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Archiv "Ein Flüchtlingslager in Indonesien" (10.01.1980)

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Aufsätze - Notizen BLICK ÜBER DIE GRENZEN

Seit Anfang Februar vergangenen Jahres verließen — größtenteils nach Zahlung unterschiedlicher Beträge an offizielle Stellen (2000 bis 3000 US-$ pro Person) — Vietnamesen, meist chinesischer Abstammung, auf Booten ihr Land. Ihren Höhe- punkt erreichte die Flüchtlingswelle im Juni und Juli 1979, während im Oktober pro Woche selten mehr als ein Boot anlandete.

Knapp 40 000 der Flüchtlinge, viele davon auf See ausgeraubt und miß- handelt von Thais und Malayen, er- reichten Indonesien. Sie errichteten 11 Lager, die bis Anfang November vorigen Jahres zu 5 zusammenge- legt wurden. Die größten sind Air Raya und Kuku auf den Anambas- Inseln mit je 14 000 Bewohnern, rund 500 Kilometer nordöstlich von Singapur, und Galang auf der gleichnamigen Insel mit 8000 Viet- namesen, 100 Kilometer südlich von Singapur.

Nach den Plänen der indonesischen Behörden sollen bis März 1980 die beiden Camps auf den Anambas, die

„natürlich" gewachsen sind und aus zahlreichen kleinen Holzhütten be- stehen, geräumt und die Flüchtlinge auf Galang in eilig aufgestellten Ba- racken mit je 100 Schlafplätzen un- tergebracht werden. Indonesien ver- spricht sich davon eine schnellere Abwicklung der Auswanderungsfor- malitäten.

Unter den Flüchtlingen befinden sich 89 Ärzte aller Fachrichtungen und 120 Krankenschwestern; sie ha- ben von Anfang an mit Erfindungs- geist und Tatkraft Ambulanzen und kleine Hospitäler aufgebaut. Je grö- ßer der Spielraum war, der ihnen von den Indonesiern zugestanden.

wurde, desto effektiver konnten sie arbeiten.

Die Lager auf den Anambas, an schmalen Meeresbuchten gelegen, umfassen eine Fläche von etwa ei-

nem Quadratkilometer. Das Trink- wasser wird mehreren schnell flie- ßenden Bächen entnommen, die im unbewohnten Inselinneren entsprin- gen. Die Entnahmestellen sind abge- zäunt.

Die Gemeinschaftstoiletten stehen 300 Meter von den Camps entfernt auf Stelzen am Ufer. Fast alle Be- wohner, von kleineren Kindern ab- gesehen, benutzen sie auch.

Auf der Insel Galang, vor 35 Jahren bereits als japanisches Kriegsgefan- genenlager genutzt, sind die Ge- meinschaftstoiletten des etwa sechs Kilometer von der Küste entfernten Lagers zum Teil in unmittelbarer Nä- he kleinerer Wasserläufe errichtet worden. Sporadisch werden die Fä- kalien mit Erde abgedeckt. Neben zwei größeren Trinkwasserstellen an seichten Bächen waschen täglich 3000 Vietnamesen sich und ihre Wä- sche, wobei schon ein stärkerer Re- gen — die Monsunzeit dauert hier

Tabelle 1: Ethnische, religiöse und altersmäßige Zusammen- setzung des Flüchtlingslagers

„Kuku" am 15. Oktober 1979

1. Flüchtlinge insgesamt 14 996 davon

Vietnamesen 5 500

Chinesen 9 479

Khmer 15

Laotaner 2

2. Religionszugehörigkeit Buddhisten 99 Prozent Katholiken 0,66 Prozent Protestanten 0,12 Prozent 3. Altersverteilung (in Jahren)

0-1 509

2-5 1 071

6-12 1 332

13-15 1 500

16-55 6 294

56 und älter 556

Der Autor ist Mitglied der Ärz- temannschaft des Hilfsschif- fes „Flora" des Deutschen Ro- ten Kreuzes, das Vietnam- Flüchtlinge auf verschiedenen indonesischen Inseln betreut.

