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Archiv "Epidemiologie von Kniegelenkempyemen: 9. Strenge Maßstäbe" (19.03.1993)

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111 - B. Häufigster Grund für

Klagen

Ich bin sicher und gleichzeitig leider einer der in Deutschland am meisten beschäftigten Sachverständi- gen wegen Hygieneprozessen gegen Arzte. Mit Abstand am häufigsten werden Ärzte wegen unsachgemäßer Kniegelenkpunktionen angeklagt.

Den Forderungen von Herrn Profes- sor Henßge nach aseptischem Vor- gehen bei Kniegelenkpunktionen in der Klinik, vor allem aber in der ärzt- lichen Praxis, kann daher von hygie- nischer Seite nur zugestimmt wer- den. Es ist geradezu unglaublich, was sich manchmal diesbezüglich in ärzt- lichen Praxen abspielt. Mir ist ein Fall in Erinnerung, bei dem der Arzt seinen Hund im Behandlungszimmer während der intraartikulären Injekti- on duldete. Ich kann mich allerdings auch des Eindrucks nicht erwehren, daß nicht wenige der Kniegelenk- punktionen medizinisch überhaupt nicht indiziert waren.

Prof. Dr. med. F. Daschner

Direktor des Instituts für Umwelt- medizin und Krankenhaushygiene Klinikum der Albert-Ludwigs- Universität

Hugstetter Straße 55 W-7800 Freiburg

9. Strenge Maßstäbe

Durch die epidemiologischen Untersuchungen von Westphal et al.

wurde wieder einmal deutlich, daß Gelenkinjektionen und Gelenkpunk- tionen nicht nur einer strengen Indi- kation bedürfen, sondern auch unter hygienisch einwandfreien Bedingun- gen zu erfolgen haben.

Es ist schade, daß die Aussage- kraft dieser sehr fleißigen Arbeit mangels ungenügender statistischer Auswertung nur sehr begrenzt ist. So fehlen Angaben über die Häufigkeit der im gleichen Zeitraum und der gleichen Region durchgeführten In- jektionen und Punktionen mit kom- plikationslosem Verlauf. Es fehlen Hinweise, unter welchen hygieni- schen Bedingungen die Gelenkinjek- tionen und -punktionen mit nachfol- gendem Empyem vorgenommen wur-

den. Der Hinweis, daß etwa 60 Pro- zent der durch Injektion und Punkti- on entstandenen Empyeme aus den Praxen niedergelassener Kollegen stammt, ist irreführend, weil nicht erwähnt wurde, daß der weitaus größte Anteil aller dieser Eingriffe eben in der Praxis erfolgt und damit die relative Infektrate zugunsten der Praxis wesentlich niedriger liegt. So- mit ist die in der Arbeit gezogene Schlußfolgerung, daß Gelenkinjek- tionen und -punktionen nur im asep- tischen Operationssaal durchgeführt werden dürfen, auch wenn diese These schon vor vielen Jahren aufge- stellt wurde, zumindest durch diese Publikation nicht bewiesen.

Trotz aller Kritik an dieser Pu- blikation möchten wir ausdrücklich darauf hinweisen, daß alle Gelenk- injektionen und -punktionen in der Praxis wie auch in der Klinik nur un- ter strengen hygienischen Maßstä- ben erfolgen dürfen.

Entsprechende Richtlinien wur- den von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie (DGOT) und dem Berufsverband der Arzte für Orthopädie e. V.

(BVO) in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Krankenhaushygiene der Deutschen Gesellschaft für Un- fallheilkunde 1988 im Deutschen Ärzteblatt 85, Heft 3, gegeben.

Prof. Dr. med. Lutz Jani Präsident der DGOT

Orthopädische Klinik Mannheim Universität Heidelberg

Meerfeldstraße 69 W-6800 Mannheim 1 Dr. med. G. Holfelder 1. Vorsitzender des BVO Am Lindenbaum 6-8 W-6000 Frankfurt 50

Zum Selbstverständnis ärztli- chen Handels gehört es, daß „jeder Eingriff am Kniegelenk strengster Indikationsstellung und peinlich sorgfältiger Beachtung aseptischer Kautelen bedarf". Daß diese mitge- teilte Maxime leider nicht immer strikt befolgt wird bei Indikations- stellung für operative Eingriffe,

ebenso wie für Gelenkinjektionen, das ist ebenfalls leider keine neue Erkenntnis. Neben dieser grundle- genden Übereinstimmung stellen sich für uns folgende Fragen:

