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Archiv "Zähneknirschen „Zeit“ gemäß" (31.01.1991)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Werbung gut — alles gut

„Satire lebt von der Überzeichnung und ßt einen tatsächliche oder mögliche Wirklich- keiten besser ertragen" (Arthur Goldstein)

Walter war ja nett, aber manch- mal nervte er schon ziemlich. Immer- zu redete er versonnen von den Zei- ten, als Arztsein noch für sich selbst sprach oder besser sprechen sollte.

Weil, wie er stets betonte, „das Wer- ben sogar noch verboten war". Nette Anekdoten. Auf irgendwelche äuße- ren Maße für Praxistafeln wurde ge- achtet, zweimaliges Annoncieren der Praxis-Urlaubszeiten in der lokalen Zeitung kam in den Ruch der frivo- len Anbieterei.

Seine Stories klangen so, als ob etwa mitten in einem frustrierend werdenden 40-km-Stau einer mit of- fenem Fenster „Über den Wolken muß die Freiheit wohl grenzenlos sein" in Dolby-Stereo laut hörbar laufen läßt.

Gerade gestern hatte ich meinen Zahnarzttermin abgesagt. Und das soll was heißen, denn mich plagte ein starker Schmerz. Aber es war gar keine Frage, auf den Zahnarzt zu verzichten, weil mein Werbeberater telefonisch überraschend mitteilen ließ, daß er eine „halbe Sekunde"

Zeit für mich hätte. Er riet mir dann leichtfüßig, neben dem Angebot ei- nes freien EKG schleunigst auch noch eine freie Ultraschalluntersu- chung anzubieten. Das ist nicht so leicht zu verkraften, aber seit mein örtlicher Konkurrent, ein sogenann- ter Mitbewerber (!), einen kostenlo- sen Tag-und-Nacht-Kinderhort an- bietet, muß ich wieder etwas tun.

Mit ihm vertrage ich mich ja noch, nach und außer Dienst, ver- steht sich. Wir sitzen abends auch schon mal zusammen, aber der dritte im Ort, der überzieht absolut. Nach- dem er mit Hochglanzprospekten als Zeitungsbeilage angefangen hatte, die ihn und geheilte Patienten oder ihn und Prominente zeigten, und bei Mitbringen dieser Beilage einen Gutschein für das örtliche Gasthaus versprach, war die Sache mit Kolle- gialität und so nicht mehr zu retten.

Aus der Großstadt hört man Schlimmeres. Da geben Ärzte ihren Patienten Statistiken mit. In denen werden in reißerischer Manier die

Komplikationsraten der jeweiligen anderen genannt. Andere schicken Testpatienten zu den Kollegen und veröffentlichen nachher die Erfah- rungen in Postwurfsendungen.

Unser versponnener Walter er- zählte aus der früheren Zeit von ei- nem großen Skandal um einen Kin- derarzt, der auf sein Praxisschild ei- nen bunten Regenbogen hatte druk- ken lassen. Auf einen ursprünglich geplanten Pumuckl hatte er schon selbst verzichtet. Trotzdem: Irgend- einer alarmierte die Standesgerichts- barkeit, Kollegen grüßten ihn nicht mehr, die Polizei drohte unverzüg- lich mit einer Straftat, sein Anwalt lehnte die Verteidigung seines Falles entrüstet ab. Das Embargo gegen den „outlaw" bewirkte, daß er nach einem halben Jahr die Praxis schloß und als entwurzelter „Rainbow"- Sprayer im Ruhrgebiet umherzog.

Wir waren uns trotz alledem ei- nig, daß wir es in einem anderen Punkt auch noch ganz gut hatten.

Unsere Aufwendungen für die Phar- mareferenten hielten sich noch in Grenzen. Hier und da mal eine Auf- merksamkeit, eine nette Tasche, Bü- cher, Spielzeug für die Kleinen. Das ging noch. Andere kamen damit

FRAGEN SIE DR. BIERSNYDER!

Ganzheitlich

Sehr geehrter Herr Kollege, ständig liest man von der Ganz- heitsmedizin, daß man den Menschen

„ganzheitlich" betrachten muß. Wenn ich nun als Orthopäde mit einer Ham- merzehe mich abgeben muß, muß ich mich da eigentlich auch „ganzheitlich"

darum kümmern? Ist das nicht viel- leicht so eine Art Nörgelei an der tech- nischen Medizin?

Dr. Biersnyder antwortet: Sie haben recht, daß Sie vielleicht in Einzelfällen von einer ganzheitlichen Betrachtung absehen können, auch wenn ich Ihr Beispiel durchaus miß- billige. Es gibt ja Stimmen, die mei- nen, diese Nörgelei an der Techni- sierung der Medizin ist weiter nichts als die Unfähigkeit, zu akzeptieren, daß die bedeutendsten Fortschritte in der Medizin nun mal auf techni- schem Gebiet erfolgt sind.

schon nicht mehr zurecht. Ein Wo- chenende in Berlin oder Paris. Für zwei. Oder eine Stereoanlage, ein Mountain Bike für den Junior. Auch mal eine Renovierung des Hauses, wenn man ein Medikament unbe- dingt exklusiv oder zumindest vor den anderen haben wollte.

Ein Gutes hat die Sache: Das Fi- nanzamt war wieder eher bereit, uns Ärzten großzügig eine Werbepau- schale zuzugestehen.

Wolfgang Rühle

Zähneknirschen

„Zeit" gemäß

Von der allgemein als „links-li- beral" bezeichneten Wochenzeitung

„Die Zeit" wird niemand erwarten, daß sie planwirtschaftliche Regelun- gen im Sozialrecht als systemwidrige ordnungspolitische Sündenfälle cha- rakterisiert. Sollten aber nicht sogar die links-liberalen Leser der „Zeit"

ein Anrecht auf sachliche Diktion bei Artikeln haben, die als Sachdar- stellung aufgemacht sind?

Die Darstellung bisheriger Wir- kungen der „Gesundheitsreform" in Nr. 3 der „Zeit" entlarvt Voreinge- nommenheit mit klassenkämpferi- scher Emotionalität: Ärzte und Ärz- tinnen sind „die Herren und Damen im weißen Kittel", die ganz pauschal und im richtigen Sprachverständnis der gewählten Diktion ausnahmslos durch die Pharmaindustrie langjäh- rig „gepflegt" wurden, zum Beispiel mit Hilfe der „beliebten Seminare in der Südsee". Repräsentanten der Pharmaindustrie sind „Pharmama- nager", sie machen „zähneknir- schend" Aussagen, sie beklagen auch nicht, sondern „lamentieren", und natürlich sind Hersteller pharmazeu- tischer Produkte auch „zynisch".

Wenn dagegen Vertreter der Krankenkassen oder des Bundesar- beitsministeriums zu Wort kommen, dann handelt es sich selbstverständ- lich immer um „Experten" oder

„Pharmaexperten", die nicht „la- mentieren", sondern sich beklagen, ohne mit den Zähnen zu knirschen.

Ist politische Information und Diskussion nur „Zeit-gemäß" in de- magogischer Diktion? FM Dt. Ärztebl. 88, Heft 5, 31. Januar 1991 (29) A-285

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