• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Wann wird die Leibesfrucht zum Menschen im Sinne der Tötungsdelikte des StGB" (30.03.1984)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Wann wird die Leibesfrucht zum Menschen im Sinne der Tötungsdelikte des StGB" (30.03.1984)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

RECHT FÜR DEN ARZT

lich ist die landesrechtliche Hand- habung — sie reicht von einem Arztkostenabschlag, der sämt- liche Arztkosten aus dem Pflege- satz ausgliedert (Bayern), bis zur ausdrücklichen Ablehnung eines solchen Arztkostenabschlags überhaupt (Bremen). Die bundes- einheitlich geltende Norm des

§ 14 Abs. 2 Satz 2 GOÄ soll also in ihrer Anwendung an Landesrecht gekoppelt werden, welches sei- nerseits so unterschiedlich ist, daß z. B. in Bremen ein liquida- tionsberechtigter Krankenhaus- arzt bei der dort üblichen Chef- arztabgabe von 40 Prozent zusätz- lich seine Liquidation um volle 35 Prozent des Einfachsatzes der GOÄ mindern müßte, während in Bayern ein liquidationsberechtig- ter Krankenhausarzt mit einer we- sentlich niedrigeren prozentualen Abgabe wegen des dortigen ho- hen Arztkostenabschlages die Ho- norarminderung wahrscheinlich voll verrechnen könnte.

Selbst für den Bereich der beleg- ärztlichen Liquidation, für den bundeseinheitlich ein Arztkosten- abschlag vorgeschrieben ist, wirkt sich die Empfehlung des Bundes- ministers für Arbeit und Sozialord- nung unterschiedlich aus, da auch insoweit die Höhe des Arztkosten- abschlages landesrechtlich stark voneinander abweicht und für rei- ne Belegkrankenhäuser, von der Natur der Sache her, ein Arztko- stenabschlag nicht erfolgen kann.

Es ist erstaunlich und befrem- dend, daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung den Be- teiligten diese willkürliche Hand- habung von Bundesrecht als Kompromiß anbietet. Ein solcher Kompromiß in der Anwendung der Übergangsregelung des § 14 Abs. 2 GOÄ bedarf des Konsenses aller Beteiligten, da er dem Ge- setzestext selbst nicht entspricht.

Die im Gespräch vom 24. Januar 1984 getroffene Einigung erfüllt diese Voraussetzung eines Kom- promisses. Der Widerspruch der Verbände der gesetzlichen Kran- kenversicherung ist insoweit nicht beachtlich, da sie sich an dem Ge-

spräch am 24. Januar 1984 trotz Einladung nicht beteiligt haben und von der Übergangsregelung im Jahre 1984 auch in keiner Wei- se selbst betroffen sind.

Angesichts der krassen Willkür- lichkeiten, die sich aus einer An- wendung des „Kornpromißvor- schlages" des Bundesarbeitsmini- steriums ergeben würden, kann den liquidationsberechtigten Kran- kenhausärzten und Belegärzten nur empfohlen werden, bei ihren künftigen Liquidationen die ein- vernehmlich erzielte Kompromiß- lösung anzuwenden und abzuwar- ten, wie sich die Rechnungs-

In einem Schwurgerichtsverfah- ren ist ein Straftäter wegen Mor- des in drei Fällen, davon zwei tat- einheitlich begangen, zu lebens- langer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Hierbei hatte das Schwurgericht angenommen, daß die Tötung eines weiblichen Op- fers auch die Ermordung ihres un- geborenen Kindes zugleich dar- gestellt hat. Auf die Revision des Angeklagten, welche vom BGH verworfen wurde, hat jedoch der 1. Strafsenat des BGH die Urteils- formel dahingehend geändert, daß der Angeklagte zweimal zu le- benslanger Freiheitsstrafe verur- teilt worden ist, und hierbei grundsätzliche Ausführungen da- zu gemacht, von welchem Zeit- punkt eine Leibesfrucht zum Men- schen im Sinne der Tötungsdelik- te des Strafgesetzbuches wird — BGH, Urteil vom 7. 12. 1983 (1 StR 665/83).

Aus den Gründen:

„Die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts durch das Landgericht bedarf nur inso- weit besonderer Erörterung, als die Strafkammer den Angeklagten

schuldner und die hinter ihnen stehende Private Krankenversi- cherung sowie die Träger der Bei- hilfe gegenüber solchen Liquida- tionen verhalten.

Es bleibt im übrigen auch abzu- warten, wie das Bundesverfas- sungsgericht über die gestellten Anträge auf eine Einstweilige An- ordnung gegen die Vollziehung dieser Übergangsvorschrift ent- scheiden wird.

