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Archiv "Drittmittelfinanzierung: Strenge Regeln für das Sponsoring" (05.10.2001)

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or mehr als sieben Jahren haben der so genannte Herzklappen- Komplex und das damit zusam- menhängende Industrie-Sponsoring für Fortbildungs- und Forschungszwecke von Herzchirurgiezentren in Deutsch- land in Öffentlichkeit und Presse hohe Wellen geschlagen. Mehr als 1 800 Ärz- te und viele mit der Beschaffung von Herzklappen befasste Krankenhaus- mitarbeiter gerieten in den Verdacht, sie hätten sich der Vorteils-

nahme und sogar der Bestech- lichkeit im Sinne des Strafge- setzbuches (StGB) schuldig ge- macht. Die gesetzlichen Kran- kenkassen seien mit zum Teil überhöhten Beschaffungsprei- sen für Herzklappen (damals:

im Durchschnitt rund 6 300 DM je Klappe) belastet wor- den. Auf Betreiben der Kran- kenkassen und deren Verbän- de wurden die bis dahin gängi-

gen Kooperationsformen zwischen der Hersteller-Industrie und den Vertriebs- firmen mit den Klinikärzten und den Zentren sowie Einrichtungen der medi- zinischen Forschung rundweg der Be- stechlichkeit und Vorteilsnahme inkri- miniert.

Allerdings bewegt sich das Indu- strie-Sponsoring und die damit ver- bundene unverzichtbare Drittmittelfi- nanzierung zugunsten der Hochschul- kliniken und anderer mit der For- schung verbundenen Einrichtungen auf einem rechtlich weitgehend unsi- cheren Terrain. Die inzwischen gegen prominente Hochschullehrer und Di- rektoren verschiedenener Univer- sitätskliniken ergangenen Urteile von Landgerichten sind zum Teil spekta- kulär und widersprechen sich in eini-

gen Kernpunkten. Diese Erfahrung musste eine Reihe von Hochschulpro- fessoren der Universitäten Hamburg, Heidelberg, Köln, Münster und Ulm machen. Als beamtete „Staatsdiener“

und „Amtsträger“ geraten sie beson- ders in den Blickpunkt bei der Beurtei- lung, ob sie materielle oder immateri- elle Vorteile im Zusammenhang mit dem Industrie-Sponsoring erzielen und Vorteile einwerben, die „staats- nützig“ oder „privat- nützig“ sind.

Im Gefolge von Auffälligkeiten und Auswüchsen in der Industrie und der ge- werblichen Wirtschaft wurden die Strafbe- stimmungen der Vor-

teilsnahme (§ 331 StGB) und der Be- stechlichkeit (§ 332 StGB) im Rahmen des „Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption“ vom 13. August 1997 deut- lich verschärft. Die veränderten Rah- menbedingungen für die Drittmittelfi- nanzierung im medizinischen Bereich könnten die aus der Sicht der Politik unverzichtbare Drittmittelförderung gefährden. Zehn bisher übliche Formen und Schwerpunkte der Drittmittelfi- nanzierung sind durch das Industrie- Sponsoring und die geänderte Rechts- lage betroffen:

❃Studienverträge über klinische Prüfungen von Arzneimitteln und An- wendungsbeobachtungen;

❃Beratungsverträge;

❃Leih- und Geräteüberlassungsver- träge zur Durchführung von Studien, klinischen Erprobungen und zur Ver- besserung der Diagnostik;

❃Test-Vereinbarungen von Wissen- schaftlern und wissenschaftlichen Ein- richtungen mit Industrie-Firmen;

❃Kongress-Einladungen und Kon- gress-Veranstaltungen im Zusammen- hang mit Fortbildungskongressen und Wissenschaftlertagungen;

❃Forschungsverträge mit einzelnen Wissenschaftlern und Institutionen;

❃Förderung von Spenden an Ein- richtungen und Fördervereine;

❃Übernahme von Teilen von Ge- haltszahlungen an Ärzte und andere wissenschaftliche Mitarbeiter von For- schungseinrichtungen und Universitäts- kliniken;

❃Zahlung von Kongressreisen, Über- nachtungen und Gebühren;

❃Referentenhonorare und Erstat- tung von Aufwendungen, die mit Fort- bildungsreisen verbunden sind.

