• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Sorgen und Probleme der Bürger und der Ärzte (1)" (30.03.1984)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Sorgen und Probleme der Bürger und der Ärzte (1)" (30.03.1984)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Horst Becker

Sorgen und Probleme

der Bürger und der Ärzte (1)

Zukunftsängste der Bevölkerung vor allem wegen

Arbeitslosigkeit, Umweltverschmutzung, Friedensgefährdung, Drogenabhängigkeit und Alkoholismus bei Jugendlichen

Meinungsumfragen und ihre Ergebnisse

Kulturmagazin

Vorbemerkung

Gegen Ende jedes Jahres wird von verschiedenen Umfragein- stituten die Frage untersucht, mit welchen Erwartungen die Deutschen in das neue Jahr ge- hen. Den Wirtschaftserwartun- gen gilt die besondere Aufmerk- samkeit. Man sieht in ihnen — und kann sich dabei auf Erfah- rungen aus den letzten Jahren stützen — einen wichtigen Indi- kator für Spar- oder Kaufbereits- chaft, für die Neigung zu Investi- tionen oder Rücklagenbildun- gen in verschiedenen Gruppen der Gesellschaft.

In den letzten Jahren (und auch heuer) dominierten allerdings weniger die Hoffnungen, son- dern die Sorgen und Ängste.

Der „Problemdruck", der auf den Bürgern lastet, hat sich ver- stärkt, das Spektrum der The- men, die in der Bevölkerung Angst auslösen, hat sich verbrei- tert und bündelt sich in der Sor- ge um die Zukunft der nach- wachsenden Generationen.

Mit diesen „Themen und Proble- men" die den Bürgern im Blick auf die nächsten Jahre persön-

hat sich das Münchner Institut Infratest Sozialforschung in sei- nen Untersuchungen regelmä- ßig beschäftigt. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Bevölke- rungsumfragen werden in dem vorliegenden Bericht vorge- stellt.

Für das DEUTSCHE ÄRZTE- BLATT hat die Infratest Gesund- heitsforschung ein Experiment durchgeführt:

Das Institut ging der Frage nach, inwieweit die allgemeinen und alltäglichen Sorgen der Bürger auch Gegenstand in Gesprä- chen zwischen Arzt und Patient im niedergelassenen Bereich sind. Wie weit sind die Ärzte

„Problemhörer" und welche Probleme werden an sie heran- getragen? Schließlich wurden die von Infratest befragten All- gemeinärzte und Internisten mit dem gleichen „Sorgen- und Pro- blem-Katalog" konfrontiert, der auch in den Bevölkerungsbefra- gungen untersucht wurde.

Auch die Ärzte äußerten sich al- so zu Problemen, die ihnen per- sönlich Sorgen bereiten. Es soll- te herausgefunden werden, ob

Auch wenn sie überzeichnet oder

gar irreal erscheinen: kollektive Angste sind Teil des Zeitgeistes

beiden Arztgruppen die „Pro- blemlandschaft" ähnlich oder anders wahrnehmen als andere Bevölkerungsgruppen. Um den angestrebten Vergleich zu si- chern, mußte die Fragestellung in beiden Untersuchungen iden- tisch gehalten werden; spezielle Problemlagen der Ärzteschaft konnten also in dieser Studie nicht aufgegriffen werden. Über die Ergebnisse der Arztbefra- gung wird in einer folgenden Ausgabe des DEUTSCHEN ÄRZ- TEBLATTES berichtet.

Anmerkungen zum

Problem des „demoskopischen Durchschnittsbürgers"

Ein altes und beliebtes Vorurteil besagt, daß sich nur wenige Din- ge besser zum Lügen eignen als

(2)

*) Zu diesem Zeitpunkt nicht erhoben

Erwachsene Bürger (ab 18 Jahre)

„Mache mir persön- lich Sorgen” wegen

— zunehmende Arbeitslosigkeit

— Umweltver- schmutzung und -zerstörung

— Gefährdung des Friedens in Europa

51 75 83 81

51 56 65 76

*) 54 52 63

August 1980

Jan./Febr.

