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IJber einige weibliche Caritativnamen im Hebräischen.
Von Frnuz Praetorius.
I.
Der Name Jev jüngeren Toehter des Saul, i), wird ge¬
deutet als Kürzung von bsr-?;. Ich halte diese Deutung nur in
so weit tür richtig, als beide Nanien mit einander allerdings in
Zusammenhang stehen; aber nicht in der Weise, dass ersterer ein¬
fach Kürzung des letzteren wiire.
Yon bNain sowohl , wie von in^^"?: (und sicher auch noch
von anderen theophoren , mit D"72 beginnenden Eigennamen) ist
Kürzung der auch im Palmyr. vorkommende Namen NS"?:, nr'^i.
Von dieser Kürzung aus ist durch Anhängung der caritativ-diminu-
ierenden Endung äl der specifisch weibliche Name bri7p gebildet. —
Wir erkennen nun dieselbe Endung in dem Nanien der judäischen
Königin b^TCH, 350 Jahre nach MTkal. Man hat den Namen ge¬
deutet = irr, -f b.; ,rori aftinis". Die Bedeutung könnte man
vielleicht gelten lassen ; wenn nicht in dem poetischen Sinne , so
doch in dem prosaisch-natürlichen, wie bei Wetzstein, .\usge\v. In¬
schriften S. 330. Aber cn wird im Semitischen zu derartigen
Zusammensetzungen sonst nicht gehraucht, wie andere Verwandt¬
scbaftsnamen. Wäre ein Uottesnamen b;: bekannt, so könnte man
eine Deutung nach dem Schema von bNi"i' u. s. w. vorschlagen ;
wir blicken aber vergeblich nach einem solchen br: aus.
So möchte ich denn blTCn deuten als *;::irn + ul. *::i7:n mag
vielleicht selbst schon Caritativbildung sein, an die dann nochmals die
caritativ-diminuierende Endung äl angetreten ist, den Namen zu einem
specifisch-weiblichen machend : Vielleicht Eidechslein, von :;7pii.-)
1) Für den Sept. bD57: verlosen (Wellliausen, liücli. Samuel. S. 15); noch
weiter Pes. _ ,^ ,
2) Vgl. 'J^Ci'l Wright's äthiop. Catalog S. 195 a: ferner v_aa>.ä2j
O O.J
Vw*..5.. V.>-«..5>-: alles Nameu, die Eidechse bedeuten. Herr Th. Nöldeke hat
w , o .. ' '
mich auf dieselben aufmerksam gemacht.
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Praetorms, Über einige iceibl. Caritativnamen im Hebräischen. 531
Hinge der Namen zusammen mit dem Verwandtschaftsnamen
cn, so wäre auch nicht bi:i7;n zu erwarten, sondern ba^^in. So
hat nun in der That das Ketib an zwei Stellen, während an beiden
Stellen b::iun gelesen werden soll ; in der dritten der drei Stellen,
an denen der Name überliefert ist, stimmen Schreibung und Lesung
in bL:i72n überein. Sept. beständig A^ixal. Ich muss unentschieden
lassen, ob neben *::n:r; ein Caritativ *'C'^i2n nebenhergegangen ist,
ob lediglich ein Schreibfehler vorliegt, oder ob wirklich eine bewusste Umbildung in "7:7; -|- bi;: stattgefunden hat. Es scheint aber, als
wenn schon die Hebräer selbst den Nanien volksetymologisch in
17:17 oder "7:n + b.: zerlegt haben. Ich schliesse das aus dem
gleichfalls weiblichen Eigennamen br"2N,') der zweimal aus Davids
Zeit angeführt wird, darunter einmal in einer älteren Quelle. Sind
meine Ausführungen über bL:i7:n richtig, so wird die Annahme
unabweislich werden , dass b;:"2N lediglich nach falscher Analogie
von b^i7:r! gebildet worden ist; vielleicht hat der Geschichts¬
schreiber clen Nanien bi:"3N nach dem Muster von b^i7:r. lediglich
erfunden. Und dadurch ist dann auch unsere Forschung irre¬
geführt worden. —
Wir werden nunniehr auch das Verhältnis zwischen den ver¬
schiedenen Formen des weiblichen , aus Davids Zeit überlieferten
Namens b;"2N, b"5"2N und vielleicht auch brains richtiger beur¬
teilen können, als das bisher geschehen ist. b:"rs 2 Sam. 17, 25,
b3"3N 1 Sam. 25, 32, b;"3N Kt. 2 Sam. 3, 3 ist durch angehängtes
dl gebildetes, specifisch weiblich gebrauchtes Caritativ eines etwa
Nj"3N lautenden Namens. Die.ser wird schwerlich als Vollnaraen
anzusehen sein, sondern bereits als Verkürzung eines solchen. Mit
Sicherheit können wir diesen Vollnamen kanm noch erschliessen:
Vielleicht war es 1?"2N . Möglich auch, dass 5"2N durch das unten zu erörternde caritative <j von cib-C"3N, bN"2N, yi"3N und ähnlichen abgekürzt ist.
