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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Kulturmagazin
Nikolaus Heidelbach
Prominente Peiniger aus der Büchse der Pandora
Im Licht der Erkenntnis bloßgestellt, machen sie heute nur noch
eine kümmerliche Figur
Es begann mit dem Tod, genauer:
dem freundlich-listig dreinblicken- den netten „kleinen dicken Tod", den wir bereits im „Kulturmaga- zin" (DÄ, Heft 15/1984) vorstell- ten. Aus Gesprächen mit seinem geistigen und zeichnerischen Vater Nikolaus Heidelbach (geboren 1955) wurde die Idee einer eige- nen Bildserie für das „Kulturma- gazin" des DEUTSCHEN ÄRZ- TEBLATTES geboren. Daß hier kein Balsam zu erwarten war, lag auf der Hand. Nikolaus Heidel- bach hatte in der Themenwahl freie Hand — und plagte sich, na- türlich auf seine Weise. „Die Pla- gen der Menschheit", ein abge- griffenes, angestaubtes Thema, kommt bei Heidelbach in altmei- sterlicher Technik einher — und ist unmittelbar mitten unter uns. Die- se Bilder Heidelbachs sind kein eingängiger Augenschmaus. Sie bleiben im Kopf hängen, passie- ren ihn nicht mit der Bilderflut, die täglich durch uns hindurch- strömt. Dies bekam auch Chri- stian Köhl zu spüren, der die Bil- der in der Redaktion sah — und die Bilder in seinen Gedanken mitnahm. Es spießten sich andere Bilder an ihnen auf, mit einer prallen Büchse der Pandora kehr- te er zurück. Sein Text (ab näch-
Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 7 vom 13. Februar 1985 (93) 429
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Die 7 Plagen
Der Alptraum Das Talent
ster Spalte) dient nicht zur Erklä- rung der Bilder, die Bilder sind keine Illustrationen des Textes.
Und trotzdem scheinen uns beide zusammenzugehören. Ansonsten:
Wem die närrischen Tage eine Plage sind, findet in den Büchern von Nikolaus Heidelbach reichlich Gelegenheit, die so oft zitierte
„andere Seite" des Menschen ab- seits verordneten Frohsinns einge- hend zu studieren; hingewiesen sei auf „Bilderbogen" (DuMont 1980), „Ungeheuer" (DuMont 1981), „Eine Nacht mit Wilhelm"
(Beltz-Gelberg 1984) HK
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annigfaltig sind fürwahr die Strafen, die die Götter- väter einst bei Zuwiderhandlun- gen verhängten, und schier end- los ist die Legion der von ihnen bis in alle Ewigkeit verdammten.Was uns die Mythosgeschichte an Märtyrern liefert, ist nur eine bescheidene Auswahl derer, die den Göttern zu trotzen wagten.
Prometheus, der an den Kauka- sus angeschmiedet jeden Tag von neuem erleiden mußte, daß ein Adler ihm die Leber aus dem Leibe riß, büßte für den Fort- schritt, den er den Menschen
brachte: Nun wußte der Mensch, wie er beim Schälen die Kartof- fel in der Hand drehen mußte, anstatt ständig um sie herumzu- laufen. Damit war der Mensch der Stufe der Götter einen Schritt nähergerückt.
Charakteristisch für die unzähli- gen vergessenen Erscheinun- gen, die seit tiefster mythologi- scher Vergangenheit unsere Welt durchwuchern, ist ihre Un- scheinbarkeit. Tatsächlich be- wußt wird man sich ihrer daher nur in Momenten des Unbe- 430 (94) Heft 7 vom 13. Februar 1985 82. Jahrgang Ausgabe A
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Die 7 Plagen
Der Zahnschmerz
wußtseins, in denen sich das Denken auf Sparflamme bewegt und das Wahrnehmen sich auf Statisches und Nichtssagendes beschränkt, das offensichtlich nicht verarbeitet zu werden braucht.
Nebelnächtliche Paßkontrollen an tschechischen Grenzbahn- stationen sind erstklassige Gele- genheiten, aus dem Bahnabteil zum Gangfenster hinaus eine alt wirkende Gestalt zu beobach- ten, die scheinbar die Schuld der Welt in einem gewaltigen Seesack den Bahnsteig entlang trägt. Während zwei Stunden Aufenthalt, in der das Warten auf den Kontrolleur nur einen dumpfen Halbschlaf zuläßt, zeigt sich die Gestalt in den un- willkürlichen Augenaufschlä- gen, wenn sie am Fenster vor- beimarschiert und die Phantasie auf Abwege bringt, nicht aber etwa das Verlangen wachrüttelt, ihren Weg zu verfolgen. Späte- stens, wenn der Zug sich wieder in Fahrt setzt, wird diese Begeg- nung vergessen sein.
