Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 42|
17. Oktober 2014 A 1775 VERSORGUNGSSTÄRKUNGSGESETZDer erste Aufschlag ist gemacht
„Wir haben bereits einiges getan, aber wir setzen bewusst nach.“ So hat Bundes - gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) Ende September ein zweites Gesetz zur Versorgungsverbesserung angekündigt. Nun ist der Entwurf da.
S
eit dem 8. Oktober kursiert in Berlin ein 140 Seiten umfas- sender Entwurf für ein „Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der ge- setzlichen Krankenversicherung“, kurz Versorgungsstärkungsgesetz.Offiziell handelt es sich um einen abteilungsinternen Entwurf, der mit Gröhe noch nicht abgestimmt ist.
Wie mehrfach von Gröhe ange- kündigt, sollen die Kassenärztli- chen Vereinigungen (KVen) Termin- servicestellen einrichten. Deren Mitarbeiter müssen Patienten mit einer Überweisung innerhalb einer Woche einen Termin nennen, der maximal vier Wochen später liegt.
Ausnahme: „Einer Überweisung bedarf es nicht, wenn ein Behand- lungstermin bei einem Augenarzt, Frauenarzt oder Kinderarzt zu vermitteln ist.“ Im Bundesmantel- vertrag sollen Kassenärztliche Bun- desvereinigung (KBV) und GKV- Spitzenverband festlegen, welche Entfernung zum Arzt Patienten bei dieser Terminvermittlung zuzumu- ten ist – aber auch, wann es keinen medizinischen Grund zur Eile gibt und damit keinen zur Vermittlung.
Praxissitze: Verschärfung
Weiterhin ist vorgesehen, den Ab- bau von Praxissitzen bei Überver- sorgung zu forcieren. Konkret wird die „Kann-Regelung“ verschärft:Bisher konnte ein Zulassungsaus- schuss es ablehnen, einen Vertrags- arztsitz in einem überversorgten Planungsbereich neu zu besetzen.
Nun soll er so verfahren.
Auch die umstrittene Neurege- lung zur Zusammenarbeit von Haus- und Fachärzten in den Vertreterver- sammlungen (VVen) der KVen und der KBV wird aufgegriffen. In den VVen sollen über Belange, die aus- schließlich die hausärztliche Versor- gung betreffen, nur deren Vertreter abstimmen – und bei den Fachärz-
ten entsprechend. Bei gemeinsamen Abstimmungen sollen die Stimmen so gewichtet werden, dass Parität besteht. Details soll die Satzung vorgeben. Neu ist auch, dass KVen und KBV einen beratenden Fach- ausschuss für angestellte Ärzte ne- ben dem für Hausärzte und dem für Fachärzte einrichten sollen.
Künftig können arztgruppenglei- che Medizinische Versorgungszen- tren (MVZ) gegründet werden.
Ebenso soll es Kommunen möglich werden, MVZ zu gründen.
Die KVen müssen Praxisnetze fördern, „soweit dies einer Verbes- serung der ambulanten Versorgung dient und es sich um ein von der KV anerkanntes Praxisnetz han- delt“. Der Gesetzentwurf verpflich- tet sie, für anerkannte Praxisnetze gesonderte Vergütungsregelungen vorzusehen. Denkbar sind „auch ei- gene Honorarvolumen als Teil der morbiditätsbedingten Gesamtver- gütungen“. Bislang haben acht von 17 KVen Regeln für eine Anerken- nung von Praxisnetzen formuliert.
In die Honoraranpassungen im ambulanten Bereich müssen regel- mäßig betriebswirtschaftliche Da- ten aus sachgerechten Stichproben einfließen. Auch eine einmalige Anpassung der Gesamtvergütung in Regionen, in denen diese nachweis- lich zu niedrig ist, soll erfolgen.
Hochschulambulanzen sollen ange- messener honoriert werden.
Den Einsatz von Versorgungsas- sistentinnen in der Praxis soll im Einheitlichen Bewertungsmaßstab
„angemessen bewertet“ werden.
Klargestellt wird, dass sie delegati- onsfähige Leistungen nicht länger nur in unterversorgten Regionen oder im häuslichen Umfeld von Pa- tienten erbringen können.
Die bundeseinheitlichen Vorga- ben für Wirtschaftlichkeitsprüfun- gen von ärztlich verordneten Leis-
tungen sollen aufgehoben und ab 2017 durch regionale Vereinbarun- gen zwischen Landesverbänden der Krankenkassen und KVen ersetzt werden. „Die Vertragspartner auf Landesebene sind bei der Ausge- staltung der Prüfungen grundsätz- lich frei“, heißt es. Basis sollen je- doch Rahmenvorgaben der Bundes- ebene sein.
Die Möglichkeiten, Kranken- hausärzte zur Teilnahme an der am- bulanten ärztlichen Versorgung zu ermächtigen, werden erweitert. So soll eine Ermächtigung für einen Zulassungsausschuss verpflichtend sein, sofern der jeweilige Landes- ausschuss Versorgungsbedarf fest- gestellt hat. Die KVen sollen zudem zur Versorgung in sprechstunden- freien Zeiten mit Kliniken und Ret- tungsleitstellen kooperieren.
Entlassung: mehr Spielraum
Die Zahl der zu fördernden Stellen in der Weiterbildung Allgemeinme- dizin soll bundesweit mindestens 7 500 betragen. Die KVen dürfen diese nicht mehr begrenzen.Das Krankenhaus-Entlassmana- gement wird verbessert. So können Krankenhäuser beispielsweise Arz- neimittel und häusliche Kranken- pflege für bis zu sieben Tage ver- ordnen.
Die Möglichkeiten für Versi- cherte, vor Eingriffen oder einer medizinischen Rehabilitation eine Zweitmeinung einzuholen, werden ausgeweitet. Der Gemeinsame Bundesausschuss soll bestimmen, welche Eingriffe dafür in Frage kommen. Er kann auch festlegen, welche Qualifikation Ärzte erbrin- gen müssen, die Zweitmeinungen
abgeben wollen.
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Falk Osterloh, Sabine Rieser
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Reaktionen und Details zum Entwurf:www.aerzteblatt.de/141775