1983

— Prozentwerte —

Oktober 1983 März

1982

Tabelle 1

Sorgen der Bürger

sen wird dabei jedoch häufig, daß diese Tatsache nicht gegen die Statistiken spricht, sondern gegen ihre mißbräuchlichen Verwender. Diese Aussage gilt verschärft für den publizisti- schen Umgang mit dem Phan- tom des „demoskopischen Durchschnittsbürgers".

In einer Karikatur wurde er ein- mal treffend vorgestellt: „Ich stimme zu 53% Meinung A zu, zu 35% Meinung B und den Rest bin ich unentschieden."

Konkret begegnet uns der

„Durchschnittsbürger" in einer Art „demoskopischer Problem- Hit-Parade", wenn in der Presse oder im Fernsehen darüber be- richtet wird, welche Probleme

„den Durchschnittsbürger" zur Zeit vor allem bewegen.

Das liest sich dann etwa so: „Die Wirtschaftspolitik rangiert inzwi- schen vor der Sicherheitspolitik;

sozialpolitische Probleme treten in den Hintergrund, während die Bedeutung der Ausländerpro- blematik sprunghaft zunimmt.

Mietprobleme nehmen einen mittleren Platz ein."

Am Beispiel des letzten Satzes möchte ich die Problematik, auf die ich hinweisen will, verdeut-

lichen: Es ist wenig erstaunlich,

„Mache mir Sorgen wegen der wachsenden Arbeitslo- sigkeit"

— Prozentwerte —

Gesamt 81

Arbeitslose 91

Berufstätige 85

Nicht Berufstätige 75 Rentner/Pensionäre 76 Schüler/Lehrlinge/

Studenten 86

Berufstätige ...

— Arbeiter 85

— untere/mittlere

Angestellte 88

— Beamte 74

— leitende Angestellte

u. Beamte 86

— Selbständige/

freiberuflich Tätige 81 Tabelle 2

daß „Mietprobleme" in der Ge- samtbevölkerung kein vorrangi- ges Problem sind, denn: rund die Hälfte der Deutschen wohnt heute in einem Eigenheim oder in einer Eigentumswohnung; im ländlichen Bereich liegt dieser Anteil sogar bei rund zwei Drit- tel. Für sie haben Mietprobleme tatsächlich keine überragende Bedeutung, wohl aber für die Mieter selbst. Die „Durch-

schnittsbetrachtung" ist hier al- so sehr irreführend — ebenso wie es die immerhin mögliche Feststellung wäre, daß den

„Durchschnittsbürger" die Sor- ge um die eigene Gesundheit kaum plage (wenn er nicht krank ist oder der älteren Generation angehört).

Die angeführten Beispiele ver- deutlichen, daß in Umfragen er- mittelte Einstellungen oder Mei- nungen häufig nur dann etwas aussagen, wenn jeweils „Hinter- grundvariablen" wie z. B. Inter- essenlagen, sozialer Status oder ähnliches mit herangezogen werden, die das ermittelte Mei- nungsbild erklären.

An dieser Stelle komme ich noch einmal auf die eingangs er- wähnten Umfragen über die Wirtschaftserwartungen der Deutschen zurück. Für 1984 melden verschiedene Institute aufkommenden Wirtschaftsopti- mismus in der Bevölkerung. In der Bevölkerung? Sicherlich nicht. Richtig ist: die Minderheit jener, die optimistisch sind, ist heute größer als vor einem Jahr.

Ein Blick auf die Einzelergebnis- se der Untersuchungen zeigt, daß nur in bestimmten Gruppen der Bevölkerung eine zuver- sichtlichere Stimmung anzutref- fen ist:

parteipolitisch eingeordnet sind es vor allem Anhänger der Bon- ner Regierungsparteien, wäh- rend die Anhänger der Opposi- tionsparteien skeptisch bleiben;

sozio-ökonomisch eingeordnet sind es vor allem die ökono- misch besser gestellten Grup- pen, die optimistischer in das neue Jahr gehen, während die unteren sozialen Schichten nach wie vor keinen Grund zum Wirtschaftsoptimismus sehen.

