen und um den peripheren Gefäßwider- stand zu erniedrigen (12, 31, 32, 39). Da- mit ist mit einem geringeren Perfusions- druck noch eine Durchblutung der Ex- tremität möglich (Grafik 1).

Training wirkt sich nicht oder wenig auf den Druckgradienten wie den Dopplerstaudruck oder auf die Ruhe- durchblutung aus, da die Hämodyna- mik in den großen Gefäßen nicht verän- dert wird (8, 21, 34). Postulierte und teil- weise bewiesene Effekte sind bessere Koordination und Geheffizienz (26, 37), bessere Blutflussdistribution (5, 34), Kollateralisierung und schnellere Re- perfusion nach Belastung (34, 23), ge- ringere Ischämieeffekte (34) und ver- besserter Stoffwechsel (12).

Umsetzung von Gehstrecken- test und Gehtraining

Generell ist ein körperliches Training bei den meisten Patienten mit pAVK in- diziert und nur bei Patienten mit Ruhe- ischämie und schweren Begleiter- krankungen kontraindiziert. Wegen der hohen Prävalenz einer signifikanten koronaren Herzerkrankung von etwa 60 Prozent sollte eine entspre- chende Diagnostik vorliegen, die Ruhe-EKG, Belastungs- EKG (Handelkurbel- oder Ru- derergometer) und Echokardio- graphie umfasst. Bei stabiler koronarer Herzerkrankung ist ein Training möglich, wobei die kardiale Belastungsfähigkeit die Beanspruchung limitiert (12, 31). Grundsätzlich sollte zu Be- ginn und begleitend zu einem körperlichen Training eine arte- rielle Hypertonie, eine diabeti- sche Stoffwechsellage oder eine kardiale Ischämie ausreichend eingestellt und eine bestmögli- che periphere Durchblutung hergestellt werden.

Ziel ist ein tägliches Intervall- Gehtraining von 30 bis 60 min (12, 34). Die Belastung ist sym- ptomlimitiert, das heißt es wird bis zur Schmerzgrenze gelaufen und dann pausiert. Da der Pati-

ent am Anfang oft durch Beschwerden und seine allgemeine Gangstörung schnell frustriert wird, ist der Entschluss zur Teilnahme und darauffolgend die längere Teilnahme an einem solchen Programm häufig schwierig. Deshalb sind eine initiale Schulung und eine wiederholte Kontrolle sehr wichtig (12, 25). Der Erfolg des Trainings hängt er- heblich von der Motivation des Patien- ten ab und kann in einem überwachten Training deutlich gesteigert werden (25). Die Aufnahme in ein ambulantes Rehabilitationsprogramm kann daher eine sinnvolle Hilfe für die Patienten sein (36).

Vor Beginn eines Trainings wird der klassische Gehstreckentest mit relativ langsamer Gehgeschwindigkeit auf ei- nem Laufbandergometer mit 12 Pro- zent Steigung und 3 km/h durchgeführt.

Gemessen wird die Laufstrecke bis zum Auftreten von typischen Claudica- tioschmerzen und die Laufstrecke bis zum Abbruch wegen Schmerzen oder aus anderen Gründen. Nach 1 000 m wird abgebrochen. Die Beschwerden werden seitengetrennt protokolliert.

Der Test kann mit weiteren funktio- nellen Messungen wie einer Doppler- druckmessung oder einer transkuta- nen Sauerstoffpartialdruckmessung ver- bunden werden (28).

Für ein effektives Gehtraining ist die Gehgeschwindigkeit des Geh- streckentestes zu gering. Am effektiv- sten scheint ein Training mit einer In- tensität über der Ischämieschwelle mit etwa 80 Prozent der maximalen Laufge- schwindigkeit zu sein. Die erforderliche Laufgeschwindigkeit ist am Anfang wegen der Gangstörung schwer durch- zuhalten.

Bisherige Studienergebnisse weisen darauf hin, dass ein schnelleres Gehtempo mit höheren Effekten auf die Gehstrecke einher geht. In der Me- taanalyse von Gardner und Poehlmann wirkte ein Training mit einem Abbruch erst bei stärkerem Claudicatioschmerz besser als ein Training nur bis zum er- sten Auftreten des Claudicatioschmer- zes (relative Gehstrecke + 350 m versus + 105 m) (8). Positiv wirkte sich auch aus, wenn mehr als dreimal wöchentlich mit mehr als 30 min pro Einheit trai- niert wurde. Gehtraining hat den größ- ten Effekt auf die Gehstrecke, während A

A3024 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 458. November 2002

Grafik 2

Einfluss von Erkrankung, Medikation, Gefäßinterven- tion oder körperlichem Training auf biologische Funk- tionen, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität.

(5)

Krafttraining und allgemeines sportli- ches Training zwar positive Effekte ha- ben, aber die Gehstrecke weniger deut- lich verbessert wird (8, 14).

