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erzeit stehen die Zinsen am Scheideweg: Für höhere Konditionen spricht insbesondere der Zinsanstieg in den USA. Hier kletterte die Rendite langlau- fender Bonds bereits auf über sieben Prozent, und die jüng- sten Signale für eine – blühende – Konjunktur las- sen auf einen weiteren Zins- anstieg schließen. Hingegen spricht die wirtschaftliche Entwicklung in Mitteleuropa, speziell in Deutschland, eher für wieder sinkende Rendite- sätze: Die bereits stark ange- schlagene Konjunktur würde durch höhere Zinsen endgül- tig abgewürgt – und dies kann weder im Interesse der Bun- desregierung noch der Deut- schen Bundesbank sein. Als Damoklesschwert schwebt jedoch sozusagen die Eu- ropäische Währungsunion auch über der deutschen Zinslandschaft: Da der Euro aufgrund seines Mischwährungscharakters voraussichtlich höher ver- zinst wird als heute die Deut- sche Mark, deutet dies zu- mindest längerfristig auf stei- gende Zinssätze auch in Deutschland hin.Konditionen:
attraktiv
Darlehensnehmer kön- nen immer noch zufrieden sei: Im langfristigen Vergleich sind die aktuellen Konditio- nen angesichts der überquel- lenden Liquidität der Kredit- institute weiterhin attraktiv.
Daher lohnt es sich, etwa bei
einer Immobilienfinanzie- rung auf eine möglichst lang- fristige Zinsbindung zu set- zen und auf diese Weise das aktuelle Niveau über mög- lichst viele Jahre zu sichern.
Das gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der Eu- ropäischen Währungsunion.
Kommt der Euro tatsächlich in der geplanten Form, vermeiden Darlehensneh- mer mit ei- ner lang- fristigen
Zinsfestschreibung mögliche Risiken.
Ganz anders die Situation für Geldanleger: Wenn die Zinsen steigen, bedeutet dies Kursverluste am Markt der festverzinslichen Wertpapie- re. Diese Kursverluste wer- den um so höher ausfallen, je länger die gewählten Papiere noch laufen. Zumindest auf den ersten Blick sinnvoll wä- re es daher, eine möglichst kurze Laufzeit anzustreben.
Weil diese Taktik jedoch sehr viele Anleger eingeschlagen haben, sind die Zinsen im kurzfristigen Bereich ausge- sprochen niedrig: Allenfalls
2,5 bis 4 Prozent lassen sich derzeit mit Festgeldern und Geldmarktfonds erzielen.
Sinnvoll ist daher eine Streuung des Anlagekapitals unter Berücksichtigung der persönlichen Vorstellungen:
Wird das Geld innerhalb von ein bis zwei Jahren wieder benötigt, kommt lediglich ei- ne entsprechend kurzfristige Anlage in Betracht. Um eine angemessene Rendite bei überschaubarem Risiko zu erzielen, sollte der persönli- che Zeithorizont allenfalls um ein bis zwei Jahre über- schritten werden. Besteht der Kapitalbedarf jedoch erst in einigen Jahren oder erfolgt die Anlage grundsätzlich zeit- lich unbefristet, kann die Rendite durch Bei- mischung längerfri- stiger Titel aufge- bessert werden. In Frage kommen hier- bei insbesondere Papie- re mit drei bis fünf Jahren Restlaufzeit, die selbst bei deutlich steigenden Zinsen wegen des immer näher rückenden Rückzahlungs- zeitpunkts keine nachhalti- gen Kursverluste mehr er- warten lassen. Je größer die Risikobereitschaft, um so länger kann die Laufzeit der Papiere gewählt werden.
Ganz mutige Investoren setzen jetzt sogar wieder auf Anleihen mit mehr als 20 Jah- ren Restlaufzeit. Hier liegt die Rendite mit durchschnitt- lich 7,5 Prozent bereits wie- der nahe am langfristigen Mittelwert von 8,1 Prozent.
Allerdings empfiehlt sich die- se Taktik nur bei entspre- chender Risikobereitschaft
und bei einem sehr langfristi- gen Anlagehorizont, der not- falls auch ein „Aussitzen“ ei- ner Börsen-Baisse ermög- licht.
Schließlich kann es sich lohnen, als Alternative ande- re Anlageformen in Betracht zu ziehen. Während Aktien immer noch ein „Hauch der Spekulation“ anhaftet und sie daher von vielen Anlegern trotz der interessanten Ren- ditechancen gemieden wer- den, können Genußscheine eine Lösung darstellen. Hier gibt es derzeit eine Reihe von Papieren, etwa zwei verschie- dene Genußscheine des Le- bensmittelkonzerns Edeka, die mehr als sieben Prozent Rendite abwerfen.
Wichtig dabei: Der Emit- tent sollte über jeden bo- nitätsmäßigen Zweifel erha- ben sein. Denn schließlich werden Anleger bei den mei- sten Genußscheinen an mög- lichen roten Zahlen des Un- ternehmens beteiligt, im ungünstigsten Fall droht so- gar der Kapitalverlust. Inve- storen sollten daher stets nur solche Papiere wählen, die ei- nerseits eine hohe Rendite abwerfen, andererseits aber aufgrund der Solidität des Emittenten nur geringe Risi- ken bergen.
DM meist überlegen
Zurückhaltung ist hinge- gen bei hochverzinsten Pa- pieren ausländischer Emit- tenten geboten: Einerseits – dies belegt der Fall Fokker – besteht oft keine Garantie, das eingesetzte Kapital wie- der zurückzubekommen. An- derseits müssen Anleger bei Fremdwährungspapieren auch Kursrisiken fürchten.
Zwar können Wechselkurs- schwankungen – wie etwa in den vergangenen 18 Monaten – zusätzliche Gewinne brin- gen. Zumindest in der Ver- gangenheit haben jedoch die meisten Fremdwährungsan- lagen aufgrund der Stabilität der Deutschen Mark Verluste gebracht. Peter Jobst A-2044 (62) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 31–32, 5. August 1996
V A R I A WIRTSCHAFT
Geldanlage
Steigende Zinsen ante portas?
Zu Jahresbeginn schien alles klar: Die Zinsen wa- ren bereits niedrig. Dennoch deuteten alle Signa- le auf eine weitere Senkung hin. Doch immer dann, wenn Analysten von einem Trend über- zeugt sind, kommt die Wende: Bereits im Früh- jahr kletterten die Renditesätze wieder deutlich,
um derzeit im Bereich um 6 Prozent zu stagnie- ren. Entsprechend mußten Anleger insbesondere dann Verluste verbuchen, wenn sie auf langfristige festverzinsliche Wertpapiere gesetzt hatten. Wer Geld anlegt, sollte stets überlegen, wann er es braucht.Davonhängtauch derzeit die Strategie ab.
© Falko Honnen