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ast hätten Christdemokraten und Grüne des EU-Parlaments darauf verzichten müssen, ihre Kritik an der geplanten Kon- vention des Europarats zum Schutz der Menschenrechte und Menschen- würde im Hinblick auf die Anwen- dung von Biologie und Medizin zu äußern. „Dieser Punkt drohte von der Tagesordnung zu kippen, weil ihn die Sozialdemokraten mit ihrer Mehrheit erst am Ende der Sitzungswoche be- handeln wollten“, teilte der CDU-Eu- ropaabgeordnete Dr. med. Peter Lie- se mit.In einer Entschließung, die von Christdemokraten, Grünen und eini- gen Sozialdemokraten verabschiedet wurde, wird ein ausnahmsloses Ver- bot des Handels mit „menschlichen Embryonen, Föten und fötalem Ge- webe“ gefordert. Verboten sein müs- se auch „die verbrauchende For- schung an und die Erzeugung von menschlichen Embryonen zum Zwecke der Forschung“. Das Einfrie- ren von Embryonen solle nach dem Willen der EU-Parlamentarier nur dann zulässig sein, wenn die „inner- halb des Zyklus vorgesehene Über- tragung aus medizinischen Gründen nicht möglich ist“. Die kryotechnische Konservierung nach Abschluß der fertilisierenden Behandlung sei zu verbieten. Bei künstlicher Befruch- tung sollen einer Frau innerhalb eines Zyklus nicht mehr als drei Embryo- nen eingepflanzt werden. Dazu Liese:
„Diese Regeln entsprechen dem deutschen Embryonenschutzgesetz.“
Medizinische Forschung an nichteinwilligungsfähigen Personen solle „nur unter besonderen Umstän- den und unter der Bedingung durch-
geführt werden, daß ihr gesetzlicher Vertreter unbeeinflußt und in Kennt- nis der Sachlage unbeschadet sonsti- ger gesetzlicher Garantien seine Zu- stimmung erteilt hat, daß der Betref- fende keinen Einwand erhebt, der Eingriff in unmittelbarem Zusam- menhang mit der Krankheit des Be- troffenen steht, die Forschungen nicht bei einer einwilligungsfähigen Person durchgeführt werden können und die Forschung so angelegt ist, daß sie der Gesundheit des Betroffenen direkt zustatten kommt“. Für Behin- derte dürfe es grundsätzlich keine dis- kriminierenden Regelungen geben.
Keine Weitergabe von genetischen Tests Notwendig ist nach Auffassung des Europaparlaments auch ein Ver- bot von „Eingriffen in das menschli- che Genom, die darauf abzielen, die Keimbahn zu verändern oder dies be- wirken“. Dieser Punkt müsse in dem Konventionsentwurf eindeutig for- muliert werden. Ferner sei es notwen- dig, jegliche Weitergabe der Ergeb- nisse von genetischen Tests an andere Personen oder Institutionen (zum Beispiel an Versicherungen oder Ar- beitgeber) zu untersagen.
„Nun liegt es an der Parlamenta- rischen Versammlung und dem Mini- sterkomitee des Europarates, für die Wahrung von Menschenrechten und einen verantwortungsvollen Umgang mit Biomedizin und Gentechnologie einzutreten, indem sie den Konventi- onsentwurf ablehnen“, sagte die Eu- ropabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Hiltrud Breyer. Kli A-2527
P O L I T I K KOMMENTAR/AKTUELL
Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 40, 4. Oktober 1996 (23) gen und zeitintensiven Kooperation
zunehmend entziehen.
Was das bedeutet, wird sich erst in zehn bis zwanzig Jahren heraus- stellen, wenn die Lehre im Fach Pharmakologie und Toxikologie nicht mehr durch Ärzte vermittelt wird. Übrigens, was wollen eigentlich die Kultusminister mit den vielen Absolventen der Medizinischen Fa- kultäten im Alltag anfangen, wenn die „Effizienz“ der Ausbildung so fa- belhaft gesteigert wird? Sollen die Ärzte dann zwar approbiert sein, aber vor einem Weiterbildungseng- paß stehen und dann in die freie Pra- xis entlassen werden? Da wäre schon die Steigerung der Ansprüche im Rahmen einer intelligenten Ausbil- dung besser.
Jedes Lehrgebiet braucht Nach- wuchs. Dieser rekrutiert sich aus den Hochschulassistenten, die für die Leh- re eingesetzt werden können, wenn sie ihre Qualifikation, nämlich die Lehrbeschäftigung und die Lehrbe- fugnis, in der Habilitation erarbeitet haben. Nicht früher werden die Assi- stenten am Münchener Pharmakolo- gischen Institut für die Lehre einge- setzt. Man tut gut daran, den Nach- wuchs nicht zu gering zu bemessen. Es ist kontraproduktiv, die Zahl der Ha- bilitierten stets dem Bedarf der Do- zenten anzupassen.
Der Frontalunterricht ist nicht nur aus der Sicht der Studenten nütz- lich. Der Unterricht ist nicht einmal besonders teuer, zumal die mit der Lehre betrauten habilitierten Assi- stenten dabei lediglich einen Aufstieg zum Oberassistenten gewärtigen kön- nen. Man muß sich davon freimachen, daß ein Dozent im Augenblick seiner Habilitation schon die Lehre beherr- schen muß. Er hat die Voraussetzun- gen dafür geschaffen, daß er sich mit dem systematisch erarbeiteten Fun- dus eines gründlichen Sachverstandes der Lehre widmen kann. Auch ist die- ses Verfahren keineswegs schädlich für die spätere Berufung auf adäquate Positionen, die stets aufgrund der Lei- stungen in der Forschung und der Lehre erfolgen sollte.
Prof. Dr. med. Wolfgang Forth, München
Berufsbezeichnungen werden in diesem Bei- trag geschlechtsneutral verwendet.