Praktikabel ist eine Steuerung über die Belastungsdauer: Ein Intervall soll- te mindestens 5 und maximal 15 min umfassen, bis Beschwerden auftreten, gefolgt von einer 3-minütigen Pause, die je nach Beschwerden auch ver- längert werden kann. Die Gesamt- belastung je Trainingseinheit sollte et- wa eine Stunde, inklusive der Pausen umfassen:

>Beginn bei 6 Prozent Steigung, 4 km/h,

>bei Unterforderung (Belastbarkeit

> 15 Minuten):

– Erhöhung um je zwei Prozent Stei- gung bis maximal 10 Prozent Steigung

– nachfolgend Erhöhung der Lauf- geschwindigkeit um je 0,5 km/h,

>bei Überforderung (Belastbarkeit

< 5 min)

– Reduktion der Steigung auf 4 Pro- zent

– nachfolgend Reduktion der Lauf- geschwindigkeit um je 0,5 km/h,

Für das Selbsttraining der Patienten hat es sich bewährt, ein Training auf ei- ner Strecke mit einer leichten Steigung vorzuschlagen, das nach ähnlichen Prin-

zipien gestaltet sein und ebenfalls eine Stunde umfassen sollte.

Jede Verbesserung des Blutflusses nach einer interventionellen Maßnah- me wie Angioplastie oder einer operati- ven vaskulären Rekonstruktion muss nach den Daten der Autoren durch Gehtraining begleitet werden, damit der funktionelle Gewinn der Therapie auch in einen möglichst dauerhaften Vorteil umgesetzt werden kann. Erst durch das körperliche Training wird letztendlich eine funktionelle Wieder- herstellung der Mikrozirkulation, der muskulären Kapazität, der Gesamtbe- lastbarkeit und damit der Lebensqua- lität erreicht.

Manuskript eingereicht: 9. 7. 2002, revidierte Fassung angenommen: 24. 7. 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 3018–3025 [Heft 45]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Jürgen M. Steinacker Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin Medizinische Klinik und Poliklinik Universitätsklinikum Ulm 89070 Ulm

E-Mail: juergen.steinacker@medizin.uni-ulm.de

Da einige wenige Patienten unter ei- ner Protonenpumpenblocker-Therapie (PPI) nicht beschwerdefrei werden, ist von amerikanischen Autoren vorge- schlagen worden, um nächtliche Säure- attacken zu blockieren, zusätzlich einen H2-Blocker einzusetzen.

Die Autoren führten deshalb bei 23 gesunden Freiwilligen und 20 Reflux- patienten pH-Messungen im Magen- fundus und 5 cm oberhalb des unteren Ösophagussphinkters durch. Zunächst erhielten die Patienten zwei Wochen lang zweimal täglich 20 mg Omeprazol vor den Mahlzeiten, dann über 28 Ta- ge Protonenpumpenblocker plus H2- Blocker (Ranitidin 300 mg) zur Nacht.

Nur am ersten Tag war die Kombination PPI plus H2-Blocker der Monotherapie signifikant überlegen, was pH-Werte unter 4 in liegender Position betraf.

Nach einer und nach vier Wochen war kein Unterschied mehr nachweis- bar, da es offensichtlich innerhalb kur- zer Zeit zu einer Toleranzentwicklung der Belegzelle gegenüber H2-Blockern

kommt. w

Fackler WK, Ours TM, Richter JE et al.: Long-term effect of H2RA therapy on nocturnal gastric acid breakthrough.

Gastroenterology 2002; 122: 625–632.

Joel E. Richter, M. D., Department of Gastroenterology, A30, Cleveland Clinic Foundation, 9500 Euclid Avenue, OH 44195, USA, E-Mail: richterj@ccf.org

Kombinationsbehandlung bei nächtlichem Säuredurchbruch ohne Nutzen

Referiert

Maßnahmen bei Refluxlaryngitis

Die Prävalenz der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) bei Patien- ten mit laryngo-pharyngealen Erkran- kungen ist wahrscheinlich größer als bislang angenommen.

Die Autoren führten eine prospek- tive Studie bei 26 Patienten mit post- eriorer Laryngitis durch; 19 wiesen ein Erythem und Ödem der interarytaeno- idealen Region auf. Zusätzlich wurde eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie und eine pH-Metrie durchgeführt. Eine Refluxkrankheit fand sich in 43 Pro- zent, eine Hiatushernie in 43 Prozent und eine Helicobacter-pylori-positive Antrumgastritis in 23 Prozent. Unter einer medikamentösen Antirefluxthe- rapie beziehungsweise Eradikation von Helicobacter pylori kam es in 90 Pro- zent zu einem Verschwinden der laryn- go-pharyngealen Symptome bezie- hungsweise der Laryngitis. w Tauber S, Gross M, Issing WJ et al.: Association of laryngopharyngeal symptoms with gastroesophageal reflux disease. Laryngoscope 2002; 112: 879–886.

Dr. W. J. Issing, Abteilung für Hals-Nasen- und Oh- renheilkunde, Ludwig-Maximilians-Universität Mün- chen, Marchioninistraße 15, 81377 München, E-Mail:

wissing@hno.med.uni-muenchen.de Referiert

Berichtigung

In dem Beitrag „Harninkontinenz im Alter“ von Goepel et al., erschienen in Heft 40 vom 4. Oktober, wurde irrtüm- lich der Begriff „Kolpographie“ ver- wandt. Die korrekte Bezeichnung lau- tet hingegen „Kolporrhaphie“. MWR

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