MEDIZIN ZUR FORTBILDUNG / DISKUSSION
Zu dem Beitrag von
PD Dr. med. Thomas Weber Prof. Dr. med. Sigrid Poser Prof. Dr. med. H.A. Kretzschmar in Heft 44/94
Fragen offen
Zur Entwarnung besteht kein Anlaß, weil die Autoren schließen,
„daß die Möglichkeit einer Infektion des Menschen durch den Verzehr von BSE-kontaminiertem Fleisch sich nicht mit 100prozentiger Sicherheit ausschließen läßt", auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines Infektions- weges „extrem gering" scheint.
Bei Verzehr von kontaminiertem Hirngewebe dürfte „eine gewisse ge- ringfügige Gefährdung" bestehen.
Dem Verbraucher bleiben Fragen:
1. Muß nicht eine Kontaminati- on des Fleisches beim Schlachtvor- gang befürchtet werden (Spritzer beim Zerteilen mit der Säge)?
2. Werden die BSE-Prionen durch a) normales Kochen, b) Ko- chen im Dampfdruckkochtopf oder c) Durchbraten ausreichend inakti- viert? Werden im Dampfdruck- kochtopf 2 kg/m2 und 136 °C er- reicht? Kommt dies der Wirkung im Autoklaven gleich?
3. War nicht das mangelhaft ste- rilisierte Tiermehl Hauptübertra- gungsweg für BSE in Großbritanni- en? Welche (höheren) Temperaturen wurden früher eingesetzt und welche niedrigeren führten dann — da unzu- reichend — zu den BSE-Übertragun- gen auf Rinder? Können daraus Schlüsse für die Sicherheit der Gar- verfahren für den Verzehr gezogen werden?
4. Wird in der Bundesrepublik Rinder-Hirngewebe zu Stoffen verar- beitet, die in Nahrungsmitteln Ver- wendung finden (Brühwürfel, Soßen- pulver, Gelantine)?
Dr. med. Georg Niepel Kaiserplatz 11 • 52222 Stolberg
Schlußwort
In der biologischen Wissenschaft gibt es keine 100prozentige Sicher- heit, daher läßt sich die Möglichkeit einer Infektion des Menschen durch den Verzehr von BSE-kontaminier- tem Fleisch nach vorliegenden Er- kenntnissen nur als extrem gering ein- stufen aber nicht absolut ausschließen.
1. Spritzer beim Zerteilen von Fleisch dürften nicht zur Übertra- gung führen, eine minimale Gefähr- dung ist bei Zerteilung von Hirn und Rückenmark denkbar.
2. Die Temperaturen, die in ei- nem Kochtopf, beim Durchbraten oder in einem Dampfdruckkochtopf erreicht werden, reichen nicht aus, um Prionen zu inaktivieren.
3. Ursachen der mangelhaften Sterilisierung bei der Knochenmehl- herstellung sind im Absenken der Temperatur auf 80 °C und im Weglas- sen von organischen Lösungsmitteln zu sehen, die das Scrapie Agens und Prionen inaktivieren.
4. Uns ist nicht bekannt, inwie- weit die Richtlinien den Einsatz von Nervengewebe aus dem Rind bei der Herstellung von Gelatine, Brühwür- feln, Soßenpulver, Gelatine oder Kosmetika regeln. Gelatine wird aus entfettetem Knochenschrot herge- stellt. Rinderhirn wird nicht verwen- det. Derzeit wird untersucht, ob sich Spuren von Rückenmarks- und Hirn- gewebe, das während des Schlacht- vorgangs als Verunreinigung anfallen könnte, darin nachweisen lassen.
Über die Zusammensetzung von Brühwürfeln und Soßenpulver liegen uns keine Informationen vor. Detail- lierte Auskünfte zu diesem und ver- wandten Themen sind über die Bundesanstalt für Fleischforschung, E.-C.-Baumann-Str. 20, 95326 Kulm- bach, zu erhalten.
PD Dr. med. Thomas Weber Neurologische Klinik der Universität Göttingen Robert-Koch-Straße 40 37075 Göttingen fernt werden. Gastrostomiesonden
können ebenfalls problemlos ent- fernt werden, nachdem endoskopisch die Fixation der Sonden gelöst wur- de. Bis zum Verschluß des Defektes werden die Patienten zwei bis drei Tage nüchtern gelassen, um die Bil- dung einer Fistel möglichst nicht zu fördern.
Zusammenfassend ist die entera- le Ernährung eine vielseitige, sichere und kostengünstige Alternative und Ergänzung zur parenteralen Ernäh- rung (4). Dies bestätigen auch eigene Erfahrungen an insgesamt 323 Pati- enten, die nach großen Ober- baucheingriffen in unserer Klinik in der postoperativen Phase enteral ernährt wurden. So wird seit 1982 bei allen großen Oberbaucheingriffen routinemäßig eine FNKJ angelegt, über die die Patienten ernährt wer- den. Bei diesen Patienten traten in drei Fällen ernsthafte, katheterbe- dingte Komplikationen auf (13).
Durch Adaptation der enteralen Ernährung sind Nebenwirkungen wie Diarrhöen, Erbrechen oder Meteo- rismus auf zwölf Prozent gesenkt worden. Ein Abbruch der enteralen Nahrungsapplikation aufgrund dieser Nebenwirkungen wurde dennoch bei sechs Prozent der Patienten notwen- dig. Bei 78 Patienten, die bei man- gelnder oraler Nahrungsaufnahme ihr Gewicht nicht halten konnten, wurde die enterale Ernährung über die FNKJ zuhause in Zusammenar- beit mit den Hausärzten, Diätbera- tern und den Krankenkassen fortge- setzt. Das Konzept der enteralen Ernährung im Anschluß an große Oberbaucheingriffe hat sich im eige- nen Krankengut sehr bewährt.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1995; 92: A-754-762 [Heft 11]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.
Anschrift für die Verfassen Dr. med. Metin Senkal St. Josef-Hospital Gudrunstraße 56 44791 Bochum
Prionkrankheit
heutiger Wissensstand
A-762 (46) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 11, 17. März 1995