In der gewöhnlicheren Form b^.'."3S, b^3"2N-) erkennen wir
nun die Häufung der beiden caritativen Endungen äl und di zu
dii. Also auch hier schon ist die Endung ai nicht mehr Endung,
sondern ist in das Innere des Wortes getreten, was im Arabischen
schliesslich zum Princip erhoben ist. AVenn das Ketib b":.i3N
1 Sam. 25, 18 nicht blosser Sehreibfehler ist, könnte es zu "7:irs,
virbN u. s. w. gestellt werden. —
1) In beiden Stollen zufällig Piuisa, -^"r.J{.
2) \'gl. auch Lidzbarski, Handbuch S. 504.
532 Praetorius, Über einige weibl. Caritativnamen im Hebräischen.
Der zweimal vorkommende weibliche Namen b-nias ergiebt
sich nunmehr als völlig verschieden von dem mehrmals tiberlieferten,
äusserlich so ähnlichen männlichen Namen bT^as. Wäbrend
letzterer = "as + b^n ist , sehen wir in ersterem die nunmehr
bekannte caritative Doppelendung ail an ri^aN gehängt. M^^N selbst
wird Verkürzung von in^as, lingät? oder ähnlichen Namen sein.
— Diesen Namen b"r;aN und bnas hat Hommel aus südarabischen
Inschriften nachgewiesen, als Namen von Sklavinnen aus Gaza
(Aegyptiaca S. 29).') —
Aller Wahrscheinlichkeit nach hat auch das Phönizische
sich des gleichen Suffixes b bedient zur Bildung specifisch weib¬
licher Kosenamen. Möglich, dass es im Phönizischen nicht gerade
al lautete; vielleicht (unbetont) al, el, oder bloss l. Ich nenne
zunächst den Namen der phönizischen Königstochter baTiN, pausa
ba'iN. Ausser diesem durch das AT. überlieferten Namen brino-t
■.■n • ^ o
eine phönizische Inschrift den gleichfalls weiblichen Namen biTNbya ;
s. CIS. Bd. 1 der phönizischen Abteilung Nr. 158. Noch eine andere
bringt den weiblichen Namen bail^'O!; siehe Lidzbarski, Handbuch
S. 420 Nr. 3, Z. Ass. IX, 404, Rev. Et. Juives Bd. 30, S. 118 ft'.
Aus der Vergleichung von brnsbya mit baTiria könnte man
scbliessen, dass das Vorhandensein oder Fehlen des N durch die
Lautverbältnisse bedingt sei, da bra konsonantisch, -a-ii vokalisch auslaute (wahrscheinlich il?©). Aber da jenes t< im Hebräischen
doch wohl als in: aufgefasst ist, scheint die Annabme eines pros¬
thetischen Lautes ausgeschlossen. So halte ich denn N ("N) ver¬
mutungsweise für den Rest eines Wortes ; etwa von ins oder "nN ?