Dr. jur. Jürgen Bösche Dr. jur. Rainer Ness Haedenkampstraße 3 5000 Köln 41

auch wegen Mordes an dem noch ungeborenen Kind der Christine F. verurteilt hat. Bei der insoweit entscheidenden Frage des Be- ginns des menschlichen Lebens ist von § 217 Abs. 1 StGB auszuge- hen. In dieser Vorschrift wird die Tötung des unehelichen Kindes durch die Mutter ,in oder gleich nach der Geburt' unter Strafan- drohung gestellt. Das Gesetz wer- tet mithin auch die vorsätzliche Tötung während des Geburtsvor- gangs nicht mehr als Schwanger- schaftsabbruch, sondern als Tö- tung; demgemäß wird das Tatob- jekt nicht als ‚Leibesfrucht', son- dern als ,Kind' bezeichnet. Wenn aber das Gesetz in dieser Rege- lung bereits den Zeitraum in der Geburt einbezieht, so liegt die Zä- sur für den Beginn des mensch- lichen Lebens notwendig beim Beginn der Geburt (BGHSt 5, 10;

31, 348, 351; RGSt 9, 131 ff.; 26, 178 ff.; Lüttger JR 1971, 133 und NStZ 1983, 481; Saerbeck, Beginn und Ende des Lebens als Rechts- begriffe, 1974 S. 94).

Zur Frage, wann die Geburt im Sinne des § 217 Abs. 1 StGB be- ginnt, hat der Bundesgerichtshof

Wann wird die Leibesfrucht zum Menschen im Sinne

der Tötungsdelikte des StGB

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 13 vom 30. März 1984 (101) 1017

(2)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Leibesfrucht

(BGHSt 10, 5) im Anschluß an die spätere Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGSt 9, 131 f.; 26, 178; anders noch RGSt 1, 446, 448), die Ansicht vertreten, die Geburt beginne damit, daß ,der Mutterleib versucht, die Frucht auszustoßen', ohne diese Aussto- ßungsversuche näher zu um- schreiben. Ausstoßungsversuche (Wehen) werden in der medizini- schen Wissenschaft je nach Schwangerschafts- bzw. Geburts- phase als Schwangerschafts-, Senkungs-, Vor-, Geburts- und Nachwehen bezeichnet (Reallexi- kon der Medizin Bd. VI 1974; Thie- le, Handlexikon der Medizin Bd. II 1980, jeweils unter dem Stichwort ,Wehen'). Die Vorwehen setzen in den letzten Wochen und Tagen der Schwangerschaft ein und rei- chen bis kurz vor Beginn der Ge- burt; die Geburtswehen werden in Eröffnungswehen (Wehen wäh- rend der Eröffnungsperiode) und Preßwehen (Wehen während der Austreibungsperiode) unterteilt (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 254. Aufl. 1982, Stich- wort ,Wehen`).

Bei regulärem Geburtsverlauf kann die Geburt im strafrecht- lichen Sinne frühestens mit den Geburtswehen beginnen (BGHSt 31, 348, 355). Nicht entschieden ist bisher, ob sie schon mit den Er- öffnungswehen (so Lüttger aaO;

Jähnke in LK 10. Aufl. vor § 211 Rdn. 3; Maurach/Schroeder, Straf- recht Besonderer Teil 6. Aufl. Teil- band 1 § 1 III 1 S. 13; Schwalm

>MDR 1968, 277, 278; Eser in Schönke/Schröder, StGB 21. Aufl.

Vorbemerkung § 211 Rdn. 13;

Horn in SK § 212 Rdn. 3) oder erst mit den danach einsetzenden Treib- und Preßwehen (so Saer- beck aaO S. 95; Preisendaenz, StGB 30. Aufl. § 217 Anm. 3) be- ginnt. In medizinischer Sicht be- ginnt der normale Geburtsvor- gang mit den Eröffnungswehen.

Diese Wehen, die in kurzen und meist rhythmischen Intervallen auftreten, erweitern die oberen Abschnitte des Geburtsweges — insbesondere den Gebärmutter-

halskanal und den äußeren Mut- termund — bis zur vollen Durch- gangsfähigkeit; zugleich drängen sie den vorangehenden Teil des Kindes (Kopf oder Steiß) in sie hinein bis zum äußeren Mutter- mund, nach Ansicht mancher me- dizinischer Autoren oftmals sogar noch weiter bis zum Beckenbo- den. Die Treib- und Preßwehen befördern das Kind anschließend durch die unteren Abschnitte des Geburtsweges hindurch und aus dem Mutterleib hinaus. Dabei be- trägt die Dauer der Eröffnungspe- riode ein Vielfaches der Austrei- bungsperiode (Lüttger JR 1971, 133, 135 mit Nachweisen aus dem medizinischen Schrifttum in Fußn.