Probleme entstehen dort durch die Absicht der Regie- rung, die Flüchtlinge in grö- ßeren Lagern zusammenzu- fassen.

etwa von Oktober bis Februar — Schmutzwasser in den Entnahmebe- reich einspült. Das Trinkwasser ist bereits makroskopisch stark ver- schmutzt. Ein Team des DRK ist in Zusammenarbeit mit Schweizer Experten dabei, eine Trinkwasser- aufbereitungsanlage zu bauen.

Von seuchenartigen Erkrankungen sind die vietnamesischen Flüchtlin- ge trotz ungenügender Ernährung — in erster Linie Mangel an Eiweiß und Vitaminen — und teilweise sehr schlechten sanitären Bedingungen bisher verschont geblieben. Ledig- lich im Juni gab es gehäuft Fälle einer offensichtlich nicht spezifi- schen Diarrhöe, der vor allem Säug- linge zum Opfer fielen. Seit Mitte Oktober werden vermehrt Patienten mit infektiöser Hepatitis beobachtet.

Klinisch manifeste Fälle von Malnu- tritionen sind seltener als erwartet.

Die Mehrzahl der Patienten leidet an Hautkrankheiten, vor allem an Ska- bies, Mykosen und Furunkulosen.

Bedingt durch die Enge in den Hüt- ten, gibt es zahlreiche Verbrennun- gen durch die Feuerstellen bei Klein- kindern. Erkrankungen der oberen Luftwege, wiederum meist bei Kin- dern, folgen an zweiter Stelle, Pneu- monien sind relativ selten. Dagegen steigt ständig der Anteil der Tuber- kulosekranken. In einigen Lagern sind bereits knapp 10 Prozent der Flüchtlinge erkrankt. Meist sind es frische Fälle, aber auch exazerbierte chronische Tuberkulosen, die bis zum Zeitpunkt der Flucht noch tu- berkulostatisch behandelt worden' waren, kommen vor. Bis zu 15 Pro- zent aller Camp-Bewohner bieten

Ein Flüchtlingslager in Indonesien

Klaus Burghard

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 2 vom 10. Januar 1980 79

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Aufsätze • Notizen

BLICK ÜBER DIE GRENZEN

die klinische Symptomatik der Mala- ria, bei einem Viertel davon konnte mikroskopisch der Malaria falcipa- rum nachgewiesen werden.

Die Geburtenrate ist hoch. Bis zu 30 Geburten im Monat — bei 1200 Be- wohnern im Durchschnitt—zählt das kleine Hospital in Air Raya. In allen Lagern war die Säuglingssterblich- keit, wie bereits erwähnt, durch De- hydratation im Juni und Juli sehr groß, genaue Zahlen fehlen. Pro- gramme zur Familienplanung sind angelaufen, scheitern bisher am weitgehenden Fehlen von Kontra- zeptiva. Auch eher ungewöhnliche Erkrankungen, wie ein Larynxpapil- lom bei einem zehnjährigen Jungen, werden beobachtet und therapiert.

Während der Zeit meiner Mitarbeit am Krankenhaus in Kuku wurde von den vietnamesischen Ärzten ein 53jähriger Mann mit Ösophagusvari- zenblutung bei Leberzirrhose erfolg- reich behandelt; über Lagerlaut- sprecher gerufen, fanden sich um

Tabelle 2: Im Hospital von Kuku vom 15. September bis 15. Okto- ber 1979 gestellte Diagnosen

Malaria 23

Tuberkulose 14

davon verstorben 1

Appendizitis 6

Konjunktivitis 6

Diarrhöe 5

Pneumonie 5

Meningitis 5

Dysenterie 4

Hypoproteinämisches Ödem 4

Leberzirrhose 4

Suizid 4

Masern 3

Leberabszeß 3

Hepatitis 3

Asthma 3

Amputatio femoris 3

Coma diabeticum 2

davon verstorben 1 Malaria-Enzephalitis 2

Myositis 2

Hernia inguinalis 1

Mitralstenose 1

Larynxpapillom 1

Hemiplegie 1

Prostata-Ca 1

Verschiedenes 8

ein Uhr nachts in kürzester Zeit zehn Vietnamesen mit der benötigten Blutgruppe zum Blutspenden ein.

Während es in Air Raya nur ein Dis- pensary und in Galang bislang ledig- lich ein Nothospital mit acht Betten gibt, existiert in Kuku ein Kranken- haus mit 25 Betten, dazu Op., Rönt- gengerät und Labor (alles in Zelten untergebracht), Entbindungsraum.