Die Problemsicht der Bürger ist von konkreten materiellen Inter- essenslagen ebenso geprägt wie von Normen, Wertvorstel- lungen, Idealen oder auch 'deo-

(3)

„Mache mir Sorgen wegen ...

— zunehmende Umweltver- schmutzung und

-zerstörung"

— Gefährdung des Friedens

in Europa"

Parteisympathien CDU/CSU SPD FDP Grüne Alter

18-24 Jahre 25-34 Jahre 35-44 Jahre 45-59 Jahre 60 Jahre und älter Formale Schulbildung

Volksschule Mittlerer Abschluß Abitur

81 85 83 94

86 81 79 74 68

70 82 90

55 69 67 81

69 67 58 62 62

61 64 70

logien, von der Berufsrolle ebenso wie von den Rollen, die man im privaten Bereich aus- füllt, von der Lebenserfahrung ebenso wie von der physischen und psychischen Verfassung.

Dies ist ein eindeutiger empiri- scher Befund, den Arbeitgeber im Gespräch mit Arbeitneh-

Über die von parteipolitischen, sozialen und von anderen Ursa- chen bestimmten Grenzen hin- weg, sind sich die Bürger in der

Bundesrepublik heute weitge- hend darin einig, daß folgende Probleme unsere Zukunft zu be- drohen scheinen:

— hohe Arbeitslosigkeit

— Umweltzerstörung

— Gefährdung des Friedens in Europa.

Diese Aussage wird heute nie- manden überraschen. Bemer- kenswert ist aber die Geschwin- digkeit, mit der dieser Mei- nungskonsens zustande kam.

Noch Ende 1981 meinte zum Beispiel nur rund die Hälfte der Bürger, man müsse sich wegen der Umweltverschmutzung und -zerstörung Sorgen machen, En- de 1983 sind es bereits drei Vier- tel. Anfang 1983 äußerten sich 52 v. H. besorgt über eine „Ge- fährdung des Friedens in Euro- pa", im Oktober 1983 zeigten sich bereits 63 v. H. der Bürger beunruhigt (Tabelle 1).

Das Problem der Arbeitslosig- keit beunruhigt heute nicht mehr nur diejenigen, die davon unmittelbar betroffen oder zu- mindest bedroht sind, sondern

mern, Eltern im Gespräch mit ih- ren Kindern, Christen im Ge- spräch mit Atheisten täglich er- leben.

Weil dies so ist, habe ich hier ein Plädoyer gegen den „demosko- pischen Durchschnittsbürger"

gehalten. Er ist eine statistische Fiktion.

ten: Die Beamten äußern sich fast ebenso häufig besorgt wie die Arbeitnehmer in der Privat- wirtschaft, nicht Berufstätige fast ebenso wie die Berufstäti- gen (Tabelle 2).

Eine wichtige Erklärung für die Tatsache, daß selbst Arbeitneh- mer mit sicheren Arbeitsplätzen beim Thema Arbeitslosigkeit be- sorgt und engagiert sind, ist u. a.

in der Sorge um die Zukunfts-

„Mache mir Sorgen, daß im- mer mehr Arbeitsplätze weg- rationalisiert werden"

— Prozentwerte —

Gesamt 66

Arbeitslose 91

Berufstätige 76

Berufstätige ...

— Arbeiter 79

— Angestellte in unteren u.

mittleren Positionen 79

— Beamte in unteren und mittleren Positionen 72

— leitende Angestellte und

Beamte 67

Tabelle 3

chancen der Kinder und Jugendlichen zu sehen. Jugend- arbeitslosigkeit und Lehrstellen- mangel— dies wissen wir aus an- deren Untersuchungen — sind Themen mit hoher emotionaler Brisanz, bei den Jugendlichen selbst wie auch bei deren Eltern.

Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung,

Gefährdung des Friedens

(4)

Sorgen der Bürger

Ein wichtiger Faktor ist die Furcht vor Rationalisierungs- maßnahmen im Betrieb. Sie sind für die Beschäftigten ein unkal- kulierbares Risiko, das — wie die Tabelle 3 zeigt —.selbst die Inha- ber von leitenden Positionen in den Betrieben beunruhigt.

Noch vor wenigen Jahren war — den Umfragen zufolge — das Thema Umweltschutz noch ein Problembereich, der vor allem jüngere Menschen sowie die An- gehörigen der höheren Bil- dungsschichten beschäftigte.

Als am Beispiel des „Waldster- bens" aufschien, daß der Belast- barkeit der Natur Grenzen ge- setzt sind, begannen sich auch jene Bürger Sorgen zu machen,

Im Herbst 1979 ermittelte die In- fratest Sozialforschung im Rah- men ihrer Untersuchungen über die Sorgen der Bürger ein er- staunliches Ergebnis: 70 v. H.

der Erwachsenen in der Bun- desrepublik äußerten sich beun- ruhigt darüber, „daß es unter den Jugendlichen immer mehr Drogenabhängigkeit und Alko- holismus gibt."

Erstaunlich war zunächst die starke Verbreitung dieser Sor- ge, die sich nicht auf bestimmte

„Mache mir Sorgen darüber, daß es unter den Jugendli- chen immer mehr Drogenab- hängige und Alkoholiker gibt"

— Prozentwerte —

Oktober 1979 70

August 1980 61

November 1981 57

März 1982 57

Oktober 1983 64

Tabelle 5

die zuvor die Umweltschutzdis- kussion als übertrieben empfun- den hatten. Heute ist in den An- hängerschaften aller Parteien, in allen Altersgruppen und in den verschiedenen Bildungs- schichten die überwiegende Mehrheit der Meinung, daß der Umweltschutz als vordringliches Problem zu sehen ist (Tabelle 4).

Beim dritten zentralen „Sorgen- bereich" — der „Friedensthema- tik"deuten die Umfragen dar- auf hin, daß die Beunruhigung in der Bevölkerung in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Heute äußert sich in al- len Bevölkerungsgruppen eine Mehrheit besorgt zu diesem Thema (Tabelle 4).

Gruppen (z. B. Eltern) oder Re- gionen (z. B. Städte) beschränk- te, sondern in allen sozialen Schichten, im ländlichen wie im städtischen Bereich vorzufinden war.

Überraschend war das Ergebnis aber auch deshalb, weil objektiv der Alkohol- und Drogenmiß- brauch durch Jugendliche in den zurückliegenden Jahren eher ab- als zugenommen hatte.

(Vgl. dazu: Alkohol, Drogen, Me- dikamente, Tabak. Untersu- chungsreihe „Jugend fragt Ju- gend". Durchgeführt von der In- fratest Gesundheitsforschung.

1982 veröffentlicht von den Bayerischen Staatsministerien des Innern und für Jugend und Sozialordnung).

Eine wichtige Erklärung war da- mals zweifellos in der spektaku- lären Veröffentlichungsserie über die „Kinder vom Bahnhof Zoo" zu sehen, die ergänzt wur- de durch die regelmäßige Publi- zierung der wachsenden Zahl von Rauschgiftopfern infolge

„Mache mir Sorgen, daß die Preise stark steigen"

— Prozentwerte —

Gesamt 51

Arbeitslose 66

Rentner/Pensionäre 57 Un-/angelernte Arbeiter 69

Facharbeiter 57

Leitende Angestellte

und Beamte 25

Selbständige in mittl. und größeren Unternehmen;

freiberuflich Tätige 25 Tabelle 6

des Umsteigens auf „harte Dro- gen". Die Geschichte der „Chri- stiane F." löste sicherlich nicht nur Betroffenheit und Mitleid aus, sondern diente manchem als Beweis für die Haltlosigkeit und Orientierungslosigkeit „der Jugend" schlechthin. Nach dem Abklingen des „Sensationsef- fektes" zeigten sich folgerichtig in den Bevölkerungsbefragun- gen weniger Bürger von diesem Problem „betroffen". Doch ihr Anteil ist immer noch sehr hoch:

64 v. H. (Tabelle 5).