20 f.). Diese biologisch-medizini- schen Tatsachen machen deut- lich, daß nicht erst die Treib- und Preßwehen, sondern schon die Eröffnungswehen zu den ,Aussto- ßungsversuchen des Mutterlei- bes' zählen, denn sie realisieren in zeitlicher und lokomotorischer Hinsicht bereits einen erheb- lichen Teil des Gesamtvorganges der Ausstoßung aus dem Mutter- leib (Lüttger aaO). Es erscheint daher gerechtfertigt, den Beginn der Geburt auf den Zeitpunkt des Einsetzens der Eröffnungswehen festzulegen. Diese Auffassung führt zugleich zu einem erstre- benswerten Gleichklang der straf- rechtlichen Begriffsbildung mit den medizinischen Anschauun- gen vom Geburtsbeginn und er- möglicht den erweiterten Straf- schutz, der deshalb geboten ist, weil auch die Eröffnungsperiode zu jenem Zeitraum gehört, in dem beispielsweise bei Wehenschwä- che und bei starken Wehen, aber auch bei Vorliegen von Geburts- hindernissen medikamentöse und operative Geburtshilfen erforder- lich werden können (Lüttger aaO mit Hinweis auf das medizinische Schrifttum in Fußn. 23).

Demgegenüber begründet Saer- beck (aaO) seine abweichende Ansicht, die Geburt beginne erst mit den Treib- und Preßwehen, damit, daß nur durch diese Be- trachtung eine eindeutige Ab- grenzung erzielt werde. Es sei

nämlich nicht ausgeschlossen, daß sich der Übergang der normalen Schwangerschaftswehen in die ge- burtswirksamen Eröffnungswehen über mehrere Tage hinziehen kön- ne und eine Unterscheidung auch einem Mediziner zunächst nicht möglich sei.

Diese Bedenken greifen jedoch nicht durch. Entscheidend ist dar- auf abzustellen, daß mit den Eröff- nungswehen schon ein erheb- licher Teil des Gesamtvorganges der Ausstoßung bewirkt wird. Bei der Beurteilung der auftretenden Wehen zunächst möglicherweise gegebene Unsicherheiten fallen demgegenüber nicht ins Gewicht.

Zwar ist es richtig, daß der Über- gang von den Schwangerschafts- und Vorwehen zu den Eröffnungs- wehen fließend und — insbesonde- re bei schwachen Eröffnungswe- hen — die Unterscheidung nicht einfach ist, aber der Übergang von den Eröffnungs- zu den Aus- treibungswehen ist nicht selten ebenso unsicher (Lüttger NStZ 1983, 481, 482). Diese Erkenntnis- schwierigkeiten gehen nicht zu Lasten des Täters. Weiß er nicht und rechnet er auch nicht damit, daß die Eröffnungswehen bereits eingesetzt haben, befindet er sich in einem Tatbestandsirrtum; es gilt § 16 StGB.

Nach den getroffenen Feststellun- gen waren bei Christine F. zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte sie den Abhang hinunterstieß, die Er- öffnungswehen voll im Gange;

das Kind war in die richtige Kopf- lage gedreht, sein Kopf weitete den Gebärmutterhals. Infolgedes- sen hatte die Geburt des Kindes begonnen; es ist in der Geburt ge- tötet worden. Wie die Frage des Beginns der Geburt zu beurteilen ist, wenn andere Vorgänge als Wehen (zum Beispiel Blasen- sprung, Kaiserschnitt) den Auftakt der Geburt bilden, bedarf nach Sachlage des Falles hier keiner Entscheidung."

Dr. jur. Jürgen W. Bösche Haedenkampstraße 3 5000 Köln 41 (Lindenthal) 1018 (102) Heft 13 vom 30. März 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Bereits die politischen Ereig- nisse um die gesamtdeutsche Eini- gung sowie die zur zentralen Frage im Einigungsvertrag hochstilisierte Problematik der Fristenlösung beim

Auffallend ist, daß in unseren Indu- striestaaten bei gleichzeitigem Fort- schritt auf technischem Gebiet die Entwicklung in menschlicher und kultureller Hinsicht nicht nur nicht

Ich könnte für mich selbst auch ein Le- ben mit einem hohen Querschnitt nicht akzeptieren (ich betone: „für mich", ohne Anspruch auf Allge- meingültigkeit).. In dem Artikel

Viele der Probleme, die Wagner in seinem Artikel erwähnt, lassen sich darauf zurückführen, daß die Wünsche und Interessen alter Men- schen in der Praxis nicht genügend

Sie ist offenbar auch nicht bereit zu re- spektieren, daß sich der ganz über- wiegende Teil der Deutschen Ärzte- schaft zusammen mit allen Standes- organisationen und den

Wird ein Wagen teils für be- rufliche und teils für private Zwecke genutzt, so kann der Teil der Aufwendungen für die Kfz-Haftpflichtversiche- rung, der dem Anteil der be-

•übernehmen. Die Mutter des Hauses, Ilse Dembski, kümmert sich, wenn's um den Be- trieb geht, vor allem darum, daß die Buchfüh- rung stimmt. In der Gemeinde hat er es übernommen,

Im Ergebnis der bisherigen Erfahrungen mit der Heraufsetzung der Regelaltersgrenzen wird sichtbar, dass die Voraussetzungen für eine problemlose Umsetzung der Rente mit