Ein Tatumstand ist unverändert:

Seit der Initiative der Krankenkassen, der Ermittlungsbehörden und staats- anwaltschaftlicher Aktionen haben die Beschlagnahmungsaktionen und

Durchsuchungen in Krankenhäusern, medizinischen Zen- tren, Universitäts- kliniken und im Be- reich der Privat- sphäre der Verdäch- tigen zugenommen.

Auch die Pharma- industrie und die Medizinproduktehersteller sind in das Fadenkreuz der Staatsanwälte geraten.

Aufgrund der inzwischen ergange- nen Urteile hat der Arztrechtler Prof.

Dr. jur. Dr. Klaus Ulsenheimer, außer- planmäßiger Professor an der Ludwig- Maximilians-Universität München, den Sachverhalt des legalen und illegalen Industrie-Sponsorings, der Drittmittel- finanzierung, Vorteilsnahme und Be- stechlichkeit präziser umrissen:

–

Das forschungsbezogene Indu- strie-Sponsoring ist nach der deutschen Konstellation bei der Finanzierung der P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 40½½½½5. Oktober 2001 AA2555

Drittmittelfinanzierung

Strenge Regeln für das Sponsoring

Verhaltenskodex der Spitzenverbände soll für mehr Rechtssicherheit sorgen.

„Es ist eine Illusion zu glauben, die verschärften Strafvorschrif- ten würden in nächster Zeit zugunsten der Ärzte gelockert oder von Staatsanwaltschaften be- ziehungsweise Gerichten arztfreundlich ein- schränkend interpretiert.“

Prof. Dr. jur. Dr. Klaus Ulsenhei-

Foto: privat

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Forschung und der Universitätsklini- ken unverzichtbar. Dies wird auch von Politik, Bund und Ländern stets betont.

Die Hersteller und Vertreiber von Medicalprodukten, pharmazeutischen Präparaten und medizinisch-techni- schen Ausrüstungen sind unverändert auf eine enge Kooperation mit anwen- dungsbezogenen, wissenschaftlich ori- entierten Einrichtungen der Medizin und insbesondere von Universitätskli- niken angewiesen. Teilweise bestehen bis zu 50 Prozent des Forschungsetats an der Universität, vor allem im Be- reich der Medizin, aus Drittmitteln der Industrie. Die medizinische Forschung läuft Gefahr zusammenzubrechen, wenn diese Drittmittel nicht mehr legal eingeworben werden können.

Den Sponsoren und den kooperativen Partnern von Forschungseinrichtungen wird es zunehmend verleidet, For- schungsgelder bereitzustellen.

Strafverschärfung und Konsequenzen

Tatsache ist: Die Forschung an Univer- sitätskliniken wird unverändert – trotz der Strafverschärfung vor vier Jahren – auch mit Drittmitteln nachhaltig finan- ziert. Zudem werden Klinikdirektoren und wissenschaftliche Mitarbeiter künf- tig noch mehr als bisher nach der Höhe der von ihnen eingeworbenen Drittmit- tel bezahlt.

—

Verhaltenskodizes, die von den Spitzenverbänden der pharmazeuti- schen Industrie und der Arzneimittel- hersteller, den Verbänden der Medizin- produkte-Industrie und den Herstel- lern und Vertreibern von Medizinpro- dukten sowie der Deutschen Kranken- hausgesellschaft formuliert worden sind, sollen helfen, dass das Industrie- Sponsoring und die Drittmittelfinanzie- rung in rechtlich geregelten Bahnen und sauber erfolgen.

Ende September 2000 haben zehn Spitzenverbände zusammen mit dem Deutschen Hochschulverband und der Krankenhausgesellschaft auf 24 Seiten detailliert die „Gemeinsamen Stand- punkte zur strafrechtlichen Bewertung der Zusammenarbeit zwischen Indu- strie, medizinischen Einrichtungen und deren Mitarbeitern“ publiziert. Diese

Handlungsanleitung ist juristisch abge- sichert (Stand: 29. September 2000) und auch über das Internet im Wortlaut zu beziehen (www.dkgev.de).