In diesem Betroffensein spiegelt sich wahrscheinlich auch die Angst um eine mögliche Gefähr- dung der eigenen Kinder oder der Enkel wider. Für diese An- nahme spricht z. B., daß die El- tern von Jugendlichen sich weit

häufiger besorgt zum Drogen- thema äußern (70 v. H.) als die Eltern von (noch nicht gefährde- ten) Kleinkindern (53 v. H.).

Auch die Tatsache, daß anschei- nend viele Patienten mit „ih- rem" Arzt dieses Thema bespre- chen (darüber wird in einer fol- genden Ausgabe des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTS berich- tet) deutet in diese Richtung.

Auch heute gilt im übrigen, daß die Drogenproblematik in allen

Drogenabhängigkeit und Alkoholismus

bei Jugendlichen

(5)

sozialen Schichten Beunruhi- gung hervorruft, und daß sie — als Folge der Dezentralisierung

der Drogenszene seit Mitte der 70er Jahre — die Bevölkerung im ländlichen Bereich ebenso be- schäftigt wie die in den Städten.

Von speziellen

Problemen betroffen

Bei meinen Bemerkungen über den „statistischen Durch- schnittsbürger" habe ich darauf hingewiesen, daß Aussagen über Einstellungen oder Verhal- tensweisen „der Gesamtbevöl- kerung" zu Fehleinschätzungen führen können, wenn eine de- taillierte Betrachtung von wichti- gen Teilgruppen der Bevölke- rung unterbleibt.

Beispielsweise könnte die Tat- sache, daß heute nur noch rund die Hälfte der Bürger (1980 noch rund zwei Drittel) das „Anstei- gen der Preise" als Problem sieht, zu der Annahme führen, dieses Thema sei für „die Bür- ger" inzwischen zweitrangig.

Dies gilt aber nur für die besser Verdienenden, die Inhaber ge- hobener Berufspositionen. Ar- beiter, Rentner oder Arbeitslose äußern sich nach wie vor sehr besorgt über ansteigende Prei- se (Tabelle 6).

Weitere Beispiele:

Die Möglichkeit, daß irgend- wann „die Renten gekürzt wer- den" könnten, beunruhigt nur rund die Hälfte der Gesamtbe- völkerung, aber 73 v. H. der Be- troffenen selbst (Rentner und Pensionäre);

über die wachsende Zahl der ausländischen Arbeitnehmer äußern sich nur 29 v. H. der Bür- ger besorgt; bei den Gruppen, die die Ausländer am ehesten als Konkurrenten um den Ar- beitsplatz erleben, ist dieser An- teil deutlich höher: bei den Ar- beitslosen beträgt er 48 v. H.;

bei den Arbeitern 41 v. H.

Proteste gegen die drohende Computerwelt 'können nicht laut genug sein. In Orwells Buch geht es aber nur sekundär um dieses Problem. Die Überwa- chung ist nur ein Mittel der völli- gen Unterdrückung. In dem Ro- man geht es um deutlich mehr—

wenn es auch recht oberfläch- lich und ungeordnet vorgetra- gen wird. In der heutigen schick- salsschweren Welt wäre es ein tragisches Versäumnis, die Grundlagen der Orwellschen Gedanken nicht aufzunehmen und rationell weiter zu denken.

Am Ende des Romans stellt man die Frage: „Wie kommt es doch zu solch einer Welt?" Wenn wir eine Antwort darauf wissen, hat das Buch sein Ziel erreicht. Die Unwissenheit der Masse wird durch einfache Beeinflussungs- methoden in mobilisierende Energie umgesetzt, damit dann frühere Herrscherschichten ab- gesetzt und eine neue Herr- scherschicht aufgehoben. Ein einfacher, in der Geschichte häufiger reproduzierter Prozeß, welcher mit dem Namen „Revo- lution und Fortschritt" schmack- haft gemacht wird. Es geht hier um Schichten und nicht um Ein- zelpersonen, also werden die ei- genen Reihen genauso erbar- mungslos überwacht und gege- benenfalls die besten Leute „va- porisiert", wie in der feindlichen Umgebung, wenn nicht sogar unmenschlicher, nicht raffinier- te r.