Ich setze baTNbra einem hebr. n3T(Tii<)irf, naT(in5<)bN gleich;
vgl. ASSur-ah-iddin. Nur ist der phönizische Namen hinten ver¬
kürzt, etwa in arsbya; daran trat dann die caritative Endung b,
den Namen speciell weiblich wendend: Etwa baj^bsa. — Die
nächstliegende Deutung von batMO dürfte sein barad „der Himmel
1) Es ist beachtenswert, dass diese Endung ül, trotzdem sio den Accent trägt, uicht als Ül erscbeint. Bei 5k:i72n, b^^aN könnte man vielleicht an volksetymologiscbe Anknüpfungen an 31:, bez. bS (y"~) denken, kaum aber bei ba"?:. Ich möchte indes hervorheben, dass das unveränderte a nicht etwa Eigentümlichkeit dieser weiblichen Caritativendung äl ist, sondern dass die jüdische Überlieferung die Endung ül überhaupt mit einiger Beständigkeit un¬
verändert gelassen bat, wo immer sie Endung war, odor zu sein schien. So in dem männlichen Namen baiH^, bai", obwohl die noch ziemlich durch¬
sichtige Etymologie des Namens zeigt, dass die letzte Silbe wurzelhaft ist; ferner in don Fremdnamen 5aiP, SS"!,;., in dem Appellativum OWwH. Dem gegen¬
über bN^i,T : • ' bNc,T : ' baiiD,T ' bbsTT u. a.
Praetorius, Über einige weibl. Caritativnamen im Hebräisclien. 533
(oder O^robya) hat geschenkt' ; auf entferntere Möglichkeiten will
ich nicht eingehen. Durch Abstossung des theophoren Gliedes i)
«ntstand baTN, das die Hebräer zu baj'N gestalteten. —
Ein vermeintliches männliches ba^T im Palmyrenischen (Ledrain,
Diet, des noms propres palmyr. S. 23; Lidzbarski, Handbuch
S. 267; Mordtmann, Neue Beiträge zur Kunde Palmyra's S. 60)
ist MVAGes. IV, S. 37 richtig gestellt worden. bSTp gehört auch
wohl nicht hierher.
Wir erkennen iu dieser weiblich-caritativen Anwendung des
angehängten b kanaanäischer Eigennamen nur einen besonderen Ge¬
brauch dieses Suffixes, von dem wir Spuren in den meisten semi¬
tischen Sprachen finden. Nirgends tritt dieses Suffix im Semitischen
in kompakter Masse auf, immer nur erscheint es wie eingesprengt,
wie fremd. Seinen diminuierenden Sinn hat man längst erkannt.-)
Die Wörter freilich , welche man aus dem Hebräischen hierher¬
gezogen hat, sind recht unsicher: Am relativ sichersten scheint
immerhin noch bb'ai zu sein. Für das Arabische vgl. namentlich
Frankel, Beiträge zur Erklärung der mehrlautigen Bildungen im
Arabischen S. 47 tf. (Einiges davon schon früher bei Dietrich, Abh.
für semit. Wortforschung S. 316 f). Ich könnte dem noch einiges
hinzufügen, beschränke mich aber darauf, das von den Grammatikern 0,0. f- , o .
gebrachte Jjy^, ''■^ nennen (Mufassal g 681, Sibaw. g 509;
vgl. Grünert, Mischwörter S. 25). Freilich wird m. W. nirgends
berichtet, dass diese Worte caritativen Sinn haben; aber die Ver¬
mutung, dass dem so gewesen, liegt nahe. Für das Aramäische siehe
namentlich ZDMG. Bd. 22, S. 475.
Es ist wahrscheinlich, dass wir in diesem diminuierenden Suffix
b das gleichlautende und gleichbedeutende indogermanische Suffix
vor uns haben. Im Indogermanischen ist es heimisch, im Semitischen
entlehnt. Vgl. Brugmann, Grundriss der vergl. Grammatik II-"^ § 153.
II.
Der in den Büchern der Könige mehrfach überlieferte Namen
der j'C;i2N sieht sehr merkwürdig aus, wird aber durch Sept. Aßiaay,
AßiGax bestätigt. Obwohl im Palmyr. mehrfach der Frauennamen
bs'ü vorkommt (wozu man auch rb;'i vergleiche bei Hommel in
Aegyptiaca S. 29), obwohl weiter in hebräischeu und phönizischen
Eigennamen die Wui'zel 33b verwendet wird, so glaube ich nicht,
dass J'^i^N hier angeknüpft werden kann. — Ich wage die Ver¬
mutung, dass eine Verkürzung von üib\»'"3N vorliegt, etwa "C^SS
1) So schon Kon.m iu Rcv. I'^t. Juives V, S. 177 Anm. 3.
