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Archiv "Embryonenschutz: Englische Verführung" (19.01.2001)

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P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 3½½½½19. Januar 2001 AA81

Krankenhausärzte

Warten auf Vollzug

Zurzeit gibt es in Fachkreisen noch ab- weichende Einschätzungen und Mei- nungen zu der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 4. Oktober 2000 über die Wer- tung der Bereitschaftsdiensteinsätze von Krankenhausärzten als volle Ar- beitszeit auch in den bundesdeutschen Krankenhäusern und als Pflichtaufla- ge für die Klinikarbeitgeber. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. veranschlagt den Zusatzstellen- bedarf auf rund 10 000 Klinikärzte als Konsequenz einer lupenreinen Um- setzung bei einem zusätzlichen Finan- zierungsbedarf von rund zwei Milliar- den DM jährlich. Der Marburger Bund unterstellt, dass das EuGH-Ur- teil zumindest prinzipiell auch auf die deutschen Krankenhäuser anzuwen- den ist. Veranschlagt wird der dadurch notwendige zusätzliche Stellenbedarf auf rund 15 000 Klinikärzte.

Die politische Führung des Bun- desgesundheitsministeriums gibt sich eher reserviert und mehrfach kondi- tioniert: Beim 23. Deutschen Kran- kenhaustag am 22. November 2000 in Düsseldorf bemerkte die damalige Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer, das EuGH-Urteil müsse zunächst eingehend geprüft werden, ehe für die deutsche Praxis Konse- quenzen gezogen werden können.

Auch der damalige beamtete Staats- sekretär im Bundesgesundheitsmini- sterium, Erwin Jordan, explizierte vor der Hauptversammlung des Marbur- ger Bundes, das Luxemburger Urteil gelte zunächst nur für eine begrenzte Region in Spanien, da dies von einer regionalen spanischen Gewerkschaft erstritten worden sei. Das Bundesge- sundheitsministerium sieht deshalb kei-

nen Anlass zu Eilaktionen oder zu einer vorschnellen Lüftung des engen Kli- nikbudgetdeckels. Es wies darauf hin, dass zunächst das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung prüfen müsse, ob das Urteil auch auf die deut- schen Krankenhäuser anzuwenden ist.

Falls die Rechtsprüfung ergebe, dass Analoges auch in Deutschland Praxis werden müsse, müsse alles darange- setzt werden, mit ablauforganisatori- schen Änderungen die Bereitschafts- dienstregelungen EuGH-konform um- zusetzen. Falls dennoch zusätzliche Personalstellen und mehr Geld erfor- derlich sein sollten, könne die Politik prüfen, ob dies unter den geltenden Bedingungen der sektoralen Budge- tierung dargestellt werden könne.

Von dieser Mehrfachkonditionie- rung will sich der Marburger Bund al- lerdings nicht entmutigen lassen. In- zwischen hat dessen Tarifkommission ein Positionspapier formuliert, mit dem in die Tarifverhandlungen über krankenhausspezifische Regelungen

auch vor dem Hintergrund des Luxem- burger Urteils gegangen werden soll.

Wesentlicher Punkt: Der Ausgleichs- zeitraum der Wochenarbeitszeit darf vier Monate nicht übersteigen.

Die Bereitschaftsdienststufen A bis D, die im BAT festgelegt worden sind, werden künftig von einer einheitli- chen Bereitschaftsdienst-Definition abgelöst. Dieser Dienst darf, so der MB, in seiner Belastung 49 Prozent nicht überschreiten und an Werktagen nicht länger als 12 Stunden dauern.

