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Bericht und Meinung DIE GLOSSE
Keine Sorgen mit der Kostendämpfung
Weder Sorgen noch Lasten mit dem am 1. Juli in Kraft getretenen Bonner Strukturveränderungsgesetz haben derzeit Heilpraktiker. Um Kosten- dämpfung im Gesundheitswesen müssen sie sich nicht bemühen; of- fenbar steht ihnen gar eine neue Blütezeit bevor. Kurt Tepperwein, Heilpraktiker aus einer bundesrepu- blikanischen Kleinstadt beispiels- weise, kennt das Rezept, das man befolgen muß, um in seiner Sparte unverdrossen an der Gewinnmaxi- mierungsschraube drehen zu kön- nen.
Unter der Schlagzeile „Wie verviel- fache ich den Gewinn in meiner Na- turheilpraxis" macht ein Krefelder Verlag auf ein „Sonderseminar" je- nes Kurt Tepperwein aufmerksam.
Ein erfahrener Praktiker, so heißt es darin unter anderem — früher erfolg- reicher Unternehmensberater, heute Heilpraktiker — verrät seine Erfolgs- methode: Man könne durchaus sei- nen Mitmenschen helfen und dabei reich werden. Die geschilderten Methoden würden täglich ange- wandt...
Der Ex-Unternehmensberater habe mit einem Startkapital von etwa 3800 DM in einer kleinen Stadt eine Na- turheilpraxis eröffnet, so wird T.'s
„Weg zum Erfolg" beschrieben. Im ersten Monat hätten seine Einnah- men nur 4800 DM betragen, aber schon sechs Monate später sollen sie bei 92 000 DM pro Monat gele- gen haben.
Heilpraktiker T. vertrete die Ansicht, man könne seinen Patienten erst dann optimal helfen, wenn man da- bei nicht mehr auf das Geld zu ach- ten brauche. Da er selbst dieses Sta- dium längst erreicht habe, sei er vor- behaltlos bereit, seine „Erfahrun- gen" Kollegen zu vermitteln.
Dann folgt aus dem Seminarpro- gramm ein umfangreicher Auszug, der mit „Werbemöglichkeiten in der Anamnese" beginnt und über „das Delegieren von Aufgaben", „Das
Buch als Therapie" schließlich zum Tagesordnungspunkt „So vermehrt sich Ihr Geld von selbst" überleitet.
Nicht bekannt ist, wie viele Interes- senten das obskure „Sondersemi- nar" des Heilpraktikers Kurt T. be- sucht haben. Immerhin: Bei einer Teilnehmergebühr von 300 DM war wohl dafür gesorgt, daß zumindest sein Streben nach Gewinnmaximie- rung wieder einmal zum Ziel führte. UV
SATIRE
Verdammt, Patient zu sein!
Alles redet über die Ärzte. Nur weni- ge über ihn — den Patienten. Es sei denn als Opfer jener, die im Streben nach Reichtum und Macht sich sei- ner bedienen! Armselig steht er vor dem Halbgott in Weiß — hilflos aus- geliefert diesem Vampir! Wer schützt den Kranken vor der Gier dieser Barbaren, die eigentlich doch, ähnlich den Mönchen, ohne Eigennutz helfen sollten. Selbst dort, wo es keiner Hilfe bedarf.
Zu allen Zeiten gab es Ärger mit der Zunft der Heiler, weil sie immer we- niger vermochten, als man erhoffte.
Trotz Quacksalbergilde und Teufels- beschwörer kamen damals Pest und Cholera wie heute Herzinfarkt und Krebs. Lebten wir nicht länger ohne sie? Vielleicht in alle Ewigkeit! Sollte letzteres zu beweisen sein, wären diese Zunftgenossen freilich bedingt von Nutzen. Weniger für die Kranken zwar, aber doch für Sargmacher, Leichenbestatter, Kirchen und nicht zu vergessen Politiker! Denn wie sollte ohne sie, die Ärzte, Bevölke- rungsüber- wie -ausschuß zu bewäl- tigen sein? So gesehen, bräuchten wir doch noch mehr von diesen Halbgöttern, damit auch ohne Kriege die Alterspyramide gekürzt und das Brot nicht zu knapp werde!
Vorsicht dennoch, wer am Leben hängt! Mißtrauen sei die erste Über- lebenspflicht! Gehe niemals ohne Rechtsanwalt zur Konsultation. Bei
besonders schlechtem Ruf des Be- handlers mit Pistole! Lehne Hand- schlag zur Begrüßung ab — gezielte Infektionsgefahr; schließlich hat der Arzt sein Soll. Bei körperlicher Be- rührung deshalb aufgepaßt! Sollte sie nicht zu vermeiden sein, merke Dir jeden Handgriff und fixiere schriftlich hinterher, welches Organ geschädigt, wenn nicht gar zerris- sen wurde! Tabletten einnehmen — niemals! Und wenn's nicht anders geht, erst nach Analyse im Kriminal- technischen Institut. Spritzen — erst recht nicht! Im Notfall nur, nachdem der Behandler die Hälfte sich selbst gegeben hat.
Auch traue nicht dem Kinderarzt! Er- nährungsvorschläge zielen auf den Hungertod Deines schönsten Spiel- zeugs, damit der Staat an Schulen und Lehrern einsparen kann. Ein Trost, daß derzeit die Geburtshelfer schon dafür sorgen. Diese wie die Chirurgen sollte man kurz vor wie nach Steuerterminen meiden; be- sonders, wenn die Krankensäle leer und die Operationstermine selten sind!
Nervenärzte sind bestrebt, Deine Persönlichkeit zu spalten. Denn je mehr der Bürger verblödet, um so besser geht es diesen selbst!
So braucht man immer mehr an Be- täubungs- und Beruhigungsmitteln zum Wohle der Apotheken und Indu- strie, wie ganz besonders zur Sen- kung der Arbeitslosenzahl und somit garantierter Vollbeschäftigung!
Nicht weniger schlimm sind Ärzte- funktionäre mit ihrem Ehrgeiz, den Ärztestand ständig Gott näherzu- bringen, damit es — also höllisch auf- gepaßt — nach dem 1/2- und 3 /4- den
7/8- und bald auch den Ganzgott in Weiß auf Erden gibt.
Da erscheint es jedoch besser, jung zu sterben. Noch besser, dies schon vor der Geburt zu tun, wozu die „Re- form" des § 218 eine Möglichkeit bietet (obwohl dann wieder die Ge- fahr besteht, daß der Gynäkologe mit der Frucht auch die Schwangere gleichzeitig zu Tode bringt).
Dr. H. W. Rölke
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 32 vom 11. August 1977 1975