1. Das Risiko einer Kniege- lenksinfektion nach intraartikulärer Injektion wurde in der von den Au- toren zitierten, unter Beteiligung von über 1000 Orthopäden entstandenen einzigen prospektiven Studie mit 105 000 protokollierten intraartiku- lären Kniegelenksinjektionen in ei- ner Rate von 1:35 000 gefunden. Die retrospektiv ermittelte Infektionsra- te derselben Untersuchungsgruppe betrug 1:21 060. Anders (1) ermittel- te in seiner retrospektiven Studie über 650 000 Injektionen eine Kom- plikationsrate von 1:34 000. Weitere nachvollziehbare ermittelte Zahlen zur Frage der Häufigkeit von Knie- gelenksempyemen sind uns nicht be- kannt. Im operativen Bereich gilt bei primär aseptischen Eingriffen eine Infektionsrate von zwei Prozent als gutes, von einem Prozent oder weni- ger als optimales Ergebnis, erreich- bar oft nur durch Anwendung peri- operativer Antibiotikaprophylaxe (3). Es ist nicht erkennbar, auf wel- che der Untersuchungsresultate sich folgende in den Schlußfolgerungen enthaltenen Aussagen gründen:

1.1 „Insbesondere gilt dies"

(siehe oben: strengste Indikations- stellung und Beachtung aseptischer Kautelen) „für die intraartikulären Injektionsbehandlungen".

1.2 „deren therapeutischer Nut- zen oftmals fragwürdig ist".

1.3 „bei erwiesenem hohen Ri- siko des Auftretens eines Kniege- lenksempyems"

1.4 „ist im Einzelfall eine in- traartikuläre Injektion indiziert, darf diese ausschließlich unter den asep- tischen Bedingungen eines Operati- onssaales (sterile Wäsche . . .) vorge- nommen werden".

2. Warum werden die im Fort- bildungsteil dieser Zeitschrift veröf- fentlichten einzig maßgeblichen Empfehlungen zum Vorgehen bei in- traartikulären Injektionen und Punktionen (2) ignoriert?

3. Bei der statistischen Auswer- tung ist unter anderem unklar, wel- chen Sinn der als „Referenzraum"

bezeichnete Regierungsbezirk Kas-

10. Nicht nachvollziehbar

111

Dt. Ärztebl. 90, Heft 11, 19. März 1993 (55) A1-805

(2)

sel haben soll, wenn nur Gesamter- gebnisse präsentiert werden. Die Morbiditätsquote von 1,16 pro 100 000 Menschen ergibt bei den do- kumentierten 50 Patienten eine be- nutzte Gesamtpopulation von 4,31 Millionen Personen. Dies ist etwa die Gesamtbevölkerung von Schles- wig-Holstein und Hamburg. Der Einschluß des Regierungsbezirks Kassel ergibt eine Gesamtbevölke- rung von 5,38 Millionen und damit eine Morbiditätsrate von 0,93. Die Hochrechnung auf mindestens tau- send Neuerkrankungen ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Deutschland hat eine Gesamtbevölkerung von 79,7 Millionen. Bei der Rate von 0,93 erge- ben sich 742 Fälle. Die Anzahl der in den Abbildungen genannten Patien- ten, beziehungsweise Empyeme, schwankt zwischen 92 und 141 und entspricht in keinem Fall der im Text genannten Zahl von 137 ausgewerte- ten Fällen, die „in den folgenden Dar- stellungen berücksichtigt" seien.

4. Wurden, gegebenenfalls wann, Antibiotika gegeben? Wie häufig wurde mehr als einmal und gegebenenfalls wie oft punktiert?

Wieviel Zeit verging zwischen statio- närer Aufnahme wegen Gelenkin- fekt und Operation? Auf diese und wichtige andere Fragen gibt die muh tizentrische, retrospektive Untersu- chung von Hepp (4) über 136 Infek- tionen nach intraartikulären Injek- tionen und Punktionen Antwort. Ei- ne vergleichende Betrachtung der Resultate wäre von hohem Interesse gewesen. Warum ignorieren die Au- toren die wichtigste Referenzunter- suchung zu diesem Thema im vorlie- genden Schrifttum?

5. Nach der vorgelegten Rech- nung seien 32 Gelenkinfekte (61 Pro- zent von 54) nach Injektionen und Punktionen in Praxen verursacht worden. 22 Infektionen entstanden somit in Kliniken. Eine reelle Wer- tung der vorgelegten Ergebnisse kann nicht ohne Berücksichtigung der Tatsache erfolgen, daß intraarti- kuläre Injektionen und Punktionen in Praxen zehn- bis 20mal häufiger durchgeführt werden als in Kliniken.