An Wochenenden und an Feiertagen sind 13 Stunden dauernde Bereit- schaftsdiensteinsätze möglich. Der Dienst wird zu hundert Prozent als Arbeitszeit vergütet, das heißt, es wer- den Überstundenzuschläge und Zu- schläge für Einsatzzeiten an Weih- nachten gezahlt. Dienste mit geringfü- giger Arbeitsbelastung – nicht mehr als 12,5 Prozent – werden als Rufbe- reitschaft abgeleistet. – Man darf ge- spannt sein, wie der Clinch enden wird. Dr. rer. pol. Harald Clade

KOMMENTAR

Embryonenschutz

Englische Verführung

Das Feuilleton der Frankfurter Allge- meinen Zeitung hat neuerdings einen gewissen Ruf, gegenüber dem Fort- schritt in der Biotechnologie beson- ders aufgeschlossen zu sein und die tradierte Ethik, angesichts allerlei hochgespannter Hoffnungen, infrage zu stellen. Die Lehre vom Segen der reinen Marktwirtschaft schwappt so vom Wirtschafts- und Finanzteil ins Kulturelle.

Ganz in diesem Sinne erschien dort am 29. Dezember letzten Jahres ein Artikel „gegen eine Ethik mit Scheu- klappen“, in dem Karl-Friedrich Se-

wing die Entscheidung des britischen Unterhauses zum so genannten thera- peutischen Klonen verständnisvoll würdigte und Kritiker aus Deutsch- land als „verbale Schnellfeuergeweh- re“ abtat. Lediglich Bundeskanzler Schröder bekam ein Lob wegen seiner

„Ansätze einer differenzierten Be- trachtungsweise“.

Sewing spricht sich für Forschung an embryonalen Stammzellen aus,

„überzählige“ Embryonen, die bei der künstlichen Befruchtung anfielen, sollten eingesetzt werden dürfen. Die traditionellen Verfahren hätten wohl ausgedient, der Aufbruch zu neuen Ufern sei gerechtfertigt, begründet Sewing. Wenn im Ausland mit em- bryonalen Stammzellen geforscht werde, dürfe sich die deutsche medi- zinische Wissenschaft nicht verwei- gern.

Sewing firmiert in der Frankfurter Allgemeinen als Vorsitzender des

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Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer, nicht als Pri- vatmann. Dem würde man selbst- verständlich die Freiheit zubilligen, seine Meinung in dieser Weise zu artikulieren und gegen (angebli- che) ethische Scheuklappen aufzu- fahren. Für den Vorsitzenden einer offiziellen Einrichtung der Ärzte- schaft gelten andere Spielregeln.

Sewing vertritt Auffassungen, die vielleicht von interessierten Forschern geteilt werden, nicht aber von der verfassten Ärzte- schaft. Er segelt somit unter fal- scher Flagge. Er segelt freilich im Strom des Zeitgeistes, gehört er doch zu jenen, die angestrengt da- nach suchen, Forschung an Em- bryonen, die bisher nicht erlaubt und ärztlich umstritten ist, zu recht- fertigen.

Lockt Sewing mit dem noch rela- tiv schlichten Hinweis auf das Aus- land, dann der neue Kulturstaats- minister in des Bundeskanzlers Ka- binett mit philosophischen Versu- chungen, was nahe liegt, ist doch Ju- lian Nida-Rümelin Professor für Philosophie: Für ihn (so sein Arti- kel im Berliner Tagesspiegel vom 3.

Januar) ist das ausschlaggebende Kriterium die Menschenwürde.

So weit, so gut. Doch dann kommt’s. Die rhetorische Frage, ob das Klonen eines Embryos die Menschenwürde beschädige, be- antwortet er: „Die Antwort ist für mich: zweifellos nein.“ Denn, so Nida-Rümelins Rechtfertigung:

„Die Achtung der Menschenwürde ist dort angebracht, wo die Voraus- setzungen erfüllt sind, dass ein menschliches Wesen entwürdigt werde, ihm seine Selbstachtung ge- nommen werden kann. Daher lässt sich das Kriterium der Menschen- würde nicht auf Embryonen aus- weiten. Die Selbstachtung eines Embryonen lässt sich nicht beschä- digen.“

Das ist die anspruchsvolle Ver- brämung des Bioethikers Nida-Rü- melin von Sewings schlichtem Utili- tarismus. Die Schlittenfahrt hat be- gonnen. Norbert Jachertz

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ie rund 116 000 niedergeslassenen Vertragsärzte haben ihre Dele- gierten für die Vertreterversamm- lungen der 23 Kassenärztlichen Verei- nigungen gewählt – zum Teil mit spek- takulären Ergebnissen. In einer der kleinsten KVen, in Bremen, kam es zu einem Desaster für die Hausärzte. Im Kassenarztparlament der Hansestadt sind in den nächsten vier Jahren nur Fachärzte vertreten; kein Hausarzt schaffte den Sprung in die Vertreterver- sammlung.