Weiterhin Räume für die internisti- sche, chirurgische und gynäkologi- sche Ambulanz, außerdem Sonder- sprechstunden für Patienten mit Ma- laria oder Tuberkulose sowie für Schwangere und Kleinkinder. Am- bulant werden täglich über 400, sta- tionär im Durchschnitt 15 Patienten behandelt.

Basismedikamente, chirurgisches und gynäkologisches Instrumenta- rium sowie Verbandmaterial sind seit Mitte Oktober, wenn auch noch nicht ausreichend, vorhanden*).

In allen klinischen Einrichtungen fehlen weitgehend adaptierte Mil- chen sowie Säuglingsnahrung, Tu- berkulostatika, Medikamente gegen Malaria sowie Laborausstattungen.

Die Konzentrierung aller vietnamesi- schen Flüchtlinge auf der Insel Ga- lang wird von den Indonesiern for- ciert. Dadurch verschärfen sich in diesem Lager die hygienischen und medizinischen Probleme weiter.

Trotz des großen Einsatzes der viet- namesischen Ärzte und Schwestern sowie der verschiedenen Hilfsorga- nisationen in den Lagern selbst er- scheint es als die dringlichste Aufgabe, alle Vietnamflüchtlinge schnell und unbürokratisch in die aufnahmebereiten Drittländer zu übernehmen.

Anschrift des Verfassers:

Klaus Burghard, Arzt DRK-Hilfsschiff „Flora"

c/o Generalsekretariat des DRK Postfach

5300 Bonn 1

*) Durch die Mithilfe u. a. von UNESCO, UNI- CEF, CARE, Hilfsschiffen aus Frankreich, Norwegen, USA und Deutschland, personell und materiell durch die französische Organi- sation „medicine sans frontiere" sowie das Deutsche Rote Kreuz

WHO

Das Ende der Pocken

Die Weltkommission für die Zertifi- kation der Pockenausrottung, ein Ausschuß der Weltgesundheitsorga- nisation, hat im Dezember 1979 beim Generalsekretär der WHO ei- nen Bericht abgeliefert, in dem sie das Verschwinden der Pocken end- gültig bestätigt. Damit ist zu erwar- ten, daß die nächste Generalver- sammlung der WHO im Mai 1980 die Beseitigung der Pocken auf der Welt nun auch amtlich und verbindlich feststellen wird. Die Kommission er- klärt in ihrem Bericht, daß eine ge- nerelle Pockenimpfung ebensowe- nig mehr erforderlich sei wie Impf- zeugnisse im internationalen Reise- verkehr. Nur noch diejenigen Perso- nen, die wegen ihrer Forschungsar- beiten einem besonderen Risiko ausgesetzt seien, sollten noch ge- gen Pocken geimpft werden. Diese Empfehlung bezieht sich ausdrück- lich auch auf solche Länder, wo die sogenannten „monkey-pox" auftre- ten. Auch die Zusage, jedem, der einen Pockenfall nachweist, 1000 Dollar auszuzahlen, könne von der Weltgesundheitsorganisation nun- mehr zurückgezogen werden. Trotz- dem solle man allen Meldungen, die auch jetzt noch eingehen, mit der gleichen Sorgfalt nachgehen wie bisher. Als „Versicherung gegen das Ungewisse" empfiehlt die Kommis- sion, daß die WHO noch Impfstoff- vorräte bereithalten soll, die für die Impfung von 200 Millionen Men- schen ausreichen. Fortgeführt wer- den solle auch die Forschung auf dem Gebiet der ganzen Virusfamilie, zu der das Pockenvirus gehört, je- doch an höchstens vier Forschungs- laboratorien der WHO.

Vorsitzender der Kommission war Prof. Frank Fenner (Australien). Der Kommission gehörten Mitglieder aus 17 Ländern an: aus Australien, Botswana, Brasilien, China, Frank- reich, Großbritannien, Indien, Iran, Japan, Kenia, Nepal, Philippinen, Polen, Saudi-Arabien, Schweden, Somalia, Sowjetunion (2 Mitglieder), Vereinigte Staaten (2 Mitglieder) und Zaire. bt/WHO

80 Heft 2 vom 10. Januar 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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