Hochgerechnet läßt sich daraus ein Verhältnis von Infektionshäufigkeit in Klinik und Praxis von 220:32 (7:1) oder 440:32 (14:1) ableiten. Das In-

fektionsrisiko liegt somit nach diesen Zahlen in der Klinik um den Faktor 10 höher als in der Praxis. Diese aus dem vorliegenden Material unzwei- felhaft ablesbare Tatsache wird auch von Anders (1) bestätigt. Diese Be- obachtung ist für den mit der Proble- matik von Gelenkinjektionen ver- trauten Orthopäden auch nicht über- raschend, spielen doch die Aspekte Krankenhaushospitalismus und Viel- zahl beteiligter Therapeuten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Rou- tinierte und standardisierte Injekti- onstechnik, sowie sorgfältiges Ritual bei der Spritzenvorbereitung sind wei- tere wesentliche Gesichtspunkte für ein komplikationsarmes Vorgehen bei Gelenkinjektion und -punktion.

Literatur

1. Anders, G.: Gelenkpunktionen und intraarti- kuläre Injektionen in ambulanten orthopädi- schen Einrichtungen. Beitr. Orthop. u. Trau- matol. 31 (1984) 419-425

2. Bernau, A., G. Rompe, H. Rudolph und H.-P. Werner: Intraartikuläre Injektionen und Punktionen. Dt. Ärztebl. 85 (1988) A 80-84

3. Braun, M.: Fünf Jahre Infektionsstatistik an einer Orthopädischen Klinik - Keimspek- trum, Resistenzlage, therapeutische Konse- quenzen. Z. Orthop. 127 (1989) 471-473 4. Hepp, W. R.: Entzündungen nach intraarti-

kulären Injektionen und Punktionen. Eine multizentrische, retrospektive Therapiestu- die. Orthop. Praxis 23 (1987) 355-363

Dr. med. Andreas Bernau Arzt für Orthopädie

Ulrichstraße 1 • W-7400 Tübingen Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Köpcke Direktor des Instituts für

Medizinische Informatik Biomathematik

Domagkstraße 9 • W-4400 Münster

11. Bei Sorgfalt: Rarität

Es ist sehr verdienstvoll, daß in der von Westphal und Mitarbeitern im „Deutschen Ärzteblatt", Heft 31/32, publizierten Arbeit anhand ei- ner retrospektiven Analyse nähere epidemiologische Daten zum Vor- kommen von Kniegelenkempyemen erhoben werden. Daß in seltenen Fällen ein Kniegelenkempyem auch nach einer intraartikulären Injektion oder Punktion auftreten kann, ist be- kannt und gilt unverändert — beson- ders im höheren Lebensalter — als

ein gravierendes Ereignis. Anderer- seits ist dies, gemessen an der großen Zahl täglich in Deutschland durch- geführter intraartikulärer Injektio- nen, nach wie vor eine ausgesproche- ne Rarität, wenn man die entspre- chend notwendige Sorgfalt walten läßt. Wir können uns an unserer Kli- nik in fast 30 Jahren Tätigkeit hier an keinen derartigen Fall erinnern.

Die Schlußfolgerung, daß in- traartikuläre Injektionen ausschließ- lich unter den aseptischen Bedingun- gen eines Operationssaales vorge- nommen werden sollten, kann frei- lich durch die vorliegende Studie nicht gestützt werden. Hierzu be- dürfte es zweifelsohne einer pro- spektiven Studie und einer Verfol- gung jedes einzelnen Falles, um eventuelle disponierende Faktoren zu erkennen. Solange dieser Beweis nicht erbracht wurde, halten wir die Forderung nach Operationssaal-Be- dingungen nicht nur für unreali- stisch, sondern auch für unnötig.

Selbstverständlich muß die Indikati- on zu einer intraartikulären Injekti- on und Punktion in jedem Einzelfall außerordentlich sorgfältig gestellt werden; dies ist aber eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Solange nicht zusätzliche Daten vorliegen, daß das Infektionsrisiko durch andere, gege- benenfalls zusätzliche Maßnahmen verringert werden kann, gelten für uns nach wie vor die von A. Bernau und Mitarbeitern im „Deutschen Ärzteblatt" 85 (Heft 3 vom 21. Janu- ar 1988) publizierten Empfehlungen zu intraartikulären Injektionen und Punktionen.

Prof. Dr. med. Klaus L. Schmidt Präsident der

Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie Ludwigstraße 37-39 W-6350 Bad Nauheim

Der Vorstand des Berufsverban- des Deutscher Rheumatologen weist die jeglicher wissenschaftlicher Be- gründung entbehrenden Schlußfol- gerungen

1 12. Entschiedene Zurückweisung

A1-806 (56) Dt. Ärztebl. 90, Heft 11, 19. März 1993

Referenzen

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