Umgekehrt sind die „neuen Ver- hältnisse“ in Sachsen-Anhalt. Dort be- stimmen künftig allein die Hausärzte die Politik der KV. In Mecklenburg- Vorpommern treffen die Hausärzte auf eine verschwindend kleine Gruppe von fachärztlichen Delegierten. Das war allerdings schon in der vergange- nen Legislaturperiode nicht anders.

Deutliche fachärztliche Übergewichte gibt es in Süd-Württemberg und Rheinhessen. Von einem Erdrutsch wie in Bremen kann dort jedoch nicht die Rede sein.

Wenngleich bei den meisten KVen ein nahezu ausgeglichenes Verhältnis zwi- schen hausärztlichen und fachärztlichen Delegierten bewahrt wurde, geben die Wahlergebnisse in Bremen und Sach- sen-Anhalt Anlass zur Sorge. So feiert selbst die Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände (GFB) den „fachärztli- chen Kantersieg“ in der Hansestadt nicht als Triumph. In einer Pressemittei- lung der GFB heißt es: „Die Wahlen brachten zum Teil erschreckende Ergeb- nisse. Erschreckend, weil in einigen Gre- mien entweder Haus- oder Fachärzte nicht vertreten sind.“

Tatsächlich kann eine Kassenärztli- che Vereinigung ihrem Anspruch auf die Interessenvertretung aller Vertragsärzte in ihrem Einzugsgebiet nur dann glaub- würdig nachkommen, wenn die ver- schiedenen Arztgruppen auch in den

entscheidenden Gremien der KV vertre- ten sind. Ist das in einigen Kassenärztli- chen Vereinigungen jetzt nicht mehr der Fall, lässt sich daran eine zunehmende Lagerbildung von Haus- und Fachärzten ablesen.

In Einzelfällen mag dies auf regio- nale Besonderheiten zurückzuführen sein – etwa in den KVen, in denen zu- vor die eine oder andere Gruppe zu großen Einfluss (ausgeübt) hatte. Die GFB hält indes die Politik für verant- wortlich. Sie habe ihr Ziel erreicht, die Ärzteschaft in zwei Lager aufzuspal- ten. Die Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände verschweigt dabei je- doch ihre eigene Rolle, die sie zumin- dest im Bremer Wahlkampf gespielt hat. Versuche, den verheerenden Flur- schaden für die Hausärzte durch das freiwillige Abtreten eines Mandats an die Hausärzte zu mildern, sind ge- scheitert.

GFB schlägt eine garantierte Mindestzahl an Sitzen vor

Dennoch ist das Argument, dass die Po- litik zur Polarisierung von Haus- und Fachärzten beigetragen hat, nicht von der Hand zu weisen. Die gesetzlich vor- geschriebene Aufteilung der Vergütung in einen haus- und fachärztlichen An- teil, vor allem aber die Zuordnung der Psychotherapeuten zu den Fachärzten hat viele Spezialisten verärgert – nicht wenige sogar in wirtschaftliche Be- drängnis gebracht.

Die GFB schlägt nun vor, die Satzun- gen der KVen so zu verändern, dass Haus- und Fachärzte eine garantierte Mindestzahl von Sitzen in den Vertre- terversammlungen erhalten. Der Rest würde dann im Verhältnis der Stimm- zahlen aufgeteilt. Dies wäre allerdings frühestens bei den nächsten Wahlen

möglich. Josef Maus

KV-Wahlen

Fatale Lagerbildung

In einer Kassenärztlichen Vereinigung sind nur Hausärzte,

in einer anderen nur Fachärzte in der Vertretersammlung.

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