Man soll mit den Wölfen heulen

— wird in dem Roman gemeint, man soll es aber doch nicht, denn so setzt man sich beson- derer Lebensgefahr aus. Man soll überhaupt nie mit Wölfen

schäfte machen, sich verkaufen, denn wenn man die Wahrheit er- kennt, ist es schon zu spät!

„1984" war eine Mahnung, als die Welt schon den zweiten An- fall einer Erkrankung hinter sich hatte. Kaum trat die Besserung ein, zeichnete sich ein neuer An- fall — vielleicht der tödliche — ab.

Die Warnung wurde nicht wahr- genommen. Im Jahre 1984 wird ein Buch, durch seinen ge- schickt gewählten Titel, wieder Bestseller. Die Warnung wird aber auch diesmal verkannt oder nur teilweise klar darge- stellt. Man verirrt sich in Einzel- heiten und merkt nicht, daß das wahre Jahr 1984 in vielen Teilen der Erde deutlich düsterer ist, als es damals vorstellbar war.

Der große Bruder heißt nicht Computer, er ist ein Mensch, und er wird es auch bleiben, schließlich bleibt hinter jeder Maschine der Mensch stehen.

Die grausam dargestellten Fol- terungen sind milde Spielereien im Vergleich zu den heutigen, auf exakten wissenschaftlichen Methoden basierende Psycho- foltermethoden. Zur Ausliefe- rung des einzelnen Menschen braucht man keine Technik, es reicht die einfache existentielle Drohung, die Angst ist besser als der beste Televisor.

Sämtliche Beiträge im Namen eines sich für unsere Gegenwart quälenden Mannes sollen also dahin wirken, daß unsere Zu- kunft nicht Opfer einer Tuberku- lose der Bösartigkeit, in typi- scher „Neusprache" kein „Tub- futur" wird.

Anschrift des Verfassers:

Dr. H. Peter Szutrely

Der große Bruder heißt nicht Computer

H. Peter Szutrely

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

tet, dass der Gegenanflug genauso laut sei wie der Endanflug. Ich kann nicht beurteilen, wie Frau Atzert zu dieser Erkenntnis kommt, aber es ist schlicht falsch. Im Gegenanflug

Auch in dieser Befragung legten die Bürger großen Wert auf die freie Arztwahl (75 Prozent: „auf jeden Fall wichtig“), ebenso auf eine frei nutzba- re Chipkarte (54 Prozent: „auf

meinen Bediensteten über- haupt was taugt, kriegt dauernd Kinder, so daß ich mehr ein La- zarett als einen Haushalt, mehr ein Waisenhaus als einen Land- sitz führe." Die

Der Stundensatz für Sach- verständige soll von zur Zeit 20 bis 50 DM auf 30 bis 70 DM erhöht werden.. Die- se Obergrenze kann (wie auch bisher schon) in be- sonderen Fällen um bis

In Bayern haben nach Angaben des BUND 317 941 Menschen gegen TTIP und CETA unterschrieben.. Der BUND hatte die Protestaktion gemeinsam

die zuständige Aufbereitungs- kommission jetzt begonnen hat, den Wissensstand über NSAID zu kompilieren, ihn in kurzgefaßte In- formation umzusetzen und präzi- sere Regeln für

Medizinisch bestand für diese Akti- on überhaupt kein Anlaß, da die am- bulante medizinische Versorgung durch niedergelassene Ärzte auf dem Boden der gesetzlichen

Wäre es hier nicht viel sinnvoller, ein Rotationssystem zwischen kleiner und großer Klinik einzuführen, so- dass auch dem ärztlichen Kollegen, der an einem