Der Arztrechtsexperte Ulsenheimer betont, dass die Rechtsprechung inzwi- schen den Vorteilsbegriff in einer Art und Weise überstrapaziert hat, dass als Vorteil im Zusammenhang mit Indu- striespenden nicht nur eine wirtschaftli- che Besserstellung in Gestalt eines ma- teriellen Vorteils zugunsten des Zuwen- dungsempfängers und seiner Mitarbei- ter gewertet wird, sondern auch alle im- materiellen Vorteile mit berücksichtigt werden. Dies gelte insbesondere für die

„Befriedigung des Ehrgeizes, die Eitel- keit und des Geltungsbedürfnisses“

oder die Förderung von Karriere-Chan- cen (wie dies in einem Urteil im Zusam- menhang mit dem Fall eines Wissen- schaftlers der Universität Bonn unter- strichen wird). Negativ bewertet wird von einem Gericht eine Drittmittelfi- nanzierung, die zur Auszeichnung und Preisvergabe zugunsten eines geförder- ten Wissenschaftlers führt.

Prinzipiell gibt es graduelle Abstu- fungen zwischen den strafbewehrten Tatbeständen der Vorteilsnahme (§ 331 StGB) und der Bestechlichkeit (§ 332 StGB). Die Vorteilsnahme setzt voraus, dass ein „Amtsträger für die Dienst- ausübung einen Vorteil für sich selbst oder einen Dritten fordert, sich ver- sprechen lässt oder annimmt“.

Die Vorteilsnahme ist nach § 331 Abs. 3 StGB nicht strafbar, „wenn die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnis entweder die Annahme eines – nicht geforderten – Vorteils durch den Empfänger vorher förmlich genehmigt hat oder sie auf unverzügliche Anzeige des Empfängers hin genehmigt“. Dage- gen ist der Rechtstatbestand der Be- stechlichkeit im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass es sich regelmäßig um eine pflichtwidrige Diensthandlung oder um eine Ermessensentscheidung handelt, bei der sich der Empfänger vor finanziellen Zuwendungen auffällig be- reit zeigt, sich durch den Vorteil beein- flussen zu lassen. Dabei ist die Dienstausübung im Rahmen der Vor- teilsnahme kein pflichtwidriges, son- dern vielmehr ein erlaubtes, zulässiges Verhalten – ganz im Gegensatz zur Bestechlichkeit, die regelmäßig eine

Pflichtverletzung bei der Dienstaus- übung des Amtsträgers voraussetzt.

Bei der Vielgestaltigkeit und der un- terschiedlichen Tragweite der einzel- nen Fälle gilt generell: Wenn die Zu- wendung und das Industrie-Sponso- ring nicht für die Dienstausübung ei- nes einzelnen Amtsträgers erfolgen, sondern der öffentlich-rechtlichen In- stitution (also der Klinik, dem Institut, dem Universitätsklinikum) zufließen sollen, wie dies beispielsweise für die Drittmittelforschung in der Regel cha- rakteristisch ist, besteht kein Zusam- menhang mit Umsatzgeschäften und individuellen Interessen einzelner Ärzte. Mithin ist diese Art der Mittel- gewährung der Industrie zu wissen- schaftlichen Forschungsinteressen nicht strafbar.

Sechs Merkregeln

Im Umgang mit der forschungsfördern- den Industrie und den Herstellern von pharmazeutischen Präparaten und Me- dizinprodukten sowie deren Vertreiber gelten sechs Prinzipien:

❃das Prinzip der Tranzparenz nach allen Seiten, insbesondere die Einbin- dung des Krankenhausträgers und der Krankenhausverwaltung in die Admi- nistration und Verteilung der Zuwen- dungen durch Einholung der Genehmi- gung der zuständigen Stelle unter Of- fenlegung aller für die Beurteilung der Beziehung von Arzt und Unternehmen wesentlichen Faktoren;

❃ das Prinzip der strikten Trennung zwischen Zuwendung, die die Industrie gewährt, und den Bestellungen, Emp- fehlungen und Ähnlichem. Die Ent- koppelung von materiellen und imma- teriellen Vorteilen und Bestellaufträ- gen muss dokumentiert werden;

❃das Prinzip der Schriftlichkeitaller Absprachen über Zuwendungen von Amtsträgern und anderen mit der Beschaffung befassten Personen und Medizinprodukteherstellern und Indu- striefirmen;

❃ das Prinzip der Bargeldlosigkeit;

❃ das Prinzip der Kostenneutralität (keine eigene Verfügungsmacht);

❃ Ausschaltung von Eigeninteressen und Interessen der Drittmittel fördern- den Industrie. Dr. rer. pol. Harald Clade P O L I T I K

A

A2556 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 40½½½½5. Oktober 2001

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