Der Alkohol
Bis hin zum Morgengrauen ei- nes Urlaubstages in, sagen wir mal, Nizza, im Dämmerzustand nach einer unruhigen Schlaf- phase, wenn der Blick über die Bettkante durch die Vorhang- schlitze des Fensters leichter fällt als der Griff zum Wecker, um die Zeit festzustellen. Das Licht der Laternen unten auf der Straße konkurriert mit dem zar- ten Schimmer des Sonnenauf- gangs, der bereits in der Luft liegt. Und wieder ist es, daß ein scheinbar vertrautes Wesen für eine Atemzuglänge in dem sichtbaren Straßenausschnitt erscheint, ihn in der Folge mög- licherweise noch mehrmals kreuzt, bewaffnet mit einem Schlauch, dessen genaue Länge festzustellen man noch nicht wach genug ist, die Rinnsteine sauberspritzend, um wieder ver- schwunden zu sein, bevor die Stadt erwacht.
Niemals wird es wohl gesche- hen, daß ein Mensch dazu kommt, das Schicksal einer je- ner armen Kreaturen zu hinter-
Die Religion
fragen, und so wird immer im dunkeln bleiben, mit welchen Heldentaten der Menschheit Entwicklungshelfer dereinst den Göttern widersetzten, oder aber sich vergebens opferten, um die Welt vor den Launen des Olymp zu bewahren. Denn Zeus, auf Ausgewogenheit bedacht, ver- stand es, den neugewonnenen Talenten des Menschen stets ei- ne Kehrseite mitzugeben. So bringt seither jeder Fortschritt auch ein Ärgernis mit sich:
Die Wartezeit
Märchen handeln durchweg in Zeiten, „da die Menschen ihres Lebens glücklich waren und in den Tag hinein lebten" und von den Bequemlichkeiten techni- scher Entwicklungen im Allge- meinen nicht viel zu verspüren ist. Doch kein zeitgenössischer Autor traute sich bislang, derart trocken realistisch zu sein, eine Erzählung in einer Warteschlan- ge beginnen zu lassen. Zu ma- kaber scheint es, die Situation Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 7 vom 13. Februar 1985 (97) 433
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Die 7 Plagen
Der Kuchen
vor einer Aldi-Markt-Kasse am langen Samstag zu schildern; zu brisant, die Gedankengänge ei- nes Ostberliner Selbstmordkan- didaten während zweieinhalb Stunden Wartezeit vor dem Fernsehturm in eine Novelle zu lassen, an deren Ende der Prota- gonist frustriert die Schlange verläßt und sich ein anderes Ge- bäude für den Sprung sucht. Bei aller Dreistigkeit, die man der modernen Literatur vorwirft, bietet sie doch gerade mit Bek- kets Jahrhundertwerk „Warten auf Godot" den schlagendsten
Die Arbeit Beweis für die Undarstellbarkeit des Wartens an sich, dem letz- ten Tabus unserer Tage, mit dessen Bewältigung sich die Gegenwart noch schwertun wird.
Undsoweiter. Selbstverständlich rief gerade die Prometheus-Af- färe Zeus zu besonderen Ge- meinheiten auf den Plan. Um Prometheus an einer schwa- chen Stelle zu treffen, bot er ihm die Frau Pandora als Geschenk.
Prometheus jedoch, in weiser Voraussicht, lehnte dreist ab
und hätte damit beinahe die Menschheit vor allerlei Unheil bewahrt, das dann schließlich doch seinen Lauf nahm, als Pan- dora ihre Büchse öffnete, nach- dem sie von seinem nachsichti- gen Bruder Epimetheus aufge- nommen ward. Christian Köhl
Eine bildliche Vorstellung der in die Jah- re gekommenen Übel, die Pandora in die Welt setzte, vermittelt Nikolaus Hei- delbach in seinem Portfolio „Die 7 Pla- gen — Ein Zyklus später Allegorien", ge- staltet für das Kulturmagazin des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTES.
434 (98) Heft 7 vom 13. Februar 1985 82. Jahrgang Ausgabe A