2) Icli mochte aber ausdrücklich bemerken, dass angehängtes l manchmal auch anderen Ursprungs und Wesens zu sein scheint.
Bd. LVII. 35
3 9*
534 Praetorius, Über einige weibl. Caritaticnamen im Hebräischen.
oder *Nb"'as, welche durch eine caritativ-diminuierende Endung
ug oder äk in den specifisch weiblichen Namen J"C"3N umgewandelt
ist. Jb^aN lebte ja in der Periode, aus der die Namen mbc-^SN,
"•i^aN, ■'l!;'' überliefert worden sind.
Semitischen Ursprungs wird auch dieses Suffix schwerlich sein
(trotz ZAss. IX, 287). Aber so gut wie 1700 Jahre später das
gleiche caritative Suffix aus dem Persischen ins Arabische drang
,, j
und Namen wie ^i^^^^ ti5^*AS>!^j! veranlasste (vgl. ZDMG. 31,
S. 140 f.; WZKM. 9, S. 3G3, welche Citate ich G. Hoftmann ver¬
danke), — ebensogut können wir auch annehraen, dass schon zu
Davids Zeit dieses Suffix aus einer der indogermanischen Sprachen
Vorderasiens gelegentlich nach Kanaan gedrungen und dort ver¬
wendet worden sein mag. Vgl. Brugmann a. a. 0.; Nöldeke.
Persische Studien I, S. 26 und 31 ft'.')
1) Zu beachten auch hier dg, nicht ng. Wie -'""S; Sil", ;;e.
3 9*
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Türkische Lautgesetze.
(Ill Gestalt einer Besprechung von Yilh. GrOnbech, Poi-studier til
tyrkisk lydhistorie. Kopenhagen 1902 [Lehmann k StaceJ.
121 S. 8".) Von Holger Pedersen.
Der tiirkische Sprachstamm gehört zu denjenigen, bei denen
die Möglichkeit einer S)n-achgeschichtliehen Erforschung in aus¬
gedehntem Maasse gegeben ist. Eine nicht geringe Anzahl der
modernen Sprachen oder Dialekte ist uns einigermaassen genau
bekannt, und unter den oinzelsprachlichen Darstellungen findet sich
eine so vorzügliche Arbeit wio Böhtlingk's Darstellung des
.lakutischen , welche einen sehr bedeutenden Einfluss auf die Ent¬
wickelung der allgemeinen türkischen Sprachwissenschaft ausgeübt
hat. Der Mangel an altern Sprachdenkmiilern ist dnrch Yilh.
Thomsen's glänzende Entdeckung zum Teil aufgehoben worden.
Zusammenfassende Arbeiten sind übrigens schon früher unter¬
nommen worden. Dass Vambery's Etymologisches 'Wörterbuch
verdienstvoll und nützlich gewesen ist, wird kein aufmerksamer Be¬
obachter ableugnen; aber deu liegritt' der Etymologie hat Vambery
nicbt richtig aufgefasst; er seheint fast nur die Wurzelotymologie
als Etymologie zu betr.achten; urtürkische Wörter, die sich keiner
Zerlegung fügen wollen und sich auf keine sonst vorkommende
Wurzel zurückführen lassen , sind daher bei ihm sehr oft weg¬
gelassen (man wird z. B. die meisten Zahlwörter bei ihm vergeblich
sucben) ; andererseits h.it das Suchen nach Wurzeln sehr viel über¬
kühne Etj'mologien veranlasst, welche zum Teil schon von Radlntf
gerügt worden sind. Dass ViinilK'ry sich der Gefalir bewusst ge-
♦ wesen ist, welche das auf Wurzeln zielende Etymologisieren mit
sicb fiihrt, geht aus den verständigen, sehr zu beherzigenden Äusse¬
rungen auf der ersten Seite seines Vorwortes hervor. Überall in
der Welt ist die Wurzelotymologie gefährlich, .im allergefährlichsten
iist sie aller im Türkischen. Der streng geregelte Habitus der
türkischen Wörter (wonacb z. B. im .4nlaut nur e i n Konsonant,
und zwar fast nur ein Geräuschlaut oder /, stehen darf und wo-
■ir,*