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Archiv "Konsumgesellschaft und Tötungsdelikte an alten Menschen: Schlußwort" (11.12.1992)

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entweder ein Mißverständnis oder einen unverzeihlichen Versuch, die Debatte legitimer Fragen durch ille- gitime Assoziationen zu vergiften.

Wenn diese verschiedenen Fragen nicht auseinandergehalten werden, kann Wagner nicht hoffen, daß sein Beitrag zu einer vernünftigen Debat- te außerordentlich wichtiger Fragen beiträgt. Im Gegenteil: er stiftet nichts als gefährliche Verwirrung.

Kuhse, Helga: „Warum Fragen der aktiven und passiven Euthana- sie auch in Deutschland unvermeid- lich sind", Dt. Ärztebl. 87 (1990) A-1243-1249 Heft 16,

Dr. phil. Helga Kuhse Director

Centre for Human Bioethics Monash University

Clayton, Melbourne Victoria 3168, Australia

8 Schluß mit dem Delegieren

Nach der Lektüre des Artikels blieb mir ein schales Gefühl. Wer verwirklicht eigentlich noch die For- derungen nach der Versorgung unse- rer „Alten"? Oft scheint es mir, daß mit dem Rückgang der Pflegenden und konkret Tätigen die Zahl derer zunimmt, die um die Pflege philoso- phieren. Ich kenne die Lebenssitua- tion des Verfassers nicht, auf Grund seiner Branche scheint er mir mit dem Thema aber auch eher nur theoretisch befaßt.

Antoine de Saint-Exupery be- schreibt in seinem kleinen Prinzen auf dem sechsten Planeten einen Geographen, der das Leben verwal- tet, statt es zu leben. Wir haben ge- nügend solcher Geographen!

Wann schreiben endlich die ihre Traktate, die in der Altenpflege tätig sind? Ich kann es bald nicht mehr er- tragen, wie alleine gelassen man oft ist in der Versorgung und Betreuung Alter und Hinfälliger und wie voll- mundig verbale Solidaritätsbekun- dungen ausgerufen werden. Meine konkrete Teilhabe an dem Problem:

Wer hilft mir, wenn ich zum zigten Mal meine Arbeit unterbrechen muß, weil ein „Hinfälliger" hingefal- len ist und akut versorgt werden soll?

Oft bleibt dann auch mir nur die fik-

tive Delegation an den fiktiven Be- treuer! Was nutzen hier Forderun- gen? Oder: Wieso geht bei der Ab- rechnung beim Heimbesuch keine Ziffer 10, warum werden Heimbesu- che geringer honoriert? Anspruch und Wirklichkeit!!

Mein Vorschlag: Nur noch der soll reden und fordern, der handelt.

Die ungewöhnlich vielen Zu- schriften, die mir auch teils direkt zugingen, dokumentieren das große Interesse an dieser brisanten The- matik. Die Leserbriefe reflektieren aber auch ein Spiegelbild der emo- tionalen Anteilnahme ihrer Autoren.

Überwiegend wird signalisiert, daß es an der Zeit war, aus ärztlicher Sicht auf den mit der dramatischen Altersumschichtung verbundenen Pflegenotstand und auf die schon in.

naher Zukunft nur noch schwer kal- kulierbaren sozialpolitischen Risiken im Zusammenhang mit dem „Gene- rationenvertrag" aufmerksam zu ma- chen, ebenso auf die drohende Ent- wicklung der Zunahme unnatürli- cher Todesfälle bei alten Menschen.

Offenbar haben aber einige Au- toren übersehen, daß ich mit den Hinweisen auf den sich in unserer Konsumgesellschaft anbahnenden sozialpolitischen Generationskon- flikt und das gefähliche Selektions- denken gegenüber alten Patienten die Ärzteschaft warnen wollte, sich zum „Spielball der Gesetzgebung"

degradieren zu lassen, wie wir es 1975 auf einem anderen Sektor —

§ 218 StGB — bereits erlebt haben.

Falls die bisherige Haltung der Ärz- teschaft gegenüber der aktiven Ster- behilfe und der Tötung auf Verlan- gen durch gesetzgeberische Maßnah- men aufgeweicht wird, dann wird aus dieser Gefahr bittere Realität!

Wenn R. Strauß in seiner Zu- schrift bemängelt, daß ich nicht zu Fragen der „Lebensqualität", des

„Patiententestamentes" und damit auch nicht zur passiven Sterbehilfe durch Unterlassung Stellung genom- men hätte, dann ist ihm entgangen, daß ich dies aus räumlichen Grün- den ausgeklammert und mich fast ausschließlich mit der „aktiven Tö-

Oder anders 'rum: Jeder, der reden und fordern will, soll vorher an einer Dauerbetreuung mitmachen. „Es gibt nichts Gutes, es sei denn, man tut es."

Dr. med. Alexander Ulbrich Arzt für Allgemeinmedizin W-7000 Stuttgart 70 Birkheckenstraße 1

tung" alter Menschen befaßt habe.

A. Ulbrich irrt, wenn er meint, daß meine „Branche" sich nur theore- tisch mit dem Thema befaßt. Der Alltag eines Rechtsmediziniers ist von harten Realitäten geprägt, und im Zusammenhang mit Tötungsde- likten erleben wir den Tatort (auch Altenheime) ebenso hautnah wie das menschliche Umfeld des Opfers.

Wenn nur die ihre „Traktate" schrei- ben dürften, die „in der Altenpflege tätig sind", dann müßte A. Ulbrich konsequent dafür eintreten, daß bei- spielsweise in unseren Parlamenten auch nur noch diejenigen über ein bestimmtes Thema reden dürften, die es im Alltag praktizieren.

Die Erwiderung von H. Kuhse war zu erwarten und zeigt, daß sie trotz der ablehnenden Leserzuschrif- ten gegenüber der von ihr vertrete- nen Auffassung einer ärztlichen Mit- wirkung bei der „aktiven Euthana- sie" (Deutsches Ärzteblatt 87 [1990]

Heft 16) nichts dazugelernt hat. Sie ist offenbar auch nicht bereit zu re- spektieren, daß sich der ganz über- wiegende Teil der Deutschen Ärzte- schaft zusammen mit allen Standes- organisationen und den wissen- schaftlichen Gesellschaften ihren Vorstellungen zur gesetzlich veran- kerten Einführung der aktiven Ster- behilfe in Deutschland widersetzt.

Abschließend bleibt nach allen Zuschriften und Meinungsäußerun- gen festzustellen, daß mein Wunsch, der veröffentlichte Beitrag möge An- laß zum weiteren Nachdenken über die entstandene sozialpolitische La- ge geben, offenbar sehr rasch in Er- füllung geht.

Prof. Dr. med.

Hans-Joachim Wagner

Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes W-6650 Homburg/Saar

II

Schlußwort

A1-4308 (60) Dt. Ärztebl. 89, Heft 50, 11. Dezember 1992

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